Sauzereau/Wyllow – Jules Verne

Die Comic-Biographie

Story: Olivier Sauzereau

Zeichnungen: Wyllow

Originaltitel: Jules Verne en BD

Knesebeck

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 22 €

ISBN: 978-3-95728-921-6

Cover Jules Verne

Jules Verne gilt als einer der Stammväter der Science-Fiction Literatur, ist aber ohne seinen Hintergrund und sein Faible für die Seefahrt und das abenteuerliche, neugierige Reisen nicht wirklich verständlich. Die im Original bereits 2021 erschienene Comic-Biographie versucht, diese Hintergründe zu beleuchten. Wer Verne nicht kennt, findet hier ein Reiseabenteuer und hier einen Science-Fiction Roman.

Der Student mit dem Faible für das Theater

Gleich vorweg: Ich werde mir verkneifen, das Leben von Jules Verne in dieser Besprechung akribisch nachzuerzählen. Wer dort tiefer einsteigen möchte, sei auf das Buch selbst verwiesen. Es ist kurz genug, dass man es selbst dann lesen kann, wenn man nicht unendlich viel Zeit auf das Thema verwenden möchte, gleichzeitig aber ausführlich genug, um einen guten Einstieg zu ermöglichen.

Grundsätzlich sind die fünf Kapitel gleich aufgebaut: auf einen erzählenden Comic-Teil folgen ein paar modern layoutete Fakten zu Schnipseln des Lebens. Diese Teile ergeben in ihrer Gesamtschau einen spannenden Abriss über die Jahre von der Geburt des Franzosen 1828 bis zum Ende des Jahres 1887. Die letzte Spanne bis zu seinem Tod im Jahre 1905 wird hier ausgeklammert.

Jules Verne page 7

Wer also wissen möchte, wie aus einem Studenten ein Theater-Autor wurde der irgendwann zu einem der berühmtesten Autoren seiner Zeit (allerdings eher im Rückblick) werden konnte, wie sich sein schwieriges Verhältnis zum anderen Geschlecht ausgewirkt hat und welche Begebenheiten prägend waren, liegt hier richtig. Olivier Sauzereau hat bereits mehrere Dokumentarfilme gedreht. Das Buch folgt ein wenig diesem Prinzip: kurze, aneinandergereihte Schnipsel … Als Leser*in hat man die Aufgabe, die Verbindungen zwischen diesen zu ziehen und nicht nur die hübsche Szenen für sich zu betrachten.

Educational Content

Wyllow setzt die Vorgaben von Sauzereau ziemlich genau um: Es geht nicht darum, eine durchgehende Geschichte zu erzählen, sondern separate Abschnitte. Es ist daher weniger eine Entwicklung zu bemerken, die Figuren sind plötzlich um Jahre gealtert. Das hat den Vorteil, dass Wyllow sich nicht um die Übergänge kümmern muss, er muss nur dafür sorgen, dass die beschriebene Situation klar genug dargestellt wird.

Jules Verne page 8

Die Geschichte wirkt dadurch leicht statisch und „educational“. Die Dynamik muss Leser*innen nicht über die ganze Geschichte tragen, es sind jeweils nur wenige Seiten zu schaffen. In der Zusammenschau gelingt das aber ganz gut. Zudem erlaubt es logische Pausen und gar das Beiseitelegen für einige Tage. Die Spannung, die in einigen Biographien erzeugt wird, steht hier nicht im Vordergrund.

Informativ!

Jules Verne ist viel zu vielseitig, sowohl was die Etappen seines Lebens und die prägenden Elemente angeht, als auch bezüglich seiner geschaffenen Werke, als dass alles in einem überschaubaren Buch auch nur gestreift werden könnte. Diese Biographie beschränkt sich auf seinen Drang, Reiseabenteuer zu verfassen, und damit seine eigene Unfähigkeit, diese zu unternehmen, zu überwinden.

Frontpage Jules Verne

Dieser Ansatz wird erfolgreich umgesetzt, die Kombination aus Wissensfragmenten als Textschnipsel und erzählenden Passagen überfordert niemand und erlaubt allen Leser*innen, ihr eigenes Tempo anzuschlagen. Die Zeichnungen sind gefällig und setzten bekannte Fotos mit hohem Widererkennungswert um. Insofern ist Jules Verne ein geeigneter Einstieg in die Welt des Schriftstellers.

Dazu passen The Misfits mit “I turned into a Martian” und ein trockener Bordeaux.

© der Abbildungen Petit à Petit, 2021, by Olivier Sauzereau and Wyllow  / 2025 von dem Knesebeck Verlag GmbH & Co. Verlag KG, München

Apikian/Rossi – Die Ballade vom Soldaten Odawaa

Der Horror im Horror des Krieges

Story: Cédric Apikian

Zeichnungen: Christian Rossi
Originaltitel: 
La ballade du soldat Odawaa

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 26,00 €

ISBN: 978-3-949987-68-7

Cover Ballade vom Soldaten Odawaa

Wer hätte nicht gehofft, dass nach zwei Weltkriegen im letzten Jahrhundert die Gefahr eines neuen Weltenbrandes eher eine theoretische geworden wäre. Der Kalte Krieg und unzählige Stellvertreterkriege haben zwar bewiesen, dass die Menschheit sich weiterhin gerne in Blöcke einteilt und zwischen „denen“ und „uns“ unterscheidet. Die aktuellen Ereignisse und die immer häufiger anzutreffenden Warnungen vor einer weiteren Eskalation in wenigen Jahren lassen aber befürchten, dass das ein Trugschluss war.

Ein schmutziger Krieg

Die Geschichte spielt während des Ersten Weltkrieges in Frankreich. Bereits 1915 stehen sich die französischen Truppen, verstärkt unter anderem durch Kanadier, und die deutschen Einheiten in einem gnadenlosen Stellungskrieg gegenüber. Schützengräben, verlaust, kalt, nass und unsicher, werden verteidigt, teilweise verloren und wieder zurückgewonnen. Im Wesentlichen werden aber unzählige Menschenleben vernichtet.

Ballade vom Soldaten Odawaa page 3

Kriege werden allerdings nicht nur auf dem Felde gewonnen, es kommt auch darauf an, die emotionale Seite zu managen. Einerseits ist es wichtig, dass die Unterstützung von zu Hause erfolgt. Es sollten daher möglichst keine eigenen Grausamkeiten bekannt werden. Andererseits ist es wichtig, dass „der Feind“ Angst vor der eigenen Übermacht bekommt. Dazu sind archaische Stärkebeweise, Übertreibungen, Mythen, kurzum, alles, was Horror verbreitet, sehr willkommen.

Cédric Apikian erschafft eine sehr düstere Story, die mit diesen Elementen spielt und eine Art Super-Soldat, Odawaa, in den Mittelpunkt stellt. Dieser, durchaus auf gewissen historischen Persönlichkeiten aufbauend, ist ein Scharfschütze indianischer Herkunft, der nicht zu fassen ist. Sein Bodycount ist unfassbar hoch und scheinbar skalpiert er teilweise seine Opfer…

Ballade vom Soldaten Odawaa page 4

Der blanke Horror

Christian Rossi ist kein Unbekannter – seine Western sind zwar teilweise brutal, trotzdem aber extrem realistisch. Dabei geht er wie etwa in W.E.S.T. auch durchaus in des Phantastische. Die Ballade vom Soldaten Odawaa ist ebenfalls im Grunde ein Western, der viele der grundsätzlichen Narrative enthält. Daneben ist es aber auch ein Horror-Comic und – vor allem anderen – ein grandioses Anti-Kriegs-Epos. Neben der guten Story tragen die Bilder von Rossi dazu bei: selten habe ich in einem Band mit Überlänge so wenige Panels gesehen, die nicht komplett düster sind!

Dabei stehen das Leben im Schützengraben, die Aktion des Tötens und die feindliche Umwelt im Vordergrund. „Umwelt“ ist dabei übrigens etwas weiter definiert als üblich; ich zähle das wabernde Giftgas durchaus dazu. Und selbst das letzte Panel, dass sich auf die zweite Handlungslinie bezieht, lässt keinen Grund zur Hoffnung!

Ballade vom Soldaten Odawaa page 5

Nicht für Jede*n

Die Ballade vom Soldaten Odawaa ist starker Tobak und nichts für schwache Nerven. Der Band ist meilenweit davon entfernt, in Richtung Splatter zu gehen, aber er ist eben doch aus einer pessimistischen Haltung heraus geschrieben. Der Mensch wird es nicht lernen, seinen eigenen Egoismus unterzuordnen und in einer freien, gemeinsam definierten Welt ohne Schranken, Vorurteile und Hass leben zu wollen. Diesen Ansatz muss man nicht teilen, er liegt aber dieser Geschichte zu Grunde!

Basierend darauf sind sowohl Text als auch Zeichnungen extrem gut geraten und vermitteln genau den gewollten Eindruck. Auf Grund der grafischen Komplexität empfiehlt es sich sogar, den Band innerhalb kurzer Zeit mehrfach zu lesen. Wer möchte, kann zur Vorzugsausgabe greifen: Sie ist auf 99 Exemplare limitiert, hat ein Variantcover und kommt mit einem signierten Druck.

Cover Ballade vom Soldaten Odawaa Vorzugsausgabe

Dazu passen Stiff Little Fingers, etwa mit „Alternative Ulster“, und ein Trooper von Crew Republic.

© der Abbildungen Casterman, 2019 / 2025 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

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