Serpieri Collection – Western 2 – Der Schamane
Story: Raffaele
Ambrosio, Paolo EleuteriSerpieri
Zeichnungen: Paolo EleuteriSerpieri
Originalausgabe
Hardcover | 160 Seiten | S/W und Farbe | 29, 80 € |
ISBN: 978-3-946337-98-0
Die Ausgabe
Der 1944 in Venedig geborene Paolo Eleuteri Serpieri hat ursprünglich Architektur und Malerei studiert. Seit 1975 ist er jedoch als Zeichner, später auch als Szenarist im Comicbusiness aktiv. Seine bekannteste Figur ist sicherlich Druuna, die in einem Science-Fiction-Setting erotische Abenteuer erlebt. Diese Reihe ist auf Deutsch ebenfalls bei Schreiber und Leser vorrätig. Auch biblische Geschichten hat er für eine Weile gezeichnet. Seine Karriere begonnen hat er aber mit Geschichten aus dem Wilden Westen, anfangs noch getextet von Raffaele Ambrosio.
Der Schamane ist der zweite Band der Serpieri-Western-Collection; in drei Hardcover-Bänden wird das Frühwerk des Italieners in eigener Zusammenstellung des Hamburger Verlages neu aufgelegt. Dabei ist jeweils eine Geschichte farbig, die anderen werden unkoloriert abgedruckt. Serpieri ist natürlich eines der Zugpferde des Verlages; umso erstaunlicher ist es, dass man darauf verzichtet hat, editorische Notizen zu den einzelnen Geschichten hinzuzufügen. Gerade im Zuge einer Zusammenstellung der oft nur in kleinen Magazinen veröffentlichten und lange nicht lieferbaren Geschichten wäre es ein netter Zug gewesen, darauf hinzuweisen, wann die Story erstmals erschienen ist und ob und wo sie bereits einmal auf Deutsch erschienen ist. Vielleicht könnte das im abschließenden dritten Band ja noch nachgeholt werden. Der Vollständigkeit halber (wenn schon nicht aus Höflichkeit) hätte aber zumindest ein Hinweis gutgetan, dass einige der Stories von Ambrosio getextet worden sind. So bleibt nur die Suche nach dem kleinen Kästchen mit einem oder eben zwei Namen.
Ansonsten gibt es aber nichts zu meckern! In dem großen Format kommen die Zeichnungen gut zur Geltung. Auch die kleinsten Striche sind klar und scharf und erlauben einen Einblick in die Kunst des Italieners, die in der farbigen Version oft verdeckt wird. Serpieris Seitenaufteilung ist flexibel, Panele überlappen sich, verschieben sich ineinander und sind in der Größe sehr variabel. Wenn es denn gar nicht anders geht führen Pfeile die Leser*innen auf den vorgegebenen Pfad. Die Geschichten bekommen jeweils eine Vorsatzseite mit freigestellter Illustration; dies würdigt die Teile mehr als ein hintereinanderweg Publizieren es täte und schafft Ruhe! Zur Besprechung des ersten Teils geht es hier.
Der Inhalt
Der Band beginnt mit der titelgebenden Geschichte Der Schamane in Farbe. Sie vereinigt viele der wiederkehrenden Motive der Geschichten von Serpieri und Ambrosio: Machtgelüste und Rassismus als Antreiber vieler Weißer, Freiheitsliebe und Ohnmacht auf indianischer Seite und ein gewisses mystisches Etwas, das nicht zu erklären ist. Und so kommt es, wenn schon nicht zu Gerechtigkeit so doch zu einem gewissen Ausgleich. Die teilweise falschfarbige Kolorierung unterstützt gerade den letzten Aspekt deutlich und fügt sich so als gestaltendes Element in den Geschichtsaufbau ein.
John und Mary | Mary und John hat einen völlig anderen Fokus. Auch wenn hier von kriegerischen Auseinandersetzungen mit tödlichen Folgen und Menschenraub erzählt wird, stehen der Mann und die Frau im Mittelpunkt. Wie können sich Menschen, die so traumatisiert worden sind und so unterschiedliche Startpunkte und Möglichkeiten haben, aufeinander einlassen? Auch diese Geschichte ist aus der Feder von Raffaele Ambrosio. Umso erstaunlicher ist es, dass die Geschichte in weiten Teilen ohne Text auskommt.
Die Weisse Indianerin ist keine Koproduktion. Zeichnerisch ist diese Geschichte einer der stärksten, vielleicht auch, weil hier das Schwarz nicht soo schwarz ist und die Details dadurch mehr Raum bekommen. Die titelgebende „Beute“ ist eine als Mädchen von den Indianern geraubte Frau. Nach Jahren der Unwissenheit scheint jetzt ihr Aufenthaltsort bekannt und zwei unterschiedlich motivierte Gruppen machen sich auf die Reise. Den meisten der beteiligten Männer geht es allerdings um pure Rache, Auslöschung ist das Ziel und das Schicksal der jungen Sarah ist allein Rechtfertigung. Wie so viele Geschichten dieser Art ist sie zweideutig lesbar: als heroische Beschreibung des Feldzuges des verzweifelten Mannes (wie in so vielen Actionfilmen seit 50 Jahren) oder als Kritik an dem Männlichkeitswahn und der stumpfsinnigen und nur noch mehr Leid schaffenden Rache.
Auch in Frauen an die Front greifen Ambrosio und Serpieri wieder das Geschlechterthema auf. Der erste Schritt der Besiedelung ist der Kampf gegen die Natur. Der zweite Schritt die Verteidigung des Bodens gegen andere Interessenten (um mal eine Verharmlosung für die ursprünglich Ansässigen zu nehmen) und gewaltsame Sicherung. Der dann folgende ist aber die Überführung der Ausnahmesituation in Alltag. Dazu gehört neben der Etablierung von Recht (Sheriff) und Wirtschaft (Hotel, General Store, Bank) auch die Familie; es müssen also irgendwie heiratswillige Frauen in den Westen kommen. Davon und vor allem von ihren Schwierigkeiten handelt diese Geschichte.
Eine außergewöhnliche Geschichte ist dagegen eher eine (derb-)humorvolle Einzelfallaufnahme in der ein Weißer einen ganzen indianischen Stamm auszutricksen versucht. Der alte Maler basiert ebenfalls auf einem Trick. Es ist zwar ein ganz anderes Setting, Ambrosio erzählt aber auch hier von den Möglichkeiten den Ohnmächtigen.
Den Schlusspunkt setzt Das vermaledeite Gold, mit dem der Motivreigen wieder auf die mystische Welt der Geister zurückgeführt wird.
Die Wertung
Für alle Fans des Italieners wahrscheinlich eh ein Muss, für alle Westernfans aber ebenfalls sehr zu empfehlen. Die Geschichten sind stimmig, die Zeichnungen in ihrem Stil sehr speziell und machen zu zitterig. Mir gefallen sie gerade in ihrer Reduktion auf die Zeichnung. Auch die kolorierte Geschichte ist aber gerade wegen ihrer Falschfarbigkeit ein echtes Highlight.
Auch wer nicht unbedingt Westernfan ist, die Arbeit des Zeichners aber pur genießen möchte, sollte daher einen Blick in diese Ausgabe werfen!
Wer Serpieri allerdings nur wegen der prallen Rundungen zu kaufen pflegt, könnte in diesem Band enttäuscht werden. Davon gibt es – passend zum Inhalt der Geschichten – nicht viel!
Dazu passen ein amerikanisches leichtes Bier (kein Light!), nicht wirklich gekühlt, und indianische Musik, auch wenn es vielleicht zu pathetisch klingt oder von diversen „movements“ genutzt wird.
© der Abbildungen 2019 Verlag Schreiber und Leser, Hamburg