Top Secret
Story: Mick Peet
Zeichnungen: Erik Varekamp
Originaltitel: De Kennedy Files 1 & 2
Hardcover – book | 176 Seiten | Farbe | 24,00 €
ISBN: 978-3-551-71127-4
Der Carlsen Verlag ist vor allem bekannt durch Serien wie Tim und Struppi, Spirou oder Petzi, hat aber auch ein dezidiert politisches Programm. Dabei beschäftigt man sich mit Themen wie Klimakatastrophe, Missbrauch oder eben amerikanischer Politik. Im Original ist das Werk im niederländischen Verlag Scratch books erschienen. Und auch dort sind (gesellschafts-) politische Themen alles andere als eine Ausnahme. Nun also eine Graphic Novel über einen der erfolgreichsten politischen Clans in den USA, die Kennedys.
Der Mann, der Präsident werden wollte anstelle des Präsidenten
Man möge mir das Wortspiel verzeihen, es liegt für die Anfänge aber nicht ganz fern. Joseph P. Kennedy ist 1938 nicht nur ein Selfmade-Millionär. Er hat durchaus Ansprüche auf das Präsidentenamt und es scheint nicht ausgeschlossen, dass er der erste irisch-katholische Inhaber dieses Amtes werden könnte. Um ihn daran wenigstens etwas zu hindern, schickt ihn der amtierende Präsident Roosevelt als Botschafter nach London. Die Zeiten sind kritisch: Sollen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zusehen, wie Deutschland unter der Führung von Hitler eine Bestimmung nach der nächsten ignoriert und sich sogar fremde Länder einverleibt oder um im Jargon zu bleiben, anschließt?
Es ist die Zeit des Appeasements, europäische Regierungen hoffen, dass Hitler keinen Krieg beginnen werde, wenn man ihm Zugeständnisse macht. Entscheidend in dieser Situation ist die Frage, ob die USA zu einem Krieg bereit sind oder nicht. Joseph Kennedy hat hierzu eine klare Haltung: Er äußert sich nicht nur klar antisemitisch und bewundernd über die Erfolge der Nazis, er intrigiert auch um die USA in einer Bebachter-Rolle zu halten.
Mick Peet zeichnet ein klares Bild des Patriarchen, seines privaten Verhaltens und auch der anderen Familienmitglieder und erlaubt immer wieder den Blick von außen, wenn er „Fremde“ reden lässt. Durch Zeitsprünge und Rückblicke ermöglicht er die Hinterfragung von Standpunkten ohne zu viel erklärenden Text hinzufügen zu müssen. Im Anhang werden die einzelnen Situationen dann näher erläutert und unterfüttert.
Zeichnungen im europäischen Stil
Es mag etwas verwundern, eine Auseinandersetzung mit einer DER Familien des politischen Amerikas in einem sehr europäischen Stil zu lesen. Einerseits kommt das Buch natürlich aus den Niederlanden, es wäre aber vielleicht auch unmöglich, es ohne den gebotenen Abstand zu publizieren.
Erik Varekamp benutzt ein strenges dreizeiliges Gerüst, das er nur selten etwas aufbricht. Er benutzt klare, konturierende Linien, lässt aber Emotionen zu. So sind etwa die Gesichter des Führers voll von Geschrei. Das Gesicht des „Helden“ ist dagegen fast unbeweglich und gleicht einer Maske im Spiel für den angestrebten Erfolg.
Ein Comic mit Anspruch
Literatur hat schon immer viele unterschiedliche Aufgaben gehabt die von Unterhaltung über Anregung und Flucht aus der Wirklichkeit bis zu Einflussnahme reichen. Die Akte Kennedy will ganz sicher ein politisches Statement abgeben, wie und warum die USA in der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg agiert haben. Wenn man aus der Geschichte lernen möchte, muss man sie zunächst einmal kennen und verstehen. Dieses Buch kann dabei hilfreich sein!
Durch den ausführlichen Anhang, der teilweise mit Dokumenten angereichert ist, wird versucht, der Gefahr zu begegnen, dass alles ja nur Fiktion sei. Während Filme und geschriebene Literatur eher als „wahr“ angesehen werden, ist graphische Literatur oft mit dem Stigma der „Fantasie“ verbunden. Obwohl hier mi dem reißerischen Tiel „top secret“ geworben wird, möchte das Werk ernstgenommen werden. Diesem ersten Band werden noch zwei weitere folgen!
Dazu passen ein Cola libre sowie Normahl mit „Sacco und Vanzetti“!
© der Abbildungen 2019, Erik Varekamp, Mick Peet/Scratch Books / Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023