Die barfüssige Gräfin
Story: Emilio Ruiz
Zeichnungen: Ana Miralles
Originaltitel: Ava
Hardcover | 112 Seiten | Farbe | 24,80 €
ISBN: 978-3-96582-166-8
(Comic-)Biografien sind ein Longseller. Sie sind weniger davon abhängig, im Novitätenregal einen besonderen Platz zu finden da Fans der Figur im Mittelpunkt aktiv danach suchen. Das gilt natürlich auch für diejenigen, die sich aus anderen Gründen tiefer mit einer bestimmten Person auseinandersetzen wollen. Meistens geht es in ihnen jedoch um ein ganzes Leben, zumindest aber einen relevanten Teil davon. Ava geht hier einen anderen Weg, beschreibt es doch die Schauspielerin nur über einen sehr kurzen Zeitraum.
Die brasilianische Episode
Ava Gardner, eine der Leinwandgöttinnen Hollywoods aus den 50-er Jahren, hatte gerade ihren Film, Die barfüssige Gräfin, abgedreht. Um den Start zu promoten war es damals wie heute nötig, eine Tour durch Länder zu machen, in denen der Film potentiell erfolgreich sein würde. Nicht nur die Presse war zu begeistern, die Zuschauer*innen wollten ebenfalls ein Stück „große Welt“ begreifen können. Dieses Wort war damals übrigens durchaus wörtlich zu verstehen. Je nach Temperament, Kultur und „Star-Allüren“ konnte das erfolgreich ablaufen, es war aber auch ein Desaster möglich.
Emilio Ruiz konzentriert sich in seiner Erzählung auf die Zeit in Brasilien zwischen Landung und Abflug. In diesen wenigen Tagen in Rio de Janeiro entsprechen viele kleine Begebenheiten weder dem geplanten Ablauf noch den Wünschen des Stars. Ava reagiert darauf äußerst emotional und unbeherrscht. Schlimmer aber ist, dass die Presse sich nicht genügend gewertschätzt fühlt und daraufhin den Stab über der Künstlerin bricht.
Die Geschichte kulminiert in einer vorzeitigen Abreise, sie wird aber von verschiedenen Akteuren komplett unterschiedlich benutzt. Geschickt verwoben werden eine romantische Affäre die brutal mit Gefühlen spielt, die (Nicht-mehr-)Beziehung zwischen Ava und Frank Sinatra und finanzielle Interessen von Firmen, die von Avas Ruhm profitieren wollen. Somit ist dieser Band nicht nur Wiedergabe der Geschehnisse, sondern auch Kritik am mörderischen Film-/Celebrity-Business!
Romantik, Glamour und echte Gefühle
Ana Miralles zeigt sowohl die geschminkte und polierte Scheinwelt als auch die raue Wirklichkeit. Während einerseits der herausgeputzte Star gute Miene machen muss, sorgen Alkohol, Frustration und Erschöpfung dafür, dass die Fassade schnell ins Wanken geraten kann. Miralles zeigt ersteres in leicht nostalgisch angehauchten Bildern, bei denen man fast die Filmmusik im Hintergrund wahrzunehmen meint: Leicht kitschig, aber beruhigend.
Doch schon das nächste Panel kann einen Ausbruch zeigen: verzerrte Gesichter, ein lautes Schreien und das Scheppern der missgestimmten Instrumente. Diese Vielseitigkeit hat sie bereits bei Djinn bewiesen. In Ava geht es aber nicht um die körperlichen Aspekte. Die einzelnen Bilder haben keinen Rahmen, als sollten sie sich – wie im Film – als Einzelnes gegenüber dem Ganzen mehr zurücknehmen.
Ein perfekter Einstieg in das Leben der Ava Gardner
In dieser einen Episode wird so viel von der Person Ava Gardner angerissen, dass man fast zwangsläufig anfängt, sich näher mit dieser Person zu beschäftigen. Mehr kann man von einer Biografie nicht erwarten. Die Schauspielerin ist vielschichtig, einerseits teils gegen ihren Willen in eine Rolle gezwungen, andererseits doch süchtig nach Anerkennung. Sie möchte aber ihre Grenzen setzen können, was ihr als öffentlicher Person natürlich verwehrt wird.
Es wird aber auch deutlich, was ihr Ruhm für die Personen in ihrer Nähe bedeutet. Denn auch diese sind nur scheinbar privilegiert und müssen mit ganz anderen Herausforderungen klarkommen. Wunderschöne einbändige Ausgabe, die darauf wartet, gelesen und/oder verschenkt zu werden. Weihnachten steht schließlich vor der Tür. Der Titel ist unter dem Sublabel Alles Gute! bei schreiber & leser erschienen.
Dazu Ava Gardner herself mit „Can’t Help Lovin‘ That Man“ und ein Bombay Bramble.
© der Abbildungen Dargaud Benelux (Dargaud – Lombard s.a.) 2024, by Miralles; Ruiz | 2024 Verlag Schreiber & Leser, Hamburg