Der Dieb mit den hundert Gesichtern
Story: Fred Duval & Jean-Pierre Pécau
Zeichnungen: Gess
Splitter-Verlag
Originaltitel: M.O.R.I.A.R.T.Y. Vol 3 & 4, Le Voleur aux cent visages
Hardcover Überformat | 96 Seiten | Farbe | 25,00 € |
ISBN: 978-3-96219-401-7
Ein neues Steampunk-Universum ist im Entstehen und versammelt eine Unmenge an uns bekannten Personen in einem neuen Setting. Band 1 – Das mechanische Universum – wurde neben den wiederkehrenden Helden Sherlock Holmes und Dr. Watson sowie logischerweise Moriarty bevölkert von Dr. Jeckyll & Mr. Hyde, Mycroft und Winston Churchill. In diesem Band gesellt sich unter anderem Sigmund Freund dazu.
Ein Krimi in einer faszinierenden Umgebung
Die Geschichte spielt 1900, es findet gerade ein die Menschen faszinierendes Wettrennen von Luftschiffen, also Zeppelinen, rund um die Weltkugel statt. Das Rennen besteht aus mehreren Etappen und mehrtägigen Aufenthalten in den jeweiligen Etappenstädten. Diese sind begleitet von gesellschaftlichen Ereignissen der Reichen und Schönen. Holmes findet allerdings heraus, dass während jedes Halts ein teils dreister Diebstahl stattfindet.
In diesem Doppelband wird die Geschichte komplett erzählt. Tatsächlich lassen sich alle Taten mit dem Gegenspieler Holmes‘, Moriarty, in Verbindung bringen, Motiv und Tathergang bleiben aber lange Zeit unentdeckt. Für reichlich Spannung ist daher gesorgt. Wie schon im ersten Band sind wieder mechanische Wesen beteiligt, die – zusammen mit den Verkleidungskünsten einiger Protagonist*innen – dafür sorgen, dass nicht alles ist, was es zu sein scheint!
Die Person des Psychoanalytikers Sigmund Freud verleiht dem Krimi eine sehr witzige Note. Einerseits kann er sich ständige Spitzen zum Verhältnis von Watson und Holmes und ihrem Frauen eher ablehnenden Weltbild nicht verkneifen. Andererseits vergleicht er sich in der Methode mit Holmes, möchte aber heilen, anstatt zu bestrafen.
Maschinen, Emotionen, Action
Von Gess sind noch nicht viele Werke auf Deutsch veröffentlicht worden. Er hat einen sehr nervösen Strich, der gut zu dem Steampunk-Ambiente passt. Die Umgebung lebt von den nur leicht veränderten Symbolen, die einen beim Betrachten erst stutzig machen und dann immer mehr erfreuen. Der Unterschied von Realität und Kunstwelt ist oftmals nur ein sehr kleiner. Auf der anderen Seite ist die „alte“ Architektur ein perfektes Ziel für Änderungen, etwa wenn der Eifelturm zur Landeplattform für Luftschiffe umfunktioniert wird.
Die Menschen werden alle in einer übertriebenen Art und Weise dargestellt, die in Großaufnahmen teilweise an alte Stummfilme erinnert. Auch die Actionszenen passen sich an und wirken anders. Das Werk ist daher wie aus einem Guss und lädt dazu ein, sich komplett in diese andere Welt zu begeben! Kompliment!
Für mehr als eine Zielgruppe
Noch ein Sherlock Holmes? Ja! Dieser hier vereint die klassischen und erwarteten Eigenschaften mit einem anderen Setting, dass nicht so aufdringlich ist, dass es Nicht-Steampunker abschreckt, aber deutlich genug, um interessant zu sein. Die Kombination aus Geschichte, Text und Grafik ist perfekt aufeinander abgestimmt, die Gegensätze der Figuren so witzig, dass man einige Stellen mehrfach lesen möchte, bevor man die Zeichnungen dazu nimmt.
Die Entscheidung für einen Doppelband ist ebenfalls richtig. Die beiden Teile sind so eng miteinander verbunden, dass auch eine kurze Wartezeit nur als Störung empfunden werden könnte. Wer alle Hintergründe verstehen möchte, sollte mit Band 1 anfangen. Der Dieb mit den hundert Gesichtern ist aber auch aus sich selbst heraus verständlich.
Dazu passen Hepcat mit „No Worries“ (R.I.P. Greg Lee) und ein Brown Ale!
© der Abbildungen Éditions Delcourt – 2020/2023, by Fred Duval, Jean-Pierre Pécau and Gess | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024