ZACK 297 (März 2024)

ZACK 297

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 297

Die Osterglocken sprießen schon, die Bäume fangen an zu blühen und Allergiker*innen bekommen die Pollen zu spüren. Alles das passiert deutlich früher als noch vor ein paar Jahren. Vielleicht hat ja doch jemand etwas geweckt, was wir jetzt nicht mehr los werden? Wahrscheinlicher aber ist alles hausgemacht.
Außerdem sind jetzt die Ergebnisse der ZACK-Serien-Umfrage da: Tadahhh: Erneut macht Rick Master das Rennen, Rani und Tangui & Laverdure folgen.

Die Neustarts

Das Heft startet mit Band 6 der Reihe Harmony: Metamorphosis. Azhael, der lange in Schach gehaltene dunkle Dämon, scheint befreit, hat allerdings noch nicht zu alter Macht zurückgefunden. Während zwei der Kinder, Eden und Payne, gefangen gehalten werden, versuchen Karl und Harmony sich vor ihren Häschern zu verstecken. Spannende Mystery-Serie von Mathieu Reynès in modernem Stil, die auch das Cover des Heftes ziert.

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Ebenfalls zurück auf diesen Seiten ist Aleksis Strogonov. Der junge Mann hatte vor den Bolschewiken fliehen können und ist nun in einem Güterzug mit anderen Flüchtlingen auf dem Weg nach Deutschland. Er schafft es, nicht zurückgeschickt zu werden, ja, er wird sogar in einer Wohnung von einem Deutschen in Berlin untergebracht. Leider muss er feststellen, dass sein Kumpel alle um ihn herum gnadenlos belügt. Kino ist die zweite Folge der Serie nach einem Szenario von Jean Regnaud und mit Zeichnungen von Émile Bravo. Es ist klar, dass die Lügen böse Folgen haben werden.

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Die Fortsetzung

Die Flintenweiber werden wegen eines Diebstahls eines mächtigen Ringes einer Elfenherrscherin von mehreren Organisationen verfolgt. Diesen Ring hatten sie in der ersten Folge von Band 3, Das Geheimnis der Elfe, an Inspektor Truchard übergeben. Leider scheint es eine Fälschung gewesen zu sein und schon wieder sind die Heldinnen der Gefahr der Festnahme und Schlimmeren ausgesetzt. Rasante Jagd in einer bunten Welt nach einem Text von Pierre Pevel mit Zeichnungen von Étienne Willem. Mehr aus dieser Welt auch im Paris der Wunder. Die Serie hat es meiner Meinung nach zurecht in die Top 10 geschafft!

Detail ZACK 297 page 49

Die Abschiede

Gleich drei Serien beenden ihren Auftritt: Den Anfang macht Michel Vaillant, der mit Platz 4 das Treppchen wieder knapp verfehlt hat. Seine Geschichte in Amerika, die mit Pikes Peak begonnen hatte und nun in Cannonball fortgesetzt wurde, endet mit einem dramatischen Cliffhanger der quasi aus dem Nichts kommend eine neue Partei in das Spiel bringt. Spannend, modern und mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Olivier Marin, die jede*n Technikbegeisterte*n erfreuen dürften! Denis Lapière hat seine Neuinterpretation des klassischen Helden als ansprechende Mischung aus Rennsport, Krimi und Soap angelegt, die ein sehr filmisches Konzept verfolgt! Zudem ist die Verbindung der einzelnen Bände, die quasi wie Kapitel einer längeren Storyline funktionieren und doch eigenständig verständlich sind, auf der Höhe der Zeit des sequentiellen Erzählens.

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Weniger traurig dürften viele Leser*innen darüber sein, dass MADI von Alex de Campi & Duncan Jones zunächst wieder aus dem Heft verschwindet. Das Projekt ist einerseits inhaltlich sehr komplex und liegt andererseits auch stilistisch nicht unbedingt im „Zielkorridor“ der Fans, ist es doch very british. Trotz allem wird die Serie fortgesetzt werden und verdient einen zweiten Blick!

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Ihr endgültiges (vorläufiges?) Ende hat dagegen Sauvage erreicht. Die Geschichte über die in Mexiko stationierten und kämpfenden französischen Truppen findet ihr logisches Ende mit dem Abmarsch der Truppen. Der Held, Felix Sauvage, entschließt sich allerdings, die Armee zu verlassen und in Nordamerika zu bleiben. Dort trifft er erneut auf Black Calavera, eine Tänzerin von etwas zweifelhaftem Verhalten. Felix Meynet zeichnet auf jeden Fall unverwechselbar, das Szenario von Yann braucht sich nicht hinter anderen Westernserien zu verstecken!

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Und sonst?

Natürlich gibt es wieder Gag-Seiten von Grott & Bott sowie von Parker & Badger. Letztere haben es sogar in die Top Ten der Serien geschafft. Dazu kommen ein Interview mit Jamiri, ein Beitrag über eine kurze Zeitspanne im Leben von Jonathan Lassiter vom Verfasser dieser Zeilen und natürlich der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren.

Dazu passen Cock Sparrer mit ihrer neuen Single „With my Hand on my Heart“ und ein erstes Frühlingsbockbier.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Pratt – Fort Wheeling 2

“Sechs Jahre später“

Story: Hugo Pratt

Zeichnungen: Hugo Pratt
Originaltitel: 
Fort Wheeling

schreiber & leser

Hardcover | 136 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 
978-3-96582-148-4

Cover Pratt Fort Wheeling 2

Es ist durchaus nichts ungewöhnliches, dass eine Serie über mehr als drei Jahrzehnte läuft. Sie hat dann allerdings üblicherweise eine ganze Reihe von Bänden, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen. Fort Wheeling ist dagegen eigentlich nur ein durchgehender Roman der 1962 begonnen worden war und 1994 sein Ende fand.

Überleben in Zeiten des Krieges

Criss Kenton, der Held dieser Geschichte ist ein Überlebenskünstler. Er bewegt sich inmitten des Kriegsgebietes und hat Kontakt zu allen möglichen Parteien: Engländern, Franzosen, Amerikanern sowie unterschiedlichen und teils verfeindeten Stämmen der First Nations. Sein Freund ist Tiny, ein Überlebender, der seine Stammeszugehörigkeit von Zeit zu Zeit neu definiert, seine Freundin eine Immigrantin aus Holland. Trotz aller Versuche, ihn für eine Sache zu gewinnen, scheitert eine wirkliche Vereinnahmung doch immer wieder an seiner Ablehnung der soldatischen Tugenden.

Trotz allem lässt er sich überreden, als Spion für die amerikanische Sache agieren zu wollen. Eigentlich aber möchte er nach Westen, bestenfalls mit seiner geliebten Mohena. Auf dem Weg trifft er alte Bekannte und erleidet neue Wunden. Seine Lebensphilosophie wird hinterfragt von allen, die sich genau einer Sache verschrieben haben, und das Leben meint es nicht wirklich gut mit ihm.

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Besonders beeindruckend sind die Szenen, die ihn mit seinem alten Freund und ehemaligen Mitstreiter zeigen. Die beiden stehen auf unterschiedlichen Seiten und selbst Freundschaft und ein gewisses Verständnis führen nicht dazu, dass die Regeln der Machtstrukturen in Frage gestellt würden. Pratt moralisiert nicht, stellt aber trotzdem die Frage, was ein Leben wert ist, wenn es einer Ideologie missfällt.

Wieder in zwei Varianten

Schreiber & Leser, der Verlag aus Hamburg, der auch andere Werke von Hugo Pratt wie etwa Corto Maltese verlegt, hat es sich zum Prinzip gemacht, diese in zwei Ausgaben zu veröffentlichen. Die „Klassik-Edition“ erscheint in schwarz-weiß und zeigt die Inhalte im Original. Die reguläre Edition enthält die (von Pratt selbst) kolorierte Fassung.

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Pratt zeigt den Helden gereifter als in Band 1, macht damit deutlich, dass sechs Jahre zwischen den Ereignissen liegen. Die Körpersprache drückt eine gewisse Resignation aus, die die anfängliche Naivität ersetzt hat. Weiterhin grandios sind allerdings die Naturdarstellungen, die in minimalistischer Weise die grandiose Weite ausdrücken. Allein schon deswegen ein Top-Tipp!

Ein grandioser Comic-Roman!

Manche Western sind Massenware, die nichts anderes wollen als eine Flucht in die reine Unterhaltung zu ermöglichen. Dieser Anspruch wird teilweise gepaart mit einer mehr oder weniger archaischen Philosophie die die Männlichkeit, Urwüchsigkeit und Macht der Gewalt als Säulen aufweist. Hiervon ist bei Pratt nichts zu merken. Auch er beschreibt eine Man’s World, heroisiert sie aber nicht. Zudem gesteht er seinen weiblichen Protagonistinnen eigene Pläne und Positionen zu.

Sein Roman ist eher geprägt durch eine melancholische Wehmut, dass die eigenen Ziele schon von irgendjemanden negativ beeinflusst werden. Trotzdem darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden! Beide Ausgaben enthalten ein Lexikon über die Geschichte der wichtigsten realen Personen die im Comic auftreten und ein Vorwort von Hugo Pratt. Keinesfalls nur für Western-Fans!

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Dazu The Skids „Into the Valley“ und ein amerikanischer Primitivo.

© der Abbildungen Casterman, Belgium, 1995, Wheeling, le sentier des amitiés perdues | Cong S.A., Switzerland, 1962/1995| 2024 Schreiber & Leser, Hamburg

Cauvin/Lambil – Die Blauen Boys GA 4

1975 – 1976

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Willy Lambil

Originaltitel: Le Tuniques Bleues 8, 11, 12

Salleck Publications

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 29,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-795-6

Cover Die Blauen Boys Gesamtausgabe 4

Neben Lucky Luke, dem unbestrittenen Platzhirsch der Western-Funnies, gibt es noch viele andere Serien. Die meisten davon hatten allerdings ein eher kurzes Leben. Mit annähernd 70 Alben kommen Die Blauen Boys der Serie von Morris allerdings recht nahe. Und tatsächlich war sie als Reaktion auf den Weggang des Lonesome Cowboys als Nachfolgeserie im Spirou-Magazin konzipiert worden. Die Gesamtausgabe bringt die frühen Alben neu übersetzt und einheitlich zurück auf den deutschen Markt.

Der Krieg als Schauplatz

Von Anfang an waren die Helden der Serie Blauröcke, also Soldaten der Nordstaaten während des amerikanischen Bürgerkrieges. Anfangs hatte das aber eher folkloristische Auswirkungen. Im Laufe der Serie wird der Kriegsschauplatz immer mehr auch das Szenario für die Handlung und neben den Slapstick tritt eine Komik, die die Schrecken des Krieges und den unbedingten Gehorsam auf die Schippe nimmt.

Cauvin nimmt dabei immer historische Ereignisse als Aufhänger und integriert diese natürlich auch so genau wie möglich in die Handlung. Er nutzt sie aber auch immer wieder um den Konflikt zwischen dem treuen Sergeant Chesterfield und dem sich vor den Gefahren möglichst weit entfernt haltenden Corporal Blutch auf die Spitze zu treiben. Letzterer droht ständig damit zu desertieren und doch drehen sich die beiden wie jedes gute Komiker-Pärchen immer um das weder-mit-noch-ohne Verhältnis.

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In Luftigen Höhen befördert die beiden Helden in einem Ballon hoch in die Luft, um den Gegner und seine Bewegungen besser sehen zu können. Kommunikation und Sicherheit scheinen allerdings etwas undurchdacht. Der Fotograf wird von höchster Stelle beauftragt, das Geschehen für den Rest der Welt festzuhalten und damit für die Unterstützung der gerechten Sache zu werben. Dumm nur wenn Realität und Plan nicht übereinstimmen. Schließlich werden Chesterfield und Blutch beauftragt, neue Rekruten für die Kavallerie heranzuschaffen, die bei jedem Angriff um die 90% ihrer Mitstreiter an den Tod verliert. Sie kommen zurück mit den Kosaken.

Stereotype als Humorträger

Was wäre eine Truppe von Soldaten ohne übereifrige Unteroffiziere, die ihre Männer in den Tod führen, Generäle, die weit entfernt vom Schlachtfeld in Sicherheit unmögliche Pläne aushecken und die einfachen Soldaten, die versuchen, dem Schrecken so gut wie möglich auszuweichen. Im Film gibt es dafür Beschränkungen, die im Comic wegfallen. Lambil schafft es ohne Zweifel, viele der Figuren schon beim ersten Auftritt Archetypen zuzuordnen. Die Mimik und Gestik ist bei ihm ein Mittel, um den Witz, der erst später kommt, vorzubereiten.

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Ansonsten sind seine Zeichnungen noch stark im Marcinelle-Stil: Runde Nasen, ein dynamischer Strich und viel „drum-rum“. Die Münder sind bunte Löcher, Bewegungen und Action werden durch Lautmalerei unterstützt. Da alle Abenteuer in Spirou vorveröffentlicht wurden, haben die Geschichten ein striktes vier-streifiges Layout.

Die etwas andere Western-Serie

Die Blauen Boys kombinieren die nette Zeichnung, die zum Genuss einlädt, mit den Schrecken der Schlachtfelder. Die Soldaten fliegen durch die Luft, wenn Bomben explodieren, sind blutüberströmt, wenn sie im Lazarett liegen und haben Hass-verzerrte Gesichter, wenn sie angreifen. Dieser Realismus wirkt durch den Gegensatz zu den Blümchen besonders krass (und natürlich werden die Blümchen kurze Zeit später in ihrem niedergetrampelten Zustand gezeigt).

Gerade dieser Gegensatz macht die Serie aber auch so beliebt und erfolgreich. Da die Reihe keine durchgehende Geschichte erzählt, können Neulinge immer einsteigen. Dieser Band ist dafür natürlich ebenfalls gut geeignet. Die Gesamtausgabe enthält auch weitere Abbildungen, eine zusätzliche Kurzgeschichte und einen einführenden Artikel von Volker Hamann. Die Serie war 2022 in der Top 5 von comix-online und wird mittlerweile nach dem Tod von Cauvin von einem neuen Team weitergeführt. Der letzte gemeinsame Band hatte den Titel „Wo ist Arabeske?“.

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Dazu passen Jona Lewie, mit “Stop the Cavalry” und ein schwarzer Kaffee!

© der Abbildungen Dupuis 1976, 1977, by Cauvin & Lambil / 2023 Eckart Schott Verlag

ZACK 296 (Februar 2024)

ZACK 296

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 296

2024 scheint das Jahr werden zu wollen, das „die Straße“ in das Bewusstsein zurückholt. Die Bahn war das erste Opfer der zu erwartenden Streiks, die Bauern blockierten alles Mögliche mit ihren Treckern und schließlich ging eine täglich größer werdende Anzahl von Menschen mal nicht für Individualinteressen auf die Straße, sondern zur Verteidigung der Demokratie! Welch ein Lichtblick!

Der Neustart

Die Flintenweiber zieren nicht nur das Cover dieser Ausgabe, auch Band 3 der Serie, Das Geheimnis der Elfe, nimmt seinen Anfang. Pierre Pevel beginnt die neue Geschichte mit einem ruhigen Rückblick. 1911 löst die Anwesenheit von Bewohner*innen der Anderswelt kein Erstaunen mehr aus. Der Raub des Siegelringes ist allerdings immer noch ungeklärt, die verschiedenen Mächte sind weiter auf der Suche nach ihm und die Rachegelüste gegenüber den Diebinnen sind noch ungestillt. Étienne Willem darf daher gleich wieder zur Action übergehen und die Vorbereitung einer Hinrichtung zeichnen. Liebevolle Zeichnungen mit viel Spaß im und am Detail in einer spannenden Story!

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Die Fortsetzungen

Das Science-Fiction-Projekt MADI von Alex de Campi & Duncan Jones geht bereits in die sechste Runde. Die Flüchtenden müssen dringend zu Geld kommen und es besteht die Hoffnung, dass Dean seine besonderen Kräfte einsetzen könnte. Allerdings erlaubt das den Verfolgern auch, die Spur wiederaufzunehmen … Es war einmal in der Zukunft wird dieses Mal gezeichnet von James Stokoe, der eine extrem detailreiche Bebilderung in Bonbon-Farben anbietet. Spielhölle mal anders!

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Eigentlich wollte Michel Vaillant nur ein nicht wirklich legales Rennen quer durch die USA gegen einen Blogger fahren. Cannonball, so der Name, entwickelt sich jedoch ganz anders als klar wird, dass Terroristen das Auto gehackt haben und das Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit eine Bombenexplosion auslösen wird. Ein Patch kann jedoch nicht online eingespielt werden. Wird es Steve Warson gelingen, mit einem USB-Stick in den dahinrasenden Wagen einzusteigen? Packende Action von Dennis Lapière mit sehr untypischen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

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Felix Sauvage konnte entkommen und darf somit hoffen, die Informationen über einen bevorstehenden Angriff noch rechtzeitig übermitteln zu können. Bevor es so weit ist treffen wir aber an einem Lagerfeuer Frauen wieder, die den meisten Leser*innen klassischer frankobelgischer Western sehr bekannt vorkommen dürften. Félix Meynet gelingt damit in Black Calavera eine sehr nettes Pastiche. Die weiteren Bilder sind dann eher Schachtengetümmel und Explosionen.

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Der Abschied

Der erste Band von Libertalia, Triumph oder Tod, geht in diesem Heft zu Ende. Die Überlebenden landen an einem Strand des Indischen Ozeans, um dort ihre Kolonie zu gründen, müssen allerdings noch eine letzte tödliche Prüfung überstehen. Fabienne Pigière & Rudi Miel haben eine modernes Piratenabenteuer geschrieben, das etwas andere Akzente setzt, gleichfalls aber die Erwartungen an dieses Genre erfüllt. Die detailreichen Zeichnungen von Paolo Grella passen dazu, sogar besser als zu Bob Morane. Man darf auf den nächsten Band gespannt sein.

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Und sonst?

Die Gag-Seiten von Grott & Bott, Parker & Badger und Tizombi beschäftigen sich wie immer mit Alltagsproblemen und ihren ungewohnten Auswirkungen. Erstaunlicherweise beschweren sich viele Leser*innen, wenn die Serien aus irgendwelchen Gründen fehlen, vergeben aber eher abwertende Noten. Nun ja, für mich gehören sie als Pausenprogramm dazu, haben aber auch ihren eigenen Reiz!

Den Reigen beschließen ein Interview zum Mord im Orient-Express und eines mit Dino Attanasio zu seinem Schaffen, ein Bericht über das Gold der Belgier in der ZACK-Edition sowie der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren. Weiter so!

Dazu passen Duffy mit ihrer Version von „Tainted Love“ und ein Oberdorfer Helles.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Seeßlen – Lucky Luke

Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen

Autor: Georg Seeßlen
Bertz + Fischer Verlag
Taschenbuch | 272 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-86505-774-7

Vor einiger Zeit noch totgesagt, lebt das Western-Genre munter vor sich hin. Im Streaming entsteht gerade ein ganzes Universum von miteinander verknüpften Serien um das Spätwesternepos Yellowstone; im Comic haben etwa Die Blauen Boys und Lucky Luke den Schritt auf neue Kreativteams vollzogen, nachdem ihre Schöpfer verstorben sind. In Deutschland vergeht kaum ein Monat, in dem nicht mehrere neue Westerncomics veröffentlicht werden.

Cover Seeßlen - Lucky Luke

Der wohl berühmteste europäische Cowboy

Es gibt eine ganze weitere Reihe von bahnbrechenden, erfolgreichen und guten europäischen Westernserien: Jerry Spring, Blueberry, Buddy Longway, Yakari, Chinaman, Durango aber auch Manos Kelly, Tex oder die Western von Serpieri. In das Allgemeinwissen hat sich aber der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten integriert: Lucky Luke! Erfunden wurde er als Figur von Morris (Maurice de Bevere), seine erste Hochform hat er allerdings erst mit den Szenarios von René Goscinny erlangt.

Seeßlen beschreibt in seinem Werk nicht nur die allgemeine Entwicklung des Westerns als Kunstform, ausgehend von (Heft-)Romanen und Filmen über Pulps und TV-Serien bis hin zum Comic, er arbeitet auch sehr verständlich die Hauptbestandteile dessen, was einen Western eigentlich ausmacht, heraus. Diesen Kanon überprüft er dann wiederum anhand der Lucky-Luke-Geschichte. Dabei geht er auf die Entwicklung der Serie ein, die sich über die Jahrzehnte den jeweiligen Anforderungen des Publikums zwar angenähert hat, niemals aber darauf eingelassen hat, zeitgebunden zu werden.

Für Fans des Genres ist es spannend nachzuvollziehen, wie der Aufbau einer Westerngeschichte fast schon formelhaft ablaufen kann. Man nehme ein paar Ingredienzien, mixe sie im richtigen Verhältnis, köchele ein wenig und fertig ist das Gericht, äh, der Comic. Nun ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht! Und Seeßlen beschreibt auch, warum manche Szenarios einiger Autoren einfach eben nicht funktionieren.

Die Serie im Besonderen

Neben den Erläuterungen über den Western als Solches geht Seeßlen detailliert auf jeden einzelnen Band der Serien Lucky Luke, Rantanplan, Lucky Kid und der Hommage-Bände ein. Er gibt jeweils den Inhalt wieder, reichert das mit sehr persönlichen Kommentaren an und lässt uns sogar wissen, welches sein Lieblingsbild in dem Band ist.

Fans der Serie erhalten so einen sehr konzentrierten Überblick, der ein Lexikon ergänzen kann. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die aktuellen Veröffentlichungen bis zu Band 101 und der zweiten Hommage von Bonhomme.

Top-Tipp!

Der Band ist eine gute Ergänzung sowohl zu den allgemeinen Werken über Western-Comics, etwa von Alexander Braun (Going West!, Staying West!), aber auch zu dem offiziellen Lucky-Luke-Lexikon. Seeßlen schafft es, viele Inhalte verständlich zu erklären, lässt seine eigenen Vorlieben deutlich erkennen, und pickt einen überschaubaren Ausschnitt aus dem Riesen-Thema. Der Band enthält 92 Fotos, die teilweise einen anderen Fokus haben als die bereits hinlänglich bekannten.

Wer sich nicht nur für das Lesen von Comics interessiert, sondern etwas darüber wissen möchte, sollte hier einen Blick riskieren! Von Seeßlen ist im Übrigen im gleichen Verlag auch schon ein Band über Herge und Tim und Struppi erschienen.

Dazu passen Elvis Presley mit seinem „Lonesome Cowboy“ und ein Whiskey.

© der Abbildungen2023 by Bertz + Fischer GbR, Berlin

ZACK 295 (Januar 2024)

ZACK 295

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 295

Ein neues Jahr, ein neues Glück oder so ähnlich … Comix-online wünscht allen aus der Generation ZACK ein frohes Neues Jahr!

Auf jeden Fall solltet ihr an der Wahl der ZACK-Serie des Jahres 2023 teilnehmen. Das geht entweder über den im Heft abgedruckten Coupon oder online. Ich bin gespannt, wie das Voting ausfällt, habe ich doch meine klaren Favoriten!

Die Fortsetzungen

Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der seine Klappe nicht halten kann. Dementsprechend wird er auf ein Himmelfahrtskommando geschickt, zusammen mit seinem Rivalen Hugon. Dieser wird schnell als Spion enttarnt, es droht ihm somit die Exekution. Black Cavalera ist eine sehr spannende Geschichte aus einem eher unüblichen Teilbereich des Western-Comics von Yann, unverwechselbar in Szene gesetzt von Félix Meynet. Die Kolorierung ist allerdings Geschmackssache. Die Serie ziert das Januar-Cover.

ZACK 295 page 5

Die zweite Staffel von Michel Vaillant ist bereits bei Band 11 angekommen, Cannonball ist ein (illegales) Straßenrennen quer durch die USA zu dem Michel von einem bekannten Blogger herausgefordert worden war. Mittlerweile ist klar, was mit den Autos während des nächtlichen Überfalls kurz vor dem Start passiert ist: Der Wagen wurde gehackt und Michel wird gezwungen, sich an einem Anschlag zu beteiligen. Die (von Marc Bourgne & Olivier Marin tadellos umgesetzten) Rennszenen dienen Dennis Lapière erneut nur dazu, einer viel größeren Geschichte einen tollen Rahmen zu geben. Vielleicht mehr Netflix als Jean Graton, aber eine echte Bereicherung!

ZACK 295 page 23

Madi ist ein Science-Fiction-Projekt von Alex de Campi & Duncan Jones. Es war einmal in der Zukunft berichtet von Menschen, die ihren Körper optimieren und sich teilweise als Söldner verdingen. Das bedeutet jedoch ständige online-Verfolgbarkeit, die zumindest dann sehr hinderlich ist, wenn man nicht nach fremden Regeln spielen möchte. Durchaus spannende Geschichte, die durch den Stilmix herausfordert. Die aktuellen Teile stammen von Pia Guerra & Matt Wilson sowie Glen Fabry & Adam Brown. Möglicherweise ist das Ganze zu „englisch“ für die frankobelgisch geprägte ZACK-Leser*innenschaft. Ich bin gespannt auf die Jahreswertung!

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Libertalia erzählt die Geschichte von Freiheit und dem Mut zu Veränderungen angesichts von untragbaren Verhältnissen. Der gesuchte Olivier Mission ist der letzte überlebende Offizier auf seinem Schiff und übernimmt das Kommando, die Gefahren für Leib und Leben der Besatzung enden damit aber keinesfalls. Fabienne Pigière & Rudi Miel lassen sich in Triumph oder Tod Zeit, die Seefahrt und ihre Herausforderungen zu beschreiben und gleichzeitig auf die Verfehlungen des Adels einzugehen. Ihre klare Wertung wird von Paolo Grella sehr detailverliebt umgesetzt. Stilistisch liegt Libertalia irgendwo zwischen Sauvage und dem klassischen frankobelgischen Stil.

ZACK 295 page 55

Der Abschied

Der erste Teil von Movie Ghosts geht zu Ende. Wird Jerry Fifth es schaffen, seiner Geliebten, einem Geist, die Ruhe zu schenken, die sie braucht, um Hollywood endlich verlassen zu können? Dafür muss er zunächst aber selbst am Leben bleiben was durchaus nicht einfach ist! Stephen Desberg hat mit Sunset … und weiter ein weiteres Mal seine Vielseitigkeit bewiesen! Die Verknüpfung von Krimi und Thriller-Elementen mit dem Mystery-Touch, angesiedelt in Hollywoods Traumwelt ist ein sehr schöner Einfall, der von Attila Futaki sehr passend umgesetzt wurde. Wie gut, dass das ZACK nicht immer nur auf eingefahrenen Pfaden wandelt, sondern Neuentdeckungen wie diese einbringt!

ZACK 295 page 76

Und sonst?

Dazu kommen gleich mehrere Gag-Serien: Parker & Badger, Tizombi, Grott & Bott und StarFixion. Letzteres ist eine echte Bereicherung gegenüber den Vorläuferreihen! Die inhaltlichen Beiträge beleuchten das ZACK vor 50 Jahren, stellen Shunas Reise und die neue ZACK-Edition-Serie Rio vor und gehen auf das Jari-Michel-Vaillant-Crossover in ZACK-Spezial 10 (Rezensionen folgen) ein.

Glücklicherweise ändert sich im neuen Jahr nicht alles, das ZACK bleibt. Comix-online hat es gerade zur besten Magazin-Veröffentlichung des Jahres 2023 gekürt. Wenn es so weitermacht, wird es schwierig werden, es von diesem Platz zu verdrängen.

Dazu passen Chelsea (Be What You Want To Be) und ein Vielanker Winterbock.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Jahresrückblick 2023 – Die besten Comics

Meine Jahresbestenliste und ein paar Worte zum Geleit

Dann wollen wir mal … Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Vieles ist gleichgeblieben, München ist zum Beispiel zum elften Mal hintereinander Deutscher Meister geworden. Vieles hat sich aber auch geändert: das politische Klima ist rauer geworden, Emanzipation und Bekämpfung der Klimakrise sind nur noch Worthülsen, während zum Beispiel ein Tempolimit in weite Ferne gerückt ist.

Im Comic-Bereich durften wir dagegen einiges erleben: angefangen mit Magazin-Neustarts etwa bei Zauberstern oder mit dem neuen Independent-Blättchen Graphica über das 50jährige Jubiläum des ZACK bis hin zur erstmaligen Veröffentlichung frankobelgischer Klassiker in Deutschland!

comix-online Reporter
Immer für euch unterwegs

Auch für comix-online gab es einen neuen Rekord: Erstmals waren es mehr als 100.000 direkte Zugriffe auf einzelne Artikel, also ohne die Startseite! Vielen Dank für dieses Vertrauen! Die Charts mit den am häufigsten aufgerufenen Seiten der letzten 30 Tage bzw. der „All-Time-Favourites“ zeigen durchaus Bewegung und lassen eure Präferenzen deutlich werden. Trotzdem freue ich mich über Kommentare oder Feedback, gerade auch bezüglich Informationen, die euch fehlen.

Die besten Comics

Grundsätzlich sind sich die meisten Seiten in diesem Jahr einig: Der neue Asterix, Die weiße Iris, ist seit Jahrzehnten der beste „neue Asterix“. Dem kann ich mich durchaus anschließen. Der neue Szenarist Fabcaro hat es geschafft, ein altbekanntes Thema (Die Römer versuchen das gallische Dorf von innen heraus zu zerstören) völlig neu zu inszenieren und dabei eines der modernen Streitthemen, Wokeness, satirisch zu erfassen. Die Zeichnungen von Conrad stehen für sich!

Cover Asterix 40
Offizielles Cover Asterix #40 Die Weiße Iris – (c) Egmont Ehapa Media GmbH Fotograf: LES ÉDITIONS ALBERT RENE

Platz 2 geht für mich an den ersten Band der neuen Reihe Wikinger im Nebel. Lupano und Ohazar haben mit ihrem sehr witzigen und teils schwarzen Humor das Sujet umgekrempelt und neben den Schlachtengemälden und Hägars Familienstrip eine eigenständige Welt aufgemacht, die filosofische Fragen stellt (Plündern ja, Kirchen abfackeln nein?) und Rollenbilder neu definiert!

Platz 3 geht an einen Altmeister: Francois Bourgeon hat mit Die Zeit der Blutkirschen 2 vermutlich sein letztes Werk vorgelegt. Es schließt den letzten Zyklus der Saga Reisende im Wind ab und endet während der Revolution. Diese Serie gilt nicht zu Unrecht als Startpunkt für die historizierenden Comics.

Knapp danach ein weiterer Titel aus dem Splitter-Verlag: Carbon und Silizium von Mathieu Bablet ist die Geschichte zweier KI, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch beide verloren sind. Gerade im Zuge der Diskussionen um ChatGPT, Bard und Co ein wichtiger Ansatz, der auch grafisch überzeugt.

Auf Platz 5 folgt ein weiterer melancholischer Beitrag über künstliche Wesen: Rostige Herzen von dem Duo, dem fast alles gelingt, BeKa und Munuera, ist der Einstieg in eine neue Reihe, die böse Menschen und gute Roboter als Symbole für vieles, was bei uns nicht mehr stimmt, benutzt.

Die besten Graphic Novels

Was kein Comic ist und auch kein Strip, das muss wohl eine Graphic Novel sein … In diesem Sinne die Top 3!

Platz 1 geht mit einem Tusch an Ein unerwarteter Todesfall von Dominique Monféry. Toxische Männlichkeit im Hohen Norden zeigt brutale männliche Gewalt, die nicht immer nur unter Druck entsteht und eine trotz allem erfolgreiche Überlebensstrategie einer jungen Frau.

Cover Ein unerwarteter Todesfall

Ein deutscher Titel konnte sich an zweiter Stelle platzieren: Der Zeitraum von Lisa Frühbeis schildert die Ängste und Nöte einer zwangsläufig alleinerziehenden Frau. Zwar ist das Thema keinesfalls neu, die grafische Umsetzung ist jedoch vollkommen anders als gewohnt und vereinbart persönliche Betroffenheit und „Nicht-Kunst“ mit genialen Farbakzenten.

Knapp dahinter eine Biografie auf Platz 3: In Fritz Lang schildern Arnaud Delande und Èric Liberge die Lebensgeschichte des deutschen Regisseurs, seiner Auseinandersetzung mit dem aufkeimenden Faschismus und seine teils skandalösen Beziehungen.

Die besten Gesamtausgaben

Einer meiner Lieblinge unter den frankobelgischen Zeichner*innen war schon immer Pierre Seron. Umso mehr freut es mich, dass nun endlich auch seine poetischste Serie, Die Zentauren, erstmals komplett auf Deutsch erscheint! Es darf allerdings nicht verheimlicht werden, dass der Verfasser als Übersetzer des redaktionellen Teils beteiligt war.

Cover Die Zentauren Integral 1

Auch in diesem Jahr sind drei neue Bände der Marvel Comics Library bei Taschen erschienen. Die XXL-Bände haben rund 700 Seiten, sind mehrere Kilo schwer, und präsentieren im Coffee-Table-Format die bahnbrechenden ersten Ausgaben der Marvel-Klassiker, die etwas ganz Neues erschaffen hatten. Sorgfältige Reproduktionen erlauben einen 100%igen Genuss, der von sachkundigen Einführungen abgerundet wird! Ein stolzer, aber berechtigter Kaufpreis ist der einzige, kleine Wermutstropfen!

Der dritte Platz steht ein wenig stellvertretend für ein ganzes Albenprogramm: Georg F. W. Tempel, der Herausgeber von ZACK und ZACK-Edition, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Perlen neu oder erstmals komplett auf Deutsch herauszugeben. Dazu zählen etwa Reihen wie Jari oder Alain Cardain. Preiswürdig ist aber die Reihe Bob Morane Classic, in der erstmals alle 19 Abenteuer von Dino Attanasio und Gerald Forton erscheinen werden!

Die besten Sekundärwerke

Es gibt kaum jemanden, der so gut lesbar so viele Informationen und Debattenbeiträge zwischen zwei Buchdeckel packen kann wie Dr. Alexander Braun. Dementsprechend führt er auch dieses Jahr wieder die Liste der besten Werke über Comics an: Staying West! ergänzt, was in seinem ersten Werk über Comics und den Wilden Westen außen vor bleiben musste, nimmt Stellung in der Debatte über Politische Korrektheit und grenzt Notwendiges von Übertriebenem ab und erzählt ganz nebenbei noch vieles über Italienische Westerncomics, Karl-May-Adaptionen und den Streit im Studio Vandersteen. Ein Muss!

Cover Braun - Staying West!

Platz 2 gehört der Reddition, die Jahr für Jahr erscheint! Im Frühjahr hieß der Schwerpunkt Schweiz, das Winterheft war der neuen Generation der Spirou-Künstler gewidmet (Besprechung folgt!). Anregende Artikel, ausführliche Listen und meistens gute Einordnungen machen das Magazin ebenfalls zu einem Must-Have!

Platz drei geht an Burkhard Ihme und das ICOM Comic!-Jahrbuch. Ebenfalls Jahr um Jahr schafft es der Verein, nicht nur seine Preisträger*innen ausführlich darzustellen und zu Wort kommen zu lassen, sondern präsentiert Informationen, stößt Debatten an und macht Spaß!

Die besten Magazine

Vor mittlerweile über 50 Jahren ist die erste Ausgabe des ZACK erschienen. Die Namensgebende Zeit (Generation ZACK) endete dann aber doch und jahrelang war es düster; frankobelgische Magazine kamen und gingen. Seit 295 Ausgaben läuft aber das „neue ZACK“, das es mittlerweile auf mehr Ausgaben geschafft hat als das alte Koralle-ZACK. Jeden Monat ein bunter Querschnitt durch das frankobelgische Spektrum (und Angrenzendes) und erneuerte Klassiker wie Rick Master oder Michel Vaillant sind den ersten Platz in dieser Sparte wert!

Cover ZACK 284

Gleich dahinter kommen die Magazine des Zauberstern Verlages. Was mit dem Phantom begonnen hatte, hat mittlerweile durch Mikros, Flash Gordon, Van Helsing und Savage Dragon Verstärkung bekommen! Hut ab und weiterhin viel Erfolg!

Platz 3 ist dagegen ein Nachruf! Leider musste die Comixene mit der Nummer 146 ihr Erscheinen einstellen. Lesenswerte Informationen, streitbare Meinungen und tolle Illustrationen werden allerdings nicht ganz verschwinden, sondern sollen Alfonz ein wenig aufpeppen!

Und dann ist da noch …

… ein geglückter Relaunch! Das Universum um Spirou drohte unterzugehen. Jetzt allerdings ist die erste Folge eines Mehrteilers aus der Hauptserie erschienen (Der Tod von Spirou), die Spezial-Bände enthalten Variationen von unterschiedlichen Teams, dem Meister Franquin wird vielfältig gehuldigt, unter anderem mit einer Neuausgabe der Gesamtausgabe, und die Freunde von Spirou (Rezension folgt) bringen erneut die politische Dimension während des Zweiten Weltkrieges zurück! So kann man es machen!

Cover Spirou und Fantasio 54

Eure Lieblinge in 2023

Eure Charts, basierend auf den Abrufzahlen:

Platz 1 geht an Hägar und die Gesammelten Chroniken von 1973, gefolgt von dem ZACK-Spezial 7 und dem zweiten Bob Morane-Sonderband von Forton. Sehr knapp dahinter Mitton und Messalina 1/2.

Die weiteren Plätze: ZACK-Spezial 6 – Jari 1, Asterix – Die weiße Iris, Sammy & Jack Integral 3, Michel Vaillant Collector’s Edition 1, Michel Vaillant Legendes 1 (die NL-Ausggabe! Wenn man die deutsche Ausgabe dazu addiert, wäre das mit weitem Abstand die Höchstmarke!), Asterix – Im Reich der Mitte und Lakota von Serpieri.

Das erste ZACK (284) folgt auf Platz 12, der erste Sekundärtitel (Staying West!) auf Platz 32.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen

Swolfs/Surzhenko – Die Jugend von Durango 1

Der Erste, den du töten wirst

Story: Yves Swolfs
Zeichnungen: Roman Surzhenko

Originaltitel: Durango La Jeunesse, Volume 1

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 48 Seiten | Farbe | 17,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-144-7

Cover die Jugend von Durango 1

Was tun mit einer Serie, deren Plot auserzählt ist, die aber noch viel Potential hat? Man kann Lücken füllen, wie es etwa bei Blake & Mortimer passiert, sich einzelne Aspekte herauspicken, etwa bei den Kronieken van Amoras, oder man switcht um auf Jugendabenteuer, die vor der eigentlichen Geschichte spielen. Dem letzteren Muster folgt die neue Westernserie Die Jugend von Durango von Yves Swolfs, die seinem Italo-Western geprägten Anti-Helden eine Jugend gibt.

Tradition vs. „Moderne“

Ein bekanntes Vorurteil gegen „Western“ ist, dass sie konservativ bis reaktionär sein, ein überaltertes Männerbild transportierten und den Konflikt zwischen Einwanderer*innen und dort bereits Lebenden aus der Sicht der Sieger/Vernichter darstellen würden. Natürlich gibt es Werke, für die alle drei Kategorien bejaht werden können. Es gibt aber auch andere, die sich bemühen, Dinge anders zu machen.

Die Jugend von Durango 1 page 3

Die Jugend von Durango gehört in die zweite Gruppe! Während es tatsächlich den Farmer gibt, der sich noch nicht von der Niederlage des Südens erholt hat und die alten Zeiten unter allen Umständen zurückhaben möchte, gibt es auch einen Farmer, der nicht nur bereit ist, seine Tochter zur Nachfolgerin zu machen, sondern auch nach gemeinsamen, nachhaltigen Lösungen sucht. Dazu gibt es dann auch noch eine Gruppe von Farmern indianischer Abstammung, die ebenfalls in eine traditionelle und eine zukunftsorientierte Seite zerfallen.

Demgegenüber steht die sich weiterentwickelnde, innovative Gesellschaft als Bedrohung des Status Quo. Rassismus wird in diesem Band teils sehr explizit dargestellt, zumindest was die Fraktion angeht, für die nur ein toter Indianer zählt. Demgegenüber stehen aber auch Überlegungen auf beiden Seiten wie eine „gemeinsame“ Zukunft aussehen könnte. Allein das Männerbild ist noch zu hinterfragen. Es gibt zwar eine handelnde Frau, der Mann mit dem Colt ist aber durchgängiges Prinzip.

Und: Yves Swolfs baut aus all diesen Ingredienzien ein sehr gut lesbares, spannendes Abenteuer mit viel Action und zeichnet die Anfänge des späteren Helden Durango sehr nachvollziehbar!

Die Jugend von Durango 1 page 4

Tolle, realistische Westernlandschaften und glaubwürdig Handelnde

Die Zeichnungen von Roman Surzhenko sind dem Skript von Yves Swolfs absolut ebenbürtig! Natürlich ist die erste Nagelprobe für Werke aus diesem Genre die Darstellung der grandiosen, weiten Natur in einer der Handlung angemessenen Weise. Obwohl die Berge und die Steppe grandios sind, muss es glaubwürdig sein, dass die Farmerstochter genug davon hat. Das gelingt hier!

Die zweite Klippe ist eine für alle realistisch gezeichneten Serien: Personen müssen eine nachvollziehbare und wiedererkennbare Mimik aufweisen. Nicht nur Menschen sollten in glaubwürdigen Positionen gezeichnet werden, auch besonders Pferde sollten als solche erkennbar sein. Surzhenko erweist sich als verdienter Nachfolger von Swolfs, der sich bereits seit Jahren nur noch auf Szenarios konzentriert.

Die Jugend von Durango 1 page 6

Schöne neue Western-Serie

Spin-offs lassen vermuten, dass das Original bereits so gut eingeführt ist, dass man vom Bekanntheitsgrad profitieren kann. Es bedeutet aber auch, dass zumindest der Szenarist davon ausgeht, dass die eingeführte Figur genügend Potential für eine weitere Serie hat. Ich traue Swolfs zu, dass er seinen Durango gut genug „kennt“, um dort noch einiges erzählen zu können. Coming-of-Thematiken sind en vogue, der tot gesagte Western hat sich neu erfunden und die Kombination aus beidem verspricht spannend zu werden.

Der erste Teil ist auf jeden Fall ein vielversprechender Anfang: Spannung, das Western-Feeling, neue Ansätze in Bezug auf die Rolle der Indianer*innen und der Frauenrollen und das schwierige Seelenleben eines angehenden Revolverhelden sind eine gute Mischung! Die Zeichnungen sind sehr gut und bringen die Atmosphäre nahezu perfekt rüber. Die Anteile der Gewalt- und Actionszenen sind bisher überschaubar und nicht unbedingt auf einem Italo-Western-Niveau. Der Band kann daher allen Fans der diversen Western-Spielarten empfohlen werden!

Detail Die Jugend von Durango 1 page 12

Dazu passen The Incredible String Band mit ihrem „Everything’s Fine Right Now“ und ein Kaffee, der zu lange auf dem Feuer gestanden hat!

© der Abbildungen Editions Soleil, 2022 | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023

ZACK 294 (Dezember 2023)

ZACK 294

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 294

Das Jubiläumsjahr geht mit dieser Ausgabe zu Ende: ZACK ist mittlerweile 50 Jahre alt geworden und seit kurzem gibt es mehr Ausgaben des „Neuen“ ZACK als von Koralle. Und trotzdem ist das Magazin nicht in die Jahre gekommen. Im Heft erscheinen neben aktuellen Blüten der frankobelgischen Comic-Zunft Werke unter anderem aus Skandinavien, den Niederlanden, den USA und Spanien. Das Ziel ist und bleibt die bestmögliche Auswahl für alle, die bereit sind über ihre Lieblinge hinaus Neues zu wagen. Zusätzlich hat sich mittlerweile ein Alben-Programm etabliert, dass klassische Schmankerl für Abonnent*innen in der Spezial-Reihe bereithält, Johnny Focus herausbringt und für alle erstmals die Bob Morane-Classics von Attanasio und Forton komplett präsentiert. Dazu kommen aktuelle Highlights wie Das Paris der Wunder, Michel Vaillant oder die kommenden Bände der ZACK-Edition wie etwa Von der anderen Seite der Mauer, Rio oder Doktor Radar.

Der Neustart

Ein alter Bekannter kehrt zurück! Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der mit seinen Truppen im napoleonisch regierten Mexiko stationiert ist. Nicht immer einverstanden mit allen Entscheidungen, ist er doch ein tapferer Kerl, der sich seine Gedanken macht. Der insgesamt fünfte Teil der Saga, Black Calavera, beginnt mit einem Angriff von Amerikanern auf die mühsam gehaltene Stellung und zeigt den Irrsinn der bewaffneten Auseinandersetzung sehr deutlich. Das Szenario ist von Yann, die Zeichnungen im unverwechselbaren Stil von Félix Meynet.

ZACK 294 page 25

Die Fortsetzungen

Olivier Mission muss fluchtartig das Land verlassen, nachdem er auf den Comte Saint-Jean geschossen hat. Er heuert auf einem Schiff als Unteroffizier an, kann sich aber auch dort nicht mit dem gnadenlosen Verhalten der herrschenden Klasse, in diesem Fall dem Kapitän, anfreunden und eckt sehr schnell an. Fabienne Pigière & Rudi Miel entwickeln mit Libertalia – Triumph oder Tod eine Geschichte, in der Moral und Recht auf unterschiedlichen Seiten stehen und nehmen damit das noble Motiv der Freibeuterei auf. Paolo Grella zeichnet das Ganze sehr detailverliebt und koloriert in einem Aquarell-artigen Stil.

ZACK 294 page 5

In Movie Ghosts muss Jerry Fifth sich langsam, aber sicher mit dem Gedanken anfreunden, dass die Toten möglicherweise doch mehr Einfluss auf die Welt der Lebenden haben als gedacht. Einerseits versucht der Detektiv eine Beziehung mit einer Toten einzugehen, andererseits passieren zu viele Zufälle, die ihn in Gefahr bringen, um zufällig zu sein. Sunset … und weiter ist eine abgedrehte Story von Stephen Desberg in einem Mystery-Noir-Setting, die von Attila Futaki düster und kraftvoll umgesetzt wird. Ich bin gespannt, wie dieser Mix in der Jahreswertung ankommen wird.

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Michel Vaillant ist mit der Zweiten Staffel schon bei Band 11 angekommen. Zeitgleich erschient der erste Band der Collector’s Edition mit den ersten drei Geschichten als Hardcover – Besprechung folgt! Cannonball ist der Name für ein illegales Rennen auf öffentlichen Straßen, das quer durch die USA führt. Die Fahrer dürfen sich bei Verfehlungen wie Geschwindigkeitsübertretungen nicht erwischen lassen, sollen aber keine Menschen gefährden. Bevor das Rennen starten kann, muss jedoch überprüft werden, ob die Wagen bei dem Einbruch in die Garage beschädigt oder verändert worden sind. Eine spannende Story von Denis Lapière mit actiongeladenen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

Detail ZACK 294 page 55

Und auch MADI findet seine Fortsetzung. Es war einmal in der Zukunft, dass Menschen den Kult der Körperoptimierung fortführten und mit Hilfe von implantierten technischen Gimmicks aus dem Körper eine Ware machten. Wie alle Eingriffe in die Natur sind diese aber nicht frei von Nebenwirkungen und davon handelt diese Dystopie von Alex de Campi und den David Bowie-Sprössling Duncan Jones. Die einzelnen Teile werden jeweils von anderen Künstler*innen umgesetzt, in diesem Fall von Tonci Zonjic, Skylar Patridge & Marissa Louise sowie von Pia Guerra & Matt Wilson. Ich würde empfehlen, die doch verzwickte Story am Stück zu lesen.

ZACK 294 page 73

Und sonst?

Für Abwechslung ist auch in diesem Heft wieder gesorgt! Als Gags tauchen Parker & Badger, Grott & Bott sowie Tizombi auf. Der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren erinnert an den Gewinn des Yellow Kid und Rezensionen sowie launige Gedanken von Frank Neubauer regen das Denken an. Bernd Hinrichs präsentiert bereits den 18. Teil seiner Serie über Comicverfilmungen und Christian Endres berichtet über Doktor Radar, eine Serie, die den Pulp wieder zum Leben erweckt.

Das ZACK ist auch im reifen Alter alternativlos und eine wesentliche Bereicherung des in Deutschland oft vernachlässigten Comic-Marktes. Wer neben Disney, Spirou und Asterix auch nicht ganz so erfolgreiche Serien kennen lernen und genießen will, findet hier eine kurzweilige Auswahl, die qualitativ keine Wünsche übriglässt.

Dazu passen ein erster Glühwein und die neue von Madness: Theatre Of The Absurd presents C’est La Vie.

© der Abbildungen 2023 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Braun – Staying West!

Comics vom Wilden Westen

Autor: Alexander Braun

Originalausgabe

Salleck Publications

Hardcover | 272 Seiten | s/w & Farbe | 49,00 € | 
ISBN: 978-3-89908-800-7

Cover Braun - Staying West!

Alexander Braun ist in Deutschland der bekannteste und berühmteste Kurator von Ausstellungen, die sich mit einzelnen Aspekten von Comics befassen. Die Mehrzahl von ihnen nimmt ihren Anfang in dem Dortmunder schauraum comic + cartoon, einem Museum (mit freiem Eintritt!), das dem Hauptbahnhof genau gegenüber liegt. Wieviel Arbeit in diesen Ausstellungen steckt und mit welch groß angelegtem Anspruch Alexander Braun an diese Konzeptionen heran geht, wird allerdings erst durch die großformatigen und voluminösen Ausstellungskataloge deutlich, die die Ausstellungen begleiten.

Der Wilde Westen und Befindlichkeiten

Es ist noch nicht allzu lange her, da brandete eine Diskussion in Deutschland auf, ob neben dem N-Wort noch weitere Begriffe, ja, ganze Autor*innen und Literaturgattungen nicht mehr zeitgemäß wären. Pipi Langstrumpf wurde bereinigt, das I-Wort an den Pranger gestellt, Karl May in Frage gestellt. Braun beginnt seinen zweiten Band der Kataloge über Comics, die den „Wilden Westen“ thematisieren mit einer Einordnung der verschiedenen Fragestellungen.

Während viele Publikationen heute (vor allem allerdings in Talkshows) lieber auf die schnelle Emotion setzen und Fakten eher als hinderlichen Ballast betrachten, setzt Braun in Staying West! auf die tiefergehende Analyse. Er leitet her, dass Indianer(*innen) durchaus ein benutzbares Wort ohne rassistische Konnotation ist, die Übersetzung von Carl Barks‘ Werken durch die hochgelobte Erika Fuchs dagegen sehr wohl in Frage zu stellen ist. Kulturelle Aneignungen passieren immer wieder. Auch hier kommt es allerdings darauf an, sich dem Thema verständnisvoll zu nähern und nicht nur nach einem Dampfhammer zu suchen. Allein schon diese Kapitel rechtfertigen die Anschaffung!

Braun - Staying West! page 32

Argentinien und Italien

Die erste Ausstellung über Comics mit Westernbezug, Going West!, hatte ein paar Lücken gelassen, die nun geschlossen werden. Dazu gehört die Hochzeit des argentinischen Comics, die durch die Militärdiktatur beendet worden war. Über Oesterheld, Pratt und die anderen ist schon viel geschrieben worden. Braun stellt allerdings den Gegensatz zum amerikanischen Mainstream in den Mittelpunkt. Während dort noch munter der Macho im Vordergrund stand, der kaltblütig die Natur und die angestammte Bevölkerung vernichtet, waren die argentinischen Stories schon Jahrzehnte weiter und stellten die White Supremacy deutlich in Frage!

Diese grandiose Zeit wäre nicht möglich gewesen ohne eine Vielzahl von italienischen Künstlern, die dazu beigetragen haben. Einige von ihnen sind dann über den Umweg England wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Dort fanden sie zunächst eine Vielzahl an Western vor bis nach und nach Tex Willer alles überstrahlte. Dieser hat erstaunlicherweise in Deutschland bisher nicht Fuß fassen können.

Karl May, Bessy und Mosaik

Dankenswerter Weise nimmt Braun das Thema der kulturellen Aneignung im Zuge der Karl May Adaptionen nochmals auf. In den 60-er Jahren gab es eine große May-Welle, da die Schutzfrist abgelaufen war. Nicht nur Pierre Brice prägte das Bild, es gab auch Comic-Umsetzungen. Die Hintergründe habe ich noch nie so ausführlich und kombiniert präsentiert bekommen.

Dem folgt ein langer Artikel über Bessy, Silberpfeil und Co, natürlich unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Schöpfer Vandersteen und Sels. Nirgendwo außerhalb von Deutschland war die Popularität dieser einfachen, nach einem cleveren Schema konstruierten Geschichten so hoch wie hier und der Bastei-Verlag hatte nicht nur die teilweise aus ausgeschnittenen Elementen zweitverwerteten Geschichten im Programm, er druckte auch noch die eine oder andere Geschichte mehrfach ab.

Braun - Staying West! page 15

Die DDR hatte dagegen eine andere Tradition. Übernommen hatte man die Abneigung gegen Bildgeschichten, vor allem solche mit Sprechblasen. Der schädliche Einfluss auf die Jugendlichen wurde mit sehr ähnlichen Worten begründet wie in dem amerikanischen Kreuzzug des Dr. Wertham, hatte aber natürlich eine komplett andere Vorstellung über das Ideal der Erziehung der Jugendlichen. Trotzdem konnte das Mosaik eine Episode über Amerika bringen in der die Helden (natürlich) Partei für die Unterdrückten ergreifen konnten.

(Semi-)Funnies

Für das Schlusskapitel verlässt Alexander Braun den Realismus wieder etwas und geht über zu den Funnies: Natürlich treffen wir hier wieder auf Carl Barks und seine Epigonen, die die Zeit am Klondike beschreiben oder heroisieren. Hier lesen wir aber auch über eine etwas andere Beschreibung eines Siedlertrecks, in der nicht die bösen Roten als Horrorszenario beschrien werden: Go West ist eine geniale, etwas unterschätze Serie von Derib und Greg. Und auch die Blauen Boys, die in mittlerweile 67 Alben die Schrecken und die Sinnlosigkeit des (amerikanischen Bürger-)Krieges thematisieren, werden vorgestellt.

Staying West - Alexander Braun
Dr. Alexander Braun während der Ausstellungseröffnung
Foto (c) schauraum comic + cartoon, Maximilian Mann

Unverzichtbar!

Das Western-Genre war das langlebigste und umfangreichste Genre der Populärkultur im 20. Jahrhundert: im Groschenroman, auf der Kinoleinwand, im Fernsehen und nicht zuletzt im Comic. Wer hier etwas näher einsteigen möchte wird sehr schnell merken, dass es gewaltige Unterschiede in den Sujets, der Ausrichtung und der Stilmittel gab (und gibt). Die beiden Kataloge von Alexander Braun zu diesem Thema sind nicht nur ein umfangreiches Kompendium mit einer Vielzahl von Abbildungen und Querverweisen und bieten einen sonst nirgendwo erhältlichen Gesamtüberblick. Vor allem sind sie lesbar und spannend geschrieben und machen daher Spaß.

Alexander Braun geht alle seine Themen (etwa Will Eisner) gründlich an. Er bringt nicht nur Theorien, die bei der Einordnung helfen, und bezieht auch psychologische Aspekte mit ein, er scheut sich auch nicht, seine Stimme in aktuellen Debatten zu erheben und sachlich, wie auch genüsslich, von ihm als falsch erkannte Positionen zu entlarven und auseinanderzunehmen. Danke dafür! Das Werk erscheint auch in dem richtigen Umfeld: Eckart Schott bietet in seinem Verlag Salleck Publications einer Vielzahl von Western-Serien an: Chinaman, Sauvage, Die Blauen Boys, Yakari, aber eben auch Einzelbände wie Go West oder Jessie Jane. Das Hardcover liegt trotz des Überformates noch gut in der Hand. Das Papier bringt die Illustrationen gut zur Geltung, die Bindung hält, was sie verspricht!

Braun - Staying West! page 73

Die Ausstellung Staying West im schauraum comic + cartoon läuft vom 23. September 2023 bis zum 3. März 2024: Max-von-der-Grün-Platz 5-7, 44137 Dortmund.

Dazu passen Gene Autry, etwa mit “Ghost Riders in the Sky” und ein Cowboy Schwarz Bier der Hummelbrauerei!

© der Abbildungen 2023 Alexander Braun / 2023 Eckart Schott Verlag

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