div – Kurzgeschichten Die Blauen Boys

Die Festschrift zum 60. Album

Story: Thierry Gloris, Sti, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Denis Lapière, Olivier Schwartz, Clarke, Lapuss‘, Joris Chamblain, Zidrou, Blutch nach Salvèrius, Lambil und Cauvin
Zeichnungen: 
Denis Bodart, Denis Goulet, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Pau, Olivier Schwartz, Clarke, Baba, Olivier Frasier, Maltaite, Blutch nach Salvèrius, Lambil und Cauvin

Originaltitel: Les Tuniques Bleues – Des Histoires courtes par …

Piredda Verlag

Hardcover | 120 Seiten | Farbe | 30,00 € 
ISBN: 
978-3-949968-05-1

Cover Kurzgeschichten Die Blauen Boys

Die Blauen Boys sind eine der erfolgreichsten und bekanntesten Westernserien aus dem frankobelgischen Semi-Funny Comic-Segment. Einzig Lucky Luke spielt in einer komplett anderen Liga. 2016 erschien das 60. Album der beiden (Anti-)Helden Corporal Blutch und Sergeant Chesterfield. Da es schon seit geraumer Zeit im Spirou-Magazin üblich war, gut laufende Serien unter dem Signet „… par …“ wechselnden Teams anzuvertrauen, bot es sich an, die bis dahin im Magazin erschienenen Kurzgeschichten mit ein paar weiteren als eigenständigen Hommage-Band zu vermarkten. Nun endlich ist auch eine deutsche Übersetzung erschienen!

Kritik am Militarismus

Die allerersten Anfänge der Serie, noch gezeichnet von Salvérius, hatten eher ein Fort der Armee der Nordstaaten als Ausgangspunkt für Komik und Slapstick. Schon sehr bald wurden aber die Schlachtfelder des Sezessionskrieges der Blueprint für die Abenteuer und trotz der weiterhin vorhandenen großen Prise Humor begann die Kritik am bedingungslosen Abschlachten, an unfähigen Vorgesetzen und allgemein am Militarismus einen breiten Bereich einzunehmen.

Auch die dreizehn in diesem Band versammelten Kurzgeschichten, die jeweils einen persönlichen Blick der jeweiligen Szenarist*innen und Zeichner*innen darstellen, nehmen diese Grundtendenz auf. So steht natürlich auch hier das Thema der Fahnenflucht im Mittelpunkt einiger Geschichten. Neu ist aber, dass auch der Vorgesetzte seine Zweifel äußern darf. Eine sehr berührende Geschichte kommt von Aimée de Jongh, die das Thema der auf dem Schlachtfeld eingesetzten Kinder visualisiert.

Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 5

Allen Geschichten gemein ist, dass, obwohl die Essenz der Serie immer getroffen wurde, sehr unterschiedliche Interpretationen entstanden sind. Der Band eröffnet daher einen, nein, viele neue Blicke auf ein Grund-Szenario, das schon viele Iterationen hinter sich hat. Gleichzeitig erfordern die Stories aber kein „Expert*innen-Wissen“. Jede*r kann sofort einsteigen und findet im Blaue-Boys-Setting viele Western-Narrative wieder.

Sehr unterschiedliche Zeichenstile

Wie auch schon die Story-lines sind die Zeichnungen nicht als Kopie des Originals angelegt. Im Gegenteil, die Zeichner*innen sollten ihren eigenen Stil einbringen und so ist ein bunter Strauß dabei herausgekommen. Einiges ist sehr realistisch, anderes ist bunt, frech und karikaturesk. Mit anderen Worten: Alle im Spirou der letzten 10 Jahre vorkommenden Stile finden sich auch in diesem Sammelband wieder.

Daher ist vollkommen klar, dass jede*r bestimmte Seiten nicht so gerne mag. Darauf kommt es aber nicht an, denn das Ziel ist, die Essenz in der fremden Darstellung wiederzufinden und Wert zu schätzen! Wer sich darauf einlassen kann, wird hier viel Spaß haben.

Detail Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 9

Die Weitung de Perspektive

Für mich ist es wichtig, immer wieder die Möglichkeit zu haben, etwas Neues zu entdecken. Manchmal muss man leider feststellen, dass sich eine Sache totgelaufen hat. Für mich trifft das weder auf die Hauptserie zu, noch auf diesen Jubiläumsband. Es stecken so viele Möglichkeiten darin und sehr viele davon werden hier präsentiert!

Die Ausgabe als Hardcover ist gediegen, das Layout der jeweiligen Einführungsseiten sehr ansprechend und der haptische Eindruck hervorragend. Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen möchte, braucht nur die hintere Umschlagseite zu nehmen und sich die dreizehn verschiedenen Profile anzusehen. Viel Spaß damit!

Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 3

Dazu passen Jack White mit “Seven Nations Army” und ein starker Kaffee.

© der Abbildungen DUPUIS 2016, by Thierry Gloris, Sti, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Denis Lapière, Olivier Schwartz, Clarke, Lapuss‘, Joris Chamblain, Zidrou, BlutchDenis Bodart, Denis Goulet, Pau, Baba, Olivier Frasier, Maltaite  / 2024 Piredda Verlag

Rossi – Golden West

Das letzte Aufbäumen

Story: Christian Rossi
Zeichnungen: 
Cristian Rossi

Originaltitel: Golden West

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 176 Seiten | Farbe | 39,80c € | 
ISBN: 978-3-98721-422-6

Cover Golden West

Es gibt Comics, bei denen man schon nach wenigen Seiten feststellt, dass sie zwar nicht schlecht sind, einen aber irgendwie nicht fesseln können. Bei Golden West ist das anders. Der im Original in vier einzelnen Bänden erschienene Comic über das Ende einer Zivilisation zieht einen in sich hinein und lässt nicht wieder los.

Ein Fluch als Sinnbild

Der junge Apache Woan macht einen schweren Fehler, der seinem Freund das Leben kostet. Da er sich damit außerhalb des Weltbildes seines Stammes gestellt hat (So etwas macht man nicht), gilt er als verflucht und muss fortan ohne die Gemeinschaft auskommen. Tatsächlich überlebt Woan und trifft im Laufe seines Lebens auf viele Menschen, die ihn lehren werden, dass die Zeit der Apachen vorbei ist. Seine Verfluchung steht quasi parallel zum scheiternden Überlebenskampf der Indigenen.

Golden West page 7

Auf sich allein gestellt, muss der Junge zunächst einmal überleben und sich damit in einer feindlichen Natur bewähren. Das betrifft nicht nur banale Dinge wie genügend Nahrung, er muss auch Jahreszeiten und Unfälle überleben, ohne ernsthaft zu erkranken. Schließlich trifft er auf Geronimo, der von der Verfluchung weiß, ihm aber trotzdem erlaubt, am Kriegszug teilzunehmen.  

Immer wieder werden sich die Pfade der Beiden kreuzen und es wird immer deutlicher werden, dass eine Zukunft nur vorstellbar wird, wenn sie der Vergangenheit in keiner Weise ähnelt. Das jedoch erfordert ein Umdenken, zumal ja die (meisten) Weißen alles daransetzen, die Apachen und alle anderen indigenen Völker auszurotten. Und auch die Mexikaner kommen als Verbündete keineswegs in Betracht.

Golden West page 8

Naturverbundenheit und Ruhe

Christian Rossi, bekannt für Westernreihen wie Jim Cutlass oder der Planwagen der Thespis, hat nicht nur das Szenario geschrieben, sondern sich auch in die Zeichnungen hineingemalt. Manchmal merkt man Zeichnungen an, dass der Künstler sich große Mühe gegeben hat, emotional aber nicht vollkommen involviert war. Hier ist Rossi mit Haut und Haaren, mit Pinsel und Feder bei der Sache.

Die Zeichnungen sind teilweise leicht unscharf und hauptsächlich in Sepia- und Rottönen gehalten. Nur das leuchtende Blau des Himmels kommt dazu. Er zeigt die Gewalt, aber auch die gewaltige Weite der Natur. Beim Lesen stellt sich die Frage, warum bei dem Angebot an Platz eine Kooperation nicht möglich gewesen wäre. Und auch die Antwort steht geschrieben: es lag nicht an den Ureinwohner*innen!

Golden West page 12

Eine sehr persönliche Darstellung

Der klassische Western nach dem Motto Weiß=gut, Rot=böse funktioniert schon lange nicht mehr. Spätestens seit Der mit dem Wolf tanzt sind die Storylines und Sympathien anders verteilt. Natürlich gibt es allerdings noch immer einige, die die Vormachtstellung des Mannes und einer Herrenrasse auf Teufel komm raus verteidigen wollen. Diese werden auch durch das Statement von Christian Rossi nicht überzeugt werden. Alle anderen finden aber einen sehr persönlichen Zugang zu den großen und bekannten Themen aus einer ungewohnten, „kleinen“ Perspektive.

Es ist immer schwierig, zu definieren, welche Titel unbedingt in eine „vernünftige“ Sammlung gehören sollten. Golden West wäre auf jeden Fall eine Bereicherung jedes Regals mit Westerncomics und wird dazu verleiten, es mehrfach lesen und genießen zu wollen.

Detail Golden West page 15

Dazu passen „Please don’t talk about me when I’m gone“ in der Version von San Lyon, und ein frisches Wasser ohne „Feuer“!

© der Abbildungen Casterman 2023, by Christian Rossi | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Sprechblase 249 (Aug 2024)

Modesty Blaise und andere Themen

Redaktion: Gerhard Förster
Bildschriftenverlag Hannover (bsv)
Din A4 | 100 Seiten | Farbe | 11,90 €
ISSN: N/A

Cover Sprechblase 249

Lange ist es her, dass comix-online eine Ausgabe der Sprechblase besprochen hatte: es war die Nummer 238 mit dem Schwerpunkt Edouard Aidans. Es ist also wieder mal an der Zeit, bevor sich im Rahmen von gleich zwei anstehenden Jubiläen alle darauf stürzen werden. Die Zeitschrift mit dem Untertitel „Die wunderbare Welt der Comics“ ist aktuell in ihrem 49. Jahrgang und die 250. Ausgabe ist geplant für Anfang kommenden Jahres.

Eine Institution braucht eine Nachfolgeregelung

Die Sprechblase ist eine Zeitschrift für Menschen, die klassische Comics mögen. War sie anfangs fast nur auf die Generation Lehning ausgerichtet, ist die Generation ZACK mittlerweile ebenfalls stark vertreten. Wir alle, die wir zu einer dieser beiden Gruppen gehören, sind mittlerweile in die Jahre gekommen und auch Gerhard Förster, der die Zeitschrift vor langer Zeit von Norbert Hethke übernommen hatte, geht in den wohlverdienten Ruhestand, allerdings erst nach der Jubiläumsnummer. Wer Interesse hat, hier einzusteigen, melde sich bitte!

Intro Sprechblase 249

Die wohl coolste „Tödliche Lady“ aller Zeiten

Neben einer Vielzahl von Besprechungen und News wartet die „Blase“ immer mit einigen sehr ausführlichen Artikeln auf. Covermodel ist dieses Mal Modesty Blaise, eine Comic-Strip Heldin, die 1963 erstmalig das Licht der Welt erblickte und Leser*innen vieler Tageszeitungen erfreute. Gerhard Förster beschreibt nicht nur ausführlich inhaltliche Merkmale des Strips, er geht auch auf die Persönlichkeiten des Autors und einiger Zeichner näher ein.

Peter O’Donnell war während des Zweiten Weltkrieges als Unteroffizier tätig und schrieb danach verschiedene Szenarien, bevor ihm mit der Serie um die freiberuflich tätige Blaise ein Riesenerfolg gelang. Es war die Zeit, in der James Bond seine ersten Erfolge feiert und die Avengers (dt. Mit Schirm, Charme und Melone) die Fernsehzuschauer*innen begeisterten.

Zwar ist es notwendig, eine gute Story zu haben, ohne passende Zeichner wird es aber trotzdem kein Erfolg werden. Sowohl Jim Holdaway als auch Enrique Badia Romero (bekannt auch mit Axa) waren sehr wohl in der Lage, die schwierige Mischung aus versteckter Erotik in Zeitungen, die auch von Kindern gelesen wurden, Martial Arts und Spannung umzusetzen. In den Skandinavischen Ländern war der Strip am erfolgreichsten, aber auch in Deutschland erscheint jetzt bei Bocola eine Gesamtausgabe. Vervollständigt wird das Feature mit dem Abdruck der Origin-Geschichte!

Von Wastl über Fix & Foxi zum Blut auf der Prärie

Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte von Wastl (oder eigentlich Jerom, wie er im flämischen Original heißt) und seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Ursprünglich war er ein Sidekick in Suske und Wiske, erlebt aber wegen seiner Beliebtheit auch Soloabenteuer. Natürlich wird hier ein besonderes Augenmerk auf die erfolgreiche deutsche Bastei-Serie Wastl und ihre Nachfolger gelegt. Es gibt aber auch Anmerkungen zu den moderneren Interpretationen in Amoras und J.Rom.

Ein Wiederabdruck eines alten Interviews erinnert an Ludwig Fischer, einen der Fix und Foxi-Zeichner, die sich mit ihrem Stil aus der Masse hatten herausheben können.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Western-Schwerpunkt. Der Abdruck des Comics Blut auf der Prärie findet mit dem dritten Teil seinen Abschluss. Ihm vorangestellt ist ein Faktencheck, der die Ereignisse gegen die Wirklichkeit prüft. Ein Comic von Look & Learn! Thematisch passend folgt ein Überblick über Filme und Comics, die sich mit Little Bighorn befassen. Subjektiv und erfrischend!

Sehr viele wissenswerte Informationen!

Es gibt verschiedene Sekundärzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Sprechblase richtet sich an ältere Comic-Fans (die natürlich auch so ihre Vorurteile haben, die hier auch gepflegt werden). Für diese Zielgruppe gibt es nichts Vergleichbares. Die Themen sind liebevoll kuratiert, die immens vielen Abbildungen passen zu den Inhalten und das Layout ist durch thematische Kästen und Rubriken gut gegliedert.

Im Übrigen findet der Fan nur hier eine Zusammenstellung aller Kleinverlagseditionen aus diesem Spektrum. Die Rezensionen sind vielfältig (und beinhalten erstmals auch eine vom Verfasser diese Zeilen) und machen Lust auf das eine oder andere Experiment. Es wäre schade, wenn sich kein Nachfolger finden würde. Glücklicherweise lässt Gerhard den potentiellen Kandidaten ja noch ein wenig Bedenkzeit.

Dazu passen ein guter Rotwein, ich würde einen Primitivo bevorzugen, und The Pioneers.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen 2024, c/o Bildschriftenverlag Hannover (bsv)

Lebon – Western Love 1

Der Rotschopf und der Schönling

Story: Augustin Lebon
Zeichnungen: 
Augustin Lebon

Originaltitel: Western Love, Tome 1

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 56 Seiten | Farbe | 17,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-389-2

Cover Western Love 1

Als der Western-Comic vor 80 Jahren seine erste richtige Blütezeit hatte, gesellte sich nach kurzer Zeit ein Sub-Genre hinzu, das bei fast allen amerikanischen Häusern große Erfolge verbuchen konnte und eigentlich erst durch SF/Horror im Zuge des kometenhaften Aufstiegs von EC sein Ende fand: Western Romance! Auch die hartgesottenen Kerle hatten so etwas wie eine Schokoladenseite und irgendwie musste der Westen ja auch nachhaltig besiedelt worden sein. Über Schwärmerei gingen die Inhalte allerdings selten hinaus und Inhalte wie bei Brokeback Mountain oder Zarter Schmelz waren selbstverständlich undenkbar. Der Splitter-Verlag startet nun einen ersten Versuch, ob sich diese Spielart erneut durchsetzen kann.

Eine Restaurantbesitzerin und ein Krimineller

Da es eine unendliche Vielzahl an Liebesgeschichten gibt, ist es notwendig immer wieder neue, unerwartete Plots zu schaffen, die nicht sofort vorhersehbar sind. Die Konstellation in einem Western mit Bankraub und wilder Horde eine Restaurantbesitzerin zum Ziel der Träume eines Kriminellen zu machen, ist da schon mal ein guter Startpunkt.

Western Love 1 page 4

Die Ausgangssituation ist relativ einfach: Der „Rotschopf“ führt ein Restaurant, das kurz vor dem Bankrott steht. Die einzige Lösung scheint eine reiche Heirat. Der „Schönling“ ist im dem kleinen Städtchen, um auszukundschaften, wie die Bank um ihre Einlagen erleichtert werden kann. Wie der Zufall es will, begegnen sich die Beiden in einer Weise, für die verbesserungsfähig eine höfliche Umschreibung wäre. Tatsächlich folgen Romanzen aber keiner Logik und so entwickelt sich das Ganze wider besseren Wissens.

Lebon nutzt dafür natürlich Klischees, twisted sie aber auf eine sehr liebevolle Weise (Kaktus!). Zusätzlich erzählt er aber auch eine knallharte Story, die fast schon einem Italo-Western gut zu Gesicht stünde. Die Szenen der Verliebtheit und die der Folter und des Pulverdampfes wechseln sich ab.

Humor und Härte

Augustin Lebon ist nicht nur für das Szenario verantwortlich, er hat auch die Zeichnungen erstellt. Dadurch ist die Kombination aus Geschichte und Umsetzung, die manchmal verrät, wie die entsprechenden Künstler Szenen unterschiedlich verstanden haben, eine Einheit. Lebon weiß, wann er eine linkische Position haben möchte, wann eine verzweifelte und wann eine durchsetzungsfähige. Er denkt Inhalt und Aussehen gleichzeitig und ist glücklicherweise auch fähig, das darzustellen!

Western Love 1 page 6

Grundsätzlich schwebt immer eine kleine Prise Semi-Funny im Raum. Das mildert die härtesten Szenen etwas ab und erlaubt den romantisch veranlagten Leser*innen, die Gewalt als notwendige Prüfung zu ignorieren. Die Fans knallharter Western können dagegen die Romantik ein wenig in den Hintergrund schieben, geht es doch schließlich um etwas ganz anderes.

Die Kombi machts!

Für mich funktioniert die Kombination ausgezeichnet. Dadurch haben wir es weder mit dem x-ten Aufguss einer bekannten Story zu tun, noch ist der Western zu einem reinen Kulissenspektakel degradiert worden. Und nicht zuletzt gefällt mir der Humor, der immer wieder hinter einer Ecke quasi unerwartet daherkommt!

Der vorliegende Band 1 führt in die Personen ein, erklärt ihre Hintergründe, und macht sie somit glaubwürdig. Der etwas linkische Gangster und die handfeste Köchin ergeben ein perfektes Duo und lassen daher für die Zukunft noch einiges erwarten!

Western Love 1 page 9

Dazu passen Jenny Don’t and the Spurs, etwa mit „Broken Hearted Blues“ und ein Bullit Frontier Whiskey!

© der Abbildungen Editions Soleil 2023, by Augustin Lebon | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Cauvin/Lambil – Die Blauen Boys GA 5

1977 – 1978

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Willy Lambil

Originaltitel: Le Tuniques Bleues 13, 14, 15

Salleck Publications

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 34,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-817-5

Cover Blaue Boys Gesamtausgabe 5

Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Die Blauen Boys haben schon mehrere solcher Türen hinter sich. Entstanden aufgrund des Weggangs einer anderen Serie verstarb der erste Zeichner Salvérius bereits nach wenigen Alben (GA 1 und 2) und Lambil (GA 3 und 4) musste einspringen. Mittlerweile ist auch der Texter Cauvin verstorben, die Serie läuft aber weiter (auf Deutsch in Vorbereitung). Dazu kommen ein einmaliger Band von BeKa und Munuera sowie eine Hommage, die ebenfalls bald auf Deutsch escheinen wird.

Schlachten ganz unterschiedlicher Art

Obwohl die Serie sich bei unseren westlichen Nachbarn ausgesprochen gut verkauft, hatte sie in Deutschland einen schwierigen Start. Als Bud und Chester bei Bastei gestartet, wurde die Serie eher ins Klamauk-hafte gepackt. Carlsen übernahm dann später, versuchte aber unterschiedliche Formate, unter anderem am Kiosk, und erst bei Salleck erhielt sie unter dem Namen Die Blauen Boys eine regelmäßige und angemessene Veröffentlichungsform. In der Gesamtausgabe werden nun die ersten Bände neu übersetzt und gelettert in einer dementsprechenden Weise präsentiert.

Die Schlammschlacht beschreibt eine Wettersituation, die von Soldaten im Feld gefürchtet wird. Lang andauernder Regen macht das Gelände weich und rutschig und fügt den Schrecken einen weiteren hinzu: die Unkalkulierbarkeit. Leider nehmen nicht alle Vorgesetzten darauf Rücksicht. In einer Parallelhandlung geht es um romantische Gefühle, Ehre und Verrat. Der Grünschnabel enthält noch viel mehr Gefühle, besucht Sergeant Chesterfield doch Fort Bow. Dort muss er feststellen, dass scheinbar jemand seiner Angebeteten den Hof macht.

Nach dem ganzen Chaos wird es in Rumberley wieder etwas ernster. Wie immer ist die Kavallerie fast komplett aufgerieben worden. Neben einer Unmenge an Toten gibt es auch ein paar schwer Verletzte. Aufgrund taktischer Überlegungen beschließt de Generalstab, die Verletzten in Örtchen Rumberley zurückzulassen. Dessen Bewohner*innen sind der Sache aber alles andere als wohlgesonnen und rufen die Südstaatler.

Die Kombination aus lieblich und grausam macht’s

Lambil ist ein wahrer Meister darin, wunderschöne Landschaften auf das Papier zu bringen. Grüne Bäume, kräftiges Gras, der eine oder andere Vogel pfeift fröhlich vor sich hin und man sieht fast die Eichhörnchen durch den Wald fegen. Doch schon die nächste Szene kann komplett gegenläufig sein und von Kanonendonner künden, Leichenteile zeigen oder sonstige Schreckensszenarios präsentieren.

Bei all diesen Schockmomenten verletzt Lambil niemals die Grenzen des guten Geschmacks. Der Comic kann durchaus von Jugendlichen gelesen werden, diese werden bestimmte Szenen einfach überlesen und sind aus dem Manga-TV eh Schlimmeres gewohnt. Für mich macht diese Spannung aber einen großen Teil des Reizes aus, der den schon ansonsten üblichen Marcinelle-Genuss deutlich erhöht. Vielleicht ist der Moment auch genau der richtige, ist ein Stellungskrieg in Europa doch seit mittlerweile drei Jahren wieder Realität.

Ein – bei uns – unterschätzter Western

Das Genre des Western-Comics ist extrem vielfältig. Neben den klassischen Narrativen Rache, Macht, Gewalt und Eroberung gibt und gab es auch immer wieder weichere Themen. Neben der Saddle Romance gehören dazu auch interne Konflikte wie der Wunsch, dem Soldatendasein durch Desertion zu entfliehen oder wohlverstandene Kameradschaft. Chesterfield und Blutch bilden diese Topics ab, agieren aber gleichzeitig in einem klassischen Armee-Szenario mit Semi-Funny Elementen.

Die gewählte Form der Gesamtausgabe bringt endlich (!!) auch die frühen Abenteuer der Beiden in einer lesbaren Übersetzung und Ausstattung nach Deutschland. Die Ausgabe inkludiert die Titelbilder der Spirou-Vorveröffentlichungen und die der deutschen Erstausgaben. Dazu kommt ein eigens von Volker Hamann verfasster Text über die Serie.

Dazu passen Alice Cooper, etwa mit “Go to Hell” und ein Cuba Libre!

© der Abbildungen DUPUIS 1978, 1979, by Cauvin & Lambil / 2024 Eckart Schott Verlag

ZACK 300 (Juni 2024)

ZACK 300

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 300

Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren mit dem „neuen ZACK“! Ich kann mich noch genau an den Kauf des ersten „neuen“ Heftes erinnern. Auf dem Land gibt es keinen Comic-Shop, Internet-Bestellungen waren im letzten Jahrtausend nicht wirklich gebräuchlich und der nächste größere Bahnhof war einige Kilometer entfernt. Trotzdem bin ich nach Dortmund gefahren um glücklich und staunend das Heft in Händen zu halten. Allein, mir fehlte der Glaube, dass dieser Versuch im Gegensatz zu allen anderen Magazinversuchen erfolgreich sein sollte. Glücklicherweise wurde ich eines Besseren belehrt (und schreibe mittlerweile sogar selber von Zeit zu Zeit in diesem Heft).

Die Neustarts/Abschiede

In diesem Heft gibt es nur Neustarts, die gleichzeitig aber auch Abschiede sind. Als Geburtstagsgeschenk enthält diese Nummer 14 Kurzgeschichten von alten ZACK-Held*innen. 13 davon sind aus der Festschrift zu 77 Jahren Tintin (Kuifje) entnommen. Dieses belgische Magazin war die Fundgrube, aus der damals die ersten Jahrgänge des ZACK fast komplett gefüllt worden waren. Ein Artikel von Volker Hamann über das Wochenblatt rundet diese Ausgabe ab.

Detail ZACK 300 page 93

Die vierzehnte Story ist gleichzeitig ein Appetizer auf das im Herbst startende „neue“ Westernabenteuer von Martin Frei. Nach dem Chaos mit der Albenausgabe der Frau mit dem Silberstern wird nun alles neu. Bullet Hill ist ein erster Vorgeschmack!

Das ZACK hatte immer einen großen Funny-Anteil. Dementsprechend dürfen natürlich Cubitus und Bojenberg nicht fehlen. Bénédicte Moret und Falzar präsentieren Gemeinsam trennt sich’s besser und Michel Rodrigue, Erroc und Marcy erinnern an die alten Zeiten: Ich war ein Star! Ebenfalls in diese Rubrik gehört Spaghetti der allerdings etwas fragwürdig stereotyp rüberkommt.

Detail ZACK 300 page 17

Etwas Besonderes haben sich Hermann und Yves H. einfallen lassen, lassen sie doch in Mad Dog, einem Prequel zu Comanche, Red Dust wieder auferstehen. Aber es gibt noch weitere Highlights: Bitteres Podium von Vincent Dutreuil und Denis Lapière bringt den klassischen Michel Vaillant zurück. Und auch Andy Morgan steht aus der Feder von Xavier, Matz und Jérôme Maffre wieder auf. Fast glaubt man sich beim Lesen in die Zeiten der ZACK-Parade zurückversetzt. Glücklicherweise sind allerdings Papier, Druckqualität und Layout tausendfach besser!

Detail ZACK 300 page 9

Der bunte Reigen wird komplettiert durch die Science-Fiction Sparte (Luc Orient, Bob Morane, Blake & Mortimer), einen weiteren Western mit Ringo und die Abenteuer/Krimi-Sektion mit Die Draufgänger und Dan Cooper. Wer hier nichts findet, ist selbst schuld!

Und sonst?

Im nächsten Heft geht alles wieder seinen gewohnten Gang! Alles? Nein, das Heft wird erneut dicker und kommt künftig mit 100 Seiten daher. Damit werden dann sechs Geschichten fortgesetzt werden können! Wer auf die Fortsetzungen seiner Lieblinge nicht warten mag, sollte einfach die 299 noch einmal lesen 🙂

Vielleicht wäre noch zu erwähnen, dass diese Jubelnummer mit einer Glanzlackapplikation auf dem Cover daherkommt und für Nostalgiker*innen nochmal an viele Titelbilder der Vergangenheit erinnert. Vielleicht ist Euer Lieblingsmotiv ja auch dabei.

Dazu passen ZSK („Alerta“) und ein Belgisches Leffe Bruin.

© der Abbildungen Le Journal de Tintin – Numero Special 77 ans © Hergé/Tintin-Imaginatio/Dargaud-Lombard S.A. /2023. www lombard.com / Martin Frei 2024 / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Blutch – Lucky Luke Hommage 6

Die Ungezähmten

Story: Blutch
Zeichnungen: 
Blutch

Originaltitel: Lucky Luke – Les Indomptés

Story House Egmont

Softcover/Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 8,99 € / 16,00 € |

ISBN: n/a / 978-3-7704-0902-0

Cover Lucky Luke Hommage 6

Auch der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, muss sich der Gegenwart stellen. Plötzlich weht ein neuer Wind und der Claim dieses Bandes ist „Der Mann, der den Zaun erschoss“. Trotzdem ändert sich nicht alles: immerhin rauchen weiterhin nur die Schurken!

Ein moderner Mann kümmert sich um die Kinder

Lucky Luke war bisher ein typischer männlicher Berufstätiger. Er arbeitete ohne Unterlass, kannte weder Ferien noch Feierabend, und war nicht bereit, irgendwelche täglichen Aufgaben zu übernehmen. Und wenn doch Aufgaben dieser Art zu erledigen waren, war es eher wahrscheinlich, dass Jolly Jumper sie übernommen hätte. Nun aber gerät er in eine Zwickmühle.

Unser Held sorgt dafür, dass ein Kleinkrimineller, Rufus Kinker, eingebuchtet wird. Nun sind aber seine beiden minderjährigen Geschwister ohne Aufsicht. Zudem sind sie so unerzogen, dass keine Institution sie in ihre Obhut nehmen möchte. Es bleibt ihm also nicht übrig als die Aufsicht zu übernehmen und gleichzeitig der Hoffnung nachzujagen, dass die Eltern nur verschwunden und nicht gestorben sein mögen.

Blutch, wie sich Christian Hincker in der Comicwelt nennt, ist es mit Die Ungezähmten gelungen, dem Kosmos des lonesome Cowboys eine neue Facette hinzuzufügen. Die Figuren bleiben gleich, verhalten sich auch wie erwartet, und doch ist alles Neu. Chapeau!

Nicht so rund

Blutch zeichnet nicht so rund wie etwa Morris oder Achde. Seine Figuren sehen irgendwie dreckiger aus, passen dadurch eher in einen Western, fallen aber aus dem erwarteten Schema. Nicht, dass man jetzt gleich in das Italo-Western Genre fallen würde, aber John Wayne ist es auch nicht mehr…

Wer damit klar kommt, wird seinen Spaß an dem Band haben. Die Kinder sind unerzogen, aber nicht bösartig. Die Ganoven sind nicht gesetzestreu, aber ebenfalls nicht wirklich bösartig. Die Indianer sind etwas schematisch dargestellt, ebenfalls aber sympathisch. Und die Bürger sind wie eh und je eine Katastrophe und wollen stets das Beste (für sich) und schaffen das Schlechte (für alle).

Nicht nur für Komplett-Sammler*innen

Natürlich gibt es eine ganze Menge an Menschen, die aus Prinzip jedes neue Album von Lucky Luke kaufen. Im Zuge des aktuellen Western-Revivals dürfte es aber auch eine Anzahl von Interessierten geben, die nicht wegen, sondern trotz des Reihentitels einen Kauf in Erwähnung ziehen. Denen sei gesagt, dass ein Blick sich lohnt. Blutch’s Version des Cowboys ist modern, spannend erzählt und abseits der ausgetretenen Pfade.

Natürlich wird der Absatz in Deutschland dem der Version von Ralf König nicht gleichen. Trotzdem lohnt ein Blick! Wie immer gibt es eine Kiosk-Version und eine gebundene Ausgabe für den Buch- und Fachhandel.

Dazu passen ein Maibock und der gute alte Ian Dury.

© Lucky Comics 2024/ Egmont EHAPA Media GmbH, Berlin 2024

ZACK 297 (März 2024)

ZACK 297

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 297

Die Osterglocken sprießen schon, die Bäume fangen an zu blühen und Allergiker*innen bekommen die Pollen zu spüren. Alles das passiert deutlich früher als noch vor ein paar Jahren. Vielleicht hat ja doch jemand etwas geweckt, was wir jetzt nicht mehr los werden? Wahrscheinlicher aber ist alles hausgemacht.
Außerdem sind jetzt die Ergebnisse der ZACK-Serien-Umfrage da: Tadahhh: Erneut macht Rick Master das Rennen, Rani und Tangui & Laverdure folgen.

Die Neustarts

Das Heft startet mit Band 6 der Reihe Harmony: Metamorphosis. Azhael, der lange in Schach gehaltene dunkle Dämon, scheint befreit, hat allerdings noch nicht zu alter Macht zurückgefunden. Während zwei der Kinder, Eden und Payne, gefangen gehalten werden, versuchen Karl und Harmony sich vor ihren Häschern zu verstecken. Spannende Mystery-Serie von Mathieu Reynès in modernem Stil, die auch das Cover des Heftes ziert.

ZACK 297 page 5

Ebenfalls zurück auf diesen Seiten ist Aleksis Strogonov. Der junge Mann hatte vor den Bolschewiken fliehen können und ist nun in einem Güterzug mit anderen Flüchtlingen auf dem Weg nach Deutschland. Er schafft es, nicht zurückgeschickt zu werden, ja, er wird sogar in einer Wohnung von einem Deutschen in Berlin untergebracht. Leider muss er feststellen, dass sein Kumpel alle um ihn herum gnadenlos belügt. Kino ist die zweite Folge der Serie nach einem Szenario von Jean Regnaud und mit Zeichnungen von Émile Bravo. Es ist klar, dass die Lügen böse Folgen haben werden.

ZACK 297 page 80

Die Fortsetzung

Die Flintenweiber werden wegen eines Diebstahls eines mächtigen Ringes einer Elfenherrscherin von mehreren Organisationen verfolgt. Diesen Ring hatten sie in der ersten Folge von Band 3, Das Geheimnis der Elfe, an Inspektor Truchard übergeben. Leider scheint es eine Fälschung gewesen zu sein und schon wieder sind die Heldinnen der Gefahr der Festnahme und Schlimmeren ausgesetzt. Rasante Jagd in einer bunten Welt nach einem Text von Pierre Pevel mit Zeichnungen von Étienne Willem. Mehr aus dieser Welt auch im Paris der Wunder. Die Serie hat es meiner Meinung nach zurecht in die Top 10 geschafft!

Detail ZACK 297 page 49

Die Abschiede

Gleich drei Serien beenden ihren Auftritt: Den Anfang macht Michel Vaillant, der mit Platz 4 das Treppchen wieder knapp verfehlt hat. Seine Geschichte in Amerika, die mit Pikes Peak begonnen hatte und nun in Cannonball fortgesetzt wurde, endet mit einem dramatischen Cliffhanger der quasi aus dem Nichts kommend eine neue Partei in das Spiel bringt. Spannend, modern und mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Olivier Marin, die jede*n Technikbegeisterte*n erfreuen dürften! Denis Lapière hat seine Neuinterpretation des klassischen Helden als ansprechende Mischung aus Rennsport, Krimi und Soap angelegt, die ein sehr filmisches Konzept verfolgt! Zudem ist die Verbindung der einzelnen Bände, die quasi wie Kapitel einer längeren Storyline funktionieren und doch eigenständig verständlich sind, auf der Höhe der Zeit des sequentiellen Erzählens.

ZACK 297 page 21

Weniger traurig dürften viele Leser*innen darüber sein, dass MADI von Alex de Campi & Duncan Jones zunächst wieder aus dem Heft verschwindet. Das Projekt ist einerseits inhaltlich sehr komplex und liegt andererseits auch stilistisch nicht unbedingt im „Zielkorridor“ der Fans, ist es doch very british. Trotz allem wird die Serie fortgesetzt werden und verdient einen zweiten Blick!

ZACK 297 page 33

Ihr endgültiges (vorläufiges?) Ende hat dagegen Sauvage erreicht. Die Geschichte über die in Mexiko stationierten und kämpfenden französischen Truppen findet ihr logisches Ende mit dem Abmarsch der Truppen. Der Held, Felix Sauvage, entschließt sich allerdings, die Armee zu verlassen und in Nordamerika zu bleiben. Dort trifft er erneut auf Black Calavera, eine Tänzerin von etwas zweifelhaftem Verhalten. Felix Meynet zeichnet auf jeden Fall unverwechselbar, das Szenario von Yann braucht sich nicht hinter anderen Westernserien zu verstecken!

ZACK 297 page 65

Und sonst?

Natürlich gibt es wieder Gag-Seiten von Grott & Bott sowie von Parker & Badger. Letztere haben es sogar in die Top Ten der Serien geschafft. Dazu kommen ein Interview mit Jamiri, ein Beitrag über eine kurze Zeitspanne im Leben von Jonathan Lassiter vom Verfasser dieser Zeilen und natürlich der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren.

Dazu passen Cock Sparrer mit ihrer neuen Single „With my Hand on my Heart“ und ein erstes Frühlingsbockbier.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Pratt – Fort Wheeling 2

“Sechs Jahre später“

Story: Hugo Pratt

Zeichnungen: Hugo Pratt
Originaltitel: 
Fort Wheeling

schreiber & leser

Hardcover | 136 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 
978-3-96582-148-4

Cover Pratt Fort Wheeling 2

Es ist durchaus nichts ungewöhnliches, dass eine Serie über mehr als drei Jahrzehnte läuft. Sie hat dann allerdings üblicherweise eine ganze Reihe von Bänden, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen. Fort Wheeling ist dagegen eigentlich nur ein durchgehender Roman der 1962 begonnen worden war und 1994 sein Ende fand.

Überleben in Zeiten des Krieges

Criss Kenton, der Held dieser Geschichte ist ein Überlebenskünstler. Er bewegt sich inmitten des Kriegsgebietes und hat Kontakt zu allen möglichen Parteien: Engländern, Franzosen, Amerikanern sowie unterschiedlichen und teils verfeindeten Stämmen der First Nations. Sein Freund ist Tiny, ein Überlebender, der seine Stammeszugehörigkeit von Zeit zu Zeit neu definiert, seine Freundin eine Immigrantin aus Holland. Trotz aller Versuche, ihn für eine Sache zu gewinnen, scheitert eine wirkliche Vereinnahmung doch immer wieder an seiner Ablehnung der soldatischen Tugenden.

Trotz allem lässt er sich überreden, als Spion für die amerikanische Sache agieren zu wollen. Eigentlich aber möchte er nach Westen, bestenfalls mit seiner geliebten Mohena. Auf dem Weg trifft er alte Bekannte und erleidet neue Wunden. Seine Lebensphilosophie wird hinterfragt von allen, die sich genau einer Sache verschrieben haben, und das Leben meint es nicht wirklich gut mit ihm.

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Besonders beeindruckend sind die Szenen, die ihn mit seinem alten Freund und ehemaligen Mitstreiter zeigen. Die beiden stehen auf unterschiedlichen Seiten und selbst Freundschaft und ein gewisses Verständnis führen nicht dazu, dass die Regeln der Machtstrukturen in Frage gestellt würden. Pratt moralisiert nicht, stellt aber trotzdem die Frage, was ein Leben wert ist, wenn es einer Ideologie missfällt.

Wieder in zwei Varianten

Schreiber & Leser, der Verlag aus Hamburg, der auch andere Werke von Hugo Pratt wie etwa Corto Maltese verlegt, hat es sich zum Prinzip gemacht, diese in zwei Ausgaben zu veröffentlichen. Die „Klassik-Edition“ erscheint in schwarz-weiß und zeigt die Inhalte im Original. Die reguläre Edition enthält die (von Pratt selbst) kolorierte Fassung.

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Pratt zeigt den Helden gereifter als in Band 1, macht damit deutlich, dass sechs Jahre zwischen den Ereignissen liegen. Die Körpersprache drückt eine gewisse Resignation aus, die die anfängliche Naivität ersetzt hat. Weiterhin grandios sind allerdings die Naturdarstellungen, die in minimalistischer Weise die grandiose Weite ausdrücken. Allein schon deswegen ein Top-Tipp!

Ein grandioser Comic-Roman!

Manche Western sind Massenware, die nichts anderes wollen als eine Flucht in die reine Unterhaltung zu ermöglichen. Dieser Anspruch wird teilweise gepaart mit einer mehr oder weniger archaischen Philosophie die die Männlichkeit, Urwüchsigkeit und Macht der Gewalt als Säulen aufweist. Hiervon ist bei Pratt nichts zu merken. Auch er beschreibt eine Man’s World, heroisiert sie aber nicht. Zudem gesteht er seinen weiblichen Protagonistinnen eigene Pläne und Positionen zu.

Sein Roman ist eher geprägt durch eine melancholische Wehmut, dass die eigenen Ziele schon von irgendjemanden negativ beeinflusst werden. Trotzdem darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden! Beide Ausgaben enthalten ein Lexikon über die Geschichte der wichtigsten realen Personen die im Comic auftreten und ein Vorwort von Hugo Pratt. Keinesfalls nur für Western-Fans!

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Dazu The Skids „Into the Valley“ und ein amerikanischer Primitivo.

© der Abbildungen Casterman, Belgium, 1995, Wheeling, le sentier des amitiés perdues | Cong S.A., Switzerland, 1962/1995| 2024 Schreiber & Leser, Hamburg

Cauvin/Lambil – Die Blauen Boys GA 4

1975 – 1976

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Willy Lambil

Originaltitel: Le Tuniques Bleues 8, 11, 12

Salleck Publications

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 29,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-795-6

Cover Die Blauen Boys Gesamtausgabe 4

Neben Lucky Luke, dem unbestrittenen Platzhirsch der Western-Funnies, gibt es noch viele andere Serien. Die meisten davon hatten allerdings ein eher kurzes Leben. Mit annähernd 70 Alben kommen Die Blauen Boys der Serie von Morris allerdings recht nahe. Und tatsächlich war sie als Reaktion auf den Weggang des Lonesome Cowboys als Nachfolgeserie im Spirou-Magazin konzipiert worden. Die Gesamtausgabe bringt die frühen Alben neu übersetzt und einheitlich zurück auf den deutschen Markt.

Der Krieg als Schauplatz

Von Anfang an waren die Helden der Serie Blauröcke, also Soldaten der Nordstaaten während des amerikanischen Bürgerkrieges. Anfangs hatte das aber eher folkloristische Auswirkungen. Im Laufe der Serie wird der Kriegsschauplatz immer mehr auch das Szenario für die Handlung und neben den Slapstick tritt eine Komik, die die Schrecken des Krieges und den unbedingten Gehorsam auf die Schippe nimmt.

Cauvin nimmt dabei immer historische Ereignisse als Aufhänger und integriert diese natürlich auch so genau wie möglich in die Handlung. Er nutzt sie aber auch immer wieder um den Konflikt zwischen dem treuen Sergeant Chesterfield und dem sich vor den Gefahren möglichst weit entfernt haltenden Corporal Blutch auf die Spitze zu treiben. Letzterer droht ständig damit zu desertieren und doch drehen sich die beiden wie jedes gute Komiker-Pärchen immer um das weder-mit-noch-ohne Verhältnis.

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In Luftigen Höhen befördert die beiden Helden in einem Ballon hoch in die Luft, um den Gegner und seine Bewegungen besser sehen zu können. Kommunikation und Sicherheit scheinen allerdings etwas undurchdacht. Der Fotograf wird von höchster Stelle beauftragt, das Geschehen für den Rest der Welt festzuhalten und damit für die Unterstützung der gerechten Sache zu werben. Dumm nur wenn Realität und Plan nicht übereinstimmen. Schließlich werden Chesterfield und Blutch beauftragt, neue Rekruten für die Kavallerie heranzuschaffen, die bei jedem Angriff um die 90% ihrer Mitstreiter an den Tod verliert. Sie kommen zurück mit den Kosaken.

Stereotype als Humorträger

Was wäre eine Truppe von Soldaten ohne übereifrige Unteroffiziere, die ihre Männer in den Tod führen, Generäle, die weit entfernt vom Schlachtfeld in Sicherheit unmögliche Pläne aushecken und die einfachen Soldaten, die versuchen, dem Schrecken so gut wie möglich auszuweichen. Im Film gibt es dafür Beschränkungen, die im Comic wegfallen. Lambil schafft es ohne Zweifel, viele der Figuren schon beim ersten Auftritt Archetypen zuzuordnen. Die Mimik und Gestik ist bei ihm ein Mittel, um den Witz, der erst später kommt, vorzubereiten.

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Ansonsten sind seine Zeichnungen noch stark im Marcinelle-Stil: Runde Nasen, ein dynamischer Strich und viel „drum-rum“. Die Münder sind bunte Löcher, Bewegungen und Action werden durch Lautmalerei unterstützt. Da alle Abenteuer in Spirou vorveröffentlicht wurden, haben die Geschichten ein striktes vier-streifiges Layout.

Die etwas andere Western-Serie

Die Blauen Boys kombinieren die nette Zeichnung, die zum Genuss einlädt, mit den Schrecken der Schlachtfelder. Die Soldaten fliegen durch die Luft, wenn Bomben explodieren, sind blutüberströmt, wenn sie im Lazarett liegen und haben Hass-verzerrte Gesichter, wenn sie angreifen. Dieser Realismus wirkt durch den Gegensatz zu den Blümchen besonders krass (und natürlich werden die Blümchen kurze Zeit später in ihrem niedergetrampelten Zustand gezeigt).

Gerade dieser Gegensatz macht die Serie aber auch so beliebt und erfolgreich. Da die Reihe keine durchgehende Geschichte erzählt, können Neulinge immer einsteigen. Dieser Band ist dafür natürlich ebenfalls gut geeignet. Die Gesamtausgabe enthält auch weitere Abbildungen, eine zusätzliche Kurzgeschichte und einen einführenden Artikel von Volker Hamann. Die Serie war 2022 in der Top 5 von comix-online und wird mittlerweile nach dem Tod von Cauvin von einem neuen Team weitergeführt. Der letzte gemeinsame Band hatte den Titel „Wo ist Arabeske?“.

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Dazu passen Jona Lewie, mit “Stop the Cavalry” und ein schwarzer Kaffee!

© der Abbildungen Dupuis 1976, 1977, by Cauvin & Lambil / 2023 Eckart Schott Verlag

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