Die Rückkehr des Chinaman
Story: Serge Le Tendre
Zeichnungen: Olivier TaDuc
Originaltitel: Le revéil du tigre
Hardcover | 132 Seiten | Farbe | 29,90 € |
ISBN: 978-3-89908-756-7
Westernserien haben typischerweise weiße Helden! Frauen nehmen zwar mittlerweile größere Rollen ein, sind aber doch deutlich in der Minderheit. Daneben gibt es natürlich die amerikanischen Ureinwohner*innen die entweder den klassischen „edlen Wilden“ geben dürfen oder tatsächlich in eigener Rolle porträtiert werden. Aus Afrika Verschleppte haben üblicherweise die Sklav*innenrolle gepachtet. Selbst bei Lucky Luke brauchte es Jahrzehnte bis zur ersten farbigen Hauptrolle. Noch schwieriger allerdings sieht es bei Rollen für aus dem chinesischen Raum Eingewanderte aus, die nicht Wäschereibesitzer oder Schienenverleger darstellen sollen.
Hier spielte die Serie Chinaman eine rühmliche Ausnahme. Chen Long war auf der Flucht vor den Triaden nach Amerika gekommen und hatte seine Rolle gefunden. Die bisher nicht komplett auf Deutsch vorliegende Serie ist nun (endlich) bei Salleck Publications für das kommende Jahr angekündigt.
Next Generation
Mit Der Tiger erwacht ist aber ein Band bereits erhältlich, der die Geschichte weiterführt. Chen Long leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund seiner Erlebnisse im amerikanischen Bürgerkrieg. Natürlich war das damals keine anerkannte Krankheit und er flüchtet sich in einen Kreislauf aus Depression und Opiumrausch. Sein Freund Markus ist der Einzige, der versucht, ihn daraus zu befreien und immer wieder nach Hause zurückbringt. Auf einer dieser Touren geraten sie in eine Schießerei. Banditen versuchen, eine entflohene Frau wieder einzufangen – Markus wird dabei getötet.
Es stellt sich heraus, dass die Entführte als Druckmittel bei einer Erpressung verwendet worden ist. Die Agentur Pinkerton wird mit der Sache betraut und wie der Zufall es will ist auch ein Neuling dabei. Er hat eine weiße Mutter und einen chinesischen Vater und wird im Verlauf der Geschichte immer wieder mit rassistisch motivierten Situationen zu kämpfen haben. Er ist aber auch der uneheliche Sohn von Chen Long, der von dessen Existenz bisher allerdings nichts geahnt hatte.
Matt Monroe, so sein Name, hatte mit einem Jurastudium begonnen, war dann aber frustriert und wollte für das Gute arbeiten. Sein Adoptivvater versucht allerdings immer wieder, ihm einen zukunftsgerichteten Job anzudrehen, etwa bei einer der neuen Ölgesellschaften.
Wieder ist es Serge LeTendre gelungen, nicht nur eine überlange sehr spannende Geschichte zu schreiben in der sich Elemente aus Western und Krimi wiederfinden. Er thematisiert auch den rassistischen Grundton vieler Weißer, den Konflikt der traditionellen Farmer gegen die „modernen“ Erdölbarone und natürlich auch die Frage der berechtigten (?) Gewalt.
Realistische Zeichnungen mit großer thematischer Breite
Die realistischen Zeichnungen von Olivier TaDuc schließen an die Serie deren letzter Band 2007 erschien an. Natürlich ist dabei der Held älter geworden und haben Architektur und Kleidung einen Sprung gemacht. Sowohl Szenen in der Natur als auch in städtischem Umfeld wirken echt, die als Erinnerung wiederkehrenden Schlachtfeldszenen grausam genug um zu wirken aber nicht splattermäßig. Auch die Kampfszenen wirken glaubwürdig und lassen vermuten, dass TaDuc Ahnung von Martial Arts hat.
Entsprechend der eingangs erwähnten Rahmenbedingungen gelingen die Frauenfiguren ganz gut. Er darf hier handelnde Frauen zeichnen, die sich wehren und Verantwortung übernehmen und muss dementsprechend auch die Körperhaltung anpassen. Die Mischung aus Zurückhaltung, Angst und dem entschlossenen „aber-trotzdem“ gelingt!
Eine gelungene Reprise
Nach rund 15 Jahren zu einer abgeschlossenen Serie zurückzukehren ist nicht einfach. Das Thema muss noch stimmen, das Gefühl für die Figuren wieder neu und doch alt entwickelt werden und auch die Zusammenarbeit muss wieder/noch passen. Le Tendre und TaDuc haben hier einen sehr gut funktionierenden Ansatz gewählt. Durch den Zeitsprung von rund 20 Jahren können sie die Handlung modernisieren, die Figuren und die Stimmung anpassen und neue Aspekte hinzufügen, ohne das Konzept zu zerstören.
Handwerklich auf hohem Niveau erzählt die überlange Geschichte eine eigenständige Story, die zu der alten Serie passt und trotzdem neue Leser*innen möglich macht. Spannend, fragenstellend und der Westernideologie am Schluss einen Spiegel vorhaltend ist mehr als nur ein weiterer Western daraus geworden, der allen Fans des Genres zu empfehlen ist.
Dazu passen Laway mit „Laat Jö Nich Unnerkriegen!“ und ein Woodford Reserve Rye Whiskey.
© der Abbildungen 2021 Dupuis by Le Tendre, TaDuc / Eckart Schott Verlag
Ein Gedanke zu „Le Tendre/TaDuc – Der Tiger erwacht“