Die Wette gilt
Story: Jean-Michel Coblence nach Jules Verne
Zeichnungen: Younn Locard
Originaltitel: Le Tour du monde en 80 jours
Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 22 €
ISBN: 978-3-95728-629-1
Es ist Urlaubszeit! Natürlich gehen Klassiker immer und Reiseberichte auch, es macht aber trotzdem ein besonderes Vergnügen, direkt nach einer Urlaubsreise ein solches Werk zu besprechen. Jules Verne ist sicherlich einer der größten europäischen Schriftsteller, vermochte er es doch, die wissenschaftliche Entwicklung seiner Zeit in spannende Stories zu gießen, die seine Version der Zukunft glaubhaft erschienen ließen. Deswegen sind die Geschichten auch heute noch spannend und werden immer wieder für alle Medienformen adaptiert. Nur einen Monat nach Kapitän Nemo nun also die zweite moderne Adaption.
Englische Gelassenheit und aufregende Situationen
Es beginnt sehr englisch: Ein distinguierter Gentleman sucht einen neuen Kammerdiener. Der Tagesablauf von Phileas Fogg ist präzise wie ein Uhrwerk und Passepartout, der die Stelle bekommt, freut sich bereits auf ein ruhiges, geregeltes Leben, als eine Diskussion im Reform Club etwas aus den Fugen gerät. Fogg ist der Meinung, dass eine Umrundung der Erde in genau 80 Tagen möglich wäre (tatsächlich benötigte man damals mehr als 200 Tage) und bereit, ein Vermögen von 20.000 Pfund darauf zu wetten.
Er macht sich noch am selben Abend auf den Weg und verlässt London mit dem Zug nach Dover. Mit dabei ist selbstverständlich sein Kammerdiener Passepartout, dem von seiner Herrschaft eine Tasche mit eben jenen 20.000 Pfund in bar anvertraut wird, um die Ausgaben zu bestreiten. Leider hat zur gleichen Zeit auch ein Raub stattgefunden: ein dreister, als Gentleman beschriebener Mann hat ein Vermögen erbeutet und ist seitdem auf der Flucht. Ein Beamter der Krone ist der fixen Idee, dass Fogg dieser Verbrecher sei und versucht, ihn auf englischem Boden festzunehmen.
Die Geschichte ist bekannt: Die beiden bekommen im Laufe der Geschichte eine weitere Begleiterin, müssen technische und psychologische Herausforderungen bestehen, werden getrennt und vereint und haben es immer wieder mit dem übereifrigen Polizisten zu tun. Jean-Michel Coblence muss daher nichts dazuerfinden, im Gegensatz muss er sogar verkürzen, um mit den 54 Seiten auszukommen, die hier zur Verfügung stehen. Das gelingt und ist im Ergebnis spannend zu lesen!
An alten Stichen orientierte Illustrationen
Zu meiner Jugendzeit gab es eine 20-bändige (gekürzte) Jules-Verne-Ausgabe im Fischer Taschenbuch Verlag, die nicht nur all die großartigen und ein paar langatmige Romane versammelte, sondern auch Illustrationen enthielt. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es zeitgenössische Stiche. Die Zeichnungen von Younn Locard erinnern ein wenig daran. Einerseits sind sie durch die Strichtechnik unheimlich detailreich, andererseits wirken Personen im Vordergrund teilweise wie aufgeklebt.
Insgesamt passt diese grafische Umsetzung super zu der Neuveröffentlichung! Die Gesichter und Figuren wirken teilweise sehr modern, leicht karikierend, in der Gesamtheit passt der Stil aber zum klassischen Content. Hier gibt es keine reißerische Modernisierung, sondern eine das Alte akzeptierende Darstellung, die nicht nachahmt, aber den Zeitkolorit versteht. Ich muss aber zugeben, dass ich ein paar Seiten gebraucht habe, um mich einzufinden.
Die Empfehlung
Wie schon gesagt: Jules Verne geht immer und ist doch für diejenigen, die aus der Steampunk-Ecke kommen, vielleicht eine lohnenswerte Neuentdeckung! Es ist schwierig, einen Stoff, den fast jede*r kennt, so zu präsentieren, dass beim Lesen Spannung aufkommt. Dadurch, dass Coblence den Stoff radikal gekürzt hat, die Exzentrität des Phileas Fogg dabei aber noch überspitzt, und Locard seinen ganz eigenen Zugang gefunden hat, ist der Comic aber unbedingt zu empfehlen!
Knesebeck nutzt wieder ein dem Großband ähnliches Format in schöner Hardcoverbindung und versieht das Ganze mit einem in matten Farben präsentierten Cover, dass jedem einzelnen Blatt im Dschungel seine Referenz erweist! Dazu kommen noch ein paar Informationen zu Jules Verne und der damaligen Zeit!
Dazu passen The Cure mit “A strange Day” und ein Pimm‘s.
© der Abbildungen 2021 Casterman / 2022 von dem Knesebeck Verlag GmbH & Co. Verlag KG, München