Go West – Gesamtausgabe
Text: Greg
Zeichnungen: Derib
Hardcover | 124 Seiten | Farbe | 25,00 € |
ISBN: 978-3-89908-498-6
Go West ist eine zehnteilige Serie von Kurzgeschichten mit einer Länge von 7 bis 20 Seiten die in dem belgischen Tintin-Magazin zwischen 1971 und 1978 veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen damaligen Serien war sie von Anfang an auf einen alle Teile überspannenden Plot ausgerichtet und erzählt die Geschichte des arbeitslos werdenden Buchhalters Barnaby Bumper und seiner Gefährten auf ihrem Treck von der amerikanischen Ostküste ins den „Wilden Westen“.
Das Szenario stammt von Michel Régnier, der unter seinem Künstlernamen Greg veröffentlichte. Als Chefredakteur von Tintin überführte er das Magazin aus der klassischen Struktur mit ein bis zwei Seiten pro Abenteuer pro Woche zu einem neuen Format in dem die Geschichten in sieben bis acht Wochen veröffentlicht wurden. Die Teile sollten dabei eine Art „Kapitelstruktur“ aufweisen um einerseits einen wirklichen Lesegenuss zu ermöglichen, andererseits natürlich zum Kauf des nächsten Heftes anregen (Mehr dazu hier). Zu den längeren Alben kamen dann eben auch Kurzgeschichten wie Go West, die aufeinander aufbauten, aber nicht Woche um Woche erscheinen mussten. Greg hat neben dieser Westernserie auch andere Szenarios in diesem Genre verfasst, unter anderem für Chick Bill, den Lucky-Luke-Ableger Jolly Jumper und natürlich für Comanche, gezeichnet von Hermann.
Derib (das ist Claude de Ribaupierre) hatte seine Karriere als Zeichner im Atelier von Peyo begonnen. 1969 begann er an seinem großen Thema, dem Leben der Indianer zu arbeiten und veröffentlichte die ersten Folgen der Geschichten um den kleinen Yakari bevor dann die Arbeit an Go West startete. Sein Hauptwerk Buddy Longway, die Geschichte eines weißen Trappers, sollte kurz darauf starten.
Die noch ganz im Funny-Stil gezeichnete Serie enthält bereits alle späteren Thematiken: Nicht alle Weißen kommen als Eroberer und wollen sich das Land untertan machen. Sie haben zum Teil kaum eine andere Wahl, wenn sie für den Unterhalt ihrer Familie sorgen wollen. Viele von ihnen wollen aber keinesfalls ihren Lebensentwurf anderen überstülpen sondern in Frieden mit anderen Menschen und der Natur leben. Ein weiteres Sujet ist der Konflikt zwischen der Gewalt des Stärkeren und den Errungenschaften der Zivilisation, hier in dem Kapitel „Die Strasse der Sonne“ als Konflikt zwischen Lynchjustiz und Gerichtsbarkeit dargestellt.
Über allem schwebt aber die Kritik am Rassismus: So besteht die Reisegruppe, die sich im Laufe der Geschichten immer mehr erweitert auch aus einem Farbigen und einem Sioux. Beide spielen tragende Rollen und müssen doch ihre oft von anderen unterstellte Minderwertigkeit erdulden. Derib und Greg vermeiden den Zeigefinger und bringen ihre Kritik trotzdem deutlich rüber. Auch die Indianer werden keinesfalls wie in anderen Western als blutrünstige Wilde dargestellt. Sie sind zu Frieden fähig und willig. Nur in einer Randnotiz weisen die Autoren darauf hin, dass der ausgehandelte Frieden von Medicine Lodge nicht an ihnen, sondern an weißen Soldaten wie General Custer gescheitert ist.
Der Zeichenstil Deribs entwickelt sich von Geschichte zu Geschichte weiter und verfeinert sich. Anfangs sind es noch sehr großflächige Dekors, die die Handlung begleiten, doch sie werden immer detailreicher und kleiner, so dass am Ende die Figuren immer noch einem Funny entsprechen, die Hintergründe aber schon fast realistisch wirken. Damit vollzieht Derib die Entwicklung, die er in Buddy Longway noch konsequenter verfolgt hat, hier zum Teil nach. Darin liegt auch ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Charmes dieser Ausgabe, dass auf so engem Raum so viel Entwicklung sichtbar wird. Zudem ist die Kombination aus Detailreichtum und figürlicher Überzeichnung auch nicht so häufig anzutreffen.
Es gibt noch eine weitere Ausgabe dieses Titels, erschienen 1978 im Carlsen Verlag. Sie enthält aber im Gegensatz zu der bei Salleck Publications als Hardcover erschienenen Gesamtausgabe nur die ersten neun Geschichten. Die zehnte, abschließende Folge wurde hier das erste Mal auf Deutsch veröffentlicht. Die Ausgabe umfasst des Weiteren ein paar redaktionelle Seiten mit einem Text über die Geschichten, ihre Rezeption und die weiteren Werke der beiden Künstler. In dem Artikel finden sich auch Abbildungen der Tintin-Cover mit Bezug zu Go West. Das verwendete Papier ist relativ dünn, aber blickdicht und lässt die Zeichnungen durch die etwas glänzende Struktur gut zur Geltung kommen.
Die Gesamtausgabe von 2014 ist noch lieferbar und daher problemlos zu bekommen.
Go West ist aus mehreren Gründen zu gut, um in Vergessenheit zu geraten. Zum einen ist es ein früher Vertreter des neuen Weges, Comic-Abenteuer in wöchentlichen Magazinen erzählen zu wollen. War es ursprünglich genug, eine Seite mit einem Gag zu versehen und die Held*innen zu präsentieren, verlangte das Publikum immer mehr einen übergreifenden Plot hinter den Seiten und wollte zwar kurze aber abgeschlossene Inhalte konsumieren. Hier zeigt sich die Konkurrenz des Fernsehens mit seinen Serien. Andererseits ist Go West die Grundlage für die weiteren Serien von Derib über das Leben der Indianer und einer der Startpunkte für ein differenzierteres Bild als die üblichen Western es traditionell vermittelten. Zwar gab es auch im TV-Bereich schon Ansätze, etwa High Chaparral, der Mainstream sah aber entweder den bösen Indianer oder idealisierte nicht minder problematisch den „guten und edlen Wilden“.
Insbesondere wegen der Wüstenszenen wäre dazu eine selbstgemachte Zitronenlimonade perfekt! Musikalische Untermalung kann nur Country und Western sein – Wie wäre es mit The Common Linnets aus unserem westlichen Nachbarland?
© der Abbildungen 2014 Eckart Schott Verlag