Zum Lesen und Lachen
Story: Weynstein (Rolf Kauka)
Zeichnungen: Riccardo Rinaldi
Originaltitel: Siegfried (Pip 1-7 1971, 1+2 1972)
Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 24,95 € |
ISBN: 978-3-96430-460-5

Wer bei Rolf Kaukas Produktionen nur an Bussy Bär und Fix & Foxi denkt, blendet einen Teil seines verlegerischen Wirkens aus. Auch Kauka nahm Anfang der 70-er Jahre die Veränderungen war und brachte mit Lupo-modern, später PRIMA/PRIMO und Pip international Magazine für die älteren Leser*innen heraus die heute meistens nur noch in Ausstellungskatalogen Erwähnung finden. Siegfried ist dabei gemäß dem Werbetext das „Abgefahrenste, das jemals Rolf Kaukas Comicschmiede verlassen hatte“.
Auf dem Motorrad durch die Welt der Nibelungen
Der aus Italien stammende Riccardo Rinaldi kam 1965 nach München, um für Rolf Kauka zu arbeiten. Sein Stil passte nicht unbedingt zu den strengen Vorgaben für Fix & Foxi und so wurde er zunächst hauptsächlich für Tom & Biber-Geschichten eingesetzt bevor er seine eigene Serie, Die Pichelsteiner, kreieren durfte. Auch dort passte die weibliche Hauptfigur mit ihrem Aussehen schon nicht unbedingt zu der anvisierten Altersgruppe. Gänzlich zügellos wurde es dann aber mit Siegfried.

Der blonde Recke braust mit seinem Motorrad durch eine Gegend, die sehr lose durch die Nibelungensaga beschrieben wird. Es gibt dort Jungfrauen, die auf den „richtigen“ Freier warten, Drachen, gehörnte Ehemänner und vor allem Frauen, die darauf warten, endlich auf einen Helden zu stoßen. Das hier vermittelte Frauenbild passt in die späten 60-er, drückt ganz klar eine altertümliche, männliche Sichtweise aus.
Der Held wird als gut bestückt beschrieben und braust sorglos von Abenteuer zu Abenteuer. Jedes davon wird recht freizügig beschrieben. Die Szenarien sind von einem Herrn namens Weynstein verfasst worden. Man ist sich mittlerweile relativ sicher, dass sich dahinter niemand anderes als Rolf Kauka persönlich verbarg. Passen würde es: der erzkonservative Mann alter Schule, der seine Wunschvorstellungen als potenter Held zu Papier gebracht hat.
Peppige Zeichnungen
So fragwürdig die Inhalte mittlerweile zu werten sind, so unzweifelhaft sind doch die Zeichenkünste von Rinaldi. Er verbindet unterschiedliche Stilarten, zeichnet sehr dynamisch und ist definitiv auf der Höhe der Zeit. Popart fließt mit ein, die Hippie-Kultur scheint durch und auf die ersten Underground-Bestrebungen verweisen nicht nur das Thema der Freizügigkeit an sich, sondern auch die Missachtung der bisher strengen Layout-Vorgaben. Panelbegrenzungen werden ziemlich häufig ignoriert.

Die Gesamtausgabe enthält zusätzlich auch noch die weiteren Beiträge des Zeichners für Pip international. Auch hier zeigt sich der Einfluss der miefigen Altherrenkultur, die auf die Befreiung der 68-er stößt. Von heute aus betrachtet im Besten Fall komisch, damals wahrscheinlich revolutionär.
Vorbildliche Ausgabe!
Die Macher bei Kult haben sich für diese Zusammenstellung alle Mühe gegeben. Nicht nur sind alle Episoden von Siegfried zusammengestellt, auch die weiteren Beiträge von Riccardo Rinaldi wurden integriert. Dazu gibt es alle Titelbilder der Zeitschrift (in zugegebener Weise sehr kleinen Bildern) und eine Einführung zu den Künstlern und dem damaligen Verlagsangebot.

Als besonderes Schmankerl sind im Anhang zudem einige, noch käuflich zu erwerbende Satzvorlagen wiedergegeben, die Zeichnungen, Korrekturen und Lettering enthalten. Für Kauka-Komplettist*innen sicherlich ein Muss, für alle anderen ein Dokument der Zeitgeschichte, dass heutzutage so wohl nicht mehr neu auf den Markt kommen dürfte, mit Sicherheit aber in den aktuellen Trend der Erotik-Comics passt.
Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und einem Riesenfaltposter.
Dazu passen The Runaways mit „School Days“ und ein Limoncello Spritz.
© der Abbildungen 2025 Rolf Kauka’s Comicosmos Establishment, Fürstentum Liechtenstein / 2025 Comic Combo, Leipzig