Story: Thilo Krapp nach Jules Verne
Zeichnungen: Thilo Krapp
Originalausgabe
Klassische Science-Fiction begeistert augenscheinlich auch Thilo Krapp, den in Berlin lebenden Autor und Zeichner unter anderem von dem Krieg der Welten. Diejenigen, die der Generation Zack angehören, werden sich wahrscheinlich noch an die weiß-gelben Einbände der 20-bändigen Jules Verne-Ausgabe im Fischer Taschenbuch Verlag erinnern. Besonders beeindruckend fand ich die Illustrationen, die den Charme des schon vor 50 Jahren etwas Veralteten und doch Visionären gut wiedergegeben haben.
Flucht und Hass
Krapp hält sich in seiner Adaption stark an die literarische Vorgabe und so beginnt die graphische Umsetzung mit einem Trauma aus Kinderaugensicht. Ein indischer Jugendlicher muss mit ansehen, wie das Haus seiner Eltern gestürmt wird. Die Erwachsenen werden getötet, der Sohn kann gerade noch ein Familienporträt greifen und fliehen.
Einen Zeitsprung später werden immer wieder Schiffe auf hoher See Opfer eines unbekannten Phänomens, das schnell als „Seeungeheuer“ bezeichnet wird. Professor Arronax soll zusammen mit seinem Diener Conseil bei der Aufklärung dieses Falles helfen und tatsächlich findet eine Begegnung statt. Dieser fällt jedoch das Schiff mit fast der kompletten Besatzung zum Opfer bis auf Arronax, Conseil und den Harpunier Ned Land. Sie lernen die Ursache der Unglücke kennen, das Unterseeboot Nautilus des Kapitän Nemo!
In einer Reise über 20.000 Meilen unter dem Meer lernen die Drei die wissenschaftlichen Entdeckungen von Nemo kennen, die Leistungsfähigkeit der Nautilus aber auch den Hass des Kapitäns auf alles andere auf der Welt. Und immer wieder versuchen sie zu fliehen …
Jugendstilanleihen und Aquarell
Die Geschichte von Jules Verne ist schon so oft graphisch aufbereitet bzw. verfilmt worden, dass es schwierig ist, noch eigene Akzente zu setzen. Krapp erklärt daher zunächst, wie wichtig es ist, das Haupterkennungsmerkmal einer Umsetzung, die Nautilus, zu designen und zeigt seine Vorstellung in mehreren Ansichten. Zudem nutzt er bei der Innenausstattung viele dem Jugendstil entlehnte Elemente und verbindet damit in der Darstellung Nostalgie und Technische Innovation.
Seine Seiten sind sehr abwechslungsreich aufgebaut. Neben dem klassischen Reihen mit Panel-Aufbau gibt es splash-pages, Überlappungen und Schrägen. Die vielen Seiten werden daher nicht langweilig, auch wenn die Geschichte an sich natürlich bekannt ist. Als Extra gibt es auch noch einen kleinen Teil mit Skizzen der die Entwicklung des Interieurs und der Figuren nachvollziehbar macht.
Klassiker in modernem Gewand
Ein Vorteil der oben bereits angesprochenen Fischer-Ausgabe war die Kürzung der Originale um nicht mehr zeitgemäße Passagen. Es gibt klassische Literatur, die auch im Original heute noch super zu lesen ist. Oft hat sich aber der Stil und die Art der Kommunikation so stark geändert, dass eine genussvolle Rezeption besser mit einer bearbeiteten Version funktioniert. Das Gleiche trifft auch hier zu: Krapp ist sehr nah am Original, reduziert aber auf eine sehr spannend zu lesende (und mit dem Auge zu genießende) Strecke!
Für Freund*innen der klassischen Science-Fiction eine sehr gelungene Adaption. Wegen der leichten Modernisierung und Übernahme der heutigen Trigger (wie zum Beispiel Jugendstil-Technik) ist das Ganze aber auch für jüngere, Netflix-gewohnte Leser*innen gut geeignet! Und nicht zuletzt ist die Frage natürlich immer noch aktuell, zu was Leid berechtigt!
Dazu passen ein Citronella-gehopftes IPA sowie Drive by Cinema mit „Summer Sonnet“!
© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022, Thilo Krapp
Ein Gedanke zu „Krapp/Verne – 20.000 Meilen unter dem Meer“