Spirou in Berlin
Story/Zeichnungen: Flix
Carlsen
Verlag
Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 16 €
ISBN: 978-03-551-72115-0
Spirou Special – 1: Happy Family; 2: Het Plan van Wiebeling
Story: Marc Legendre
Zeichnungen: Charel Cambré
Dupuis
Softcover | jeweils 48 Seiten | Farbe | 6,95 €
ISBN: 978-90-314-3501-2 und 978-90-314-3556-2
Spirou 3997 (2014)
Story: Pascal Jousselin
Zeichnungen: 71
Künstler*innen
Dupuis
Softcover | 68 Seiten | Farbe | 2,90 €
Schon immer gab es Abenteuer von Spirou (und Fantasio), die nicht in alle Sprachen übersetzt worden sind. Auch die Nummerierung der regulären Reihe von Spirou und Fantasio des deutschen Carlsen-Verlages stimmt mit der Reihenfolge im französischen und niederländischen Raum nicht überein. Die deutsche Spezialreihe umfasst einerseits die Bände „Une Aventure par“/“Robbedoes door“-Veröffentlichungen, andererseits aber auch die Werkausgabe der Bände von Rob-Vel und Jije und klassische Abenteuer von Franquin, die woanders separat erschienen sind. Viele Kurzgeschichten, die innerhalb des Magazins SPIROU erschienen sind, haben nicht den Weg in eine Albenveröffentlichung geschafft und sind in Deutschland zum Beispiel in dem JNK-Magazin COMIX oder gar nicht erschienen.
Daneben gibt es mittlerweile aber auch rein lokale Ausgaben, bei denen eine Übersetzung zwar möglich, nicht aber zwingend vorgesehen ist. Gerüchteweise sollen die verschiedenen Spezialausgaben sogar die reguläre Serie mit einem festen Team komplett ersetzen.
Das letzte Exemplar dieser lokalen Ausgaben ist das grandiose „Spirou in Berlin“ von Flix, dem es als erstem deutschen Künstler vergönnt war, eine Geschichte mit Spirou und Fantasio zu schreiben und zu zeichnen. Flix, mit bürgerlichem Namen Felix Görmann, ist einer der bekanntesten und kreativsten Köpfe der aktuellen deutschen Comicschaffenden und hat bereits einige Preise gewonnen und wurde mit Ausstellungen unter anderem in Oberhausen belohnt. Seine Spirou-Interpretation schafft es trotz aller Vorgaben, seinen eigenen Stil zu transportieren, ist aber mit hunderten von Anspielungen an das Spirou-Universum versehen. Franquin ist fast auf jeder Seite vertreten und somit ist dieser Comic auch ein Spiel für alle, die Zitate suchen mögen. Viele Hinweise sind dabei nicht unbedingt graphisch umgesetzt und selbst die Kauka-Ära kommt vor.
Die Geschichte spielt in den beiden Deutschlands im Jahre 1989 und somit in einer der spannendsten Zeiten der aktuellen Historie. Der Graf von Rummelsdorf erhält eine Einladung zu einem Mykologenkongress in Ost-Berlin, möchte dort aber nicht hinfahren. Fantasio steckt mal wieder in einer Krise und muss eine Titelstory abliefern, ist also ob der Ablehnung zutiefst enttäuscht. Der Graf wird jedoch entführt und Fantasio wittert seine Chance während Spirou einfach nur helfen möchte. In Ost-Berlin werden alle Register einer Agentenstory gezogen, der Widerstand gegen das Regime porträtiert und nebenbei noch neben Pips weitere Tiere als Akteure präsentiert. In einer tour de force gelingt es dem Grafen und seinen Freunden, einen bisher beschriebenen aber noch nie gesichteten Pilz zu entdecken, neue Freundschaften zu schließen, die Stasi-Überwachung ins Lächerliche zu ziehen und das Thema Flucht aus der DDR zu beschreiben. Alles weitere wäre zuviel der Spoilerei!
Flix gelingt es, das Layout der Seiten immer wieder zu variieren und dem Tempo der Geschichte anzupassen. Seine Figuren sind teilweise sehr reduziert und haben zum Beispiel keine Münder, sind andererseits wenn nötig aber sehr detailreich angelegt. Viele Panele kommen ohne Text aus und konzentrieren den Fokus daher auf den Bildinhalt, andere bilden eher einen Rahmen für Soundwörter. Dieser Comic ist also definitiv einer, der ein mehrmaliges Lesen erfordert!
Der Preis von 16 € ist für deutsche Verhältnisse angemessen da es sich um eine wertige Hardcover-Ausgabe handelt.
Mehr zu diesem Comic wäre angesichts des Presse-Hypes eine reine Wiederholung.Flix ist im Übrigen gerade auf einer Lese- und Signiertour durch Deutschland.
Eine andere Richtung schlägt das von den Amoras-Veröffentlichungen bekannte Team Cambré und Legendre ein. Sie bewegen sich mit ihren bisher zwei Teilen sowohl konzeptuell als auch zeichnerisch eher im bekannten Rahmen der bisherigen Spirou-Abenteuer und könnten auch das aktuelle Team der regulären Veröffentlichungen darstellen. Trotzdem sind ihre Geschichten bisher nur auf Niederländisch verfügbar. Dementsprechend heißt der titelgebende Held auch Robbedoes!
In einem fast Slapstick haften Beginn gewinnt Fantasio im bereits 2017 erschienenen ersten Band eine Puppe, die sich nicht nur bewegen, sondern auch sprechen kann. Obwohl im Comic deutlich als künstlich zu erkennen, scheinen die handelnden Personen sie von einem echten kleinen Mädchen nicht unterscheiden zu können, was zu herrlichen Szenen führt.
Der Graf hat (natürlich) eine neue Erfindung gemacht, die er auf einem Kongress vorstellen möchte. Scheinbar haben allerdings dunkle Gestalten davon Wind bekommen so dass ein sicherer Transportweg für das „Ei“, also die neue Entwicklung, gefunden werden muss. Fantasio und Spirou machen sich getrennt vom Grafen auf den Weg und nutzen die Puppe als Versteck. Um die Tarnung perfekt zu machen, verkleidet sich Fantasio als Mutter und die Drei ziehen als Familie los… Wer die klassischen Geschichten liebt wird seine helle Freude an dieser Tour haben.
Auch der zweite Band sprüht vor Einfällen mit technischem Einschlag und kommt ähnlich wild daher. Fantasios Cousin Zantafio hat mal wieder eine tolle Idee: Mithilfe von mechanischen Fischen möchte er Schmuggelware außer Landes bringen. Da die Geschichte zur Weihnachtszeit spielt, gelingt es Cambré und Legendre spielend, noch jede Menge Klischees durch den Kakao zu ziehen und auch Stefanie darf ihre bekannte Rolle der den alten Kollegen ärgernden Reporterin spielen.
Auch in dieser Serie spielen landestypische Elemente ihre Rolle und Verweise finden sich überall. Referenzen auf die Originalserie sind hier nicht so direkt angebracht, sondern deuten sich eher durch das Verständnis der Psyche und der Handlungsweisen der Akteure an; die Comics ähneln daher nicht so einem Suchspiel wie bei Flix. Es findet sich auch weniger Ehrfurcht vor den alten Meistern als bei der Geschichte aus Deutschland. Vom Spaß her können es beide aber miteinander aufnehmen!
Immer wieder erstaunlich ist der Preis der Softcoverausgaben mit 6,95 €, der hier in Deutschland selbst für Lucky Luke und Asterix bereits überschritten wird. Dafür gibt es solide gedruckte und haltbare Ausgaben auf leicht glänzendem aber griffigem Papier.
Eine Erwähnung soll auch die bereits 2014 erschienene Geschichte aus dem SPIROU-Magazin 3997 finden. In dem wöchentlichen Heft erscheinen immer wieder Kurzgeschichten des Stammteams aber auch anderer Künstler die nur selten den Weg über die Landesgrenzen finden. Dabei beweist Dupuis auch durchaus sehr viel Humor wie mit der an einem 1. April veröffentlichten angeblich verschollenen Geschichte von Rob-Vel. Üblicherweise finden sich allerdings viele verschiedene Serien in einer Ausgabe. In der Nummer 3997 dreht sich aber alles um den Pagen mit der roten Uniform: Ein Autor und 71 Zeichner*innen erzählen in „Spirou a disparu“ die Geschichte eines Verschwindens und wie bei den vielen mittlerweile veröffentlichten Hommagen benutzt jeder Zeichner seinen eigenen Stil. Hier allerdings geht es um eine fortlaufende Geschichte so dass jeder nach einem vorgegebenen Skript zwar eigene Akzente setzen kann, Übergabepunkte aber beachten muss. Autor ist Pascal Jousselin dem wir auch den unglaublichen Imbattable verdanken.
Natürlich leidet darunter der Lesespaß da man sich nicht so leicht „eingrooven“ kann. Andererseits ist das eine perfekte Möglichkeit eben besonders auf die Zeichnungen zu achten und sie tatsächlich im Vergleich des gleichen Kontextes genießen zu können.
Das Heft sollte auf einschlägigen Verkaufsplattformen oder (im französischen Raum) bei Comichändlern relativ problemlos zu bekommen sein.
Fazit: Die nationalen Ausgaben beweisen, wieviel Potential in einer so alten Serie steckt und wie viele neue Ideen daraus und damit generiert werden können. Während fortlaufende Serien den Vorteil bieten, dass sich Handlungsstränge und damit auch Personen entwickeln können, Probleme vertieft werden und Epiken sich entwickeln können, bietet das Franchise-Unternehmen mittlerweile nicht mehr nur noch amerikanischen Superhelden die Möglichkeit ständig neuer Inkarnationen. Dadurch können Kreative unterschiedlichen Alters und Herkunft die jeweils eigenen Aspekte in den Vordergrund stellen und eine „Vergreisung“ vermeiden. Der nächste Schritt der Crossover hat bei frankobelgischen Serien allerdings abgesehen von zitatgleichen, ein Panel dauernden Gastauftritten bisher nur im Rahmen der Memes zur Fußballweltmeisterschaft stattgefunden als bei Frankreich gegen Belgien überall Tintin und Asterix zu sehen waren.
Dazu passt Up-Tempo-Musik wie zum Beispiel Buster Shuffle und ein „Schirmchen-Getränk“!
© Spirou-Universe 2018, Editions Dupuis
© der Abbildungen Spirou-Magazin 2014 Editions Dupuis
© der Abbildungen Spirou in Berlin 2018, Carlsen Verlag
© der Abbildungen Spirou Spezial 2017/2018, Dupuis
Ein Gedanke zu „Lokale Abenteuer von Spirou in Deutschland, den Niederlanden und Belgien: Spirou in Berlin, Robbedoes Special und Spirou A disparu“