Spirou und die blaue Gorgone
Story: Yann
Zeichnungen: Dany
Originaltitel: Spirou et la Gorgone bleue
Carlsen Comics
Softcover | 96 Seiten | Farbe | 14,00 €
ISBN: 978-3-551-79956-2
UPDATE: Mittlerweile hat DUPUIS den Band zurückgezogen, er wird nicht mehr verkauft. Es hatte – wie bereits unten vorausgesagt – eine intensive Diskussion gegeben, ob es sich um Satire handele oder um Bild-gewordenen Sexismus und Rassismus. Auch auf der deutschen Seite von Carlsen ist der Band nicht mehr gelistet, er wurde allerdings nicht zurückgezogen, er wird nur nicht nachgedruckt.
Dany hat erklärt, dass er den Band als Hommage an die 60-er Jahre betrachtet hat und keineswegs jemanden verletzen wollte. Er hätte den Fehler eingesehen und würde ihn nicht wiederholen.
Während die reguläre Serie über den Hotelpagen und seine Freund*innen ein mittlerweile sehr gemäßigtes Publikationstempo aufgenommen hat, erscheinen die „Spirou par …“-Bände, die bei uns in Deutschland als Teil der Spezial-Reihe erscheinen, deutlich häufiger. Kein Wunder, haben doch hier die Autor*innen und Zeichner*innen viel mehr Freiheiten bezüglich des Stils und der Kontinuität. Yann ist bereits ein alter Bekannter, hat er doch sowohl reguläre als auch Sonderbände bereits mehrfach getextet. Für Dany ist es das erste Mal.
Kampf gegen Fastfood
Heutzutage wird die Klimakatastrophe bzw. die menschgemachte Klimaänderung nur noch von Wissenschaftsleugnern angezweifelt. Ein Teil des Problems ist die weltumspannende Fast-Food-Kultur, die unter anderem zu einer aktuell nicht mehr beherrschbaren Menge an (Verpackungs-)Müll führt. Sehr deutlich wird in dem Comic auf den sog. 8. Kontinent hingewiesen, der aus schwimmendem Müll besteht.
Es gibt eine alles beherrschende Fast-Food-Kette, die von einem sehr reichen Mann geführt wird der einen verblüffend an einen unsympathischen Mann erinnert. Bei ihren potentiellen Kund*innen ist die Kette vor allem wegen der hochwertig inszenierten Werbeclips und Sammelobjekte beliebt. Die Kette ist aber auch das Hauptziel der blauen Gorgone. Ihre Kämpferinnen treten vermummt und in einheitlichem Outfit auf um mit Sachbeschädigungen auf die Gefahren von Fast-Food aufmerksam zu machen.
Plötzlich ändert die Organisation jedoch ihre Handlungsweise und entführt das Anchor Girl der Kette, die gleichzeitig Lebensgefährtin des Chefs ist. Stefanie ist als Reporterin undercover live dabei und auch Spirou und Fantasio werden in die Ermittlungen hineingezogen. Selbst der Graf von Rummelsdorf scheint eine Rolle zu spielen.
Traditionell und doch unerwartet
Dany kann sehr wohl realistisch zeichnen (etwa hier), bewegt sich bei diesem Abenteuer grundsätzlich aber in den gewohnten Spirou-Bahnen. Es gibt jedoch einige Anspielungen, die eher nicht kindgerecht sind, etwa das Aussehen eines bestimmten Pilzes. Und auch Gorgonen wie Strandurlauberinnen sehen etwas anders aus. Ansonsten trifft er aber den Ton der Serie: Fantasio ist rechthaberisch und aufbrausend, Spirou eher die Ruhe selbst und Pips der Rächer der Machtlosen!
Da der Band recht lang ist, besteht genügend Zeit, grundlegende Szenen auszudehnen und nicht in ein oder zwei Panel abhandeln zu müssen. Dany nutzt das aus, um mit Perspektivwechseln zusätzliche Bewegung aufzunehmen. Die Geschichte wirkt dadurch sehr flott erzählt. Manchmal verliert man dabei den Blick für die Details. Ich empfehle daher mindestens einen zweiten Durchgang!
Grandiose Satire!
Yann schafft eine wirklich grandiose Satire auf die heutige Zeit mit den sinnlosen Abwehrkämpfen gegen wissenschaftliche Erkenntnisse. Leider haben die Leugner immer wieder die Dummheit der Masse auf ihrer Seite. Zudem beweist die Story, dass man nicht immer gut sein muss um Gutes zu wollen und vice versa. Mir gefällt auch der Anfang, der die Leser*innen an eine bestimmte Schaffensperiode von Dany erinnert. Während die Zeichnungen in diesem Stil bleiben, ist der Inhalt mit Oh LaLa natürlich keineswegs zu vergleichen.
Die Militärs und Geheimdienste sind genau so überzeichnet wie Kapitalist*innen und naive Beschützer*innen. Wahrscheinlich werden sich einige Leute auf allen Seiten auf den Schlips getreten fühlen. Tatsächlich ist hier aber ein großer Spaß entstanden, der allerdings trotzdem klar macht, auf welcher Seite man steht.
Dazu passen Paul Wellers neues Album “66“ und hand-made Lemonade.
© der Abbildungen Dupuis, 2023 | 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg