Oder: Wie im Frieden ein blutiges Massaker entstehen kann …
Story: Hugo Pratt
Zeichnungen: Milo Manara
Originaltitel: Tutto ricominciò con un’estate indiana
Hardcover Überformat |176 Seiten | Farbe | 35,00 € |
ISBN: 978-3-68950-062-7

Zwei der italienischen Granden haben dieses Werk vereint erschaffen. Und tatsächlich finden sich die Besonderheiten von beiden Künstlern auch im Werk wieder. Während der eine gerne Absurditäten in die Handlung einbaut und über den bitterbösen Humor eine gewisse Distanz schafft, ist der andere bemüht, seine Körperdarstellungen in die Handlung einzubauen.
Die Folgen einer bösen Tat
Die Geschichte spielt in Massachusetts um 1625. Es gibt ein von Weißen bewohntes befestigtes Dorf, abseits davon eine Hütte, in der eine Ausgestoßene mit ihren Kindern lebt, und eine Siedlung von Angehörigen der First Nations. Eigentlich leben sie alle friedlich nebeneinander, sieht man mal davon ab, dass die bigotte Gesellschaft die alleinstehende Mutter zwar als Sexualobjekt nutzt, als Gesellschaftsmitglied aber nicht duldet. Es ist die Jahreszeit des Indianischen Sommers – warm, teilweise drückend schwül und die Natur explodiert geradezu. Zwei junge Krieger können sich nicht beherrschen und vergewaltigen ein Mädchen am Strand.
Sie werden dabei von einem der Söhne der Ausgestoßenen beobachtet, der daraufhin die beiden erschießt. Diese Szene wird fast wortlos über mehrere Seiten ausgebreitet und legt die Stimmung für den Rest der Geschichte fest. Nachdem der erste Punkt gesetzt wurde, folgt alles andere quasi automatisch. Jeder versteht die Beweggründe für den jeweils letzten Schritt, kann aber nicht anders, als weiterzugehen. Und so passiert, was schließlich zu einer Orgie der Gewalt führen wird.:

Der Tod soll gerächt werden. Bei dieser Rache sterben Menschen, die nun ihrerseits gerächt werden müssen, die Zahl der Beteiligten steigt und somit auch die der Toten und binnen eines einzigen Tages ist die friedliche Koexistenz einem Schlachtfeld gewichen. Nie wieder wird sich hier die Vergangenheit zurückholen lassen, es bleibt nur der Weiterzug, der aber auch die Emotionen mit sich trägt. Hugo Pratt zeichnet ein schonungsloses Bild der Abfolge der Stationen, versäumt aber nicht, immer wieder über die Sinnlosigkeit reflektieren zu lassen. Zudem äußert er starke Kritik an der Bigotterie vermeintlich strikt religiöser Gemeinschaften.
Rasant, dynamisch, gewalttätig
Die Zeichnungen von Milo Manara vereinen zwei nur scheinbar gegensätzliche Motive: Einerseits ist auch dieser Western von einer Körperlichkeit der weiblichen Figuren geprägt. Sie wirkt teilweise ein wenig aufgesetzt, ist aber das Markenzeichen von Milo Manara. Trotzdem muss man sich schon wundern, welche Aktivitäten wann und wo stattfinden bzw. stattgefunden haben sollen und trotzdem unbemerkt geblieben sind.

In Parallelität dazu gibt es unheimlich viel Gewalt. Diese wird zwischen Freunden wie Feinden ausgeübt und fast immer sind es Täter, nur selten Täterinnen. Die Motive sind so vielfältig wie die gezeigten Emotionen: Wut, Herrschsucht, Spaß an der Qual des anderen, aber auch die fatale Einsicht in die Sinnlosigkeit. Und diese Vielfalt wiederum macht einen großen Reiz des Bandes aus, gibt es doch wenige Künstler, die das mit wenigen Strichen so deutlich unterschiedlich ausdrücken können.
Ein Western der härteren Gangart
Fast glaubt man, in einem Italo-Western gelandet zu sein. Dafür fehlt allerdings der Antiheld. Auch hier gibt es zwar keine klassischen Held*innen, obwohl einigen Figuren im grafischen Nachwort eine Zukunft zugeschrieben wird. Hier rennt eine Geschichte wie am Faden gezogen ab und vernichtet alles, was vorher mühsam aufgebaut worden war. Nebenbei fallen allerdings auch ein paar Übeltäter.

Die Ausgabe vereint die komplette Geschichte, ein Nachwort von Milo Manara und eine Vielzahl von Coverillustrationen aus verschiedenen Ländern und Zeiten sowie zusätzliche Aquarelle. Wie alle aktuellen Manara-Titel bei Splitter gibt es auch hier einen zusätzlichen Druck. Für Western-Fans als auch für ständige Leser*innen der Werke von Hugo Pratt und Manara geeignet.
Dazu passen The Adicts mit „Songs of Praise“ und ein Abteibier!
© der Abbildungen 1983 Cong S.A., Switzerland | 1983 Milo Manara | 2018 Casterman, Belgium | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2025