Mythen der Antike
Story: Clotilde Bruneau
Zeichnungen: Diego Oddi
Herausgeber: Luc Ferry
Originaltitel: Narcisse et Pygmalion
Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 16,00 € |
ISBN: 978-3-98721-018-1
Konzeptserien sind schwer angesagt, beleuchten sie doch einen Themenkomplex aus ganz verschiedenen Standpunkten und können so viel mehr bieten als eine Serie von nur einem Team. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die einzelnen Bände in einer Netzwerkbeziehung stehen und nicht sequentiell gelesen werden müssen. Was würde sich besser dafür eignen als die miteinander verknüpften Sagen und Mythen der Antike! Für die inhaltliche Qualität sorgt dabei Luc Ferry, ehemaliger Bildungsminister Frankreichs, der auch die einordnenden Nachworte verfasst.
Die Gefahren der Schönheit
Der Band enthält zwei auf den ersten Blick nicht miteinander in Verbindung stehende Mythen. Den Anfang macht Narziss, dem bei der Geburt ein langes Leben geweissagt worden war. Es gab allerdings eine zu erfüllende Bedingung: Er dürfe sich niemals selber sehen. Der Jüngling ist so hinreißend, dass er sich vor Verehrer*innen nicht retten kann, gleichzeitig aber auch so selbstverliebt, dass er alle Avancen abweist. Als die Nymphe Echo seinetwegen zu einer bloßen Stimme wird, überspannt er den Bogen.
Auch in Pygmalion geht es um (körperliche) Schönheit. Der Bildhauer interessiert sich nicht sehr für seine Umwelt und konzentriert seine Liebe und Aufmerksamkeit auf eine von ihm geschaffene Statue einer schönen Frau, genannt Galatea, die er sich sogar ins Bett legen lässt. Eines Tages jedoch beschließt Aphrodite, ihm ein Geschenk zu machen.
Im Nachwort gibt Luc Ferry eine Interpretation, ob und wie die beiden Geschichten zueinander in Verbindung stehen, gar Gegenentwürfe darstellen könnten. Der Comic ist damit gleichzeitig Überbringer zweier spannender Geschichten, als auch Bildungsträger. Die Stories werden in den Zusammenhang eingeordnet und in ihrer Bedeutung für die west-europäische Kultur und Philosophie erklärt, ohne dabei den miefigen Geruch veralteter Schulstunden zu versprühen.
Auf der Höhe der Zeit
Obwohl die sehr erfolgreiche Serie auch Bildung vermittelt, sind die Zeichnungen keinesfalls geglättet. Diego Oddi zeichnet in einem modernen, frankobelgischen Stil, der den anderen Publikationen bei Glenat in nichts nachsteht. Die Figuren und ihre Bewegungen sind stimmig und die Gesichter ausdrucksfähig. Hier ist der oftmals zu bemerkende missglückte Mund nicht zu sehen!
Auch das Seitenlayout ist abwechslungsreich und offen. Zwar haben die Seiten ein streifiges Grundraster, dieses wird aber des Öfteren durchbrochen oder sogar total aufgelöst. Da allerdings die Schönheit der Menschen im Auge des/der Betrachter*in liegt, wird nicht jede*r mit dem Aussehen von Narziss und Galatea einverstanden sein. Gut finde ich, dass Oddi es vermieden hat, Barbie und Ken (oder welches Götzenbild auch immer) zu verwenden.
Empfehlung!
Dieser Band ist der erste der Reihe, der hier besprochen wird, es wurde langsam Zeit! Die Mythen der Antike schaffen den Spagat zwischen guter Unterhaltung und Vermittlung geschichtlicher und philosophischer Grundlagenbildung. Vielleicht können sie sogar den guten alten Schwab ersetzen, der damals in vielen Kinderzimmern stand. Auch wenn nicht jede*r das Nachwort liest, ist es doch ein guter Ansatz, die Aufmerksamkeit des Augenblicks zu nutzen.
Wer also einen modernen Nachfolger für ein „gutes Geschenk“ zur Konfirmation sucht, wird hier sicherlich fündig werden. Es passt aber natürlich auch für alle anderen mit Interesse für gut erzählte Geschichten mit Gött*innen, Nymphen, Tier-Menschwesen und allem, was dazu gehört! Aktuell sind 24 Bände gelistet.
Dazu passen Whitney Houston mit „I will always love you“ und ein Retsina.
© der Abbildungen Editions Glenat 2021 by Ferry, Bruneau, Oddi, Ruby / Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023