Chinaman – Serie in 9 + 1 Bänden
Text: Serge Le Tendre
Zeichnungen: Olivier TaDuc
NL: Dupuis
DE: aktuelle, zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications sowie einzelne Bände bei Splitter Verlag (alt), Salleck Publications, ZACK (Mosaik)
Last updated: Juni 2023
Chinaman ist eine klassische Westernserie von dem Szenaristen Serge Le Tendre und dem Zeichner Olivier TaDuc. Beide kommen aus Frankreich und haben sich für diese Reihe von der Fernsehserie „Kung Fu“ inspirieren lassen. Ihr Held, John Chinaman, ist zwar ebenfalls als Chinese in den USA mit der fremden Kultur konfrontiert und setzt asiatische Kampftechniken ein, er ist allerdings – zumindest anfangs – noch sehr beeinflusst von den chinesischen Triaden und damit nicht so eindeutig „gut“ wie Caine. Insgesamt sind zwischen 1997 und 2007 im französischen Original neun Teile erschienen.
UPDATE: Die deutsche Veröffentlichungsgeschichte war lange Zeit lückenhaft: Neben zwei Bänden im „alten“ Splitter-Verlag und zwei weiteren bei Salleck Publications sind drei Abenteuer in den Anfangsjahren des „neuen“ ZACK in Fortsetzungen erschienen. Mittlerweile ist eine zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications erschienen. diese enthält nicht nur alle Bände, zum Teil also in Deutscher Erstveröffentlichung, sondern auch weitere Zeichnungen, eine Broschüre und ein Interview!
In den Niederlanden hat die Serie dagegen mehr Anklang gefunden: Alle Bände sind bei Dupuis teilweise sogar mehrfach erschienen und sind noch lieferbar.
Der größte Erfolg von Le Tendre ist sicherlich die Reihe Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, einer der ersten großen Fantasy-Reihen des modernen Autorencomics und gezeichnet von Régis Loisel. Mittlerweile ist auch eine zweite Staffel erschienen. Der Autor hatte seine Comic-Karriere eigentlich als Zeichner beginnen wollen. Pierre Christin konnte ihn allerdings nach dem Abschluss eines Zeichenseminars überzeugen, doch lieber seine Stärken als Szenarist auszuleben. Weitere von ihm verfasste Szenarien mit verschiedenen Zeichnern sind ebenfalls auf Deutsch erhältlich: Tai Dor, oder Jackie Kottwitz seinen als Beispiele genannt. Auch hier gilt, dass auf Niederländisch erheblich mehr Werke vorliegen!
Die Serie Chinaman verfolgt einen reizvollen Ansatz inmitten all der Westernserien. Sie ist keinesfalls dem Genre „Neowestern“ zuzuschreiben, thematisiert aber neben den traditionellen Themen des Einzelkämpfers, der unwirtlichen Natur und der schweren Aufbauarbeit in teils gesetzlosen Umgebungen auch den alltäglichen Rassismus der Schmelztiegelnation und beleuchtet das Leben der eingewanderten Chinesen. Sie ist daher auch mehr als 20 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes definitiv lesenswert!
Inhalt:
John Chinaman ist der neue Name der Chen Long Anh in der neuen Welt verpasst worden ist. Der Western spielt in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts als viele Chinesen aus unterschiedlichsten Gründen ihre alte Heimat verlassen haben um in Amerika ihr Glück zu finden. Für die meisten bedeutete das schwere Arbeit bei geringem Lohn, fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und Gehorsam gegenüber den Regeln der Triaden. Obwohl Chen als ausgebildeter Kämpfer der Triaden nach Amerika kommt, verweigert er bereits im ersten Band den Gehorsam und muss sich gegen seinen Förderer durchsetzen.
Er muss daher fliehen und beginnt seine Reisen durch den amerikanischen Kontinent, die ihn zunächst nach Oregon führen. Neben den Härten der Wildnis und des Rassismus wird er aber immer noch von seinen alten Mitstreitern verfolgt.
Auch der dritte Band zeigt John im Konflikt mit seiner Umwelt. Er versucht, ein Mädchen zu beschützen, und wird fälschlicherweise der Entführung derselben beschuldigt. Alltäglicher Rassismus und Ablehnung aller nicht Einheimischen sind ein klassisches Westernthema.
Auch der Konflikt zwischen irischen und chinesischen Arbeitern beim Bau der großen Eisenbahnlinien ist ein altbekanntes Motiv unzähliger Erzählungen in Film oder Comic. Und wieder gerät John zwischen die Fronten. Im Gegensatz zu „typischen“ Erzählungen wird aber in Chinaman vorrangig der chinesische Blickpunkt gezeigt.
Immer wieder wird John Chinaman daran gehindert, sein Glück und Ruhe zu finden. Einerseits jagen ihn Desperados und Mitglieder der Triaden, die auf seine Spur gekommen sind, andererseits kann er es auch nicht lassen, üble Dinge geschehen zu lassen, und legt sich beispielsweise mit einem Zuhälter an.
Immer wieder wird in der Serie das Thema der Ablehnung alles Andersartigen variiert und so verwundert es auch nicht, dass eine ganze Stadtbevölkerung sich gegen die zuziehenden Chinesen wehren will. Wie immer gibt es hier aber nicht nur schwarz und weiß, so dass die Konfliktlinien quer durch alle Schichten laufen. – Vieles davon basiert auf den eigenen Migrationserfahrungen von Olivier TaDuc und ist daher auch nachvollziehbar geschildert.
Dem folgen noch eine „Road-Movie“ Geschichte in zwei Bänden um den letzten Mitwisser über das Versteck einer Beute. Beide Bände haben eine spezielle Note durch das Mitwirken von John, könnten so ähnlich aber auch in anderen Settings funktionieren.
2021 ist nach 14 Jahren Pause eine Art „Reprise“ erschienen: Der Tiger erwacht! Der frustrierte und gestörte John Chinaman wird gezwungen, sich seiner Geschichte zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Sehr gelungene Rückkehr zur ursprünglichen Serie, die Themen und Stimmung aufnimmt und in die Zukunft führt.
Grafik:
Der 1962 geborene Olivier TaDuc ist Franzose mit einem vietnamesischen Hintergrund, der auf für die Zeichnungen etwa bei XIII Mystery, Takuan oder Stille Rebellionen verantwortlich ist. Seine Zeichnungen sind detailreich und zeigen von einem gewissenhaften Quellenstudium. Seine Ansichten der alten Chinatowns sind genauso kunstfertig und genau wie die Darstellung eines Segelschiffes, der Landschaft oder der Einflüsse chinesischer Kampftechniken auf die Körperhaltung des Helden. Im Laufe der Bände werden die Zeichnungen etwas grobflächiger und detailärmer und wirken dadurch etwas weniger realistisch.
Der Aufbau der Seiten folgt generell dem klassischen vierzeiligen Muster; die Höhen der Zeilen sind aber nicht statisch und variieren häufig. Auch sind einzelne Panele über mehrere Zeilen gestreckt und nehmen häufig die gesamte Breite der Seite ein. Es ist also genügend Abwechslung vorhanden. TaDuc beherrscht dabei sowohl die ruhige Sequenz als auch die vom Film übernommenen schnellen Schnitte mit ständigem Perspektivenwechsel, wenn die Action es erfordert.
Auf jeden Fall vereint die Serie erfolgreich die typischen Bestandteile eines Western mit einem ungewöhnlichen Helden und Kampfszenen und meditative Elemente, die sonst nur in Eastern zu sehen sind.
Details:
1 | De berg van goud | Dupuis | Die Goldberge | Gesamtausgabe 1 & Splitter c/o Salleck Publications |
2 | Met gelijke wapens | Dupuis | Mit gleichen Waffen | Gesamtausgabe 1 & Splitter c/o Salleck Publications |
3 | Voor Rose | Dupuis | Für Rose | Gesamtausgabe 1 & Salleck Publications |
4 | De roestvreters | Dupuis | Die Rostfresser | Gesamtausgabe 1 & Salleck Publications |
5 | Tussen twee oevers | Dupuis | Zwischen zwei Ufern | Gesamtausgabe 2 & ZACK 48 – 51 |
6 | Bloedbroeders | Dupuis | Blutsbrüder | Gesamtausgabe 2 |
7 | Confrontatie in Blue Hill | Dupuis | Zweikämpfe in Blue Hill | Gesamtausgabe 2 & ZACK 63 – 66 |
8 | De gehangenen | Dupuis | Die Gehängten | Gesamtausgabe 2 & ZACK 101 – 104 |
9 | Tucano | Dupuis | Tucano | Gesamtausgabe 2 |
Mittlerweile sind bei Salleck Publications sowohl die „Reprise“ Der Tiger erwacht als auch Band 1 der deutschen Gesamtausgabe mit den Teilen 1 bis 4 sowie Band 2 mit den Teilen 5 bis 9 erschienen.
Dazu passen chinesischer Grüntee und starker Kaffee sowie Country der etwas anderen Art, etwa von 16 Horsepower.
© der Abbildungen der niederländischsprachigen Version 2019 Dupuis
© der Abbildungen der deutschsprachigen Version 2005/2021/2022 DUPUIS, by Serge LeTendre, TaDuc / Salleck Publications
© der Abbildungen ZACK-Cover 2003 Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag
2 Gedanken zu „Serienkompass Chinaman“