Gesamtausgabe Band 1
Story: Serge Le Tendre, Olivier TaDuc
Zeichnungen: Olivier TaDuc
Originaltitel: Chinaman Compilation 1
Hardcover | 240 Seiten | Farbe | 34,90 € |
ISBN: 978-3-89908-757-4
Und noch ein Western aus dem Hause Salleck Publications! Während es Dutzende von Western gibt, die die gleichen Geschichten immer wieder neu erzählen, fallen einige aus dem Rahmen. In ihnen gibt es zum Beispiel neue oder veränderte Perspektiven. Wir alle kennen die Migrant*innen aus China als typisierte Rollenbilder in klassischen Western: Wäschereien, Eisenbahnbau, Koch. Chinaman geht viel weiter und thematisiert bereits die Überfahrt und die daraus erwachsenen Verpflichtungen, den ständigen Rassismus und die kulturellen Herausforderungen. Mehr dazu im Serienkompass.
Die „Söhne des Himmels“ und „die weißen Dämonen“
Die meisten Migrationen haben handfeste Gründe: Armut, Hunger und/oder Verfolgung aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen. Der Wunsch nach spirituellen Erfahrungen oder Doku-Soaps wie „Die Auswanderer“ stellen dagegen nur kleine Randerscheinungen dar. Der Anhang dieser Gesamtausgabe enthält Informationen zu den Gründen für die Jobmigration aus China nach Nordamerika. Es war für viele die einzige Möglichkeit zu überleben und die Preise für die Überfahrt waren hoch. Würde man heute von „Schleuserbanden“ reden, waren damals die Triaden, die sog. chinesische Mafia, die Nutznießer.
Band 1, Die Goldberge, beschreibt dieses Szenario: Chen Long Ann, von den Einwanderungsbehörden umgetauft in John Chinaman, und sein Blutsbruder Chow kommen als Gefolgsleute eines hohen Mitglieds der Triaden nach Amerika um Tributzahlungen durchzusetzen. Als der Held beginnt, sich in ein Mädchen zu verlieben, werden die Dinge kompliziert und nicht alle spielen mit ehrlichen Karten. In Mit gleichen Waffen unterstützt Chinaman einen Trek von Siedler*innen. Er begegnet auch dort offenem Rassismus und blankem Hass, kann aber auch aufgrund seines Humors punkten. Außerdem kommt es zur Konfrontation zwischen den Blutsbrüdern um die Frage der Ehre.
Für Rose hat erneut ein anderes Thema: Während Chen unter die Trapper gegangen ist, um der weißen Zivilisation möglichst entfernt zu sein, versucht ein Städter ein junges Mädchen seinen Pflegeeltern zu entreißen. Diese Familientragödie wird von Serge Le Tendre und Olivier TaDuc perfekt in das Westernambiente integriert und mit rassistischen Vorurteilen garniert. Die Rostfresser schließlich beschreibt die Situation der chinesischen (und irischen) Arbeiter beim Bau der Eisenbahn: interne Rivalitäten, Hass, Strafmaßnahmen und das Ausnutzen dieser Gegebenheiten durch die Eisenbahngesellschaft sind die Themen dieser Geschichte.
Detailliert und realistisch – Die Zeichnungen
Während Geschichte und Szenario Koproduktionen sind, hat Olivier TaDuc die Zeichnungen allein angefertigt. Sein Detailreichtum lädt dazu ein, die Geschichten sehr intensiv zu genießen. Sowohl die Natur und ihre Jahreszeiten als auch die unterschiedliche städtische oder ländliche Architektur bilden jeweils passende Rahmen für die Handlung. Mimik und Körperbau der Menschen sind sehr stimmig und die asiatische Kampfkunst wird meisterhaft dargestellt.
Man merkt den Geschichten an, dass sie von der TV-Serie Kung Fu inspiriert sind. Der chinesische Einzelgänger als Held, immer bereit, Unterdrückten zu helfen und Ungerechtigkeiten zu beseitigen und nie aggressiv, aber doch klar in der Kampfkunst! Obwohl die Gewalt nie im Vordergrund steht, macht sie doch einen Großteil von Chinaman aus. Nie ist sie aber Selbstzweck, sie spielt immer nur eine Rolle im Geschehen.
Endlich bald erstmalig komplett!
Chinaman ist ein Must-Have für alle, die Western-Comics mögen! Die Veröffentlichungsgeschichte in Deutschland war bisher gelinde gesagt holprig. Nun aber ist Teil 1 der sehr schönen Gesamtausgabe erschienen, der abschließende zweite Teil für den Winter angekündigt. Die Reprise ist vor kurzem ebenfalls auf Deutsch erschienen. Der Band ist aber auch für alle, die die feine Art zu erzählen von Serge Le Tendre mögen.
Das leicht glänzende, feste Papier macht das Lesen zu einem Genuss! Im Anhang finden sich neben Skizzen und Coverabbildungen auch eine Art Broschüre über die Geschichte der chinesischen Migration nach Nordamerika, die Hintergründe und Herausforderungen. Dadurch wird das Verständnis für einige Motive innerhalb der Geschichte noch einmal größer. Für mich ein Kandidat für die Jahresbestenliste in der Kategorie Gesamtausgaben!
Dazu passen der Kung-Fu-Soundtrack von Jim Helms und ein Jasmin Tee!
© der Abbildungen DUPUIS 2021, by Serge Le Tendre & TaDuc / 2022 Salleck Publications Eckart Schott Verlag
Ein Gedanke zu „Le Tendre/TaDuc – Chinaman GA 1“