Gil/Paturaud – Victor Hugo

Victor Hugo – Im Exil

Story:  Esther Gil
Zeichnungen: 
 Laurent Paturaud

Originaltitel: Victor Hugo

Splitter Verlag
Hardcover | 120 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-96219-300-3

1853 beweint ein Mann den Tod seiner Tochter vor 10 Jahren. Noch immer kennt seine Trauer keine Grenzen und noch immer lässt er seine andere Tochter, seine Frau und seine Geliebten darunter leiden. Am Abend des 11. September jedoch spricht während einer Seance die Tote zu ihrem Vater, der nun weiß, dass es seine Aufgabe sein wird, den Tod aufzuklären. Es handelt sich um Victor Hugo, den Schriftsteller aber eben auch Politiker, der auf der Flucht vor Napoleon III. die Insel Jersey als Ort des Exils gewählt hat.

Die Handlung

Um den Tod seiner geliebten Tochter Leopoldine aufklären zu können, muss Hugo aber zurück auf das Festland, ja sogar in die Hauptstadt Paris. In seinem Heimatland ist aber ein beträchtliches Kopfgeld auf ihn ausgesetzt und niemand in Hugos Umgebung kann das Risiko verstehen. Sie alle glauben an einen Unfall und halten Hugos Vermutungen für Hirngespinste.

In Paris selbst ist Napoleon II.I gerade dabei, zusammen mit Baron Haussmann die Stadt neu zu planen: die Stadtteile sollen übersichtlicher, kontrollierbarer und „gehobener“ werden – heutzutage nennt man so etwas Gentrifizierung – und die Straßen sollen ausgebaut werden. Letzteres ist natürlich für den zunehmenden Handel wichtig, erlaubt aber auch schnelle Truppenbewegungen im Falle eines der vielen Aufstände. Insofern lässt sich dieser Band durchaus in Kombination mit der Zeit der Blutkirschen lesen!  

Und auch der Tod am Galgen von John Charles Tapner findet seinen Eingang in die großartige Geschichte. Tapner war mit Sicherheit ein kleiner Gauner. Ob er auch ein Mörder war, wird zumindest in dieser Geschichte bezweifelt, auf jeden Fall aber war seine Geschichte der Aufhänger für eine engagierte Diskussion um die Todesstrafe unter Beteiligung Victor Hugos und wurde erst durch den direkten Einsatz des französischen Botschafters in London beigelegt: Der junge Mann wurde zwei Tage später gehängt.

Die Bilder, die Hugo auf der Fahrt nach Paris und dort selbst zeigen, zeichnen ihn als einen sehr selbstbezogenen, starrköpfigen aber auch mutigen Mann. Während dieser kurzen Zeit wohnt er gleich zwei Geliebten bei, bekommt in Paris aber auch genügend Eindrücke in die Not der Unterprivilegierten und der Machtstrukturen, die später in Les Miserables verarbeitet werden sollten.

Die Künstler*innen

Während viele Fakten in dieser Geschichte verarbeitet worden sind, ist sie als solche doch reine Fiktion. Wir wissen, dass Hugo unendlich um seine Tochter getrauert hat, an Seancen beteiligt war und tatsächlich geglaubt hat, seiner Tochter bzw. ihrem Geist begegnet zu sein. Auch sein Exil, seine Geliebten und sein Gegenspieler in Paris Vidocq sind verbürgt. Die Details sind aber der Fantasie von Esther Gil entsprungen. In ihrem Nachwort erklärt sie, dass sie schon während der Schulzeit von der Maßlosigkeit der Trauer des Vaters beindruckt war. Später – und im Verlauf von minutiösen Nachforschungen – kam dann der Einsatz gegen die Todesstrafe hinzu und das Szenario konnte geschrieben werden. Gil hat damit eine Geschichte vorgelegt, die einerseits sehr viel Sympathie mit ihren Personen zeigt, ohne aber tatsächlich alle Aktionen gutzuheißen. Andererseits ist daraus ein spannender Krimi geworden, der zusätzlich noch viele geschichtliche Details transportiert.

Laurent Paturaud hat die Geschichte kongenial umgesetzt. Die ersten zwei Seiten sind Romantik pur und führen bildgewaltig in die Stimmung des fast schon gefühlstoten Vaters ein. Paturaud kann aber auch stille Gesprächsszenen oder Armutsdarstellungen aus Paris. Nicht zuletzt gelingen ihm auch die intimen Szenen zwischen Hugo und seinen Geliebten sachlich und ohne Voyeurismus. Dabei wechselt er von kleinen Panels zu großen, integriert Bilder in einen Hintergrund oder benutzt eine Graufärbung um Erinnerungen zu kennzeichnen.

Die Ausstattung

Natürlich handelt es sich auch bei diesem Band um ein typisches Splitter-Hardcover. Man hat sich aber entschieden, nicht nur die 94 Seiten der Geschichte zu veröffentlichen, sondern insgesamt 120 Seiten daraus zu machen. So kommen einerseits die Autorin Esther Gil und Victor Hugo selbst zu Wort, andererseits bleibt auch genügend Platz um auf geschichtliche Hintergründe näher einzugehen und die Geschichte damit verständlicher zu machen.

Und – quasi als Sahnehäubchen – kommen auch noch Skizzen, und Ex Libris-Entwürfe zum Abdruck! Schöner kann man einen solchen Band nicht machen! Der Preis dafür ist fast schon unverschämt gering. Im Nachhinein ist es etwas unverständlich, warum es sechs Jahre gedauert hat bis dieses Werk auch auf Deutsch erschienen ist. Das Original erschien ursprünglich bei Editions & Galerie Daniel Maghen.

Dazu passen französischer Cidre und The Damned aus ihrer dunklen Phase.

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

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