Schon seit Jahren werden die Krimi- und
Thriller-Bestsellerlisten auch von Autor*innen aus deutschen Landen angeführt.
Im Comicbereich waren dagegen eher andere Themenbereiche mit Künstler*innen aus
Deutschland assoziiert. Mit dem Band die
spinne von Mikolajczak und Möller ändert sich das gewaltig!
Der Inhalt
Amerika im Jahre 1972: Kerle sind noch Kerle, Autos groß und blubbernd und LGTB, Selbstverwirklichung oder auch nur Toleranz unbekannte Worte ohne Bedeutung.
Die junge Amber hat die Kleinstadt Tinkerville im Streit verlassen und kehrt zurück. Allerdings kommt sie nicht allein, sondern mit ihrem Freund, der nicht nur als Fremder sofort abgelehnt wird. Da er eine dunkle Hautfarbe besitzt, lernt er sofort alle Feinheiten des kleinbürgerlichen Rassismus kennen und bezahlt mit seinem Leben.
Amber hingegen glaubt, dass er nur abgereist wäre und bezieht eine kleine Wohnung im Haus des Kriegsveteranen Jimmy. Dieser hat ein besonderes Verhältnis zu jungen Frauen, beobachtet sie durch Löcher in den Wänden und entspricht schon sehr schnell dem Muster eines Psychopathen. Eigentlich weiß der ganze Ort von all den verschwundenen Frauen, niemand erzählt es aber rechtzeitig genug für Amber.
Besonders beeindruckend sind zwei Narrative: Zunächst
schafft es MichaelMikolajczak sehr glaubwürdig den typischen
local Cop zu beschreiben: eigentlich obrigkeitshörig, regelorientiert und konservativ,
andererseits aber auch bemüht, „Freunden“ zu helfen und im richtigen Moment
wegzuschauen. Die andere sehr gelungene, durch ihre Widerkehr Struktur schaffende
Situation ist der Barbier. Die Situation der Rasur scheint in den USA eine hier
nur schwer zu verstehende Kommunikationszentrale darzustellen, in der über Leib
und Leben entschieden wird.
Der Autor hat bei Kult schon einige Graphic Novels
veröffentlicht!
Das Artwork
Andreas Möller lehrt Kunstdidaktik an der Hochschule der Bildenden Künste Saar. Er hat zwar schon Illustrationen für einen Tatort angefertigt und einen eher dem Horrorgenre zugehörigen Comic illustriert, ist aber eher noch neu im Geschäft. Die spinne im reinen schwarz-weiß veröffentlicht bringt seine Zeichnungen sehr gut zur Geltung. Die Körper sind anatomisch korrekt und dynamisch in ihren Bewegungen. Die Gesichter (aber auch die Körperhaltungen) deuten an, dass das Leben der meisten Akteure bisher kein Zuckerschlecken war.
Der Horror des Alltags aber auch der der Gefahr finden sich in den Figuren aber auch im Seitenaufbau wieder. Während oft rechte Winkel das Layout beherrschen, geraten auch die Begrenzungen in Schieflage, wenn es brenzlig wird! Auch der Wechsel zwischen Schwarz auf Weiß hin zu den bedrohlichen schwarzen Hintergründen gelingt perfekt und treibt die Geschichte genauso stark wie der Text.
Die Empfehlung
Kult Comics fördert schon seit längerem auch den Deutschen Comic. Gerade die spinne zeigt, wie richtig das ist, denn diese Graphic Novel braucht den Vergleich mit internationalen Werken nicht zu scheuen! Unbedingte Kaufempfehlung mit Spannung und unerwarteten Twists! Es gibt im Übrigen auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Exlibris!
Eigentlich ist es schade, dass die vorbildliche Integralausgabe der Abenteuer der ersten Menschen vor 100.000 Jahren mit diesem fünften Band ihren Abschluss findet! Edouard Aidans hat über 40 Jahre lang Teile dieser Serie geschrieben und gezeichnet und so mit ihr die glorreiche Zeit in Tintin, für das ZACK, aber auch die Direktveröffentlichung im Album, zuletzt bei Joker bereichert. Jetzt liegt die gute bis grandiose Serie erstmals komplett auf Deutsch vor. Und sie ist definitiv nicht nur für die Generation ZACK zu empfehlen!
Der Inhalt
Der letzte Band enthält die im Abstand von jeweils 10 Jahren erschienenen Alben 15 bis 17 sowie einen großen Bonusteil. Den Beginn macht aber wie gehabt Volker Hamann, der die Rückkehr Aidans zu Tintin sowie seinen Ausflug zu Andy Morgan beschreibt. In diesem Beitrag finden auch zwei spezielle Seiten aus Tintin ihren Platz: eine von Aidans gezeichnete Hommage an Rick Master und in deutscher Erstveröffentlichung eine Seite, die Leser*innen an die Vielfalt in Tintin heranführen sollte und innerhalb einer SF-Rahmenhandlung die einzelnen Serien (hier natürlich Tunga) vorstellte. Alle fünf redaktionellen Beiträge zusammen geben einen sehr guten Überblick nicht nur über Zeichner und Serie sondern auch die sich verändernden Rahmenbedingungen für Comics im Europa der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts!
Gesetze und Blutsbündnisse von 1984 zeigt einmal mehr, wie weit sich Aidans bereits vom reinen Abenteuer weg entwickelt hatte. Ohama, Tungas langjährige Gefährtin, war vor langer Zeit von dem Stamm der Ghmour aufgenommen worden. Nun ist sie eifersüchtig auf die neuen Frauen im Stamm, Ulcha und Ilcha (vgl. Band 4), die sich als Kämpferinnen profilieren. Viel schlimmer ist allerdings, dass ihr Bruder mit weiteren Angehörigen seines Stammes kommt um sie abzuholen. Nach seinen Stammesregeln zähle die Verbindung mit Tunga nicht, ein brutaler und skrupelloser Krieger hätte ein Recht auf sie. Natürlich opfert sich Ohama um Blutvergießen zu vermeiden und genauso natürlich versucht Tunga, sie zu befreien. Eine sehr kurzweilige und spannende Geschichte mit mehreren Ebenen. Die Zeichnungen bieten zum Teil filmische Sequenzen in grandioser Qualität, etwa wenn die Männer sich den Ghmour nähern. Zu erwähnen wäre noch ergänzend zu den bibliographischen Angaben im Integral, dass diese Geschichte in Deutschland im Mosaik-ZACK 113 bis 115 unter dem Titel Gesetz und Blut veröffentlicht worden ist.
Der Tod des Riesen von 1995 führt einerseits den Subplot um Nooun weiter, der als Auserwählter Kontakt zu Weisen hat. Diese versorgen ihn mit Wissen, das zu damaliger Zeit wahrscheinlich nicht vorhanden war, und bildeten schon immer eine Art zusätzliches SF Motiv in der Reihe. In dieser Folge wird aber der bisherige Rahmen der Serie verlassen (oder erweitert), denn die Held*innen begegnen einem Raumschiff mit menschlichen Wesen (und teilweise auch mit menschlichen Trieben). Der Erstkontakt hat, wenn er aus der Sicht der überforderten Steinzeitbewohner*innen geschildert wird, einen gewissen Charme. Der inhaltliche Schwenk ist zudem eingebettet in ein klassisches Setting mit einem Streit zwischen zwei weiteren Völkern in den die Gefährt*innen hineingezogen werden.
Auch die grafische Umsetzung ändert sich mit dieser
Geschichte und modernere Techniken und Möglichkeiten halten ihren Einzug in das
Repertoire des Künstlers. Zeichnerisch ändern sich vor allem die Figuren: Waren
anfangs die Münder nicht immer geöffnet, die Lippen schmal und die
Gesichtsfarbe eher einheitlich, zeigt sich in den neueren Arbeiten, dass Aidans
zwischenzeitlich an einer erotisch angehauchten Gag-Reihe gearbeitet hat: Die
Münder sind immer offen, die Lippen voll und farblich akzentuiert und das
Gesicht Ohamas sieht aus wie geschminkt, was durch das bessere Papier erst
möglich geworden ist! Zudem tauchen auch auf immer mehr Einzelbildern ihre
Brüste auf und ihre Bekleidung wird unpraktischer („Ohama möchte Tunga gefallen
und ihn überraschen“).
2004 erschien dann der endgültig letzte Teil, passenderweise mit Das letzte Ufer betitelt. Wieder werden die drei Hauptpersonen samt dem Säbelzahntiger in eine fremde und feindliche Umgebung geworfen. Sie könnte direkt den Pulps der 30-er Jahre entsprechen: eine einsame Insel, Dinosaurier und verschiedene feindliche Stämme von Ureinwohnern. Dazu kommt allerdings wie auch schon in dem vorherigen Band ein SF-Element in Form von weiterentwickelten Lebewesen. Stünde die Story alleine, wäre sie nicht schlechter als ähnliche und würde eine Verfilmung a la Jurassic Park sicherlich erwarten. Im Zusammenhang der 40-jährigen Geschichte von Tunga, Ohama und Nooun fallen die letzten beiden Geschichten allerdings etwas aus der Reihe. Dies liegt nicht an den nicht wirklich dazugehörenden Dinos, die es auch früher schon zu Auftritten gebracht haben, sondern vor allem an den eigentlich gar nicht notwendigen Gastspielen der Weiterentwickelten Wesen. Soviel Däniken muss gar nicht sein.
Zeichnerisch hat sich Aidans
mit diesem letzten Teil noch einmal modernisiert. Die Bilder sind einfacher
konstruiert und wirken zumindest mit ihren Hintergründen wie aus den Frühzeiten
der digitalen Gestaltung. Trotzdem aber immer noch ein Hochgenuss und besser
als so manch amerikanische Kost!
Bonus
Die letzten Seiten werden gefüllt mit Skizzen und Vorzeichnungen für die Figuren oder die Tierwelt. Dabei handelt es sich teilweise um Bleistift-/Kohlezeichnungen, es sind aber auch kolorierte Bilder dabei. Sie helfen, das Bild des Künstlers abzurunden und leisten somit ihren Beitrag zu einer rund herum empfehlenswerten Integralausgabe. Kult Comics hat in diesem Bereich mit den editoriellen Beiträgen, den Informationen zu den bisherigen Veröffentlichungen, den Comics und Texten selbst aber auch mit den zusätzlichen Abbildungen sicherlich Standards gesetzt.
Nicht verschwiegen werden soll natürlich die limitierte Vorzugsausgabe,
die wieder mit einem Alternativcover daherkommt und ein signiertes Ex Libris
enthält.
Dazu passen ein stark gehopftes Bier eurer Wahl und Musik
von The Dead South!
Der am 6. September 2018 verstorbene Belgier Edouard
Aidans war einer der Zeichner, die zunächst entweder in Tintin oder dem Konkurrenzprodukt Spirou veröffentlicht hatten, dann aber
vom Hamburger Koralle-Verlag abgeworben worden waren. Das „alte“ ZACK hatte eine Zeitlang so hohe
Verkaufszahlen, dass eine internationale Expansion erfolgversprechend schien.
Sehr zum Leidwesen der deutschen Leser*innen, vor allem aber der Künstler, die
auf das Angebot eingegangen waren, hielt der Hype nicht lange genug. So musste
auch Aidans reuevoll zu Tintin bzw. Le Lombard zurück, wurde dort allerdings
auch mit offenen Armen empfangen.
Mehr zu den Hintergründen dieser Geschichte findet sich im von Volker Hamann redaktionellen Teil dieses Integrals. Natürlich gibt es auch in diesem Teil wieder viele zusätzliche Illustrationen und Artikel über Aidans und Tunga. Die Besprechung zum dritten Teil bietet ebenfalls noch weitere Informationen zur Serie und zu ihrem Schöpfer.
Die
ZACK-Ära
Ab 1978 produzierte Aidans für den Koralle-Verlag vier Kurzgeschichten, die
inhaltlich eine fortlaufende Einheit bildeten und in der ZACK-Parade zum Abdruck kamen. Die ersten drei Teile wurden dabei
auch in den internationalen Ablegern Super
As, Wham! und Super J publiziert
sowie unter dem Titel „Der Feuermacher“
in die Albenausgabe integriert. Die letzte, 1979 in der ZACK-Parade 35 erschienene Story „Im Tal der Dämonen“, brauchte fast 20 Jahre um in einem
französischen Fanzine auf schwarz-weiß abgedruckt zu werden, schaffte es aber
weder in ein Album noch in das Integrale von Joker Editions.
Alle Geschichten sind von Aidans nach dem altbewährten Muster geschaffen: Obwohl ursprünglich für das kleine Taschenbuchformat konzipiert können sie ohne Verlust in das größere Magazin-/Albenformat ummontiert werden wobei jeweils zwei kleine eine große Seite ergeben. Man kann die Meisterschaft des Künstlers dabei nicht zu hoch einschätzen, denn das Layout erzählt die Geschichte genauso wie der Text und dieses so anzulegen, dass es ohne Abstriche in zwei unterschiedlichen Aufbauten funktioniert ist hohe Kunst!
Inhaltlich geht es darum, dass Tunga, Ohama
und Nooun in einem mysterienhaften Szenario auf ein unbekanntes Objekt stoßen.
In einer Höhle in der Nähe treffen sie auf einen „Guru“ der Nooun die Gabe
schenkt, mit Hilfe von Flintsteinen Feuer zu entfachen.
Zeichnerisch hat Aidans keine seiner Qualitäten verloren. Ob die Raptoren aber wirklich
notwendig waren möchte ich bezweifeln. Wer weiß, von wem die Idee dazu kam,
möchte dieses bitte im Kommentarfeld unten vermerken.
Rückkehr zu
Tintin/Kuifje
Das ZACK
war Geschichte und bis zum nächsten Ausflug in die Zeit vor 100.000 Jahren
sollte es bis 1983 dauern: Mit „Die
verlorene Fährte“ kehrte der Belgier triumphal auf die Seiten des
angestammten Magazins zurück und präsentierte einen moderneren Helden.
Wieder einmal werden Tunga und Ohama getrennt und müssen ihre eigenen gefährlichen Situationen bewältigen. Dazu gehört auch der jeweils emotionale Konflikt der Sorge um die andere Person. Der Zeichenstil ist viel freizügiger, raumgreifender und dynamischer, natürlich auch aufgrund der Befreiung von den Zwängen zur Doppelverwendung. Auch die Kolorierung ist offensiver und überdeckt teilweise sogar Details der Zeichnungen, ermöglicht aber eine zusätzliche Ausdruckskraft gerade für emotionale Darstellungen. Auch die von Aidans (und seinem Vorbild Hogarth) schon immer eingesetzte Schraffur wird noch einmal feiner und lässt mich fast wünschen, es gäbe den Comic zusätzlich auch in einer nicht-farbigen, unverfälschten Version. Vielleicht findet sich ja tatsächlich genug Nachfrage?
„Die
letzte Prüfung“ von 1984 beendet diesen Band mit einer erneut stark
besetzten Frauenrolle. Tunga erlebt ein Soloabenteuer auf einer Insel, die von Amazonen
bevölkert ist. Dort gibt es eine sehr kämpferische Frau namens Ulcha und eine
eher bedächtige, heilende Ilcha. Unser Held braucht relativ lange, bis er
erkennt, dass es sich tatsächlich nur um zwei Ausdrucksformen der gleichen Person
handelt. Obwohl hier die Action durchaus im Mittelpunkt steht, wäre es
verkehrt, die Erzählung darauf zu reduzieren.
Aidans
gelingt es immer wieder, das prähistorische Setting zu benutzen um allgemeingültige
Handlungsweisen positiv zu beschreiben: Planung, Vertrauen, Teamgeist und der
Wille, gemeinsam zu Lernen sind die Facetten menschlichen Verhaltens die den Sieg
und das Überleben in der Urzeit ermöglichen und auch heute noch gebraucht
werden. Insofern ist Tunga sicherlich auch „ein Klassiker“, trotzdem aber weder
angestaubt noch altmodisch!
Es wäre daher dem Comic und dem Verlag zu
gönnen, dass die Serie nicht nur von ein paar alten Knackern die mittlerweile
ihre Kindheitserinnerungen in guter Qualität neu erstehen können gekauft wird
sondern ein breites Publikum findet. Verdient hat es gerade diese Phase der
Serie allemal!
Es gibt übrigens auch wieder eine (verlagsvergriffene) Vorzugsausgabe, dieses Mal mit drei Ex Libris als Bonus für die Produktionsprobleme.
Dazu passen ein Getränk auf Mangobasis und als
Gegenpol etwas Industrial oder etwa die Einstürzenden
Neubauten.
Aria ist ein junge, blonde Kriegerin, die ihre
Abenteuer in einer Welt erlebt, die dem Mittelalter der Erde entspricht. Sie
könnte aber wegen einiger mythischer oder sogar Science Fiction-Elemente auch auf
einem fernen Planeten spielen. 1980 erschien die erste Episode in Tintin, später wechselte Weyland mit der Serie zu Spirou. Die deutsche
Veröffentlichungsgeschichte ist fast schon typisch. Nach einigen Bänden beim Rainer-Feest-Verlag unter dem Titel Ariane folgten weitere bei Epsilon unter dem „richtigen“ Titel Aria. Insgesamt gibt es aber noch viele
unveröffentlichte Alben und weitere Geschichten zu entdecken. Dem hat sich
jetzt der Leipziger Verlag Kult Comics
angenommen und veröffentlicht eine Gesamtausgabe in 6 Integralen.
Die Gesamtausgabe druckt die Bände dabei nicht
in der Reihenfolge des Erscheinens ab, sondern folgt in enger Absprache mit dem
Autor und Zeichner Michel Weyland
einem inhaltlichen Konzept. Da es sich bei den meisten Geschichten ohnehin um
One-Shots handelt, fördert das den Lesefluss bestimmt. Teilweise wird dadurch
aber die fließende zeichnerische Entwicklung sprunghafter.
Wie mittlerweile bei Gesamtausgaben üblich gibt es auch eine auf 99 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit einem anderen Cover und einem nummerierten, signierten Ex Libris für 49,00€.
Der Inhalt
„Die
siebente Pforte“ beschreibt eindringlich die Schrecken des Schlachtfeldes.
Ob im Western wie bei Blueberry oder
den Blauen Boys, im History-Bereich
wie bei Tardy oder im Fernsehen: Die
Stilmittel sind unterschiedlich, die Inhalte ähneln sich. Aria hat heilende
Kräfte übertragen bekommen und soll nun die Verletzten versorgen. Sie
allerdings weigert sich. Im Laufe der Geschichte passieren immer mehr magische
Dinge und es öffnet sich eine Welt unter der der Gegenwart und doch stehen
beide in einem Zusammenhang. Und dann spielt da noch ein mehrere Generationen umfassendes
weiteres Thema eine Rolle…
Die zehnseitige Kurzgeschichte „Dieses Schicksal ist dir nicht bestimmt“ hat ebenfalls mehrere Ebenen; Während es einerseits um eine Sache zwischen Amazonen und Aria geht, greift auf einer anderen ein Gott unmittelbar ein. Die kleine Geschichte ist zum Verständnis von Arias Persönlichkeit sehr hilfreich, zeigt sie doch neben Verletzlichkeit und Zorn auch eine unbändige Freiheitsliebe.
Der Zweiteiler „Die Ritter van Aquarius“ und „Die Tränen der Göttin“ sind ein weiteres Beispiel für die Mehrschichtigkeit der Werke von Michel Weyland. Einerseits ist das Ganze eine spannende Abenteuergeschichte um Rache und Machtkämpfe mit SF- oder Horrorelementen. Ein von Emotionen fehlgeleiteter entflohener Sklave erschafft sich eine Armee aus (fast) unbesiegbaren Monstern und rächt sich an seinen Unterdrückern. Auf einer Meta-Ebene ist er aber auch als Beitrag gegen Atomenergie und ihre Beherrschbarkeit zu lesen und passt daher auch zu aktuellen Fridays-for-future-Diskussion. Darf der Mensch alles machen?
Auch „Der Meridian von Posidonia“ hat das Gleichgewicht des ganzen Planeten zum Thema. Hat es folgen, wenn die Erde zu stark ausgebeutet wird?
Die Umsetzung
Diese letzte Geschichte ist in ihrer grafischen Umsetzung vielleicht die eindringlichste und zeigt, dass der Belgier Weyland mehr kann als leichtbekleidete Blondinen in anmutigen Bewegungen zu zeichnen. Einerseits stimmen Anatomie und Ausdruck, andererseits ist er aber auch ein Meister der Stimmungen und der sehr detaillierten Dekors. Seine Heldin ist keine „Bikini-Kämpferin“ wie Red Sonja. Obwohl auch diese kaum geschützt gegen Schwerthiebe ist, bevorzugt Aria weiße, luftige Kleidchen (deren Sitz teilweise ebenfalls magisch beeinflusst sein muss) die bereits andeuten, dass ihre bevorzugte Lösung nicht der Kampf ist. Auch die anderen Personen tragen übrigens vergleichbare Kleidung. Die Magie kommt nicht nur in ihrer bösen Form vor und die teilweise sehr fröhlichen Farben unterstützen diese Rezeption.
Ausschnitt aus dem Ex Libris der limitierten Ausgabe
Die Ausgabe ist in ein stabiles Hardcover gekleidet. Das matte, kräftige Papier bringt Zeichnungen und Kolorierung von Nadine Weyland gut zur Geltung und weist bereits auf den ersten Blick auf die Unterschiede zwischen Comic-Teil (weißer Grund) und Begleitmaterial (leicht gelblicher Grund) hin. Natürlich sind alle Cover der bisherigen deutschen und der französischen Ausgabe enthalten, aber auch sonstiges Bildmaterial, Skizzen, und Poster. Die inhaltlichen Beiträge kommen von unterschiedlichen Autoren, aber auch von Weyland selbst. Sie ermöglichen daher einen guten und originären Zugang. Selbst wer also schon den einen oder anderen Band zu Hause hat, kann anhand der guten Ausstattung getrost zuschlagen.
Geplant ist ein sechsmonatiges Erscheinen der
geplanten 6 Integrale.
Geeignet für alle, denen „Sword & Sorcery“/Schwert
und Magie mehr bedeutet als Conan, für
die, die es ertragen können, dass Prüfungen auch mit Köpfchen gelöst werden
(wobei sich die Heldin im Kampf durchaus zu bewähren weiß!) und für alle, die
den gewitzten Kampf für Gerechtigkeit mögen!
Dazu passen frisches, gezapftes Keller- oder Bockbier und Alternative, etwa von The Alarm.
Edouard Aidans ist einer der ganz großen Comicschaffenden aus der „Generation ZACK“ bzw. „Tintin/Kuifje“ der 60-er und 70-er Jahre. Neben den in der Jetzt-Zeit spielenden Geschichten um Tony Stark (Gesamtausgabe ebenfalls bei Kult Comics) und Sven Janssen kennen ihn viele der Älteren insbesondere wegen Tunga, dem Ghmour, der seine Abenteuer vor 100.000 Jahren inmitten von Mammuts, Berglöwen und anderen steinzeitlichen Horden erlebt hat. Im Original firmierte die Serie als Tounga.
Aidans wurde 1930 in Andenne in Belgien geboren und ist am 6. September dieses Jahres verstorben. Seine Karriere begann in Spirou, doch schon 1956 wechselte er zu Tintin. Später sollte auch er wie so viele seiner Kollegen direkt für das ZACK und seine internationalen Ableger arbeiten. Mehr zu Aidans in der Sprechblase 238 (zur Rezension) und 239 sowie natürlich in dem von Volker Hamann verfassten Essay in den Integral-Bänden selbst. Die Abenteuer von Tunga erscheinen auf Deutsch jetzt erstmals komplett und chronologisch in Albenform. Neben den Magazinveröffentlichungen im alten und neuen ZACK sowie den Begleitprodukten waren früher bereits einmal (nur) drei Alben bei Feest erschienen.
Der jetzt erschienene dritte Band der Gesamtausgabe von Tunga umfasst die Jahre 1974 bis 1977. Er beinhaltet die Veröffentlichungen 19 bis 21, die jeweils in den siebzigern in verschiedenen ZACK-Paraden bzw. im ZACK selbst zu lesen waren sowie den Roman „Die große Wut der Geister“ von Jacques Acar mit Illustrationen von Aidans in deutscher Erstveröffentlichung. Dieser war wie auch die einzelnen Teile der „Rettung der Uru“ in Tintin Selection /Kuifje pocket erschienen, einer dreimonatlichen Taschenbuchergänzung zum eigentlichen Comic-Heft. Anfangs wurden dort noch hauptsächlich speziell angefertigte Originalgeschichten als Comic für das kleine Format hergestellt, später dann immer öfter durch illustrierte Erzählungen ergänzt. Diese sind allerdings nur selten ins Deutsche übersetzt worden. Umso größer ist das Verdienst von Kult Comics, diese in die deutsche Ausgabe integriert zu haben.
Die letzten fünf Teile der aus insgesamt acht Teilen bestehenden Saga über die Rettung der Uru, einer überalterten Kleingruppe, die von den Kwin-Khom bedroht werden, zeigen einen Tunga, der ohne die Begleitung seiner Side-Kicks mit wilden Tieren kämpfen muss, Gefangene befreien darf und auch noch durch ein „Bündnis“ mit einem Zebra eine siegreiche Schlacht gegen die Verfolger führt. Obwohl ursprünglich für das Taschenbuch-Format konzipiert, hat Aidans alle Seiten so angelegt, dass sie zu einer doppelt so großen Albumseite verlustfrei ummontiert werden können. Das Seitenlayout ist trotzdem variabel und bietet Raum für größere und kleinere Panele.
Die im Original sechzig Taschenbuchseiten umfassende Erzählung von Acar ist keine große Literatur; sie besteht dafür aus zu vielen kurzen Sätzen und richtet sich eindeutig an ein jüngeres, männliches Lesepublikum. Wer also etwas im Stil von E. R. Burroughs oder R. E. Howard erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein. Zu beachten ist dabei aber das im Untertitel des Comic-Magazins angesprochene Publikum von sieben bis siebundsiebzig. Da der Fokus der Herausgeber eher auf der unteren Grenze denn auf der oberen lag, passt das Ganze dann wieder. Die ergänzenden schwarz-weißen Zeichnungen bieten einen anderen Einblick auf die Fertigkeiten des Zeichners und beweisen, dass er seinem Vorbild Burne Hogartherfolgreich nacheifert.
„Die große Furcht“ ist dagegen eine als Album konzipierte Geschichte über die Flucht der Ghmour vor einem Vulkanausbruch mit begleitenden Erdbeben durch eine winterliche und unwirtliche Gebirgslandschaft. Aidans gelingt es, nicht nur Actionszenen und innere Entwicklung der Helden aufgrund der äußeren Bedrohungen deutlich zu machen, er versucht auch, theologische Fragestellungen auf Basis einer Naturreligion zu beantworten. Der Seitenaufbau ist dabei um vieles komplexer und spannender als in der ersten Geschichte und verlässt oft das klassische Schema.
Die letzte Geschichte dieser Ausgabe schließt direkt daran an: „Jenseits der kalten Länder“ sieht die Ghmour weiterhin auf der Flucht aus der lebensfeindlichen Gebirgswelt mit dem dicken weißen Regen und vertieft die Krise des Helden Tunga. Er zweifelt an seiner Kraft, seinem Urteilsvermögen und seinem Nutzen für den Stamm und zieht sich immer mehr in eine aggressive, selbstbemitleidende Haltung zurück. Als er erneut versagt, beschließt er, den Stamm zu verlassen und auf eigene Faust Jagd auf die zurückgekehrten Gegner vom Stamm der Tolk zu machen. Ohne spoilern zu wollen bringt diese Geschichte am Ende nicht nur neue Bündnisse und ein Happy-End sondern auch Charaktere zurück in die Geschichte, die seit einiger Zeit verloren geglaubt waren…
Teilweise atemraubendes Layout mit wirklich guten Zeichnungen, einer spannenden Geschichte und sehr gut eingefügtem Lettering machen diesen Comic zu einem echten Lesevergnügen! Auch wer die Geschichten in seiner Jugend im ZACK verschlungen hat wird an dieser Neuausgabe sein Vergnügen finden, war doch gerade das Lettering nicht die Stärke der alten Präsentation. Als Zugabe finden sich die eine oder andere Zeichnung und ein paar Cover der belgischen Originale.
Natürlich drängen sich die Vergleiche mit Tarzan als dem Archetypus des Helden im Dschungel im Kampf gegen böse Mächte, wilde Bestien und für das „Gute“ auf. Beide spielen in einer nicht vom Menschen geformten Umwelt in der neben der physischen Kraft des Helden seine Intelligenz, Empathie und Teamfähigkeit, insbesondere auch mit den nichtmenschlichen Lebewesen, überlebensnotwendig sind. In den siebziger Jahren gab es nicht mehr genügend „weiße Flecken“ auf der Karte, ein Rückgriff auf die Frühzeit des Menschen bot da eine spannende und glaubwürdigere Alternative. Aidans gibt als eines seiner Vorbilder denn auch den wohl besten Tarzan-Zeichner Burne Hogarth an, der die Abenteuer von 1937 bis 1950 gezeichnet hatte. Wer einmal die Gelegenheit hatte, ein Original von Hogarth zu sehen, wird feststellen, dass seine Klasse von Aidans nicht ganz erreicht wird. Die Distanz ist aber gerade zu seinen besten Zeiten nicht überwältigend groß! Die Publikationsfähigkeiten der moderneren Zeiten mit besserem Papier, schärferem Druckbild und ganz anderen Möglichkeiten der Kolorierung unterstützen das natürlich ebenfalls.
Da es noch ein paar andere Serien von Aidans zu entdecken gibt bleibt die Hoffnung, dass die Leipziger nach Tony Stark und Tunga weitermachen! Zunächst erwarten uns aber noch zwei weitere Bände mit dem steinzeitlichen Helden.
Das Hauptgetränk der damaligen Zeit wird wohl Wasser gewesen sein, je nach Jahreszeit ergänzt durch Früchte. Ob es damals schon Musik im heutigen Sinne gegeben hat ist meines Wissens nach unbeantwortet. Etwas Vergleichbares ist daher definitiv nicht vorhanden. Ich würde daher empfehlen, das Fenster aufzumachen oder einen Ort unter freiem Himmel aufzusuchen und den Klängen der Natur zu lauschen.