Gott für uns alle
Autor: Louise Garcia, Corentin Rouge
Zeichnungen: Corentin Rouge
Originaltitel: Rio: Dieu pour tous
Hardcover | 64 Seiten | 20,00 €
ISBN: 978-3-949987-21-2
Rio – Paradiesische Strände und Luxushotels, die Statue Cristo Redentur und Karneval – ein Traumurlaubsziel für Viele.
Rio – Slums und Straßenkinder, Kriminalität und Polizeiwillkür, extreme Armut und unermesslicher Reichtum.
Rio – Heimat für alte Religionen und angepassten Katholizismus.
Das Ziel: Überleben!
Um in dem Moloch Rio überleben zu können kann man verschiedene Strategien anwenden. Viele davon haben mit Gewalt zu tun. Diese kann entweder angewendet werden oder muss qeduldet werden. Im zweiten Fall ist es notwendig, sie zu überleben!
Die Serie Rio stellt verschiedene Formen von Gewalt in den Vordergrund. Einerseits gibt es die Gewalt von Männern, die Frauen ausnutzen, erniedrigen und schlimmstenfalls auch ermorden. Dazu kann es schon kommen, wenn die Geliebte plötzlich Ansprüche stellt und mit ihrer Nebenrolle nicht mehr einverstanden ist. Es geht aber auch um Straßenkinder, die ihren täglichen Kampf um das Überleben führen müssen. Dazu ist es zunächst natürlich notwendig, genügend Nahrung zu ergattern und sich mit Diebstählen notwendige Ressourcen zu beschaffen.
Das Leben erfordert aber auch, Todesschwadronen, Gangstern und anderen tödlichen Gefahren auszuweichen. Gewalt wird aber auch – obwohl gut gemeint – von kirchlichen und anderen Institutionen ausgeübt die Kinder zu einem gesellschaftlich akzeptierten Leben zwingen wollen. Nicht immer wird diese Hilfe auch als solche empfunden.
Aggressivität und Dynamik
Die Bilder von Corentin Rouge sind rau und ungeschminkt. Die Menschen sind entweder reich und schön oder arm und gezeichnet. Dazwischen stehen die gewalttätigen Männer mit sehr schnell entgleisten Gesichtszügen. Die Held*innen sind eine Gruppe von Straßenkindern und zwei gerade zu Waisen gewordenen Geschwister. Der Junge muss mit ansehen, wie ihre Mutter von ihrem Liebhaber, einem Polizisten, erschossen wird. Er versucht, seine kleine Schwester so gut wie möglich zu beschützen. Ihre Niedlichkeit wird zur Waffe gegen die Reichen und könnte sogar ihre Rettung werden.
Immer wieder wird die Niedlichkeit aber durch Schmerzen und Gewalt aufgehoben. Rouge lässt keinen Platz für Sentimentalität oder Hoffnung. Seine Zeichnungen drücken die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit aus. Dieser Kontrast macht einen großen Teil der Stimmung aus. Die Dynamik der Gewalt, sei es in Schießereien, Fluchten oder Prügeleien, unterstreicht diese Ausweglosigkeit.
Ein Lehrstück über Gründe der Migration!
In Rio haben die Protagonist*innen bisher keine Möglichkeit, ihrer Situation zu entkommen. Bis auf das kleine Mädchen sind sie zu alt und zu verwahrlost, um sich Hoffnungen auf eine Adoption zu machen. Es bleibt nur der Kampf um das Überleben nach eigenen Regeln. In der Comic-Situation haben sie nicht einmal die Möglichkeit der Flucht. In Europa und den angrenzenden afrikanischen und arabischen Regionen besteht diese Möglichkeit. Ein besseres Leben gibt es nur woanders.
Der Comic ist nichts für schwache Nerven und lädt ein, die Ungerechtigkeit wahrzunehmen. Er rüttelt auf, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu winken. Er will nicht belehren, zeigt aber die Schattenseiten des Lebens deutlich auf. Technisch einwandfrei und auf drei Bände angelegt. Ein besonderer Tipp für alle, die gut erzählte Comics abseits des Mainstreams lieben. Es gibt auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit beigelegtem Druck.
Dazu passen Blaggers ITA mit „The Way to Die“, und ein Desperado.
© der Abbildung Editions Glénat 2016 by Louise Garcia & Corentin Rouge / 2024 Blattgold Verlag, Bad Dürkheim