Lawrence – Meister der Illustrations- und Comickunst 1

Bible Story, Once upon a Time und andere Werke

Story: diverse
Zeichnungen:  
Don Lawrence
Originaltitel: 
A Scrapbook of Strip and Illustration

Limitiert auf 777 Exemplare

All Verlag

Hardcover | 200 Seiten | Farbe | 49,80 € |

ISBN: 978-3-96804-166-7

Cover Don Lawrence - Meister 1

Der Engländer Donald Southam Lawrence wurde in einem kleinen Londoner Vorort geboren. In der Schule interessierte er sich vor allem für die künstlerischen Aspekte und nach der Militärzeit war klar, dass er Comiczeichner werden wollte. Zunächst zeichnete er für Magazine in England, später fast ausschließlich für den niederländischen und kontinentaleuropäischen Markt. Er war auch hierzulande erfolgreich mit den Serien Trigan (KOBRA, Panini) und Storm (EHAPA, Splitter). Insbesondere erstere war nicht ganz unumstritten, lassen sich doch einige Elemente widersprüchlich deuten.

Illustrationen machten den Unterschied

Die meisten Comic-Magazine (als es sie noch gab) verfuhren auf die gleiche Weise: potenzielle neue Talente mussten sich zunächst einmal dadurch beweisen, dass sie Illustrationen beisteuerten. Damit konnten gleich mehrere Qualifikationen abgeprüft werden: Lieferung unter Termindruck, Verständnis des Themas und Anpassung an einen gewünschten Stil sowie der Wille, dazuzugehören! Tatsächlich startete Don Lawrence allerdings gleich mit Comics aus verschiedenen Stilrichtungen, im Wesentlichen in Schwarz-weiß. Damit war er eines unter vielen anderen Talenten.

Einen qualitativen Sprung machte seine Karriere erst, als er anfing farbige Illustrationen abzuliefern. Der Beihefter The Bible Story erzählte – wie der Name es nahelegt – Geschichten aus der Bibel, unterstützt von meist vier Illustrationen pro Seite. Hier konnte Lawrence sein Talent mit dem Pinsel beweisen. Kurze Zeit später folgten Illustrationen zu einem Fortsetzungswestern – The Range Rider – der im Boyscoutmagazin Ranger sehr erfolgreich lief. Die Reise setzte sich in lehrreichen Magazinen fort: Once Upon A Time, Look And Learn und World Of Wonder. Den Abschluss dieses Bandes bilden die Illustrationen zu Arthur C. Clarkes The Three Ages of the World und The Shining Ones.

Typische Kollektionen dieser Art setzen allerdings voraus, dass die Leser*innen den englischen Text beim Genuss übersetzen. In dieser Ausgabe sind alle illustrierten Texte übersetzt worden, entsprechen aber dem Originallayout. Man hat daher das Gefühl, eine (imaginäre) deutsche Ausgabe in Händen zu halten. Dadurch wird der/die Leser*in natürlich viel weniger abgelenkt und kann sich mehr auf die eigentlichen Zeichnungen und ihren Bezug zum Inhalt konzentrieren. Da es sich nicht um Material mit einem hohen Zeitbezug handelt, sind die Beiträge auch heute noch lesbar!

Werbung Don Lawrence - Meister 1

Sehr gute Handarbeit

In seinen Illustrationen lernt Don Lawrence alles, was ihm in seinen späteren erfolgreichen Serien zugutekommen wird. War er anfangs nur ein, sicherlich talentierter, Comiczeichner, der sein Programm abspulte, entwickelte er einen farbigen Stil, der ihn aus der Masse heraushob. Seine Illustrationen, wie auch die späteren Comics, waren gemalte Bilder und sollten ihn vor allem zeitlich unter Druck setzen.

Steve Holland, ein profunder Kenner der Werke von Lawrence, führt in einem reich bebilderten Essay in die Welt und die Entwicklung des britischen Künstlers ein, lässt Erfolge und Frustrationen anklingen und verweist vor allem auch auf die erfolgreiche Zeit mit Storm. Diese Serie erscheint im Übrigen immer noch, als neuer Zeichner ist der Lawrence-Epigone Apri Kusbiantoro vorgesehen.

Für Fans!

Ansgar Lüttgenau ist ein Freund der Hochzeit des europäischen Comics. Er beschränkt sich dabei aber nicht auf Serien des Koralle-ZACK und somit ist es schon folgerichtig, dass die dreiteilige Serie zur Würdigung von Don Lawrence in seinem All Verlag erscheint! Für die ins Auge genommene Zielgruppe ist es definitiv ein kluger Schachzug, die Originale zu übersetzen und auf Deutsch zu präsentieren! Don Lawrence – Meister der Illustrations- und Comickunst erfüllt dabei verschiedene Wünsche.

Einerseits wirkt er wie ein liebevoll gestalteter Ausstellungskatalog, der einen Zeichner umfassend präsentieren will. Aufgrund der Inhalte ist es natürlich auch eine Hommage an die Mitte des letzten Jahrhunderts und an die „Erziehung“ der Jugend. Nicht zuletzt ist es wegen der Einführung ebenfalls ein Sachbuch. Der Band ist auf 777 nummerierte Exemplare limitiert und wird sicherlich seine Käufer*innen finden. Man darf auf Teil 2 gespannt sein!

Dazu passen Daisy Jones & The Six mit „Look at us now“ und ein Persiko.

© der Abbildungen Look and Learn Ltd., Arthur C. Clarke Trust / 2023 All Verlag

Lapière/Dutreuil – Michel Vaillant Legendes 1

De hel van Indianapolis

Story: Denis Lapière
Zeichnungen: 
Vincent Dutreuil
Originaltitel: 
Dans l’enfer d’Indianapolis

Graton (Dupuis)

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 17 € (auch als Softcover erhältlich)
ISBN: 9782390600367

Cover Michel Vaillant Legendes 1

Michel Vaillant von Jean Graton war eine DER Serien des Magazins Tintin/Kuifje während der Hochzeit des frankobelgischen Comics und auch in Deutschland zunächst als Michael Voss in MVComix, später als Michel Vaillant im Koralle-ZACK ein Star. Der Staffelstab wurde in mehreren Etappen an den Sohn Philippe Graton übergeben. Seit 2012 erscheint eine zweite Staffel, mittlerweile komplett ohne Beteiligung eines Gratons. Nun also kommt das erste Spinn-Off, das zu Zeiten der ersten Staffel spielt und die Helden klassische Rennen erleben lässt.

Das Jubiläumsrennen

1966 finden die 500 Meilen von Indianapolis zum 50.sten Mal statt! Natürlich wollen sich Michel Vaillant und Steve Warson die Chance nicht entgehen lassen, diesen Jubiläumsklassiker zu gewinnen. Es treten aber auch andere (echte) Champions an, einige davon sogar zum ersten Mal bei diesem Rennen. Und so besteht nach langer Zeit erstmals wieder die Chance, dass ein Rookie, also ein Rennpilot bei seinem ersten Auftritt auf diesem Kurs, das Rennen gewinnen könnte.

Denis Lapière beschreibt einerseits den Ablauf dieses Spektakels sehr genau und tritt damit in die Fußstapfen von Jean Graton. Dieser war nicht nur ein wandelndes Lexikon, sondern hatte die Fähigkeit, dieses Wissen in spannende Handlungsstränge zu integrieren. Das gelingt hier ebenfalls prächtig und die Fans der Serie können bei allen Trainingsläufen, den Qualifikationen und den unerwarteten Herausforderungen auf der Piste mitfiebern.

Michel Vaillant Legendes 1 page 3
(c) Graton, 2022

Es gibt zusätzlich eine Art Krimi in der Parallelhandlung. Michel und Steve müssen bei einer Schlägerei eingreifen und eine junge Frau retten. Sie hatte sich mit den falschen Kerlen eingelassen und steht nun unter Druck. Wird das die Siegchancen der Helden beeinflussen? Auf jeden Fall!

Zeichnungen im klassischen Stil

Während sich die zweite Staffel der Hauptserie um ein etwas modernes Aussehen bemüht, ist diesem Spinn-Off anzumerken, dass insbesondere die Hauptfiguren dem klassischen Look and Feel gleichen sollen. Dadurch wird natürlich die Identifikation erhöht. Die Dynamik in den Zeichnungen lässt dabei keine Wünsche offen. Sowohl die Rennszenen als auch die körperliche Action gelingen Vincent Dutreuil sehr gut. In den Gesichtspartien fehlt manchmal das letzte Quentchen.

Allerdings sieht dieser Band nur klassisch aus, ist aber nicht von Jean Graton. Es bleibt abzuwarten, ob das eher begrüßt oder als Blasphemie empfunden werden wird. Für mich ist das ok: der Band atmet Tradition aus, ohne dabei eine reine Imitation zu sein!

Michel Vaillant Legendes 1 page 4
(c) Graton, 2022

Auch auf Deutsch?

Bisher ist der Band nur auf Französisch und Niederländisch erhältlich, dafür aber auch jeweils als Soft- oder Hardcover. Hardcore-Fans der Serie, die der einen oder anderen Sprache mächtig sind, werden sicherlich schon zugeschlagen haben. Aber auch alle anderen können hier mehr als einen Blick riskieren, ohne etwas falsch zu machen.

Ich bin sicher, dass auch eine deutsche Übersetzung nicht untergehen würde. Mal sehen! Es sind übrigens noch weitere Spinn-Offs angekündigt. Auch hier darf man gespannt sein. Und erneut ein Grund auf unsere westlichen Nachbar*innen ein wenig neidisch zu sein.

Dazu passen Status Quo mit ihrem Motorsporttauglichen „Paper Plane“ und wahlweise ein Moet oder ein Becks.

© der Abbildungen Graton, 2022 | www.dupuis.com

MOCA  – 70 Jahre Donald Duck

Die dritte Ausstellung im niederländischen Comic-Museum: 70 jaar Vrolijk Weekblad Donald Duck

Adresse: Bomstraat 11, 2202 GH Noordwijk
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 12 – 17 Uhr geöffnet
Eintritt: 8 €, Kinder die Hälfte

Logo MOCA 70 jaar een vrolijk weekblad

Das MOCA oder Museum of Comic Art befindet sich in Noordwijk an Zee vom Strand aus kommend gleich zu Beginn der Fußgängerzone und hat sich mittlerweile etabliert. Aktuell läuft bereits die dritte Ausstellung, die sich mit der niederländischen Ausgabe von Disney’S Donald Duck beschäftigt. Wie in einigen anderen Ländern auch ist das Magazin über die Jahre am Markt geblieben, weil es sich ständig angepasst und immer wieder lokale Bezüge hergestellt hat.

Sieben unterschiedliche Jahrzehnte

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und hat pro Jahrzehnt eine einführende Tafel mit niederländischem und englischem Text, der die Schwerpunkte herausstellt. Natürlich fing alles mit dem amerikanischen Lizenzmaterial an. Schon bald aber kamen wie beim italienischen Topolino auch eigene Kreationen dazu. Dadurch war es möglich, auf den lokalen Geschmack einzugehen.

Impression MOCA 4

Jeder Abschnitt zeigt repräsentative Originale. Gerade die moderneren Künstler*innen sind auch in Deutschland bekannt, bringt der hiesige Verleger Egmont doch viele Lizenzen in seinen verschiedenen Disney-Reihen. Trotzdem gibt es abseits der Mega-Namen wie Carl Barks, Don Rosa oder Daan Jippes noch genügend Neues zu entdecken.

Dazu kamen im Laufe der Jahre auch viele Serien, die auch eigenständig einen Markt bei unseren Nachbarn hatten. So finden sich etwa auch Texte über und Originale von Tom Poes und Douwe Dabbert. Hier hat es auch teilweise eine Überschneidung im künstlerischen Bereich gegeben. Überhaupt ist es interessant zu verfolgen, wer alles für den niederländischen Donald gearbeitet hat.

Nicht nur für Regentage

Obwohl der Eintritt mit 8€ nicht gerade ein Schnäppchen ist, kann man sich in dem kleinen, aber feinen Museum doch ganz gut aufhalten. Neben den Ausstellungswänden gibt es noch einige Vitrinen, ein Videokino, eine Malwerkstatt und vor allem eine gut bestückte Bibliothek, in der man seinen Horizont erweitern kann.

Impression MOCA 2

Wer will kann auch noch ein Foto mit Asterix und Obelix machen und somit seine Verbundenheit mit Urlaubsort und Hobby auf dem social media Kanal der Wahl teilen. Wem die naturgemäß kurzen Texten nicht ausreichen, kann mit dem Erwerb eines Katalogs geholfen werden. Dieser ist reich illustriert und vertieft die Themen. Alle Kataloge sind übrigens im gleichen Format und haben jeweils noch eine Beilage. Aber Vorsicht: Der Ausgang führt durch einen sehr gut sortierten Shop. Wer Prints, Figuren oder limitierte Luxusausgaben sucht, wird hier garantiert fündig werden.

Ein empfohlener Besuch

Wer sich eh schon in der Nähe von Noordwijk befindet und sich für Comics interessiert, sollte unbedingt einen Abstecher einplanen. Parkplätze sind mittlerweile genügend vorhanden und der Strand ist auch sonst zu empfehlen. Hervorzuheben ist der jeweilige Bezug auf die lokale Szene unter ganz unterschiedlichen Thematiken. Infos zu den aktuellen Öffnungszeiten finden sich im Web.

Impression MOCA 1

© der Abbildungen 2022 MoCA / Disney und die jeweiligen Künstler*innen; Fotos Sven Krantz-Knutzen

bestemming: canada

10 landverhuizers, 10 tekenaars, 10 verhalen

Redaktion: Aimée de Jongh, Erik de Graaf, Wiebke Mokken

Im Auftrag von The Dutch Consulate General in Toronto, Canada
Originalausgabe

Scratch-books

Hardcover | 136 Seiten | Farbe | 27,50 €
ISBN: 
978-94-93166-55-4

Cover bestemming:canada

Unter dem Stichwort Migration werden heutzutage aktuelle Flüchtlingsbewegungen verstanden, die häufig aus einer Katastrophenregion in das direkte Umland stattfinden. Daneben gibt es die oft abwertend als Wirtschaftsmigration bezeichnete Auswanderung mit dem Ziel, sich selbst und die Familie woanders besser ernähren, fortbilden, entwickeln zu können. Dieses Werk behandelt exemplarisch 10 Auswanderungen aus den Niederlanden nach Canada aus den letzten 70 Jahren.

Unterschiedliche Motivationen, Herausforderungen und Gefühle

Die Graphic Novel bestemming: canada enthält 10 völlig unterschiedliche Szenarien zur Auswanderung. Mal sind es die Eltern, denen die kleinen Kinder zwangsläufig folgen, mal sind es die wirtschaftlichen Verhältnisse direkt nach den Zweiten Weltkrieg, der die besetzten Niederlande arg gebeutelt zurückgelassen hatte. Und natürlich darf auch die Liebe als Motiv nicht fehlen.

bestemming:canada page 10

Die Geschichten sind alle sehr persönlich gehalten und basieren auf Interviews, die mit den Personen geführt worden sind. Natürlich stehen dabei zunächst die Fakten im Vordergrund: Wer, von wo, wohin, aus welchem Grund? Schon beim letzten Punkt zeigen sich aber emotionale Punkte. Nicht jede*r wollte die Heimat verlassen, sah sich zu diesem Schritt eher gedrängt. Sie alle aber haben ein Stück der alten Heimat mitgenommen, leben teilweise sogar traditioneller als die Daheimgebliebenen.

Und es wird auch deutlich, dass nicht jedes Problem durch einen Ortswechsel gelöst werden kann. Auch in Canada gibt es Rassismus, und auch dort gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land. Zudem ist die große Weite Canadas nicht immer mit unberührter Natur gleichzusetzen. Grundsätzlich überwiegt aber die positive Grundstimmung.

bestemming:canada page 75

Passende Umsetzungen

Die 10 beteiligten Künstler*innen durften die Beiträge ohne künstlerische Vorgaben umsetzen und so enthält bestemming: canada komplett unterschiedliche Stilrichtungen: es gibt bebilderte Reportagen, Comics im Independent Stil wie auch raffiniert ineinanderlaufende Seitenlayouts. Teilweise realistisch gezeichnete Seiten wechseln sich ab mit naiv gezeichneten oder karikaturesken Bildern.

Neben dem sehr informativen Inhalt bietet die Sammlung daher auch einen Überblick über die aktuelle niederländische Comicszene und ist schon deswegen zu empfehlen! Sowohl zu den Künstler*innen wie auch zu der Geschichte der Auswanderung aus den Niederlanden nach Canada gibt es aufschlussreiche Texte. Gerade zur Auswanderung wird so ein Bezug zwischen den häufigsten Zeitpunkten und den politischen Ereignissen hergestellt.

bestemming:canada page 49

Mehr davon!

Klare Kaufempfehlung für diese Graphic Novel. Einerseits hilft sie das Thema der „Flucht aus wirtschaftlichen Gründen“ ein wenig anders zu betrachten. Teile der Presse und rechte Kreise verurteilen gerne die Migration, wenn wir die Zielländer sind, vergessen aber die Tatsache zu erwähnen, dass „wir“ reiche Westeuropäer*innen vor gar nicht langer Zeit selber das Gleiche gemacht haben. Da es sich aber um persönliche Betrachtungen handelt, hebt hier keiner den Zeigefinger oder stellt moralische Grundsätze auf!

Informativ, emotional und wertschätzend wären die Adjektive, die ich zur Beschreibung in drei Worten aussuchen würde! Und natürlich zeigt dieses offizielle, vom Außenministerium geförderte Projekt mal wieder, wie hoch in den Niederlanden das Ansehen der „stripverhalen“ ist.

Dazu passen ein holländisches IPA, etwas aus der Stadshaven Brouwerij, und Musik von Mark Foggo.

© der Abbildungen 2022 bei den jeweiligen Künstler*innen

BeVrijd

De Tweede Wereldoorlog in Strips

Herausgeber: Erik de Graaf, Tonio van Vugt, Stichting Beeldverhaal Nederland
Originalausgabe anlässlich Stripweekend Haarlem 2 t/m 4 Oktober 2020

Stichting Beeldverhaal Nederland

A4 Broschüre | 48 Seiten | Farbe | 5,00 €
ISBN: 
N/A

Eigentlich passt die Besprechung dieser Broschüre nicht in das Schema von comix-online, ist sie doch weder neu noch ein Klassiker. Sie ist mir während meines Sommerurlaubes im wirklich empfehlenswerten Comic-Shop Yendor in Rotterdam in die Hände gefallen und ist zwar schon zwei Jahre alt, trotzdem aber noch sehr aktuell.

Gezeichnet für ein Leben

Unter dieser Überschrift leitet Adriaan Van Dis die Sammlung ein. Er beschreibt seine eigene (Nachkriegs-) Jugend und erklärt, was er aus den Comic-Klassikern der Weltliteratur, die er während einer langen Krankheit verschlungen hat, gelernt hat. Er drückt schließlich die Hoffnung aus, dass auch die heutige Jugend aus den grafischen Erzählungen über den Krieg und die Folgejahre lernen möge.

Die folgenden Seiten sind so aufgebaut, dass sich längere Artikel, Ausschnitte aus Comics und als Must-Reads klassifizierte Kurzvorstellungen abwechseln. Während letztere einen guten, aber natürlich auch subjektiven Überblick über das große Themenfeld geben und dazu anregen sollen, an dem Wochenende im Oktober 2020 bei den anwesenden Händler*innen in einige Werke hineinzuschauen, bieten erstere direkte Einblicke.

Zunächst stellt Kees Ribbens zwei sehr frühe Comics über den Weltkrieg von Edmond-Francois Calvo (dt. Die Bestie ist tot) und Ton van Tast vor. Ersterer erschien bereits 1946 und nahm die Darstellung des Geschehens mit Hilfe von Tieren vorweg, die später auch Art Spiegelman in Maus benutzen sollte. Peter van Dongen nimmt auf und erläutert Details zu seinem Werk Rampokan über den folgenden Unabhängigkeitskrieg der niederländischen Besetzungen in Indochina. Vier Seiten aus Rampokan bieten dabei einen ersten Eindruck.

Kriegscomics ohne Verherrlichung

Illustrationen von L. L. Jordan zeigen die Schrecken des Krieges und Brian Elstak & Marga Altena widmen sich (erneut mit Beispielen) der systematischen Weigerung, den Beitrag der „Schwarzen“ an der Befreiung anzuerkennen. Auf keinen Fall fehlen dürfen Émile Bravo mit seiner Erzählung über Spirou zur Zeit der Besetzung Belgiens und Eric Heuvel mit den Meimoorden im besetzten Rotterdam.

Plakat StripWeekend Harlem Oktober 2020

Rik Spanjers bietet einen guten Überblick über (Anti-)Kriegscomics: Angefangen bei EC’s Frontline Combat über Maus und Kraut bis zu japanischen Zeichnern wie Mizuki zeigt sein Artikel, wie unterschiedlich man sich mit dem Thema auseinandersetzen kann. Das Leben der normalen Menschen hat Erik de Graaf in seinem Zweiteiler Scherven und Littekens im Blick. Auch hier erzählt der Ausschnitt viel mehr über das Werk als jeder Text könnte. Schließlich geht es noch um den Wert von Solidarität in einem Beitrag von Aimée de Jongh.

Empfehlung

Fünf Euro sind gut angelegt für diese Broschüre. Natürlich ist die Auswahl der Titel alles andere als komplett und selbstverständlich subjektiv. Ich persönlich finde es aber sehr spannend, auf dieses Thema mal mit einem nicht-deutschen Auge zu schauen und mir die Begründungen für die must-reads durchzulesen.

Die Webseite der Stichting Beeldverhaal scheint momentan allerdings nicht erreichbar zu sein und so bleibt nur auf das Glück zu hoffen, im Fachhandel oder auf einschlägigen Gebrauchtseiten ein Exemplar zu ergattern.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen, 2020 Stichting Beeldverhaal Nederland

ICOM Comic!-Jahrbuch 2022

Krisen im Blick: Umwelt und Corona!

Hrsg: Burkhard Ihme

Interessenverband Comic e. V. ICOM

Din A4 | 216 Seiten | s/w, teilweise farbig | 15,25 €

ISBN: 978-3-88834-952-2

Cover ICOM Comic! Jahrbuch 2022

Nach der sehr kurz ausgefallenen Jubiläumsausgabe im letzten Jahr hat es der Interessenverband Comic e.V. ICOM in diesem Jahr wieder geschafft, ein sehr dickes Jahrbuch zu produzieren. Wegen der gestiegenen Druckpreise (bereits zu den Zeiten des Vorwortes rund 35% und steigend) sollte man im kommenden Jahr allerdings wieder von einer deutlich dünneren Publikation ausgehen. Der ICOM ist Bestandteil der deutschen Independent Szene und das Jahrbuch hat zwei Zielgruppen. Natürlich soll es der Szene Beachtung verschaffen und auch diejenigen erreichen, die nicht auf Mailinglisten oder noch schlimmer Karteikarten stehen. Es dient aber auch der internen Vernetzung, Kommunikation und Wissensvermittlung!

Future is green! Oder Comics und Umwelt

Welche Rolle spielt eigentlich “Die Umwelt“ in Comics? Was unterscheidet eine lebensfreundliche/-feindliche Umwelt in einer Science-Fiction-Story von der irdischen Klimakatastrophe? Muss man das immer mit der Holzhammermethode präsentieren oder gibt es auch subtile Wege? Und schließlich, in welchen Comics finde ich denn was? Das Thema „Umwelt“ wird in diesem Jahrbuch erfrischend praktisch angegangen. Es geht nicht um theoretische Einordnungen, sondern um praktische Reiseführer, die potentiellen Leser*innen einen Überblick verschaffen wollen. Subjektiv, exemplarisch, aber eben auch informativ!

Detail COMIC!Jahrbuch page 9

Anschließend geht es in die deutsche Szene: Corona, die sehenswerte Ausstellung von Unveröffentlichtem in Oberhausen sowie die verschiedenen Fördermöglichkeiten stehen dabei im Mittelpunkt. Nicht fehlen dürfen dabei die Atelierbesuche: Weissblech, Franz Gerg und Jürgen „Geier“ Speh zeigen Kostproben und verraten, welche Katastrophen wie gemeistert wurden bzw., welche Pläne für die Zukunft vorliegen. Da die Independent-Szene in den üblichen Publikationen zusammen oft weniger Raum bekommt als hier die einzeln vorgestellten jeweils haben, zeigt den Unterschied!

In weiteren Artikeln geht es um die Märkte in den USA, den Niederlanden, Japan und Italien. Auch hier wird der Fokus gezielt auf die Nischen gelenkt. Leider gilt es natürlich auch im ICOM der Toten zu gendenken. Abschließend (der ICOM vertritt Comic-, Cartoon- und Trickfilmschaffende) folgt noch ein Rückblick auf das 29. Trickfilmfestival.

Die Preisträger*innen 2021 und 2022

Neben den allgemeinen Themen und Vorstellungen dient das Comic! Jahrbuch aber auch dazu, die ICOM Preisträger*innen bekanntzumachen! Vorstellungen der Personen, exemplarische Beispiele für ihr Schaffen und die preisgekrönte Publikation sowie die Begründungen gehören auf jeden Fall dazu. Die Gewinner*innen des letzten Jahres sind auch mit einem Interview vertreten, die des Jahres 2022 haben das Jahrbuch praktisch gleichzeitig mit dem Ergebnis überreicht bekommen und konnten daher noch nicht Stellung nehmen. Nach einer langen internen Diskussion über Fehler der Vergangenheit und eine Neuaufstellung gibt es mittlerweile nur noch drei Preise:

Der beste Independent Comic als Selbstveröffentlichung war 2021 Kein Vatertag von Sascha Dörp, 2022 wurde der Preis Jürgen „Geier“ Speh für The Most Dangerous Game zuerkannt.

Detail COMIC!Jahrbuch page 196

Der beste Independent Comic als Verlagsveröffentlichung in 2021 stammt von Anna Rakhmanko und Mikkel Sommer; Vasja, Dein Opa ist bei Rotopol erschienen. 2022 konnte ein Western diesen Platz erklimmen: Murr von Josephine Mark, veröffentlicht bei Zwerchfell.

Schließlich bleibt der Sonderpreis für eine besondere Leistung oder Publikation, der im letzten Jahr dem Handbuch polnische Comickulturen nach 1989 verliehen worden war. Hier bestehen für den deutschen Markt mehr als nur einige Möglichkeiten, liegt doch kaum etwas des vorgestellten Materials in Übersetzung vor! In diesem Jahr konnte Oliver Ottitsch mit Liebe ist stärker als der Tod den Preis gewinnen.

Must have für alle, jenseits des Mainstreams schauen wollen

Die Kurzvorstellungen der Nominierten des letzten Jahres finden sich in der 2021er-Ausgabe, dieser Band stellt alle aktuellen Nominierungen vor! Allein dieser Überblick über einen kleinen Teil der deutschen Independent-Szene ist es wert, nicht nur einen Blick zu riskieren! Informationen aus erster Hand, Nützliches und natürlich auch Gossip. Wer weiß, dass es gute Comics auch außerhalb des Mainstreams gibt, bekommt hier Anregungen noch und nöcher. Aufgrund der gezeigten Beispiele kann dann auch jede*r entscheiden, einen Kauf zu wagen, denn gerade hier gilt, dass jenseits des Massengeschmacks nicht alles allen gefallen soll.

Detail COMIC!Jahrbuch page 82

Dazu passen The Adicts mit “Life goes on” und ein junger Grauburgunder.

© der Abbildungen Interessenverband Comic e. V. ICOM 2022 / Coverillustration by Franz Gerg/Geier

Legendre/Cambré – Kronieken van Amoras 10

De Zaak Sus Antigoon #2

Story: Marc Legendre
Zeichnungen: 
Charel Cambré

Standaard Uitgeverij

Softcover | 48 Seiten | Farbe | 8,25 € 
ISBN: 
978-90-02-27530-2

Cover Kronieken van Amoras 10

Im flämisch/niederländischen Sprachraum gibt es einige Serien, die wirklich die Bezeichnung „langlebig“ verdienen. Zeitweise waren auch Zeitschriftenveröffentlichungen dieser Serien en vogue, mittlerweile sind es aber Alben, die die Veröffentlichungen vorantreiben. Dabei ist durchaus eine hohe Schlagzahl zu konstatieren. Und so hat es auch die Spielart für Erwachsene von Suske en Wiske, Amoras bzw. de Kronieken van Amoras, schon auf insgesamt 16 Alben gebracht.

Parallele Dimensionen

Schon immer war es wesentlicher Bestandteil der Serie, dass die Protagonist*innen mit der Zeitmaschine von Professor Barabas durch die Zeit reisen konnten und so die Anzahl von möglichen Schauplätzen fast in das Unendliche ging. Seit einiger Zeit fragt sich der Professor aber, ob es neben der linearen Bewegung durch die Zeit vielleicht auch horizontale Verschiebungen geben könnte.

Kronieken van Amoras 10 page 1

Als Anhaltspunkt dafür nimmt er das Schiff Antverpia, das auf seiner letzten Fahrt Sus Antigoon an Bord hatte. Es gibt Berichte, dass das Schiff zwar in eine Nebelbank hineingefahren sei, danach aber verschwunden wäre. Auch scheint Barabas Beweise dafür zu haben, dass der Endpunkt einer Reise zeitlich vor seinem Beginn erreicht worden ist. Natürlich sind Lambik, Suske und Wiske sofort bereit, bei der Aufklärung zu helfen und lassen sich in damalige Zeit versetzen.

Insbesondere letztere haben natürlich auch ein eigenes Interesse an der Reise, hatten sie doch gemeinsam davon geträumt, an Bord der Antverpia gewesen zu sein. Während die Reise in die Zeit reibungslos gelingt, sind der Aufenthalt dort und auch die spätere Rückkehr nicht ganz so einfach. Marc Legendre erzählt wieder eine spannende Science-Fiction Story, die mit Reminiszenzen an das Original nicht spart und sogar Rikki zurückbringt.

Detail Kronieken 10
Gastauftritt Rikki

Action und Gefühle

Charel Cambré beherrscht seine Figuren mittlerweile wahrscheinlich im Schlaf. Trotzdem schafft er es, die Geschichte nicht nur routiniert runterzuzeichnen. Seine Actionszenen wirken wie Standbilder, die jeden Moment weiterlaufen könnten und sind – trotz der manchmal beigefügten karikaturesken Überhöhung – sehr realistisch. Auch die gezeigten Emotionen in Gesichtsausprägung oder Körpersprache wirken authentisch.

Zusätzlich baut der Zeichner immer mal wieder ein wenig Humor in den Dekors seiner Panels ein und variiert häufig die Ausschnitte und Blickwinkel. Für Langeweile beim Genießen ist daher kein Platz und auch die vielen Lautmalereien tragen zu der Rasanz bei. Sehr kurzweilig!

Kronieken van Amoras 10 page 3

Der Tipp für den Urlaub in den Niederlanden

Die Urlaubszeit hat begonnen und die Niederlande (und natürlich auch der flandrische Teil Belgiens) sind ein beliebtes Ziel. Die Amoras Bände sind nicht nur im Comic Spezialhandel vorrätig, sondern auch in Kiosken, Buchhandlungen und teilweise auch Supermärkten. Wer die Serie nicht kennt, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren!

Während Amoras aus sechs aufeinander aufbauenden Bänden besteht (auf Deutsch im ZACK), sind die Kronieken unabhängig voneinander, auch wenn es manchmal Zwei- oder Dreiteiler gibt.

Dazu passen The Regrettes mit „Barely on My Mind” und ein La Cambre IPA.

© der Abbildungen 2022 Standaard Uitgeverij, Antwerpen

ZACK 277

ZACK 277 (Juli 2022)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 277

Viele Comic-Magazine hatten früher spezielle Ferien-Sonderhefte um die Zeit, in der die potenziellen Käufer*innen urlaubsbedingt unterwegs waren, nicht ganz zu verlieren. Die jeweiligen Stories hatten oft einen Urlaubsbezug, die Cover auf jeden Fall. Der Bedarf hat sich ein wenig gewandelt, ein Großteil der regelmäßigen Leser*innen hat eh ein Abo und viele Produkte werden heute international angeboten. Die Sommer-Ausgabe des ZACK wäre für ein solches Projekt auf jeden Fall zu düster, gibt das Titelbild doch schon einen guten Vorgeschmack auf den Inhalt: nicht unbedingt gewaltfreie Konflikte!

Die Neustarts

Terence Trolley kehrt in das Magazin zurück: Er hatte es geschafft, die Kinder mit den speziellen geistigen Kräften den Häscher*innen von Panaklay zu entziehen und zu fliehen. Natürlich ist der Konzern darauf bedacht, seine „Investitionen“, die mutierten Kinder, nicht zu verlieren. Er erlaubt daher den Einsatz aller Mittel. Auch die Verfolgten gehen in ihrem Gegenangriff aber nicht gerade zimperlich zu Werk. Der letzte Link ist eine spannende Geschichte von Serge Le Tendre mit teils sehr unruhigen Zeichnungen von Patrick Boutin-Cgané. Viel Dynamik und teils fast schon Abstraktion.

Detail ZACK 277 page 5

Auch Amoras ist zurück! Suske und Wiske sind durch einen Zeitmaschinenunfall in eine dystopische Zukunft versetzt worden und befinden sich auf der Insel Amoras, auf der auch das erste von hunderten von Abenteuern der beiden spielte. Auf just diesem Eiland befindet sich die Zentrale von Krimson, einem mad scientist der übleren Sorte. Während Suske noch den scheinbaren Tod seiner Partnerin beweinen möchte, werden er und Jerusalem ebenfalls von Krimsons Männern beschossen und müssen erneut flüchten. Die nicht gerade friedfertige Version des Familienklassikers von Marc Legendre und Charel Cambré traf in der Wahl zum/zur ZACK-Held*in des Jahres auf geteilte Meinungen, ist in den Niederlanden aber extrem erfolgreich.

Detail ZACK 277 page 37

Die Fortsetzungen

Manchmal werden Geschichten plötzlich von der Wirklichkeit überholt. In Empire USA 2.4 bekämpfen sich zwei Fraktionen aus dem ehemaligen sowjetischen Geheimdienst bis aufs Blut. Mit ihren teils terroristischen Aktionen nehmen sie ein Wiederaufflammen des Kalten Krieges zwischen Russland und den USA bewusst in Kauf. Mittendrin steht der Ex-Agent Jared Gail, der nach den Mördern seines Freundes sucht. Aber auch der ehemalige russische Sportler Illya Patakarsky steht im Mittelpunkt. Komplexe Mischung aus Who-dunnit und Le Carrè von Stephen Desberg mit actionreichen Zeichnungen von Alain Mournier. Dieser scheint sich mittlerweile etwas einzugrooven.

Detail ZACK 277 page 23

Julie Kleinnagel, Das Mädchen von der Weltausstellung, setzt sich für ihre Freunde ein. Sie versucht, für ihre Rettung des Kaisers (in Teil 1) Gegenleistungen einzufordern. Obwohl auf den ersten Blick erfolgreich, wird ihr doch von Baron Hausmann eine Rechnung präsentiert, die sie nicht zu zahlen bereit ist. Das Thema der versuchten Vergewaltigung wird von Jack Manini gut präsentiert. Diese Verquickungen von humoriger Story und ernsthaften Themen macht einen großen Reiz in allen seinen Stories aus! Étienne Willem bildet diese Dualität in seinen Zeichnungen ab: 1867 ist eine lustige Geschichte, die Figuren sprechen Bände. Immer wieder aber kommt unvermittelt die harte Realität ins Spiel und das Lachen fängt an zu gefrieren.

Detail ZACK 277 page 74

Die Abschiede

In Luthon-Höge muss Inspektor Seller feststellen, dass nicht alle Bewohner*innen daran interessiert sind, einen lange zurückliegenden Unfall aufzuklären. Akten verschwinden, Honoratioren mischen sich ein und Drohungen werden rausgebrüllt. Teils bitter-böse Satire von Willem Ritstier mit modernen Zeichnungen von Michiel Offermann, die nicht dem Standard entsprechen. Obwohl Weder Fleisch noch Fisch als Episode beendet ist, wird der Handlungsbogen weitergehen!

Detail ZACK 277 page 48

Von Bob Morane gibt es eine ganze Reihe verschiedener Interpretationen. Ursprünglich von Henri Vernes als Romanheld angelegt, fanden viele Bücher eine grafische Umsetzung.  Mit den 100 Dämonen des Gelben Schatten haben Christophe Bec und Corbeyran einen eigenständigen Plot vorgelegt: modern, aber im klassischen verhaftet. Obwohl spannend und als Mischung zwischen Thriller, Agentenstory und Science-Fiction angelegt, kann die Geschichte nicht ganz überzeugen. Für mich sind die Anklänge an den Kalten Krieg und eine Rambo-Geisteshaltung zu stark, um wirklich zu überzeugen. Ein Hinweis auf Ho Chi Minh ist überflüssig, die Schrecken des Krieges auch ohnehin schon genug. Nun ja, neben der Story sind auch die Zeichnungen von Paulo Grella routiniert. Nicht schlecht, der Funke springt aber nicht komplett über.

Detail ZACK 277 page 57

Und sonst?

Als „Pausenprogramm“ treten wieder Parker & Badger, Tizombi und der Slip auf. Der Sekundärteil wird neben dem Üblichen von zwei Artikeln getragen: Christian Endres erinnert an den vor Kurzem gestorbenen, großartigen Neal Adams und Bernd Hinrichs bewertet die sehenswerte Ausstellung sowie das zu empfehlende dazugehörige Werk von Alexander Braun über Horror im Comic! Dazu lässt Michael Klein den ZACK-Juli 1972 passieren.

Auch wenn es keine Ferien-Ausgabe gibt, sollte dieses ZACK doch für ein paar Tage gute Unterhaltung bieten können. Durch die Mischung werden verschiedene Sparten bedient, die Qualität ist durchweg hoch und nebenbei hat das ZACK wie immer auch noch einen großen Informationswert!

Dazu passen The Toy Dolls mit ihrem Auftritt beim ARTE – Hellfest 2022 und ein Sommer-Rosé, gerne auch mit Eiswürfel.

© der Abbildungen 2022 bei den jeweiligen Autoren und Verlage c/o Blattgold GmbH

Kresse  – Die Ahnen der Mescaleros 1

Gesamtausgabe – Band 1: Das Böse

Story: Hans G. Kresse

Zeichnungen: Hans G. Kresse

Carlsen Comics

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 32,00 €
ISBN: 
978-3-551-78173-4

Cover Kresse - Die Ahnen der Mescaleros 1

Hans G. Kresse ist einer der bekanntesten niederländischen Comic-Zeichner und Texter. Während seine große Vorliebe und Leidenschaft den indigenen nordamerikanischen Völkern galt, ist seine wohl bekannteste Serie aus einem anderen Sujet: Erik, der Normanne. Nun erscheint sein opus major in einer dreibändigen Gesamtausgabe (wieder) in Deutschland. Die einzelnen Bände wurden in den 70-ern im YPS vorveröffentlicht und später bei Carlsen als Album publiziert. Man hat sich dabei nun entschieden, als Titel anstelle von Die Indianer-Reihe den moderneren Claim Die Ahnen der Mescaleros zu wählen.

Das multiple Böse

Der Titel der Gesamtausgabe ist durchaus doppeldeutig: Kresse erzählt das Leben der verschiedenen Stämme in den Plains und beschreibt mehrere Friktionen. Einerseits gibt es traditionelle Feindschaften zwischen den Stämmen aufgrund unterschiedlicher Konzepte (sesshafte Landwirtschaft vs. nomadische Jagdgesellschaft), aber auch „böse“ Stämme, die andere unterjochen wollen. Zusätzlich spielt die Rivalität zwischen zwei Häuptlingssöhnen eine große Rolle: Während der Ältere sehr traditionell ist, hat der Jüngere sehr eigene Vorstellungen von der Zukunft. Und dann sind da noch die Spanier, Die Herren des Donners.

Der gleichnamige erste Band führt in die Geschichte ein, beschreibt die künftigen Hauptpersonen und bereitet das Setting. Kresse ist dabei nicht zimperlich und die Vernichtung eines ganzen Stammes wird als übliches Szenario beschrieben. Sehr geschickt führt er das Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne aus. Natürlich sind die Spanier Invasoren, die nur eigene Interessen im Blick haben. Ihre Wundertiere, die bis dahin in Amerika unbekannten Pferde, könnten aber durchaus von Nutzen sein.

Detail aus Kresse Ahnen der Mescaleros 1
Illustration von Kresse

Die Erben des Windes und noch stärker Die Gefährten des Bösen führen diese Stränge fort. Kresse kombiniert persönliches Drama innerhalb der Stämme mit Geschichten von einzelnen Weißen oder Mischlingen, die eigene, differenzierte Rollen zugewiesen bekommen. Durch die sorgfältige Komposition haben diese Teile eigenständigen Reiz und tragen die Handlung voran. Nicht immer selbstverständlich! Es gibt allerdings auch den Vorwurf, dass Kresse sich mit seinem Plan, eine 20-bändige Chronik der indigenen Völker Nordamerikas vom ersten Kontakt mit den spanischen Eroberern bis zu ihrem Untergang zu verfassen, übernommen habe. Da letztlich nur 10 Teile erschienen sind, ist es müßig, darüber zu spekulieren und viel besser, die Reihe zu genießen.

Naturalistische Zeichnungen

Anfang der 70-er Jahre war es noch nicht ganz unüblich, Zeitungsstrips zu verfassen. Kresse selbst hatte jahrelang seinen Erik für die Zeitungen verfasst und auch sein Stil für die Indianerreihe ist noch davon geprägt. Obwohl die Zeichnungen sehr sorgfältig koloriert worden sind, könnten sie auch ohne diesen Schritt bestehen. Es wäre sogar sehr spannend, diese im Original mit denen von Serpieri (aktuell bei schreiber & leser) oder Jijé (Jerry Spring bei Egmont) zu vergleichen.

Ansonsten legt Kresse viel Wert auf den Hintergrund, geht dabei aber nicht so sehr in die Totale wie beispielsweise Giraud. Obwohl es Überspannungen gibt, bleibt das Layout sehr traditionell mit meistens vier, selten auch nur drei Reihen. Die Gesichter sind stark konturiert und tragen viele Emotionen und Körperbau sowie -haltung sind anatomisch korrekt. Auch bezüglich der Kleidung und der Lebensweise kann davon ausgegangen werden, dass Kresse so detailgetreu wie nur irgend möglich gearbeitet hat.

Beispiel Kresse - Maho-Tonga
eine Vorläufer-Serie

Ein Klassiker für die (Western-) Sammlung

Für Fans des Western-Comics sicherlich ein Muss. Im Yps belegte diese Serie den Westernplatz in den ersten Ausgaben, bis sie von Buddy Longway abgelöst wurde. Beide Serien gehören sicherlich ohne Zweifel zu den Must Haves in diesem Bereich, gerade weil sie nicht dem damals üblichen TV/Kino-Blickwinkel folgen. Die First Nations werden hier als Kulturnationen vorgestellt, die letztendlich keine Chance gegen die Eindringlinge hatten.

Ergänzt wird der Band durch zwei inhaltliche Teile. Zunächst stellt Rob van Eijck den Künstler vor, seinen Werdegang und die Leidenschaft für die nordamerikanischen Indigenen. Martin Jurgeit beleuchtet anschließend die Rezeption in Deutschland. Auch wenn (oder weil?) die Zeichnungen nicht dem aktuellen Modetrend entsprechen und weder Computerkolorierung noch Manga-Anleihen aufweisen, eine klare Empfehlung für Leser*innen auch jenseits der Westernfans mit einem Faible für gut erzählte Geschichten über mehrere Bände hinweg.

Dazu passen ein Mezcal sowie Dropkick Murphys mit „Two 6’s upside down“!

© der Abbildungen Erven Hans G. Kresse/Arboris BV 2018 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Legendre/Cambré  – Spirou und Fantasio Spezial 35

Happy Family

Story: Marc Legendre

Zeichnungen: Charel Cambré

Originaltitel: Robbedoes: Happy Family

Carlsen Comics
Softcover |48 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 
978-3-551-78046-1

Cover Spirou und Fantasio Spezial 35

Das französischsprachige Magazin Spirou erscheint mit sehr geringen Ausnahmen Woche für Woche seit 1938. Früher enthielten die Ausgaben immer auch eine Geschichte mit dem Hauspagen Spirou. Dieser Standard wurde allerdings schon zu den Zeiten des großartigen André Franquin aufgegeben. Mittlerweile erscheinen von dem Pagen nur noch Sub-Reihen. Immerhin ist es dadurch möglich geworden, dass Künstler*innen anderer Länder die Möglichkeit bekamen, ihre Interpretation zu erstellen und (zunächst) nur in ihrem eigenen Land zu testen. So sind wir etwa zu Spirou in Berlin von Flix gekommen. Auch im flämischen Teil von Belgien und den Niederlanden gab es eine dreibändige Eigenkreation, die jetzt den Weg zu uns gefunden hat.

Eine Fahrt mit Hindernissen

Spirou und Fantasio müssen bei einem Besuch in Rummelsdorf erleben, dass zwielichtige Gestalten dabei sind, dem Grafen eine neue Erfindung stehlen zu wollen. Die Erfindung besteht aus einem Ei-großen Supercomputer der selbstverständlich in falschen Händen eine schreckliche Gefahr darstellen würde. Sie soll in Kürze auf einem Kongress vorgestellt werden, doch angesichts der Spione scheint es fraglich, ob der Graf sie sicher transportieren könnte.

Happy Family 1 page 5

Fantasio hat auf dem Rummel gerade eine lebensecht wirkende Puppe gewonnen. Stracks wird dem scheinbaren kleinen Mädchen die KI eingesetzt und ein Plan ausgeheckt: Fantasio soll die Mutter spielen, Spirou den Vater um als Happy Family nicht aufzufallen. Der Graf selber stellt sich als Ablenkung zur Verfügung.

Auf der Fahrt gelangen die Helden von einen Slapsticksituation in die nächste Katastrophe. Ein genretypisch etwas unfähiger Gangster und ein Bus mit arabischen Touristen spielen dabei die weiteren Hauptrollen. Marc Legendre brennt ein wahres Feuerwerk an witzigen Ideen ab und spielt dabei mit allen möglichen Klischees. Dabei tauchen immer wieder Reminiszenzen an die klassische Zeit des frankobelgischen Comics auf!

Ein echter Funny

Charel Cambré setzt das Ganze in eigenem, gleichzeitig aber an die großen Zeiten der Serie erinnernden Stil um. Er hat immer gerade genug moderne Einstellungen (etwa beim sich über die Kleidung aufregenden Fantasio) um als eigenständig wahrgenommen zu werden, lässt aber doch mit jedem Panel die Zugehörigkeit zur Familie der regulären Abenteuer erkennen. Und so könnte dieses Team seine Geschichte – wie auch die beiden noch folgenden Teile – genauso gut als reguläres Team der Serie gestaltet haben.

Happy Family 1 page 6

Anders als bei der für Erwachsene geschriebenen und gezeichneten Version von Suske en Wiske – Amoras (auf Deutsch im ZACK) – gibt es hier keine Einschränkungen bezüglich des Alters. Man merkt den beiden an, wieviel Spaß ihnen diese Möglichkeit gemacht hat. Sie hatten aber ihre Gründe um nach dem dritten Band aufzuhören.

Ein Muss für Fans

Fans der Serie können, ja müssen vielleicht sogar zugreifen! Waren die „richtigen“ Abenteuer für viele Fans teilweise zu ernst geworden und hatten damit den Geist der Reihe angeblich nicht mehr getroffen, findet sich hier ein rasantes, spannendes Abenteuer, das Gesellschaftskritik, Technik und Humor verbindet und sich vor allem nicht so ernst nimmt! Die ganz alten werden sich vielleicht ein wenig an eine Mischung aus Billy Wilder und Jerry Lewis erinnert fühlen.

Spirou und Fantasio Spezial 35 page 7

Schön, dass diese Robbedoes-Erzählung nun den Weg nach Deutschland gefunden hat. Keinesfalls möchte ich die One-Shots herabsetzen! Viele von ihnen bieten einen ganz eigenen und besonderen Blick auf die Figuren und bereichern dadurch das Spirou-Universum. Verzweifelte Versuche, den Zeitgeist zu erwischen und Superhelden-Leser*innen zu gewinnen, haben aber schon bei Uderzo nicht wirklich funktioniert.

Dazu passen ein leicht gekühlter Pinot Grigio und The Cardigans!

© der Abbildungen Dupuis 2017 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

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