ZACK 258 (Dezember 2020)
Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792
Das erste Weihnachtsgeschenk ist schon da: Das ZACK hat erstmals ein umlaufendes Cover und das sogar mit einem Weihnachtsbaum! In den mehr als zwanzig Jahren ist das erst das vierte weihnachtliche Motiv nach den Ausgaben 66/2004, 150/2012 und dem bisher unerreichten 78/2005! Hoffen wir also, dass der neue Verlag auch weitere layouterische Neuigkeiten mit sich bringt!
Die Coverstory: Giant
In diesem ZACK gibt es zwar keinen Neustart aber der in 257 begonnene zweite Teil der Graphic Novel Giant von Mikaël hat mit seinem weihnachtlichen Motiv den Platz auf diesem Cover mehr als verdient. Im New York des Jahres 1932 wird einerseits immer mehr Raum für die prosperierende Wirtschaft benötigt und Wolkenkratzer schießen aus dem Boden. Berühmte Fotomotive entsprechen aber nicht immer dem harten Leben. Andererseits herrscht bittere Armut und Männer stehen für Gelegenheitsjobs Schlange. Die Reviere sind zwischen den unterschiedlichen Einwanderergruppen verteilt und werden blutig verteidigt.
Armut herrscht aber auch in Europa und so versuchen viele Frauen ihren Männern nach Amerika zu folgen und müssen die „Immigration“ passieren. Auf diesem Hintergrund entwickelt Mikaël eine spannende Geschichte über einen irischen Arbeiter, der trotz seiner Statur ein großes Herz hat. Giant hatte es nicht geschafft, der Frau seines verstorbenen Kollegen die Wahrheit über dessen Unfall zu schreiben und muss nun erfahren, dass sie sich auf den Weg gemacht hat. Für mich eine der besten aktuellen Serien!
Die Fortsetzungen
Aber es gibt natürlich auch noch ganz andere Geschichten: Das Wüstenschwert steuert so langsam auf die Entscheidung zu. Mick Tanguy versucht den Angriff der feindlichen Kräfte aus der Luft abzuwehren und muss feststellen, dass eine List angewendet wird. Laverdure, der für fluguntauglich erklärt worden war, versucht derweil die Terroristen in der Hauptstadt zu bekämpfen. Natürlich ist das Skript von Patrice Buendia und Frédéric Zumbiehl übertrieben und auf Action ausgerichtet. Tatsächlich kann man sich aber sehr gut vorstellen wie heutzutage Stellvertreterkriege mit wirtschaftlichen Interessen kombiniert werden können und religiöse Eiferer das Kanonenfutter geben. Sébastien Philippe hat das Ganze in schöne Bilder gesetzt. Wüsten, Flugzeuge und Straßenkampf liegen ihm gut und so wird er nicht nur Fans der alten Serie für sich gewinnen können.
Die Milliarde der Emigranten führt uns dagegen in den ersten Teil des 19. Jahrhunderts. Julien Maffre zeichnet die Bank mehr in Pastelltönen und lässt Action eher selten das Tempo bestimmen. Boisserie & Guillaume erzählen ihren Wirtschaftskrimi gemächlich und erklären ganz nebenbei, welche Entscheidungskriterien Investitionen beeinflussen können. Eisenbahnlinienplanung kann auch außerhalb des Wilden Westens spannend sein!
Harmony bringt uns dann wieder zurück in die heutige Zeit. Die Frage des Umgangs mit einer Gruppe von Kindern mit speziellen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt: Sollen sie geschützt und gefördert oder zu Waffen umfunktioniert werden? In Ago kommt es erneut zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung als die geflohenen mutierten Kinder und ihre Begleiter*innen von dem militärischen Einsatzleiter auf der Straße gestellt werden. Mathieu Reynés hat eine sehr moderne Story geschaffen die SF und Mystery-Elemente miteinander verbindet. Grafisch legt er Wert auf Emotionen und so sind häufig nur formatfüllende Gesichtsausschnitte zu sehen. Er kann aber auch detaillierte Umgebungen präsentieren und ist sehr abwechslungsreich. Spannende Story mit sehenswerter Umsetzung!
Der Abschied
13 Tage Vorbereitungszeit hatte Michel Vaillant für sein erstes Formel 1-Rennen seit Jahren. Körperliche und mentale Fitness sind absolute Voraussetzung für diesen Sport, bei dem es auf hundertstel Sekunden ankommt und eine minimale Unaufmerksamkeit Millionen kosten kann. Es braucht aber auch eine gute Taktik, um auf Wettergegebenheiten reagieren zu können und Reifenwechsel zu timen. Wird der erfahrene Rennfahrer in einem unbekannten Team mit ebenfalls unbekanntem Gerät alles abrufen können?
Philippe Graton und Denis Lapiére sind absolute Kenner der Materie und schaffen es, diese ganze Kenntnis zudem noch spannend zu verpacken! Nie kommt das Ganze belehrend rüber! Das liegt allerdings auch an Benjamin Benétau und Vincent Dutreuil, die die Bilder dazu geliefert haben. Wie bei einer Reportage wird das Geschehen von kleinen, überlagerten Panels aus kommentiert, der Regen und die Motorengeräusche so gut visualisiert, dass es fast zu hören ist. Das Thema ist sicherlich eher für eine kleinere Zielgruppe, die Umsetzung aber so gut, dass auch andere ihren Spaß daran haben werden! Für die voraussichtlich 8 Monate bis zum nächsten Abenteuer bleiben nur Alben übrig.
Und sonst?
Bernd Hinrichs präsentiert den schon 10. Teil seiner Serie über Comicverfilmungen abseits der Superheldenstories und mit der Vorstellung der Graphic Novel von George Takei schließt sich in gewisser Weise ein Kreis: Als Sulu war er Teil der Crew der Enterprise die zu Koralle-Zeiten auch durch das ZACK flog. Unter seinem Namen hat er eine Geschichte über seine Jugend geschrieben – They called us enemy beschreibt die Internierungen von japanisch-stämmigen US-Bürger*innen während des Zweiten Weltkriegs. Gut, dass auch solche Themen im ZACK ihren Platz haben!
Dazu kommen wie üblich der Vater der Sterne, Parker & Badger sowie eine Untersuchung des richtigen Jagdverhaltens in Tizombi von Cazenove und Maury. Meiner Meinung nach immer noch gnadenlos unterschätzte Zwischenmahlzeiten!
Musikalische Untermalung könnten bei diesem Heft The Primitives mit ihrem zeitlos schönen Gitarrenpop bieten. Warum dazu nicht mal einen Tonic mit einem selbstangesetzten Gin auf Wodka-Basis mit Wacholderbeeren, Chili und Orangenschalen probieren?
© der Abbildungen 2020 bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen c/o Blattgold GmbH
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