ZACK 301 (Juli 2024)

ZACK 301

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 301

Im letzten Heft, der 300. Ausgabe des „neuen“ ZACK, gab es außerhalb der Fortsetzungen nur Kurzgeschichten aus der Jubelnummer zu 77 Jahren Tintin-Magazin. Nicht nur comix-online fand das gut und so wird Ende des Jahres ein ZACK-Sonderheft erscheinen, das weitere Kurzgeschichten daraus präsentiert. Zu vermelden ist leider auch, dass Étienne Willem, Zeichner von Paris der Wunder, Die Flintenweiber, Das Mädchen von der Weltausstellung und vieler weiterer Titel aus dem Leben geschieden ist. R.I.P.

Die Neustarts

Coverboy dieser Ausgabe ist Al Chrysler, einer derjenigen, die sich als Bootblack im New York der 30-er Jahre das Geld verdienen. Al ist gerade aus dem Knast entlassen worden als er feststellen muss, dass die alten Sünden keineswegs vergeben sind. Der Mafiaboss hat ein gutes Gedächtnis und vermisst eine ganze Menge an Geld… Mikaël vermengt auch im zweiten Teil dieser Geschichte wieder Rückblicke des WWII-Teilnehmers auf seine Jugend in dem Moloch New York mit der Gegenwart. Der Vorgänger, Giant, wird in Kürze in der ZACK-Edition als Gesamtausgabe erscheinen.

Detail ZACK 301 page 5

Ebenfalls neu ist Die Bank. Band 5, Die Scheckhefte von Panama, setzt die Familiengeschichte aus der Welt der Kredite und Finanzspekulationen fort. Joseph de Saint-Hubert landet in New York, um die neue Welt zu erobern. Wie wir alle bereits wissen, wird das allerdings nicht einfach sein, besteht die Familie doch fast nur aus Intriganten! Das Team Pierre Boisserie & Philippe Guillaume (Szenario) sowie Stéphane Brangier (Zeichnungen) hat auch das Gold der Belgier verantwortet.

Detail ZACK 301 page 86

Die Fortsetzungen

Die Geschichte um Mata Hari, die mit ihrer Erschießung begonnen hatte und nun den Weg dorthin beschreibt, geht mit einer Episode in Paris weiter. Margaretha Zelle tanzt sich in die gehobene Gesellschaft, muss sich aber erstmals mit ihrer eigenen Geschichte und den darum sorgfältig konstruierten Lügen befassen. Sehr einfühlsame Erzählung von Esther Gil mit realistischen Zeichnungen von Laurant Paturaud. Ein Beweis dafür, dass Biographien sehr spannend aufbereitet werden können, obwohl der Inhalt eigentlich bekannt ist.

Detail ZACK 301 page 25

Metamorphosis ist der sechste Band von Harmony. Der Mystery-Thriller von Mathieu Reynès verbindet gesellschaftspolitische Themen (das Ausnutzen von Kindern für Geschäftsinteressen und Brutalität) mit paranormalen Topics wie Psy-Fähigkeiten und übernatürlichen Kulten. Die Spannung steigt tatsächlich von Folge zu Folge und obwohl immer mehr Fäden verknüpft werden, ist ein Ende nicht wirklich zu hoffen. Die Zeichnungen kombinieren dabei moderne Elemente der Tablet-Kunst, des Manga und der klassischen frankobelgischen Linie.

Detail ZACK 301 page 42

Aleksis Strogonov ist weiterhin im Umfeld der stupiden lila Hemden unterwegs. Die Geschichte Kino von Jean Regnaud verknüpft klassische Elemente des Rechtsradikalismus wie Rassismus und nationale Überhöhungen mit einem Drama über einen Menschen, der alles will, aber nicht bereit ist, dafür auch wirklich etwas zu leisten. Dadurch wird mir leider nicht klar, was der Autor eigentlich erreichen will. Émile Bravo versucht mit seinen Zeichnungen, das Beste daraus zu machen.

Detail ZACK 301 page 57

Die klassische Fliegerserie Tanguy & Laverdure entwickelt sich immer mehr zu einem Politthriller in der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Verschwörung auf der einen und Drama auf der anderen Seite. Auch Die unsichtbare Grenze ist wieder ein solcher Fall. Während Laverdure lernen muss, eine ihm unbekannte Maschine zu fliegen (und zu stehlen) entdeckt Tanguy, dass wesentlich mehr Player involviert sind als zunächst angenommen. Spannende Geschichte von Patrice Buendia & Frédéric Zumbiehl mit Zeichnungen von Sébastien Philippe, die den ursprünglichen Spirit gekonnt modernisiert haben.

Detail ZACK 301 page 71

Und sonst?

100 Seiten bedeuten, dass es jetzt monatlich sechs Geschichten in Fortsetzungen geben wird. Georg F.W. Tempel kann also zum Glück mehr Stories unterbringen. Parallel dazu werden immer mehr Ankündigungen für die ZACK-Edition bekanntgegeben. Neben den Tanguy & Laverdure-Bänden kehrt mit den Minimenschen auch die Hauptserie von Pierre Seron zurück: zum Label „ZACK“, aber auch zum Verleger, der die Serie im Feest-Verlag vor Jahrzehnten das erste Mal in adäquater Form in Deutschland präsentiert hatte.

Im Heft gibt es auch noch Parker & Badger, Grott & Bott sowie Tizombi als Onepager, die Seite über das ZACK vor 50 Jahren von Michael Klein sowie Artikel über ein Manga-Road-Movie und ein Interview mit Baru, einem französischen Graphic Novel Künstler.

Dazu passen die ebenfalls nicht älter werdenden AC/DC, etwa mit „Riff Raff“ und passend zum Wetter eine Weisweinschorle.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Dahmen – Columbusstraße

Eine Familiengeschichte 1935 – 1945

Story: Tobi Dahmen

Zeichnungen: Tobi Dahmen

Originalausgabe

Carlsen Comics

Hardcover Book | 528 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 
978-3-551-79663-9

Cover Dahmen - Columbusstraße

Es gibt nicht mehr allzu viele Zeitzeug*innen des sogenannten „Dritten Reiches“, aber immer noch eine ganze Menge an offenen Fragen. Eines ist jedoch sicher: je größer der Abstand wird, desto unverständlicher werden Motive, Situationen und Emotionen, die ein Handeln begründet haben. Und da sich die Diskussionskultur gerade nicht unbedingt positiv entwickelt, ist es auch kein Wunder, dass Vorwürfe (egal aus welcher Richtung) die Tonalität bestimmen. Columbusstraße ist nicht als Beitrag zu einer Diskussion gedacht, es dient zunächst einmal der eigenen Information. Natürlich stellen sich daraus aber auch Fragen nach Verantwortung. Mehr zum Thema hier. Tobi Dahmen hat seine eigene Jugend in Fahrradmod beschrieben.

Der Feind sitzt in Russland

Tobi Dahmen hatte die Gelegenheit, nachzufragen. Und diese hat er weidlich genutzt, um die Geschichte seiner eigenen Familie während fast der gesamten Zeit der Nazi-Herrschaft aufzuzeichnen. Dabei geht er keineswegs einen leichten Weg. Viele Aussagen, Situationen und auch Zeichnungen sind nur schwer zu ertragen. Er hat allerdings den Vorteil, dass eine ganze Menge an Diskussionen schon gelaufen ist. Vor rund 20 Jahren zog die „Wehrmachtsausstellung“ durch die Deutschen Lande. Sie räumte mit der landläufig vertretenen Meinung auf, dass sich der Landser keiner Verbrechen schuldig gemacht hätte. Was damals noch Bombenattentate rechtsradikaler Aktivisten zur Folge hatte, ist heute Allgemeingut.

Detail aus Dahmen - Columbusstraße 2

Dieses Wissen droht allerdings von Fake-Facts übertüncht zu werden. Umso wichtiger ist es, die Geschehnisse immer wieder und wieder einfach nur darzustellen. Es geht nicht um den moralischen Impetus, die Frage an die heutige Generation, wie sie sich verhalten hätte (mit dem Wunsch auf zwei völlig unterschiedliche Antworten, je nach eigener Position) und auch nicht um Effekthascherei. Was könnte dafür geeigneter sein als Erinnerungen, die einfach nur wiedergegeben werden?

Und so lässt Dahmen sie alle zu Wort kommen, die Soldaten, den landverschickten Buben, den christlichen Vertreter der Moral, den Kriegswirtschaftsverwalter und viele andere mehr. Es mag störend sein, dass Antisemitismus, Antibolschewismus, Chauvinismus und andere -ismen quasi ungefiltert geäußert werden. Sie sind aber notwendig, um die Situation zu beschreiben, eine Antwort geben zu können, was jede*r (nicht) gewusst haben könnte/müsste, und damit authentische Zeugnisse gewinnen zu können.

Detail aus Dahmen - Columbusstraße 3

Realismus als Prinzip

Der Anspruch dieser Graphic Novel ist die Wiedergabe von Fakten. Die Aufgabe der Leser*innen ist es, diese zu bewerten und Schlüsse daraus zu ziehen. Und natürlich lässt einen der Realismus von Content und Zeichnungen oftmals daran zweifeln, ob es auch nur die leichteste Möglichkeit gibt, das Dargestellte gut finden zu wollen. Und doch gibt es das, wir müssen uns also damit auseinandersetzen. Dabei geht es natürlich nicht um Kollektivschuld oder ähnliche Vorwürfe. Es geht darum, zu verstehen, wie und warum sich so etwas entwickeln konnte.

In einer aktuellen Serie, die im Berlin der Nachkriegsjahre spielt und die in der ZDF-Mediathek abrufbar ist, heißt es, dass schlimmer als ein Nazi nur der Helfer eines Nazis sei. Aussagen dieser Art werden in Columbusstraße nicht getroffen. Die Zeichnungen erlauben in ihrer Emotionalität dafür aber durchaus, den Unterschied zwischen öffentlicher Rede (etwa in Feldpostbriefen) und eigenem Erleben darzustellen. Manchmal allerdings klingt das bereits sehr zynisch. Alles in Allem ist Tobi Dahmen dafür zu bewundern, dass er diese Geschichte und ihre Details outet. Er macht sich angreifbar, weil er es wichtig findet, Verantwortung zu übernehmen!

Detail aus Dahmen - Columbusstraße 1

Must Have!

Die Aussage, dass etwas ein „Must have“ sei, ist immer mit Vorsicht zu genießen. Natürlich „muss“ sich niemand mit deutscher Geschichte befassen. Niemand ist gezwungen, nachzuforschen, ob seine oder ihre Verwandten involviert waren. Wer aber noch nachfragen kann, sollte das jetzt tun, denn die direkte Erinnerung mag zwar im Laufe der Jahrzehnte getrübt sein, ist aber trotzdem einer gefilterten Aussage aus zweiter Hand vorzuziehen. Wer diese Möglichkeit nicht (mehr) hat, bekommt mit diesem Werk die Möglichkeit, eine fremde, authentische Erinnerung nachzuvollziehen.

Natürlich wird es auch hier Lücken gegeben haben, die bewusst oder unbewusst gefüllt worden sind. Bevor jetzt akribisch veranlagte Menschen damit anfangen, die Fensterscheiben in einem historischen Gebäude auf „Wahrheit“ zu überprüfen: Das ist nicht der Punkt! Es geht um die Beschreibung der Zeit, um authentische Gefühle und Wahrnehmungen. Im Laufe der Zeit mögen Details sich dagegen leicht verschieben. Ein wichtiges Buch, dass sogar die Chance verdient hätte, als Schullektüre verwendet zu werden.

Bild aus Dahmen - Columbusstraße

Dazu passen die Toten Hosen mit “Moorsoldaten“ und ein Füchschen Altbier.

© der Abbildungen 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg, by Tobi Dahmen

Schwarwel – Gevatter

Die fünf Phasen (Gesamtausgabe)

Story und Zeichnungen: Schwarwel
Originaltitel:
Gevatter 1 – 5

Glücklicher Montag und FUNUS Stiftung

Softcover | 168 Seiten | s/w | 19,90 € | 
ISBN: 978-3-948518-22-6

Cover Schwarwel Gevatter Gesamtausgabe

Gute Graphic Novels nutzen das selbst Erlebte um darauf aufbauend andere anzuregen. Fragestellungen können dabei mehr oder weniger existenziell sein, gehen aber oft wirklich in die Tiefe. Gerade wenn es sich dabei um Themen dreht, die nicht unbedingt im Mainstream der gesellschaftlichen Diskussion mitschwimmen können, sind sie nicht nur für die Leser*innen herausfordernd. Es gehört viel Mut dazu, sich als „anders“ zu outen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich dabei um sexuelle Orientierungen handelt, um Missbrauchserfahrungen, oder – wie hier – um die eigene Depressions- und Suchtgeschichte!

Der Hintergrund

Schwarwel nimmt seine eigene Geschichte als Ausgangspunkt und lässt seinen Protagonisten Tim sehr vieles autobiographisch erleben. Aufgewachsen in der DDR, bereits als Kind mit dem Sterben konfrontiert, aktiver Bestandteil der Subkultur als Musiker und Künstler, Alkoholiker und Drogenabhängiger, Depressiv und Angststörungspatient… Schon die Aufzählung würde Raum genug für mehrere Geschichten geben. Hier aber ist alles kombiniert.

Schwarwel Gevatter Gesamtausgabe page 12/13

Viele, die unter dem oben beschriebenen leiden, haben keine Möglichkeiten, dem Erlebten Ausdruck zu geben der von einer größeren Gruppe wahrgenommen wird. Schwarwel jedoch ist als früherer Art Director der Ärzte, als Herausgeber von EEE-Comics, als Filmemacher in Leipzig und als täglich veröffentlichender Karikaturist bekannt. Zudem beherrscht er die Zeichenkunst ausgesprochen gut.

Ein dritter hilfreicher, aber auch notwendiger Bestandteil war die Unterstützung der FUNUS-Stiftung. Kein Künstler kann eine Arbeit wie Gevatter erstellen, wenn er (nur) davon leben muss. Es geht also auch immer um ein Mäzenatentum, das Dinge vorantreiben kann. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die Endlichkeitskultur zu fördern. Hinter diesem Begriff verbirgt sich nichts weniger als die Frage, wie man im Wissen um den kommenden Tod sein Leben sinnvoll, nachhaltig und bewusst leben kann.

Der Prozess der Bewusstwerdung

Ich bin mir sicher, dass eine ganze Menge von Leser*innen dieser Seite Probleme schon mal mit (zu viel) Alkohol beiseitegeschoben haben. Natürlich ist allen bewusst, dass das auf Dauer nicht hilft, aber … Etwas weniger gesellschaftlich akzeptiert und trotzdem oft genug ausgelebt ist der gleiche Prozess, aber mit Rauschmitteln anderer Art. Einigen mag es gelingen, diese Flucht zu beherrschen, meistens aber braucht es eines Anstoßes, um sie zu beenden und die Probleme anzugehen.

Schwarwel Gevatter Gesamtausgabe page 76/77

Manchmal ist das jedoch nicht möglich: Probleme verfestigen sich, entwickeln sich zu krankhaften Monstern die ohne professionelle Hilfe nicht mehr zu bewältigen sind. Wie immer ist der erste Schritt aber das Eingeständnis, dass etwas angegangen werden soll. Schwarwel hat seine Geschichte daher in fünf – ursprünglich als separate Hefte erschienene – Kapitel eingeteilt, die den Phasen der Trauerbewältigung von Kübler-Ross folgen: Verleugnung, Zorn, Verhandlung, Depression und Akzeptanz. Er lädt uns ein, seinem alter Ego durch diese Schritte zu folgen, und natürlich auch, uns selbst dagegen zu reflektieren. Er spart dabei die vielen Situationen nicht aus, in denen ein selbstgewähltes Ende eine Lösung zu sein schien.

Dabei verknüpft er geschickt Rückblicke auf sein früheres Leben mit Phasen im therapeutischen Gespräch. Sämtliche Fachbegriffe werden dabei in einem leicht verständlichen Deutsch im Anhang genauso erklärt wie die zahlreichen Bezüge auf Punk und Metal-Bands. Besonders spannend dabei sind die Hinweise auf die ostdeutsche Tradition, die vielen unbekannt sein dürfte.

Uneingeschränkte Empfehlung!

Gevatter sticht nicht nur durch die Zeichnungen hervor! Das strikte Raster gibt Stabilität die gleichzeitig Tempiwechsel möglich macht. Die Zeichnungen gewinnen durch die Kontraste der schwarz-weißen Zeichnungen, die Details können nicht übermalt werden. Die Geschichte geht dadurch wesentlich eher unter die Haut als eine „schöne“ Version. Trotz der teilweisen Übertreibungen steht der Realismus im Vordergrund und viele Erfahrungen werden gerade dadurch eher glaubhaft. Trotz allem gelingen auch die (Alp-)Traum-Sequenzen und integrieren sich in den Ablauf.

Neben den fünf Teilen enthält die Gesamtausgabe auch weitere Illustrationen, einen sehr ausführlichen Anhang mit Erläuterungen und Informationen über FUNUS und Schwarwel. Das Pressepack kam zusätzlich noch mit einem längeren Interview, das einen tieferen Einblick in die Gedankenwelt ermöglicht. Vieles davon ist in diesen Artikel eingeflossen.

Dazu passen Chelsea mit „Be what you want to be” und ein alkoholfreies Weizenbier.

© der Abbildungen Glücklicher Montag und Schwarwel 2024

ZACK 299 (Mai 2024)

ZACK 299

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 299

Vor dem Jubiläumsheft im Juni gibt es noch einmal eine geballte Ladung Fortsetzungsstories, bevor es dann mit der deutschen Ausgabe der speziellen Nummer zur Feier des Tintin-Magazins weitergeht. Viele der klassischen ZACK-Held*innen werden dann neue Auftritte haben. Mit der Nummer 300, die den 25. Geburtstag des „neuen“ ZACK einläutet, werden sich dann auch Umfang (100 Seiten) und Preis (9,70 €) ändern. Damit wird nachgezogen was andernorts schon üblich ist.

Die Fortsetzungen

Titelbild und den ersten Platz im Inhaltsverzeichnis darf Mata Hari besetzen. Das Bio-Pic über die berühmt berüchtigte Margaretha Zelle geht bereits in die zweite Runde. Der jungen Frau bleibt keine andere Wahl als ihren Mann zu verlassen und sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Esther Gil beschreibt sehr eindringlich die emotionalen Herausforderungen und Demütigungen, aber auch den unbeugsamen Willen, sich durchzusetzen. Laurant Paturaud setzt das in sehr schöne, realistische Bilder um. Diese Geschichte hätte sicherlich auch sofort als Album funktioniert und ich sage eine hohe Platzierung bei der Jahreswahl mal voraus.

ZACK 299 page 5

Émile Bravo ist einer der Stars der x-ten Welle der Ligne Claire und durfte als solcher sogar einige – bemerkenswert gute – Spirou-Abenteuer entwerfen. Auch für Aleksis Strogonov sind seine Zeichnungen wieder sehenswert. Kino schwankt jedoch zwischen Parodie, Humor und Kritik am aufkommenden Faschismus, zeigt Schwächen der „normalen Menschen“ auf, und will vielleicht einfach zu viel. Vielleicht kann ich den Gedanken von Jean Regnaud auch einfach nicht folgen.

ZACK 299 page 23

Ebenfalls im letzten Heft gestartet ist Die unsichtbare Grenze, die die beiden französischen Kampfpiloten Tanguy & Laverdure in den europäischen Osten führt. Politische Spannungen zwischen West und Ost sind mittlerweile zu kriegerischen Konflikten geworden und sorgen für höchste Umsätze bei Waffenlieferanten. Noch mehr als in Friedenszeiten kommt es daher darauf an, niemanden einen Vorteil zu gewähren. Patrice Buendia & Frédéric Zumbiehl verknüpfen aktuelle Ereignisse mit Krimimotiven und zeigen eine Geschichte, die möglich sein könnte. Sébastien Philippe darf sich beim Luftkampf austoben, hat aber auch genügend Gelegenheiten, stationäre Szenen zu zeichnen. In der ZACK-Edition werden übrigens die Albeneditionen der Geschichten folgen!

ZACK 299 page 37

Mit Harmony läuft eine der besten aktuellen Mystery-Serien im ZACK. In mehreren, aufeinander aufbauenden Handlungsbögen vermischen sich ökonomische Interessen, die ethische Gesichtspunkte vollkommen ausblenden, mit skrupellosen Handlungen von Menschen, die ihre Machtstellung ausnutzen wollen. Dazu kommen übersinnliche Fähigkeiten und der Wunsch, eine göttliche Schreckensherrschaft wieder einzuführen. In Metamorphosis zeigt Mathieu Reynès die sich weiterentwickelnden Fähigkeiten der Mutant*innen in ihrem Kampf für Freiheit.

ZACK 299 page 52

Der Abschied

Das Geheimnis der Elfe ist der Titel des Comics, der die Geschichte über einen gestohlenen Siegelring und seine politischen Verwicklungen zu einem Ende bringt. Die Flintenweiber ist ein Spin-off der Geschichten über das Paris der Wunder und vereint ein wenig Romantik und Nostalgie bezüglich der nicht so Technik-getriebenen Zeiten mit einem Fantasy-Plot. Dazu kommen Krimi- und Action-Elemente. Die Dimensionsschranken haben sich aufgelöst und Oger, Drachen und Elfen bevölkern nun „unsere“ Welt während Menschen „ihre“ mit ihrer Anwesenheit beehren. Ein herrliches Lese- und Sehvergnügen von Pierre Pevel mit Zeichnungen von Étienne Willem!

ZACK 299 page 67

Und sonst?

Michael Klein berichtet über das ZACK vor 50 Jahren, Georg F. W. Tempel stellt die Strandräuber vor, die gerade in der ZACK-Edition erschienen sind, und Frank Neubauer interviewt Stephan Hagenow. Dazu kommen die üblichen One-Pager mit Parker & Badger, Grott & Bott und Starfixion und eine längere Episode von Tizombi, die wie üblich die Zombie-Welle auf den Arm nimmt.

Wer hätte damals gedacht, dass der Mosaik-Neustart 25 Jahre überdauern würde? Die Reihe der Hefte nimmt zwar inzwischen einen großen Platz im Regal ein, ist aber immer noch der beste Überblick über den aktuellen europäischen Comic-Markt. Das wieder auferstandene Alben-Programm mit Gesamtausgaben, Klassikern und aktuellen Bänden ergänzt das breit aufgestellte Konzept.

Dazu passen Bob Dylan („Forever Young“) und ein Brewdog Ferien Lager.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Karabulut – Das Tagebuch der Unruhe 1

Kapitel 1 bis 6

Story: Ersin Karabulut

Zeichnungen: Ersin Karabulut

Originaltitel: Journal Inquiet D`Istanbul – Volume 1

Carlsen Comics

Hardcover Book | 160 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 
978-3-551-02094-9

Cover Karabulut - Tagebuch der Unruhe 1

Gute Autobiographien erlauben einen Einblick in das Seelenleben des Künstlers, lassen die Leser*innen nachvollziehen, warum wann welche Entscheidungen getroffen wurden, und sparen auch die Fehlentscheidungen des Lebens nicht aus. Möglicherweise ermutigen sie sogar andere, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Schlechte dagegen dienen nur der Selbstbeweihräucherung. Das Tagebuch der Unruhe gehört meiner Meinung nach in die erste Kategorie!

Aber ich möchte Comiczeichner werden …

Der Autor, Ersin Karabulut, zählt heute zu den bekanntesten und erfolgreichsten türkischen Comickünstlern. In dieser mehrteiligen Graphic Novel erzählt er nicht nur, warum er Comiczeichner werden wollte, er beschreibt auch die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin. Geboren und aufgewachsen ist er in Istanbul. Diese Stadt war damals einerseits die modernste und offenste des ganzen Landes, gleichzeitig aber auch ein Beispiel für die traditionelle Türkei.

Die Jugend Karabuluts war geprägt von durchaus gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen linken Säkularisten, die aufbauend auf Atatürk eine moderne, dem Westen zugeneigte Türkei wollten, und den islamistisch orientierten rechten Kräften, die einen Gottesstaat wollten. Wer immer am öffentlichen Leben teilnehmen wollte, konnte davon ausgehen, dass mindestens eine der Seiten ihn gewinnen und benutzen wollte. Das führte oft zwangsläufig zu mindestens angedrohten Gegenmaßnahmen der anderen Seite.

Ersin Karabuluts Eltern hatten große Pläne mit und für ihren Sprössling. Er sollte es einmal besser haben und so wurde der Plan ausgearbeitet, einen Ingenieur aus ihm zu machen. Schon als kleiner Junge las dieser allerdings immer wieder Comics und träumte davon, später einmal Comiczeichner zu werden. Ein großer Teil der Story handelt davon, wie er seine Eltern schließlich überzeugen konnte und seinen Weg vom Bewunderer und Kopisten zum eigenständigen Zeichner gegangen ist. Dabei spart er auch nicht mit Kritik an seinem eigenen Verhalten, denn der frühe Starruhm hatte aus ihm nicht unbedingt einen besseren Menschen gemacht.

Tagebuch der Unruhe 1 page 5

Politische Cartoons

Am Anfang vieler Zeichner*innenkarieren stehen selten Bilderzählungen. Meistens beginnt es damit, die eine oder andere Zeichnung in zumeist kleinen Publikationen unterzubringen und sich langsam, aber stetig zu verbessern. Ersin Karabulut ist einen ähnlichen Weg gegangen. Die meisten Magazine in der damaligen Türkei, die für solche Zwecke in Frage kamen, waren aber der politischen Satire verpflichtet. Zwangsläufig nahmen die dort Publizierenden damit Stellung im Konflikt zwischen Rechts und Links.

Durch den Aufstieg der religiösen Parteien wurde allerdings der Spielraum für solche Provokationen immer kleiner und der erste Teil endet damit, dass Karabulut eine Wahl treffen muss: Will er mit seinen Zeichnungen, die nicht schön sind, den Kern der Materie aber sehr genau treffen, Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben, oder will er sich in das Private, Unverfängliche und damit Zustimmende zurückziehen.

Tagebuch der Unruhe 1 page 6

Eine politisch brisante Frage

Natürlich ist diese Autobiographie zunächst einmal nur der Beginn einer Darstellung des Werdegangs eines bekannten Künstlers. Die Stationen werden deutlich, der Kampf gegen die traditionelle Kultur, die Comics nicht als etwas Wertvolles akzeptiert, und somit auch das Erwachsenwerden. Dazu gehört es Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie falsch sind.

Daneben gibt es aber die politische Dimension. Der Band nimmt klar Stellung und erzählt aus persönlicher Sicht wie sich das Land von einer säkularen Idee zu einer islamistischen hin verändert hat. Waren die Demokratie und persönliche Freiheiten vorher das Ziel, stehen nun Gottgefälligkeit und Konformität im Vordergrund. Ein Beitrag der mit Sicherheit sehr kontrovers aufgenommen werden wird.

Dazu passen Athena (etwa “Kime Ne“) und ein Efes.

© der Abbildungen Dargaud 2022 | 2023 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Kleist – Cash

I see a Darkness

Story: Reinhard Kleist

Zeichnungen: Reinhard Kleist

Originalausgabe

Carlsen Comics

Hardcover Book | 224 Seiten | s/w + Sonderfarbe | 26,00 €
ISBN: 
978-3-551-76000-5

Cover Kleist Cash

Es gibt nur wenige Musiker*innen, die so bekannt sind, dass wirklich jede*r (ab einem gewissen Alter) den Namen schon einmal gehört hat. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man die Musik auch mag, man hat sie aber auf jeden Fall im Ohr. Immer häufiger erscheinen zu diesen Künstler*innen auch (auto-)biographische Comics, etwa zu Marylin Monroe, David Bowie, Iron Maiden, KISS oder den Sex Pistols. Aus Anlass des zwanzigsten Todestages von Johnny Cash erscheint das Werk von 2006 in Neuausgabe.

Authentizität und Abstürze

Johnny Cash galt zeitlebens als einer, dem man seine Songs „abnahm“. Ihm wurde geglaubt, dass die Seelenpein, der Schmerz, die Einsamkeit und alles andere nicht nur Bausteine zu einem Erfolgshit waren, sondern selbst erlebte, zumindest aber selbst gefühlte Wahrheiten. Die Jugend des Sängers in eher marginalisierten Verhältnissen hat dazu mit Sicherheit vieles beigetragen. Cash war selbst im Knast, kannte Schlägereien nicht nur vom Hörensagen und konnte das Kindergeschrei im Nachbarzimmer nebst frustrierter Ehefrau gut beschreiben.

Kleist Cash pages 3&4

Der endgültige Durchbruch war der Auftritt im Gefängnis von Folsom vor einer Gruppe von Schwerkriminellen. Dieses – aufgenommene und daher immer wieder abspielbare – Konzert mit einer ganz eigenartigen Stimmung prägte den Erfolg des Man in Black. Mindestens genauso prägend waren aber die Exzesse des Musikers, seine konstanten Drogen- und Alkoholprobleme und seine innere Zerrissenheit.

Kleist beschreibt dieses Dilemma des Mannes, der weiß, dass er sich überfordert und doch nicht anders kann, sehr glaubhaft und ohne eine Wertung. Weder die erste Ehe noch die zweite mit June Carter haben ihn zu irgendetwas gezwungen. Und doch lagen musikalischer Erfolg und Glaubwürdigkeit und persönliche Niederlage sehr dicht beieinander.

Kleist Cash pages 12 & 13

Ungeschminkter Realismus

Reinhard Kleist hat im Laufe der Zeit bereits mehrere „Rock-Stars“ portraitiert. Cash war seine erste Arbeit, Nick Cave und David Bowie sollten folgen. Während letzteres fast schon zu poppig ist, ist Cash in realistischem schwarz-weiß gehalten. Lediglich ein senf-gelbes Ocker gesellt sich von Zeit zu Zeit hinzu und unterstützt.

Während die Story sehr realistisch gezeichnet ist, werden die eingestreuten Songtexte so in den Kontext aus Wort und Bild eingearbeitet, dass man beim Lesen nicht nur den Inhalt liest, sondern auch die Musik im Hintergrund „sehen“ kann. Natürlich hilft es dabei ungemein, wenn man die Stücke schon einmal gehört hat. Aber, um zum Eingangsstatement zurückzukommen: Cash kennt eigentlich jede*r.

Kleist Cash pages 16/17

Kleist selbst schreibt zu der Neuausgabe: „Ich habe den „Cash“-Band für die neue Ausgabe noch einmal von vorne bis hinten durchgearbeitet und habe nur an einigen Stellen den Text noch etwas verändert und angepasst. Ich glaube, nach mehrmaligem Durchlesen kann ich sagen, dass ich damals einen guten Job gemacht habe. Dramaturgisch würde ich nichts mehr ändern wollen. Das Buch hält eine gute Balance aus biografischen Fakten, Spannung und emotionaler Tiefe. Nur bei ein paar Panels habe ich dann doch gemerkt, dass ich mich zeichnerisch weiterentwickelt habe.“

Wohlwollend, aber nicht kritiklos

Werke über einen Star sind oft eine gewisse Gratwanderung. Sind sie zu positiv, wird unterstellt, dass es reine Lobhudelei sei. Sind sie zu kritisierend, ist es von Neidern verfasst worden. Kleist schafft meines Erachtens nach den Königsweg, verschweigt er doch weder die persönlichen Entgleisungen des Musikers noch seine Sucht, lässt andererseits aber keinen Zweifel an der Genialität und der Einfühlsamkeit des Mannes.

Passend zum 20-sten Todestag von Johnny Cash am 12. September 2023 bringt Carlsen eine überarbeitete, ergänzte Neuausgabe des Werkes heraus. Die Schmuckfarbe lässt einige der Szenen noch intensiver erscheinen und die zusätzlichen Zeichnungen stellen eine tolle Ergänzung dar. Zudem haben andere Länder schon lange vor uns begriffen, dass das Hardcover eigentlich die richtige Präsentationsform für Comics ist, die nicht nach einmaligem Lesen weitergereicht werden sollen.

Kleist Cash page unknown

Dazu passen natürlich Johnny Cash (Folsom Prison Blues) und ein Sierra Nevada Kellerweis.

© der Abbildungen Reinhart Kleist, Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023

Voloj/Zadok – Bill Finger

Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters

Story: Julian Voloj

Zeichnungen: Erez Zadok

Originaltitel: Bill Finger – Dans L´Ombre du Mythe

Carlsen Comics
Hardcover Book | 144 Seiten | Farbe | 24,00 €
ISBN: 
978-3-551-71136-6

Cover Bill Finger

Wer kennt sie nicht, die ikonografische Signatur von Bob Kane mit dem O zwischen den großen B’s? Jahrzehntelang zierte sie alle Batman-Geschichten mit dem Slogan „Batman geschaffen von Bob Kane“. Während die Schöpfer von Superman ihre Rechte einklagen mussten und zunächst den Prozess verloren, schien bei dem Dunklen Ritter alles in bester Ordnung. Und doch waren da immer die Gerüchte um Bill Finger, den ersten Zeichner der Geschichten und seinen „wahren“ Anteil. Diese Graphic Novel erzählt, wie es dazu kam, dass der Slogan vor Jahren in „Batman geschaffen von Bob Kane mit Bill Finger“ geändert worden war.

Eine lang andauernde Suche

Die amerikanische Comic-Industrie unterscheidet sich grundsätzlich von der europäischen. Während hierzulande die kreativen Köpfe im Vordergrund stehen und es teilweise endlose Streitigkeiten mit den Erb*innen gibt, ob Serien fortgesetzt werden dürfen (zuletzt bei Gaston von Andre Franquin), gehör(t)en in den USA die Held*innen den Verlagen/Konzernen und selbst heute verehrte Persönlichkeiten wie Carl Barks waren lange Zeit nur als „der gute Zeichner“ bekannt. Immerhin war es aber gute Sitte, bei Superheld*innen anzugeben, wer die Figur erschaffen hatte.

Was aber, wenn ein Mensch seine Stellung als Mittler zwischen Team und Verlag ausgenutzt hat, um nur sich zu benennen und nebenbei auch noch einen Großteil des Geldes einzustecken? Genau diese Situation hat es bei Batman gegeben: Bob Kane reklamierte alle Schritte als sein Werk, verschwieg die Beschäftigung von Ghostwritern und vor allem auch die Größe der Beteiligung von Bill Finger.

Die Graphic Novel von Julian Voloj beschreibt die Versuche von Marc Tyler Nobleman, die Wahrheit herauszufinden und in kleinster Detektivarbeit Schritt für Schritt neue Verknüpfungen zu finden. Natürlich war es nicht nur die Arbeit dieses Mannes, aber seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Athena Finger schließlich an Stelle ihres verstorbenen Großvaters die Würdigung des Anteils entgegennehmen durfte. Voloj beweist damit erneut seine Fähigkeit, Lebensschicksale für ein großes Publikum aufzubereiten.

Backcover Bill Finger

Mehrere Zeitebenen

Die Story von Voloj ist in mehreren Zeitebenen angelegt. Erez Zadok löst diese Vorgabe mit unterschiedlichen Seitenfarben. Während die sich entwickelnde Gegenwart einen weißen Hintergrund hat, sind die jeweils herausgefunden historischen Begebenheiten gelb hinterlegt. Dabei zitiert der Zeichner die eine oder andere historische Pose des Dynamischen Duos. Für Fans also auch ein schönes Ratespiel.

Nobleman selbst ist so etwas wie ein Held, lässt er sich doch von keinem Rückschlag ermutigen. Unterstützt wird er dabei von einem virtuellen Sidekick, der Robin-artig immer wieder auftaucht. Grafisch hervorheben würde ich die Doppelseite mit der Bedrohung der Comicindustrie durch einen deutschstämmigen Psychater, Dr. Wertham. Seine Ausführungen hatten extreme Auswirkungen auf die ganze Gattung.

Für alle, die mehr wissen wollen

Biografien sind schon immer eine sehr erfolgreiche Literaturgattung gewesen, auch in gezeichneter Form. Das Werk über Bill Finger erzählt das Leben nicht direkt, sondern immer gespiegelt in der detektivischen Arbeit des Aufspürens und entwickelt sich daher teilweise mosaikartig. Insofern hat das Werk eine eigene Spannung und sollte auch Menschen ansprechen können, die von Batman nicht viel mehr wissen, als dass es ihn gibt.

Das Drama wird aus den Umständen geschaffen, die einen skrupellosen Mann zeigen, der alle Möglichkeiten eines Systems ausnutzt, um andere auszubeuten. Für Batman-Fans zudem eine Schatztruhe mit versteckten Hinweisen! Hier wird die wahre Entstehungsgeschichte des erfolgreichsten DC-Helden präsentiert, der noch immer aktiver Bestandteil der Pop-Kultur ist.

Dazu passen Nirvana (Something in the Way) und ein Brooklyn Lager.

© der Abbildungen 2022 Urban Comics | Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023

Peet/Varekamp – Die Akte Kennedy 1

Top Secret

Story: Mick Peet

Zeichnungen: Erik Varekamp

Originaltitel: De Kennedy Files 1 & 2

Carlsen Comics

Hardcover – book | 176 Seiten | Farbe | 24,00 €
ISBN: 
978-3-551-71127-4

Cover Die Akte Kennedy 1

Der Carlsen Verlag ist vor allem bekannt durch Serien wie Tim und Struppi, Spirou oder Petzi, hat aber auch ein dezidiert politisches Programm. Dabei beschäftigt man sich mit Themen wie Klimakatastrophe, Missbrauch oder eben amerikanischer Politik. Im Original ist das Werk im niederländischen Verlag Scratch books erschienen. Und auch dort sind (gesellschafts-) politische Themen alles andere als eine Ausnahme. Nun also eine Graphic Novel über einen der erfolgreichsten politischen Clans in den USA, die Kennedys.

Der Mann, der Präsident werden wollte anstelle des Präsidenten

Man möge mir das Wortspiel verzeihen, es liegt für die Anfänge aber nicht ganz fern. Joseph P. Kennedy ist 1938 nicht nur ein Selfmade-Millionär.  Er hat durchaus Ansprüche auf das Präsidentenamt und es scheint nicht ausgeschlossen, dass er der erste irisch-katholische Inhaber dieses Amtes werden könnte. Um ihn daran wenigstens etwas zu hindern, schickt ihn der amtierende Präsident Roosevelt als Botschafter nach London. Die Zeiten sind kritisch: Sollen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zusehen, wie Deutschland unter der Führung von Hitler eine Bestimmung nach der nächsten ignoriert und sich sogar fremde Länder einverleibt oder um im Jargon zu bleiben, anschließt?

Detail Die Akte Kennedy 1 page 9

Es ist die Zeit des Appeasements, europäische Regierungen hoffen, dass Hitler keinen Krieg beginnen werde, wenn man ihm Zugeständnisse macht. Entscheidend in dieser Situation ist die Frage, ob die USA zu einem Krieg bereit sind oder nicht. Joseph Kennedy hat hierzu eine klare Haltung: Er äußert sich nicht nur klar antisemitisch und bewundernd über die Erfolge der Nazis, er intrigiert auch um die USA in einer Bebachter-Rolle zu halten.

Mick Peet zeichnet ein klares Bild des Patriarchen, seines privaten Verhaltens und auch der anderen Familienmitglieder und erlaubt immer wieder den Blick von außen, wenn er „Fremde“ reden lässt. Durch Zeitsprünge und Rückblicke ermöglicht er die Hinterfragung von Standpunkten ohne zu viel erklärenden Text hinzufügen zu müssen. Im Anhang werden die einzelnen Situationen dann näher erläutert und unterfüttert.

Zeichnungen im europäischen Stil

Es mag etwas verwundern, eine Auseinandersetzung mit einer DER Familien des politischen Amerikas in einem sehr europäischen Stil zu lesen. Einerseits kommt das Buch natürlich aus den Niederlanden, es wäre aber vielleicht auch unmöglich, es ohne den gebotenen Abstand zu publizieren.

Detail Die Akte Kennedy 1 page 11

Erik Varekamp benutzt ein strenges dreizeiliges Gerüst, das er nur selten etwas aufbricht. Er benutzt klare, konturierende Linien, lässt aber Emotionen zu. So sind etwa die Gesichter des Führers voll von Geschrei. Das Gesicht des „Helden“ ist dagegen fast unbeweglich und gleicht einer Maske im Spiel für den angestrebten Erfolg.

Ein Comic mit Anspruch

Literatur hat schon immer viele unterschiedliche Aufgaben gehabt die von Unterhaltung über Anregung und Flucht aus der Wirklichkeit bis zu Einflussnahme reichen. Die Akte Kennedy will ganz sicher ein politisches Statement abgeben, wie und warum die USA in der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg agiert haben. Wenn man aus der Geschichte lernen möchte, muss man sie zunächst einmal kennen und verstehen. Dieses Buch kann dabei hilfreich sein!

Detail Die Akte Kennedy 1 page 20

Durch den ausführlichen Anhang, der teilweise mit Dokumenten angereichert ist, wird versucht, der Gefahr zu begegnen, dass alles ja nur Fiktion sei. Während Filme und geschriebene Literatur eher als „wahr“ angesehen werden, ist graphische Literatur oft mit dem Stigma der „Fantasie“ verbunden. Obwohl hier mi dem reißerischen Tiel „top secret“ geworben wird, möchte das Werk ernstgenommen werden. Diesem ersten Band werden noch zwei weitere folgen!

Dazu passen ein Cola libre sowie Normahl mit „Sacco und Vanzetti“!

© der Abbildungen 2019, Erik Varekamp, Mick Peet/Scratch Books / Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023

„Aber ich lebe“ – 29.01.2023 in Dortmund

Graphic Novel-Lesung und Gespräch zum Holocaust-Gedenktag im MKK

Ankündigung Plakat Aber ich lebe Dortmund 29.01.2023

„Aber ich lebe“ – unter dieser Überschrift steht am Sonntag, 29. Januar 2023, 17 Uhr die Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund, Hansastr. 3. Zu Gast ist Comiczeichnerin Barbara Yelin, die ihre Graphic Novel zur Schoa vorstellt. Das Grußwort spricht Bürgermeister Norbert Schilff. Der Eintritt ist frei.


Bislang haben Zeitzeug*innen eine wichtige Rolle gespielt, wenn in Schulen, Gedenkstätten und Bildungseinrichtung an den Holocaust erinnert wurde. Heute, knapp 80 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus, leben nur noch wenige von ihnen. Wie können ihre Erlebnisse vor dem Vergessen bewahrt werden? Und kann man die Schoa auch mit den Mitteln des Comics erzählen? Die Comiczeichnerin Barbara Yelin und zwei Kolleg*innen sind diesen Fragen nachgegangen. In enger Zusammenarbeit mit vier Zeitzeug*innen entstand die Graphic Novel „Aber ich lebe – Vier Kinder überleben den Holocaust“ (Verlag C.H. Beck, 2022). Enthalten sind drei Geschichten, die die Erinnerung an den Holocaust auf ungewöhnliche Weise bewahren und dabei mit Sehgewohnheiten brechen.

Cover Yelin Aber ich Lebe

Bei der Veranstaltung im MKK stellt Barbara Yelin die Geschichte von Emmie Arbel vor, die als Mädchen die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen überlebte. Anschließend spricht sie mit Professor Sascha Feuchert von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur über die Möglichkeiten und Grenzen der Darstellungsform.
Der Holocaust-Gedenktag, offiziell „Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“, erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945.
Für die Veranstaltung kooperieren Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund e.V., Volkshochschule Dortmund und Auslandsgesellschaft.de e.V.

© Text und Abbildungen Pressestelle der Stadt Dortmund, C.H. Beck Verlag 2022

Delalande/Liberge – Fritz Lang

Die Comic-Biografie

Story: Arnaud Delalande
Zeichnungen: 
Éric Liberge
Originaltitel: 
Fritz Lang, le maudit

Knesebeck

Hardcover Überformat | 112 Seiten | Farbe | 25 €
ISBN: 
978-3-95728-700-7

Cover Fritz Lang Comic-Biografie

Schon seit längerem erfreuen sich Biographien in Comic-Form großer Beliebtheit. Dabei gibt es erstaunlich viele Werke, die sich mit Schauspieler*innen oder Regisseur*innen beschäftigen. Als Beispiele seien genannt Chaplin, Marlene Dietrich oder etwa Marylin Monroe. Wenn eine solche Darstellung gut gemacht ist, regt sie dazu an, sich tiefer mit der dargestellten Person zu befassen oder Filme ansehen zu wollen. Vorweggenommen ist festzustellen, dass die Comic-Biografie über Fritz Lang diesen Ansprüchen absolut genügt!

Expressionismus im Film, Gewalt auf der Straße

Fritz Lang ist einer der großen Regisseure mit deutschem Pass die gezwungen waren, ihre Karriere nach 1933 in den USA fortzusetzen. Obwohl bereits bei der Geburt getauft, hatte Lang einen jüdischen Vater. Außerdem hatte der gefeierte Regisseur zwar durchaus teilweise ähnliche Sachen kritisiert wie die aufstrebenden Nazis, daraus aber komplett andere Schlüsse gezogen. Trotzdem war er wohl von Goebbels gebeten worden, die Leitung des Deutschen Films zu übernehmen.

Fritz Lang Comic-Biographie page 7

Die Biografie zeichnet den Weg von Fritz Lang anhand des bis heute unaufgeklärten Todesfalls seiner damaligen ersten Ehefrau nach. Sie hatte ihn wohl im Bett mit seiner späteren zweiten Frau Thea von Harbou erwischt und sich daraufhin erschossen. An dieser Darstellung gibt es allerdings Zweifel und die Figur des ermittelnden Beamten wird die Leser*innen durch den Band begleiten. Parallel zur Geschichte Langs wird die Geschichte der NSDAP von einer unbedeutenden Splittergruppe bis zur Machtübertragung geschildert.

Während Fritz Langs Affären geschildert werden, die mit Sicherheit nicht zu einer glücklichen Ehe beigetragen haben, wird zugleich auf die immer größere politische Entfremdung des anfangs kongenial arbeitenden Paares hingewiesen, da Thea von Harbou sich mehr und mehr zur überzeugten Nationalsozialistin wandelt. Im Vordergrund stehen aber vor allem seine filmischen Umsetzungen ihrer Drehbücher, die sowohl den späten Stummfilm als auch den frühen Tonfilm geprägt haben.

Realismus mit Visionen

Éric Liberge setzt das Szenario mit sehr realistischen Zeichnungen um. Das dabei verwendete Farbspektrum reicht von dunklem Sepia bis düsterem schwarzblau und unterstützt damit die Geschichte eines expressionistischem Visionärs und Zweiflers. Auch die inneren Dämonen, die möglicherweise aus dem ungeklärten Tod seiner ersten Frau herrühren, können so perfekt dargestellt werden. Oftmals besteht der Hintergrund aus ineinanderfließenden Visionen und Horror-Szenarien.

Fritz Lang Comic-Biographie page 8

Die gewählte Stilrichtung stellt zudem die zunehmende Gefahr durch die Nazis als auch die vielen Szenen aus den Filmen und den Drehs perfekt dar und lässt eine Fortführung mit einem der Filme bruchlos möglich erscheinen. Wer Mabuse, Metropolis oder M – eine Stadt sucht einen Mörder bisher nicht gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen und wird das nach dem Lesen dieses Bandes auch wollen!

Nicht nur für Filmfans!

Die Fakten, die Arnaud Delalande zu einer spannenden Geschichte zusammengeführt hat, entsprechen (meistens) der aktuellen Kenntnis über das von Lang selbst durchaus des Öfteren verschleierte Leben. Für Filmfans, aber auch für geschichtlich Interessierte, ist diese Comic-Biografie daher fast schon ein Muss. Sie bietet aber auch einen gut lesbaren Einblick in das Leben eines hin- und hergerissenen Künstlers, der Entwicklungen aufdeckt, mit den allgemein angebotenen Lösungen aber keinesfalls konform geht.

Fritz Lang Comic-Biographie page 13

Die persönlichen Dämonen, die Hinwendungen zu Geliebten und das künstlerische Genie sind gut nachzuvollziehen und machen die Graphic Novel auch für alle zu einem Tipp, die menschliche Entwicklungen zu schätzen wissen. Wer also Auster, Greene oder Djian mag, sollte einen Blick riskieren.

Dazu passen The Sisters of Mercy mit “Temple of Love” und ein leicht torfiger Islay.

© der Abbildungen 2022 Les Arènes, Arnaud Delalande, Éric Liberge / 2023 von dem Knesebeck Verlag GmbH & Co. Verlag KG, München

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