Dufaux/Calderón– Das Haus Usher

Nach dem Werk von Edgar Allan Poe

Story: Jean Dufaux
Zeichnungen: 
Jaime Calderón

Originaltitel: La Maison Usher

Splitter Verlag

Hardcover Überformat |72 Seiten | Farbe | 19,80 € | 
ISBN: 978-3-98721-441-7

Cover Das Haus Usher

Es ist immer wieder erstaunlich, dass manche Menschen aus einer Story, die mehrfach verfilmt worden ist, als Basis eines Konzeptalbums diente (zu Zeiten, als an CDs noch nicht zu denken war), und auch die eine oder andere Comicadaption beeinflusst hat, etwas Neues zaubern können! Jean Dufaux, wahrlich kein unbekannter Szenarist, traut sich (erfolgreich) dem Klassiker ein neues Gewand zu geben.

Nur ein kleiner Twist …

Irgendwie haben wir alle schon von der Geschichte gehört: ein etwas verwirrter junger Mann kommt mit Gefühlen und Verlusten nicht wirklich klar. Auf ihm lasten Erwartungen eines Familiengeschlechts, der Verlust von gefühlten Sicherheiten und sexuelle Frustrationen. Gemäß dem Alter der Geschichte, die im Anhang übrigens als Original wiedergegeben ist, sind diese Themen allerdings etwas verbrämt, gerade letztere Komponente wird von Poe nur zaghaft angedeutet.

Das Haus Usher page 4

Dufaux, der in Werken wie Murena oder Djinn gezeigt hat, dass ihm diese menschliche Eigenschaft nicht fremd ist, geht das Ganze etwas anders an und gibt der im Original nur etwas ätherisch durch die Geschichte huschenden Schwester des Stammhalters eine deutlich aktivere Rolle. Und auch der Erzähler bekommt eine eigene Story, die ihn deutlich weniger unbeteiligt erscheinen lässt, ja, sogar die Frage nach einer schuldhaften Verwicklung stellt.

Zusätzlich wird der klassische Stoff etwas aufgepeppt und „Netflix“-tauglich gemacht. Es gibt eine Kutsche, die von einem extrem geheimnisvollen Kutscher geführt wird, Erscheinungen, die nicht allen sichtbar sind und sogar gewalttätige Untote. Das Grundprinzip bleibt aber erhalten, der Spannungsbogen stimmt noch immer und der leichte Twist hin zu einem nun expliziten Motiv passt definitiv! So lasse ich mir freie Adaptionen gefallen. Die Übersetzung ist im Übrigen sehr stimmig, nimmt sie doch die altertümliche Tonlage sehr gut auf!

Detail Das Haus Usher page 6

Realistische Bilder

Auch Jaime Calderón ist in Deutschland kein Unbekannter mehr. Seine realistischen Bilder, meistens mit einer sehr erdigen Palette gezeichnet, passen zur melancholischen und düsteren Stimmung des Werkes. Einige Bilder sind extrem gut gelungen, etwa die Umgebung des Landsitzes oder das Verschwimmen der Umgebung während des irren Klavierspiels. Auch die Figuren an sich sind sehr stimmig. Die dargestellten Emotionen sind deutlich und widerspruchsfrei, die Körperhaltungen dazu passend und dynamisch.

Leider wirken manche Panel nicht wie aus einem Guss. Es gibt die guten, detailreichen Hintergründe und die in sich stimmigen Figuren, es fehlt aber ein wenig die Verbindung zwischen beiden Ebenen. Zwar gibt es eine Art Schatten, der aber oft zu wenig detailliert ist. Außerdem sind die Outlines etwas zu dick. Aber, das ist ein Jammern auf hohem Niveau!

Das Haus Usher page 8

Gut gelungene, eigenständige Interpretation!

Das Haus Usher ist viel mehr als eine wiederholte Kopie des (vortrefflichen) Originals! Es wechselt nicht nur die Perspektive, es setzt auch andere Schwerpunkte. Damit gibt es dem eigentlichen Opfer endlich mehr Raum und macht die Tätereigenschaften der anderen deutlicher. Das ist sehr gelungen! Dafür verzeihe ich auch gerne die Untoten, die zwar nicht stören, die aber auch nicht hätten sein müssen. Ich verstehe, dass heutzutage andere Reize gesetzt werden müssen und hier sind sie durchaus verträglich hinzugefügt worden.

Das Splitter-typische Format bringt die Zeichnungen sehr gut zur Geltung, die originale Geschichte im Anhang ist zudem mit nicht kolorierten Details aus dem Comic illustriert. Für Fans des klassischen Horrors (oder Grusels), die für Adaptionen offen sind, ein sicherer Tipp! Für die junge Generation auf jeden Fall eine Anregung, sich auch auf „Standbilder“ einzulassen.

Dazu passen natürlich Alan Parsons Project mit ihren sehr eigenwilligen „Tales Of Mystery And Imagination Edgar Allan Poe“ und ein schwerer Bordeaux!

© der Abbildungen Editions Delcourt – 2023 by Jean Dufaux and Jaime Calderón | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2025

Niles/Wrightson/Jones – Frankenstein Alive, Alive!

Die Gesamtausgabe

Story: Steve Niles
Zeichnungen: 
Bernie Wrightson, Kelly Jones

Originaltitel: Frankenstein Alive, Alive – The Complete Collection

Splitter Verlag

Hardcover Überformat |104 Seiten | Farbe | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-252-9

Cover Frankenstein Alive Alive!

Es gibt einige Klassiker, von denen man nicht genug bekommen kann. Dazu gehören für mich auf jeden Fall einige Werke der Schauerromantik. Mary Shelley hat mit Frankenstein einen Roman geschrieben, der Fragen nach wissenschaftlicher Ethik, Verantwortung, aber auch über Rassismus und die Ausgrenzung des Andersartigen stellt. Steve Niles und Bernie Wrightson haben diese Themen aufgenommen.

Das Monster lebt!

Frankensteins Kreatur wollte ihre letzte Ruhe im ewigen Eis finden. Tatsächlich aber ist der belebte Körper unsterblich, eine Ruhe ist ihm genauso wenig gegönnt wie eine Flucht vor der Scham, Menschen umgebracht zu haben. Die Getöteten verfolgen das Wesen, das mehrere Versuche unternimmt, seine Existenz zu beenden – vergeblich! Und so führt es ein Leben als Frank, eine monströse Zirkusattraktion.

Dabei schien zwischendurch alles gut zu werden. Dr. Ingles, ein etwas verschrobener Wissenschaftler hatte das Wesen aufgenommen und über Jahre in seiner Bibliothek mit Bildung versorgt. Er schien keine Berührungsängste oder Vorbehalte zu haben und Frank begann sich als gleichberechtigtes Wesen, ja, fast als Mensch zu fühlen.

Frankenstein Alive Alive! page 7

Doch dann wurde er nicht nur von anderen Menschen wahrgenommen, er machte auch eine Entdeckung, die ihn zu einer Entscheidung zwingen sollte. Niles und Wrightson führen die Geschichte von Frankensteins Monster weiter und arbeiten an den gleichen Fragestellungen, die schon Shelley aufgeworfen hatte. Leider entwickelt sich die Menschheit oft nur technologisch weiter, Menschlichkeit scheint ein rares Gut zu sein.

Der Großmeister des Horrorcomics

Bernie Wrightson wird nicht zu Unrecht als der Großmeister des Horrorcomics bezeichnet. Seine im Mainstream vielleicht bekannteste Figur ist Swamp Thing, die Kreatur aus dem DC Universum, die immer mal wieder ökologische Themen einbringt. Frankenstein Alive, Alive! besticht durch die Akribie der schwarz-weißen Zeichnungen. Diese Technik hatte er während der Warren-Zeit vervollkommnen können.

Dieses Werk ist seine letzte Arbeit! Während er die ersten drei Teile hatte fertigstellen können, konnte er für den abschließenden Teil nur Entwürfe und Seiteneinteilungen machen. Diese wurden von Kelley Jones, dem Zeichner des dunkelsten Batman aller Zeiten, im gleichen Stil vollendet. Der Anhang enthält die Skizzen und Entwürfe und erlaubt daher festzustellen, welche Anteile von welchem Künstler stammen.

Frankenstein Alive Alive! page 8

Notwendiger Bestandteil jeder Horror-Comic-Sammlung

Natürlich sind Horror-Comics nicht jedermanns Sache. Zumal es eine ganze Reihe an unterschiedlichen Stilen gibt (vgl. die Übersicht bei Blees). Die Schauerromantik und die damit eng verknüpften Vampir-Geschichten reichen aber noch darüber hinaus. Wer sich für dafür begeistern kann, sollte hier auf jeden Fall zuschlagen! Nicht nur sind die Zeichnungen genial, auch die Story enthält genau die richtige Mischung aus Verzweiflung, Hoffnung und bitterer Realität!

Die Ausgabe enthält neben der kompletten Geschichte ein sehr persönliches Vorwort des Autors, der an die gemeinsame Zeit mit dem 2017 verstorbenen Zeichner erinnert, und den bereits angesprochenen Anhang, der deutlich macht, wie die Seiten von Wrightson entstanden sind! Dazu kommt dann noch ein wunderschön geprägtes Cover.

Detail Frankenstein Alive Alive! page 11

Dazu passen The Misfits, etwa mit „Saturday Night“, und ein Bordeaux!

© der Abbildungen Bernie Wrightson, IDW Publishing | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

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