Blutch – Lucky Luke Hommage 6

Die Ungezähmten

Story: Blutch
Zeichnungen: 
Blutch

Originaltitel: Lucky Luke – Les Indomptés

Story House Egmont

Softcover/Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 8,99 € / 16,00 € |

ISBN: n/a / 978-3-7704-0902-0

Cover Lucky Luke Hommage 6

Auch der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, muss sich der Gegenwart stellen. Plötzlich weht ein neuer Wind und der Claim dieses Bandes ist „Der Mann, der den Zaun erschoss“. Trotzdem ändert sich nicht alles: immerhin rauchen weiterhin nur die Schurken!

Ein moderner Mann kümmert sich um die Kinder

Lucky Luke war bisher ein typischer männlicher Berufstätiger. Er arbeitete ohne Unterlass, kannte weder Ferien noch Feierabend, und war nicht bereit, irgendwelche täglichen Aufgaben zu übernehmen. Und wenn doch Aufgaben dieser Art zu erledigen waren, war es eher wahrscheinlich, dass Jolly Jumper sie übernommen hätte. Nun aber gerät er in eine Zwickmühle.

Unser Held sorgt dafür, dass ein Kleinkrimineller, Rufus Kinker, eingebuchtet wird. Nun sind aber seine beiden minderjährigen Geschwister ohne Aufsicht. Zudem sind sie so unerzogen, dass keine Institution sie in ihre Obhut nehmen möchte. Es bleibt ihm also nicht übrig als die Aufsicht zu übernehmen und gleichzeitig der Hoffnung nachzujagen, dass die Eltern nur verschwunden und nicht gestorben sein mögen.

Blutch, wie sich Christian Hincker in der Comicwelt nennt, ist es mit Die Ungezähmten gelungen, dem Kosmos des lonesome Cowboys eine neue Facette hinzuzufügen. Die Figuren bleiben gleich, verhalten sich auch wie erwartet, und doch ist alles Neu. Chapeau!

Nicht so rund

Blutch zeichnet nicht so rund wie etwa Morris oder Achde. Seine Figuren sehen irgendwie dreckiger aus, passen dadurch eher in einen Western, fallen aber aus dem erwarteten Schema. Nicht, dass man jetzt gleich in das Italo-Western Genre fallen würde, aber John Wayne ist es auch nicht mehr…

Wer damit klar kommt, wird seinen Spaß an dem Band haben. Die Kinder sind unerzogen, aber nicht bösartig. Die Ganoven sind nicht gesetzestreu, aber ebenfalls nicht wirklich bösartig. Die Indianer sind etwas schematisch dargestellt, ebenfalls aber sympathisch. Und die Bürger sind wie eh und je eine Katastrophe und wollen stets das Beste (für sich) und schaffen das Schlechte (für alle).

Nicht nur für Komplett-Sammler*innen

Natürlich gibt es eine ganze Menge an Menschen, die aus Prinzip jedes neue Album von Lucky Luke kaufen. Im Zuge des aktuellen Western-Revivals dürfte es aber auch eine Anzahl von Interessierten geben, die nicht wegen, sondern trotz des Reihentitels einen Kauf in Erwähnung ziehen. Denen sei gesagt, dass ein Blick sich lohnt. Blutch’s Version des Cowboys ist modern, spannend erzählt und abseits der ausgetretenen Pfade.

Natürlich wird der Absatz in Deutschland dem der Version von Ralf König nicht gleichen. Trotzdem lohnt ein Blick! Wie immer gibt es eine Kiosk-Version und eine gebundene Ausgabe für den Buch- und Fachhandel.

Dazu passen ein Maibock und der gute alte Ian Dury.

© Lucky Comics 2024/ Egmont EHAPA Media GmbH, Berlin 2024

Delaf – Gaston 22

Die Rückkehr eines Chaoten

Story: Delaf nach André Franquin

Zeichnungen: Delaf nach André Franquin

Originaltitel: Gaston 22 – Le Retour de Lagaffe

Carlsen Comics
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,00 €
ISBN: 
978-3-551-64001-7

Cover Gaston 22

Wir feiern (immer noch) den 100. Geburtstag eines der besten Comic-Künstler überhaupt, der den europäischen Comic wie nur wenige andere beeinflusst hat: André Franquin. Viele seiner Werke sind gerade in Sondereditionen neu erschienen, die Zeitschrift Spirou hat gar eine sehr schöne Sondernummer (4473 – 4474) veröffentlicht. Natürlich sind mit diesem Namen Serien wie Spirou und Fantasio oder Mausi und Paul verknüpft, das gelb-schwarze Wundertier hüpft über die Seiten. Daneben gibt es aber auch die anarchistische Seite, die sich in einigen Schwarzen Gedanken äußert, in der Kritik an der Institution Kirche, vor allem aber in den Abenteuern des Büroboten Gaston.

Zurück in die Zukunft …

21 Bände mit den aberwitzigen Geschichten von Gaston sind erschienen und eine sehr lange Zeit sah es so aus, als ob es dabei bleiben würde. Zwar kamen immer neue Gesamtausgaben auf den Markt und wurden teilweise vergessene Bruchstücke hinzugefügt, Neues schien aber verboten zu sein. Natürlich mal abgesehen von den unzähligen Hommagen und Cameoauftritten. Schließlich schon es so weit zu sein, der Kanadier Delaf (mit bürgerlichem Namen Marc Delafontaine) fabrizierte einige Seiten, aber ein Rechtstreit verhinderte zunächst die Veröffentlichung. Bis jetzt …

Die Jahrzehnte, die zwischen Band 21 und Band 22 liegen, haben in gewisser Weise gar nicht stattgefunden. Fräulein Trudel ist noch genauso die alte wie Herr Bruchmüller, Demel oder Polizist Knüsel. Während das bei Letzteren nicht weiter schadet, ist das Rollenbild der verliebten Kollegin leider „leicht“ veraltet. Die Gags funktionieren trotzdem und bringen das gesamte Ensemble auf die Bühne: sogar Spirou, Demels Vorgänger Fantasio und das Marsupilami dürfen mittun!

Gaston 22 page 3

Die Gags modernisieren die Umgebung nur leicht und sind daher für Kids möglicherweise nicht ohne Erklärung verständlich. Das mobile Telefon ist für die Älteren unter uns aber ein genauso großer Spaß wie der Campingurlaub und die nur auf Papier vorhandenen Verträge. Es gibt aber auch bereits erste E-Bikes und Reminiszenzen an Spider-Man. Ein gelungener Versuch, den alten Stallgeruch aufzunehmen und (sehr zaghaft) zu modernisieren.

Zeichnungen, die das Flair einfangen

Natürlich ist Delaf kein Franquin. Wer das erwartet, glaubt aber auch an den Weihnachtsmann. Delaf kopiert jedoch den Stil sehr originalgetreu und schafft damit das Vertrauen, das es braucht, eine Meisterserie fortsetzen zu können. Einige Bilder mögen etwas zu voll sein, natürlich fehlt die lustige, immer wieder andere Signatur und das Tempo stimmt (noch) nicht immer.

Gaston 22 page 4

Das ist aber ein Meckern auf hohem Niveau! Für mich springt der Funke über, der Irrwitz aus Respektlosigkeit, grenzenloser Naivität und unbekümmertem Urvertrauen wird durch die Zeichnungen perfekt unterstützt. Weiter so! (Und: Ja, ich weiß, dass es Purist*innen gibt, die das Ganze nur als Affront verstehen während anderen die Modernisierung nicht weit genug geht…).

Ein gelungenes Comeback

Viele alte Serien aus der Blütezeit des frankobelgischen Comics sind „runderneuert“ wieder auf dem Markt, andere sehen sich eher den Traditionen verbunden. Der „neue“ Gaston gehört definitiv in die zweite Kategorie. Kids sind eindeutig nicht die Zielgruppe! Fairerweise muss man allerdings zugestehen, dass die beruflichen Erlebnisse einer Redaktion schon immer aus der Welt der Erwachsenen entnommen waren.

Wir haben heutzutage viel zu wenig Spaß in unserer auf Verwertung und Optimierung getrimmten Welt. Gaston ist definitiv ein Ereignis, eine Naturgewalt, von der man hofft, dass sie andere Firmen heimsuchen und die eigene verschonen möchte. Trotzdem gibt sie genau das, was fehlt: Anarchie im Alltag! Für mich ein Top-Tipp!

Dazu passen Bite Me Bambi mit “Bad Boyfriend“ und ein Grauburgunder.

© der Abbildungen Delaf d`après Franquin Dupuis 2023 | 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Franquin – Huba!

Eine Marsupilami-Liebesgeschichte

Story: André Franquin

Zeichnungen: André Franquin (Adaption Catheline & Frédéric Jannin)

Originaltitel: Houba ! Une histoire d´Amour

Carlsen Comics
Hardcover Querformat | 64 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 
978-3-551-71129- 8

Cover Franquin - Huba!

Wenn ein berühmter Autor einen runden Geburtstag feiert, erst recht, wenn es der 100. ist, erscheinen alle möglichen Sonderausgaben. Einerseits versucht natürlich der Verlag, Umsatz zu machen, andererseits ist es oft auch eine wirkliche Anerkennung der Leistung. Zum Jubiläum von André Franquin erscheinen auf Deutsch einige spezielle Ausgaben, u.a. eine neue Gaston Gesamtausgabe, Luxuseditionen der Bravo Brothers und der Schwarzen Gedanken. Neu ist ebenfalls die Geschenkband-Edition der wohl bekanntesten Marsupilami-Geschichte überhaupt.

Romantik pur

Die Geschichte über die Anbahnung einer Liebesbeziehung war ursprünglich eingebettet in ein Abenteuer der Serie um Spirou und Fantasio. Das Nest im Urwald erzählte von einer Expedition in den Urwald Palumbiens und das Fabeltier, genannt Marsupilami, war fortan der heimliche Star der Serie. Franquin behielt jedoch die Rechte an der Figur als er die Geschichten um Spirou in andere Hände abgab, um zusammen mit Batem eine eigene Reihe zu starten. Erst vor einigen Jahren und nach jahrelangem Gezerre konnte die Figur erneut in ihrer eigentlichen Serie wieder auftreten.

Franquin - Huba! - Detail 1

Dieser Band enthält die wortlose Liebesgeschichte zweier Marsupilamis. „Er“ lebt sein Leben im Urwald, bis er auf „Sie“ trifft und sofort begeistert ist. Zunächst einmal muss er sie allerdings überzeugen, dass sein Werben ernst gemeint ist. Da es sich um eine Liebesgeschichte handelt wird nicht zu viel verraten, wenn erwähnt wird, dass aus dieser Beziehung drei Kinder entstehen.

Neben der gehörigen Portion Romantik besticht die Geschichte aber auch mit dem unverwechselbaren Humor der bitterbösen Klamauk auf Kosten von Großkatzen und Piranhas mit dem liebevollen Schmunzeln über die Sorgen junger Eltern beim Entwirren der verknoteten Schwänze mischt.

Modernisierte Zeichnungen

Die Geschichte erscheint in einer leicht modernisierten Form, adaptiert von den beiden Jannins und auf das Querformat ummontiert. Die einzelnen Panel sind dadurch etwas größer und kommen naturgemäß besser zur Geltung. Während die Figuren selbst unverändert sind, ist der Hintergrund teilweise angepasst worden. Das stört aber nicht.

Franquin - Huba! - Detail 2

Die Details in den Blättern der Pflanzenwelt des Urwaldes laden dazu ein, Überraschungen und Anspielungen zu entdecken. Die Körpersprache der Tiere drückt viel mehr aus als jedes Wort vermöchte und die Fähigkeit, Eigenarten zu präsentieren, ist perfekt ausgebildet.

Ein Geschenk …

… für alle, die Humor, Romantik und Kunstfertigkeit zu schätzen wissen. Wer diese Geschichte noch nicht hat, sollte durchaus überlegen, sich selbst ein Geschenk zu machen! Alle Altersstufen werden ihre Lesart finden. Insofern kann man damit eigentlich nichts verkehrt machen. Und in heutigen Zeiten kann es auch mal notwendig sein, etwas Unbeschwertes haben oder verschenken zu wollen.

Franquin - Huba! - Detail 3

Der doch stattliche Preis wird über ein vernünftig fadengebundenes Hardcover gerechtfertigt, das im eher ungewohnten Querformat daher kommt.

Dazu passen The Smiths mit “Some Girls are bigger than others“  und ein trockener Prosecco.

© der Abbildungen Dupuis, Dargaud-Lombard SA 2010, by Franquin| 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Vernes/Attanasio – Bob Morane Classic 2

Das Geheimnis der Antarktis

Story: Henri Vernes
Zeichnungen: 
Dino Attanasio
Originaltitel: 
Le secret de L´antarctique

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 20,00 €

ISBN: 978-3-949987-28-1

Cover Bob Morane Classic 2

Seit Anfang der 50-er Jahre erlebt der ehemalige Offizier Bob Morane seine Abenteuer in Buchform, seit 1959 auch als Comic. Mehr als 200 Werke sind mittlerweile erschienen, der erste Roman, der auf Deutsch verlegt worden war, ist jetzt wieder erhältlich. Die Comics haben es in Deutschland auf die Seiten des Koralle-ZACK geschafft und die jüngeren Werke sind seitdem immer wieder mal veröffentlicht worden. Die Anfänge allerdings waren bisher sträflich vernachlässigt worden. Aktuell erscheinen die Bände von William Vance im All Verlag, die späteren Sonderbände sowie die regulären Ausgaben von Dino Attanasio und Gerald Forton in der ZACK-Edition. Die Anfänge allerdings waren bisher sträflich vernachlässigt worden.

Dinosaurier und moderne Zivilisationen

Bob Morane und sein Freund und Begleiter Bill Ballantime begleiten einen befreundeten Professor in die Antarktis. Er hat sich in den Kopf gesetzt, das Geheimnis der Antarktis zu lösen. Er vermutet, dass es dort eine Stadt im Eis geben müsse, die von Überlebenden der sagenhaften und untergegangenen Kultur Mu erbaut worden ist. Zwar gelangen die drei mit einem kleinen Flugzeug fast bis an ihr Ziel, sie müssen nach einem Beschuss von feindlichen Fliegern allerdings notlanden.

Tatsächlich entdecken die Abenteurer Reste einer alten Zivilisation unter dem Eis, werden aber von einem Erdbeben überrascht und können nicht mehr zurückkehren. Auf ihrem weiteren Weg müssen sie viele Gefahren überstehen bevor sie schließlich in einer von hohem Eis umschlossenen Landschaft herauskommen die an Caprona, das vergessene Land erinnert. Wie schaffen es drei Menschen der Jetztzeit, den urzeitlichen Fleischfressern zu entkommen?

Neben den urzeitlichen Wesen beherbergt das Tal aber noch mehr Menschen. Sie haben sich hierhin zurückgezogen und eine eigentlich friedliche, technologiebasierte Gemeinschaft gegründet, die dem Rest der Welt weit überlegen ist. Natürlich müssen Bob und Bill wieder die Kartoffeln aus dem Feuer holen, machen das aber auch auf eine spannende und halbwegs logische Art und Weise. Mit den Urzeitviechern darf man stringente Logik allerdings nicht erwarten.

Ein frankobelgischer Klassiker

Henri Vernes hat immer wieder Ausflüge in die Science-Fiction oder die Fantasy unternommen, lässt seinen Helden aber grundsätzlich ähnlich wie James Bond operieren. Er ist allerdings deutlich jugendfreier und enthält kaum sexuelle Anspielungen. Dementsprechend brav ist auch die Umsetzung in einer der größten französischsprachigen Frauenzeitschriften der damaligen Zeit. Dino Attanasio präsentiert Bob (und auch den Sidekick Bill) als gut gebaute, trainierte aber anständige Herren.

Bob Morane Druck
Von Dino Attanasio signierter Druck

Die urzeitliche Flora und Fauna gelingen gut, sogar in Kombination mit den aus damaliger Sicht sehr fortschrittlichen Maschinen. Was in einem Film wie dem angesprochenen Caprona heutzutage eher etwas bemüht wirkt, hat im Comic zwar etwas Patina angesetzt, sorgt aber nicht für Lachanfälle. Im Gegensatz, das Werk ist immer noch gut zu lesen und dürfte jeden Fan des klassischen frankobelgischen Abenteurercomics erfreuen!

Liebevolle Gesamtausgabe des Bob Morane-Frühwerkes

Obwohl die klassischen Stories spannend geschrieben und grafisch hochklassig umgesetzt sind, fehlte doch bisher eine adäquate deutsche Veröffentlichung. Georg F. W. Tempel setzt das in der ZACK-Edition super um, verzichtet auf Gelegenheitskäufer und kann daher auch eine kleine Auflage kostendeckend herstellen. Dazu kommen Gimmicks wie limitierte Drucke, die für Subskriptionen vorgesehen sind.

Jeder Band enthält einen kleinen redaktionellen Beitrag mit Abbildungen der Originalcover, Anzeigen und natürlich bibliografischen Angaben. Und natürlich beweist Attanasio wie auch bei Spaghetti oder den Macaronis, dass er einer der Großen war.

Dazu passen T. Rex („Ride A White Swan“) und ein transportfähiges, kälteresistentes Faxe Dosenbier.

© der Abbildungen Vernes – Bob Morane Inc / Attanasio – Ed. Hibou | 2023 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Crepax – Dr. Jekyll und Mr. Hyde

und Der Prozess, Die Drehung der Schraube & Frankenstein

Story: Robert Louis Stevenson, Mary Shelley, Franz Kafka, Henry James, Guido Crepax
Zeichnungen: Guido Crepax

Originaltitel: Dr Jekyll e Mr. Hyde …

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 280 Seiten | Farbe | 55,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-315-1

Cover Crepax - Jekyll & Hyde

Nachdem der Splitter-Verlag schon Dracula in der Version von Guido Crepax veröffentlicht hatte, folgen nun weitere Werke der Weltliteratur. Der Italiener hat durchaus das eine oder andere sehr explizite Werk verfasst, Seine Interpretationen der Klassiker erscheinen zwar in dem Sublabel Splitternackt, sind aber definitiv nicht so gewagt, dass sie unter den Ladentisch gehören würden.

Ein Horror-Mix

Alle Romane/Erzählungen dieses Bandes drehen sich um die Frage, wer oder was der Mensch sein möchte oder sein sollte. Dieser psychologische Konflikt hat schon manchen in die Verzweiflung getrieben und ernährt eine ganze Berufssparte. Dr. Jekyll & Mr. Hyde ist die wohl bekannteste dieser Geschichten. Der reiche, gutaussehende Dr. Jekyll hält es nicht mehr aus, brav zu sein und den Erwartungen an ihn zu entsprechen und entwickelt eine Methode, sein „gutes“ von seinem „bösen“ Ich zu spalten.

Franz Kafkas Beitrag zur Weltliteratur ist eine Sammlung auch heute noch verstörender Geschichten. In Der Prozess wird der Protagonist verhaftet, niemand kann oder will ihm aber sagen, warum das geschehen ist. Im Laufe der Zeit verliert die Wahrheit resp. die Realität komplett an Bedeutung. Frankenstein ist dagegen zwar dem Namen nach bekannt, die meisten verwechseln aber das erschaffene Wesen mit seinem Schöpfer. Crepax bleibt sehr dicht an der Vorlage und beschreibt Angst, Hoffnungslosigkeit und Rache.

Crepax - Jekyll & Hyde page 11

Die Drehung der Schraube ist eine Adaption eines Romanes von Henry James der wiederum Anleihen bei Hans-Christian Andersen getätigt hat. Sie ist modern als sie versucht, pädagogische Prinzipien zu diskutieren, und auch, indem sie sexuelle Übergriffigkeiten als solche thematisiert. Sie hilft damit den Objekten zu Subjekten zu werden.

Die Kunst der einzelnen Striche

Es handelt sich hier um Werke aus der letzten Phase des Zeichners. Die Möglichkeit in Magazinen vorveröffentlichen zu können war vorbei, für eine Albenveröffentlichung mussten die Stoffe gesellschaftsfähiger werden. Noch vor dem Hype der Graphic Novels waren Umsetzungen der Klassiker ein Weg, die Buchhandlungen zu erreichen.

Crepax - Jekyll & Hyde page 14

Crepax bleibt allerdings seinem Stil treu: Frauen, die nicht wenigstens einmal im Laufe der Geschichte eine erotische Pose einnehmen, sind bei ihm nicht vorgesehen. Seine Zeichnungen verlassen oft das „Gerüst“ eines typischen Comics und verquicken einzelnen Bilder zu einem Gesamtbild, wechseln Leserichtung und Anordnung und fordern dadurch die Leser*innen heraus. Sein klarer Strich und das Auge für die Komposition machen das zu einem Genuss!

Mehr als Kunst

Man mag die Frage stellen, ob es opportun ist, Werke von alten weißen Männern neu aufzulegen. Diese Frage müsste aber an die gesamte Kunst gestellt werden, tradieren doch fast alle Werke das typischerweise von Rassismus, Sexismus und Gewalt geprägte Verständnis ihrer Zeit. Hier ist es nicht anders, allerdings stellt Crepax schon einige für seine Zeit moderne Fragen. Die Einordnung der einzelnen Werke wird jeweils durch einen mehrseitigen Artikel vorgenommen, der Werk, Hintergrund und Rezeption erläutert.

Crepax - Jekyll & Hyde page 18

Das Werk ist mit fast 300 Seiten ein echter Klopper, liegt allerdings trotzdem noch gut in der Hand. Die Zeichnungen profitieren von dem großen Format und das leicht glänzende Papier lässt trotz des schwarz-weißen Inhalts keine Durchscheinungen erkennen. Angemessen!

Dazu passen The Association mit ihrem „Along Comes Mary“ und ein Manhattan!

© der Abbildungen Guido Crepax, 1986, 1989, 1997, 1999 / Archivio Crepax e Guido Crepax, 2012 | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Pratt – Fort Wheeling 2

“Sechs Jahre später“

Story: Hugo Pratt

Zeichnungen: Hugo Pratt
Originaltitel: 
Fort Wheeling

schreiber & leser

Hardcover | 136 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 
978-3-96582-148-4

Cover Pratt Fort Wheeling 2

Es ist durchaus nichts ungewöhnliches, dass eine Serie über mehr als drei Jahrzehnte läuft. Sie hat dann allerdings üblicherweise eine ganze Reihe von Bänden, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen. Fort Wheeling ist dagegen eigentlich nur ein durchgehender Roman der 1962 begonnen worden war und 1994 sein Ende fand.

Überleben in Zeiten des Krieges

Criss Kenton, der Held dieser Geschichte ist ein Überlebenskünstler. Er bewegt sich inmitten des Kriegsgebietes und hat Kontakt zu allen möglichen Parteien: Engländern, Franzosen, Amerikanern sowie unterschiedlichen und teils verfeindeten Stämmen der First Nations. Sein Freund ist Tiny, ein Überlebender, der seine Stammeszugehörigkeit von Zeit zu Zeit neu definiert, seine Freundin eine Immigrantin aus Holland. Trotz aller Versuche, ihn für eine Sache zu gewinnen, scheitert eine wirkliche Vereinnahmung doch immer wieder an seiner Ablehnung der soldatischen Tugenden.

Trotz allem lässt er sich überreden, als Spion für die amerikanische Sache agieren zu wollen. Eigentlich aber möchte er nach Westen, bestenfalls mit seiner geliebten Mohena. Auf dem Weg trifft er alte Bekannte und erleidet neue Wunden. Seine Lebensphilosophie wird hinterfragt von allen, die sich genau einer Sache verschrieben haben, und das Leben meint es nicht wirklich gut mit ihm.

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Besonders beeindruckend sind die Szenen, die ihn mit seinem alten Freund und ehemaligen Mitstreiter zeigen. Die beiden stehen auf unterschiedlichen Seiten und selbst Freundschaft und ein gewisses Verständnis führen nicht dazu, dass die Regeln der Machtstrukturen in Frage gestellt würden. Pratt moralisiert nicht, stellt aber trotzdem die Frage, was ein Leben wert ist, wenn es einer Ideologie missfällt.

Wieder in zwei Varianten

Schreiber & Leser, der Verlag aus Hamburg, der auch andere Werke von Hugo Pratt wie etwa Corto Maltese verlegt, hat es sich zum Prinzip gemacht, diese in zwei Ausgaben zu veröffentlichen. Die „Klassik-Edition“ erscheint in schwarz-weiß und zeigt die Inhalte im Original. Die reguläre Edition enthält die (von Pratt selbst) kolorierte Fassung.

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Pratt zeigt den Helden gereifter als in Band 1, macht damit deutlich, dass sechs Jahre zwischen den Ereignissen liegen. Die Körpersprache drückt eine gewisse Resignation aus, die die anfängliche Naivität ersetzt hat. Weiterhin grandios sind allerdings die Naturdarstellungen, die in minimalistischer Weise die grandiose Weite ausdrücken. Allein schon deswegen ein Top-Tipp!

Ein grandioser Comic-Roman!

Manche Western sind Massenware, die nichts anderes wollen als eine Flucht in die reine Unterhaltung zu ermöglichen. Dieser Anspruch wird teilweise gepaart mit einer mehr oder weniger archaischen Philosophie die die Männlichkeit, Urwüchsigkeit und Macht der Gewalt als Säulen aufweist. Hiervon ist bei Pratt nichts zu merken. Auch er beschreibt eine Man’s World, heroisiert sie aber nicht. Zudem gesteht er seinen weiblichen Protagonistinnen eigene Pläne und Positionen zu.

Sein Roman ist eher geprägt durch eine melancholische Wehmut, dass die eigenen Ziele schon von irgendjemanden negativ beeinflusst werden. Trotzdem darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden! Beide Ausgaben enthalten ein Lexikon über die Geschichte der wichtigsten realen Personen die im Comic auftreten und ein Vorwort von Hugo Pratt. Keinesfalls nur für Western-Fans!

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Dazu The Skids „Into the Valley“ und ein amerikanischer Primitivo.

© der Abbildungen Casterman, Belgium, 1995, Wheeling, le sentier des amitiés perdues | Cong S.A., Switzerland, 1962/1995| 2024 Schreiber & Leser, Hamburg

Franquin – Schwarze Gedanken

Gesamtausgabe

Story: André Franquin (und andere)

Zeichnungen: André Franquin

Originaltitel: Idées Noires L´Intégrale

Carlsen Comics
Hardcover | 80 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-551-79839-8

Cover Franquin - Schwarze Gedanken Gesamtausgabe
© Franquin – Fluide Glacial, 2020

André Franquin ist einer der bekanntesten belgischen Comic-Künstler überhaupt. Seine Version von Spirou und Fantasio ist immer noch die Referenz für alle Nachfolger, seine eigene Schöpfung Gaston ein unglaublicher Geniestreich. Zu seinem 100. Geburtstag bringt sein deutscher Hausverlag einige spezielle Ausgaben, u.a. eine neue Gaston Gesamtausgabe, Luxuseditionen der Bravo Brothers und des Marsupilami, aber eben auch die wohl schrägsten Produkte seiner Fantasie, die Schwarzen Gedanken!

Humor der besonderen Art

Spirou war lange Jahre die publizistische Heimat für André Franquin, allerdings auch eine fordernde, musste er doch möglichst jede Woche eine neue Seite der Titelserie abliefern. Mit dieser Serie wurde der Star nie richtig warm, waren es doch immer „fremde“ Figuren. Viel mehr Spaß brachte ihm der anarchistische Bürobote Gaston, der einfach kein Verständnis für Regeln und Hierarchien hatte. Zeitweise arbeitete er auch an Mausi und Paul für das Konkurrenzblatt Tintin.

Eine ganz neue Möglichkeit bot sich, als Dupuis beschloss, Spirou mit einer Beilage für ein älteres Publikum anzureichern, Le Trombone Illustré. In dieser erschienen die ersten Folgen der Idées Noires, in der der Künstler erstmals schwarzen Humor präsentieren konnte. Franquin machte sich Gedanken über den Zustand der Welt, die Kriegstreiber und Umweltzerstörer, aber auch diejenigen, die Regeln der Gesellschaft zu ihrem eigenen Vorteil veränderten. Ein besonderes Verhältnis pflegte Franquin zudem zu den Jägern!

Schwarze Gedanken page 8
© Franquin – Fluide Glacial, 1981 & 1984

Nach der Einstellung der Dupuis-Beilage wechselte Franquin mit seinen Schwarzen Gedanken zu Fluide Glacial, einem Magazin, das sich nur an ältere Leser*innen richtete. Im Laufe der Jahre kamen immer wieder einzelnen Seiten dazu. Je nach Publikationsdatum sind die verschiedenen Ausgaben also durchaus unterschiedlich. Diese Gesamtausgabe enthält Band 1 und 2 der endgültigen Sammlung und ist somit vollständig.

Schwarz auf Weiß

Schwarze Striche und Flächen auf weißem Grund sind das Mittel der Wahl, um den bitteren Ton der einzelnen Gedanken zu präsentieren. Manchmal langt bereits ein Streifen, die meisten füllen aber eine Seite. Tatsächlich sind die einzelnen Panel, obwohl teilweise sehr gefüllt, befreit von allem Überflüssigen. Sie nehmen manchmal bekannte Bilder auf, um sie in eine dunkle Variante zu überführen, teilweise sind sie einfach nur bitterböse.

Schwarze Gedanken page 12
© Franquin – Fluide Glacial, 1981 & 1984

Einige der Geschichten sind Ausdruck von tiefer Depression und gefühlter Einsamkeit, andere sprühen gerade so vor Energie, etwa wenn er die Todesstrafe kritisiert. Diese Mischung aus Kunstfertigkeit, Emotion und Inhalt macht die Sammlung zu einer ganz besonderen, die sowohl Comicfans als auch Liebhaber*innen der Karikatur begeistern dürfte. Beide Zielgruppen gleichermaßen bedienen zu können ist nicht gerade häufig. Ein besonderer Blick sollte im Übrigen den Signaturen gelten, die jeweils den Geist der Geschichte widerspiegeln.

Ein Klassiker, der nicht fehlen sollte

Irgendwann werden die frankobelgischen Klassiker nicht mehr die Auslagen füllen und durch andere ersetzt werden. Es mag also durchaus sein, dass die 100. Geburtstage von Ikonen wie Franquin oder Morris eine der letzten Gelegenheiten sind, ihre Werke in hochwertigen Editionen zu ergattern. Die Schwarzen Gedanken stechen aufgrund ihrer Einzigartigkeit aus dem ohnehin schon beeindruckenden Schaffen von André Franquin heraus und sollten in keiner Sammlung fehlen.

Schwarze Gedanken Gesamtausgabe Vorsatz
© Franquin – Fluide Glacial, 2020

Es ist allerdings wahr, dass die „Gedanken“ schon mehrfach ihren Weg zu einem deutschen Publikum gefunden haben. Die Argumente für diese Ausgabe sind der Hardcovereinband, ein Vorwort von Volker Hamann, Interviewausschnitte von André Franquin mit diversen Fanzines und ein kleiner Skizzenanhang.

Dazu passen The English Beat mit “Save it for later“ und ein guter Bordeaux.

© der Abbildungen Franquin – Fluide Glacial, 1981 & 1984, Franquin – Fluide Glacial, 2020 | 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Zauberstern – Phantom 10

Der Wandelnde Geist

Story: Peter David

Zeichnungen: Joe Orlando

Originaltitel: The Phantom Mini Series 1 – 4, DC Comics, 1988, USA

Zauberstern Comics

Heft |100 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISBN: 978-3-98953-059-1

Cover 'Phantom 10

Der Wandelnde Geist kann nicht nur nicht getötet werden, da jeweils ein Sohn das Geschäft seines Vaters übernimmt und den Mythos erhält, er hat auch eine bewegte Reise durch die unterschiedlichen Comic-Verlage hinter sich. 1988 hatte er bei DC Halt gemacht. Heft 10 enthält die komplette Mini-Serie als Deutsche Erstveröffentlichung!

Geschichte wiederholt sich (nicht)

Von Zeit zu Zeit kommt es vor, dass nicht nur die „Guten“ eine Traditionslinie begründen, sondern auch ihre Gegner. Bei normalen Lebewesen spricht man dann von Erzfeind*innen, die immer wieder kehren, oder aber von Organisationen. Diese mögen ihre führenden Köpfe verlieren, sie wachsen aber (leider, allerdings zum Vergnügen der Leser*innen) immer wieder nach.

Die Miniserie erzählt zweigleisig von sich wiederholenden Ereignissen. Zunächst einmal sind da die potentiellen Nachfolger ihres Vaters in der Reihe der Träger des Phantom-Kostüms, die heimlich in dem Buch der Geschichte stöbern und die Aufzeichnungen ihrer Vorgänger studieren. Auf der anderen Seite steht die Familie Chessman, die zunächst in ihrer Inkarnation als Piraten dem 13. Phantom das Leben schwer gemacht haben. In der Jetztzeit ist es wieder so weit. Die Familie besitzt ein Konglomerat aus mehr oder weniger legalen Unternehmungen und kreuzt erneut die Wege und die Klingen mit dem Kämpfer für Gerechtigkeit.

Joe Orlandos Interpretation des Phantom

Joe Orlando war einer der ganz großen des US-Comic-Business. Seine Karriere hatte bei EC begonnen. Über Warren und Marvel kam er zu DC, wo er bis zum Vice President aufstieg. Seine Wurzeln im Horror-Comic lassen sich aus seinen Pencils für das Phantom noch gut herauslesen. Der Dschungel (egal ob grün oder grau) hat fast schon eine eigene Persönlichkeit und drückt Gefahr aus. Seine Personen sind fast immer teilweise im Schatten.

Orlando unterstützt dabei die Parallelität der Geschichten und ermöglicht über die Teile hinweg eine immer mehr steigende „Suspense“, die auch durch die Heftwechsel (im Original erschien die Story in 4 separaten Teilen) nicht beeinträchtigt wird. Klassischer US-Style der 80-er und damit natürlich auch für z. B. Batman-Fans interessant!

Die Mischung machts!

Die Phantom-Reihe aus dem Zauberstern-Verlag unterscheidet sich von den zur Zeit drei anderen aktuellen Veröffentlichungen durch die Vielfalt des präsentierten Materials. Natürlich riskiert man dabei, dass jeweils eine Fraktion erklärt, mit diesem Heft nicht ganz glücklich zu sein. Man erschafft aber eine breite Basis, die das wirtschaftliche Überleben (und damit das weitere Erscheinen) sichert! Zudem dürfte die breite Masse zufrieden über die Abwechslung sein.

Das Format sichert eine gute Lesbarkeit, insbesondere wenn schreibschriftähnliche Fonts auf farbigem Hintergrund benutzt werden! Aufgrund der etwas längeren Story fallen in diesem Heft Werbeanzeigen, Poster und Leser*innenseite weg.

Dazu passen The Jam („When You’re Young“) und ein Potts alkoholfreies Weizen.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc and Hermes Press/DC Comics 1988 – 2023 / Zauberstern Comics 2023

Seeßlen – Lucky Luke

Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen

Autor: Georg Seeßlen
Bertz + Fischer Verlag
Taschenbuch | 272 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-86505-774-7

Vor einiger Zeit noch totgesagt, lebt das Western-Genre munter vor sich hin. Im Streaming entsteht gerade ein ganzes Universum von miteinander verknüpften Serien um das Spätwesternepos Yellowstone; im Comic haben etwa Die Blauen Boys und Lucky Luke den Schritt auf neue Kreativteams vollzogen, nachdem ihre Schöpfer verstorben sind. In Deutschland vergeht kaum ein Monat, in dem nicht mehrere neue Westerncomics veröffentlicht werden.

Cover Seeßlen - Lucky Luke

Der wohl berühmteste europäische Cowboy

Es gibt eine ganze weitere Reihe von bahnbrechenden, erfolgreichen und guten europäischen Westernserien: Jerry Spring, Blueberry, Buddy Longway, Yakari, Chinaman, Durango aber auch Manos Kelly, Tex oder die Western von Serpieri. In das Allgemeinwissen hat sich aber der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten integriert: Lucky Luke! Erfunden wurde er als Figur von Morris (Maurice de Bevere), seine erste Hochform hat er allerdings erst mit den Szenarios von René Goscinny erlangt.

Seeßlen beschreibt in seinem Werk nicht nur die allgemeine Entwicklung des Westerns als Kunstform, ausgehend von (Heft-)Romanen und Filmen über Pulps und TV-Serien bis hin zum Comic, er arbeitet auch sehr verständlich die Hauptbestandteile dessen, was einen Western eigentlich ausmacht, heraus. Diesen Kanon überprüft er dann wiederum anhand der Lucky-Luke-Geschichte. Dabei geht er auf die Entwicklung der Serie ein, die sich über die Jahrzehnte den jeweiligen Anforderungen des Publikums zwar angenähert hat, niemals aber darauf eingelassen hat, zeitgebunden zu werden.

Für Fans des Genres ist es spannend nachzuvollziehen, wie der Aufbau einer Westerngeschichte fast schon formelhaft ablaufen kann. Man nehme ein paar Ingredienzien, mixe sie im richtigen Verhältnis, köchele ein wenig und fertig ist das Gericht, äh, der Comic. Nun ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht! Und Seeßlen beschreibt auch, warum manche Szenarios einiger Autoren einfach eben nicht funktionieren.

Die Serie im Besonderen

Neben den Erläuterungen über den Western als Solches geht Seeßlen detailliert auf jeden einzelnen Band der Serien Lucky Luke, Rantanplan, Lucky Kid und der Hommage-Bände ein. Er gibt jeweils den Inhalt wieder, reichert das mit sehr persönlichen Kommentaren an und lässt uns sogar wissen, welches sein Lieblingsbild in dem Band ist.

Fans der Serie erhalten so einen sehr konzentrierten Überblick, der ein Lexikon ergänzen kann. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die aktuellen Veröffentlichungen bis zu Band 101 und der zweiten Hommage von Bonhomme.

Top-Tipp!

Der Band ist eine gute Ergänzung sowohl zu den allgemeinen Werken über Western-Comics, etwa von Alexander Braun (Going West!, Staying West!), aber auch zu dem offiziellen Lucky-Luke-Lexikon. Seeßlen schafft es, viele Inhalte verständlich zu erklären, lässt seine eigenen Vorlieben deutlich erkennen, und pickt einen überschaubaren Ausschnitt aus dem Riesen-Thema. Der Band enthält 92 Fotos, die teilweise einen anderen Fokus haben als die bereits hinlänglich bekannten.

Wer sich nicht nur für das Lesen von Comics interessiert, sondern etwas darüber wissen möchte, sollte hier einen Blick riskieren! Von Seeßlen ist im Übrigen im gleichen Verlag auch schon ein Band über Herge und Tim und Struppi erschienen.

Dazu passen Elvis Presley mit seinem „Lonesome Cowboy“ und ein Whiskey.

© der Abbildungen2023 by Bertz + Fischer GbR, Berlin

Zauberstern – Flash Gordon 3

„Zeitgeist“ und ein paar Klassiker

Story: Eric Trautmann, Archie Goodwin, Larry Ivie, Bill Pearson

Zeichnungen: Daniel Indro, Al Williamson, Reed Crandall

Originaltitel: Flash Gordon 5 & 6, 2011 & 4 – 6, 1967, USA

Zauberstern Comics

Heft |100 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISBN: 978-3-98953-003-4

Die Abenteuer des wohl bekanntesten klassischen amerikanischen Science-Fiction Helden gehen weiter. Der Zauberstern Verlag folgt in seinen Serien zwei unterschiedlichen Konzepten: Flash Gordon und Phantom enthalten Material aus diesem Jahrtausend und gleichzeitig klassische Stoffe, die bisher nicht auf Deutsch erschienen sind, Van Helsing, Mikros und Savage Dragon bringen die jeweiligen Serien fortlaufend.

Cover Flash Gordon 3

Das Böse ist immer und überall …

… war eine nette Textzeile aus einem deutschen Titel der 80-er. Die moderne Story Zeitgeist, die im Original bei Dynamite erschienen ist, kombiniert den klassischen Stoff, der quasi neu erzählt wird, mit dem Bösen, das auf der Erde zumindest im 20. Jahrhundert durch die Nazis und Adolf Hitler verkörpert worden ist. In einer an Computerspiele angelehnten Grafik unterstützen die bekannten Handelnden Menschen jüdischen Glaubens gegen die kombinierten Angriffe von Ming und Nazis, während auf Mongo Flash Gordon, Dale und Zarkov versuchen, den Tyrannen zu bekämpfen.

Der zweite Teil des Heftes bringt fortlaufende Geschichten aus der amerikanischen Heft-Serie aus dem Jahr 1967.

Inhaltlich sind die Geschichten sehr gleichwertig, zeichnerisch stechen die Zeichnungen von Al Williamson heraus! Wer klassische amerikanische Comics liebt, die sich an Zeitungsstrips orientieren, wird hier auf jeden Fall zuschlagen wollen! Für Fans enthält das Heft nicht nur eine Karte von Mongo, sondern auch zwei klassische Heft-Cover als Abbildungen.

Der Klassiker in Serie

Weit bevor Science-Fiction durch Star Trek und Star Wars neu definiert worden war, dominierten Held*innen von Edgar Rice Burroughs oder Hans-Rudi Wäscher den Markt. Ihr Erfolg wurde weltweit nur noch getoppt durch Flash Gordon (und seine Nachahmungen). Dementsprechend schön ist es, dass die Serie jetzt auch endlich wieder auf Deutsch erscheint und viele der noch fehlenden Klassiker erhältlich werden. Die Purist*innen werden sich aufregen, dass „der moderne Krams“ nicht dazu passt, andere werden sich über das „alte Zeugs“ beschweren. Ökonomisch gesehen macht es Sinn, beide Zielgruppen zu vereinen!

Dazu passen Madness („Shut Up“) und ein Mönchshof Kellerbier.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc King Comics 1967 und Dynamite Entertainment 2011 / Zauberstern Comics 2023

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