Zum ersten Mal in seiner Geschichte muss der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, den ganzen Wilden Westen retten. Tatsächlich scheint nichts mehr so zu sein, wie es sein soll. Der Grund: Es gibt wegen eines Streiks der Brauereiarbeiter kein Bier mehr.
Lucky Luke und die Deutschen
Lucky Luke hat sich schon mit allen Möglichen Personen und Bevölkerungsgruppen beschäftigt, seit dem Achdé und Jul übernommen haben sogar mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Eine Bevölkerungsgruppe, die einen nicht unwesentlichen Anteil an Einwander*innen gestellt hat, war allerdings bisher noch nicht gewürdigt worden: Die Deutschen! Nun also eine Sammlung an Klischees, Vorurteilen und kleinen Spitzen gegen die östlichen Nachbarn der Franzosen.
Natürlich verlangt ein solches Setting eine ganz bestimmte Zutat: Bier! Und tatsächlich ist jenes nicht mehr verfügbar, da ein anderes deutsches Exportgut die Arbeiter in der Brauereiindustrie aufgescheucht hat: Die Ideen eines gewissen Herren mit Namen Karl Marx! Luke wird beauftragt, in der Stadt Milwaukee, dem Zentrum der deutschen Brauer, wieder für geordnete Verhältnisse zu sorgen und die Produktion des Gerstensaftes erneut in Gang zu bringen.
Zunächst aber hat der führende Brauereibesitzer eine „Schnapsidee“, denn er möchte Gefängnisinsassen als Streikbrecher einsetzen, unter ihnen auch die Daltons. Die Letzte Runde für die Daltons enthält die übliche Menge an Humor, die man in dieser Serie mittlerweile erwarten darf, einiges davon auch mit sehr gutem Wortwitz übertragen! Die Menge an Vorurteilen dürfte aber den einen oder die andere Leser*in überfordern, geht die Richtung hier doch gerade mal wieder in Richtung Großmannssucht. Gerade deswegen aktuell zu empfehlen!
Satire mal anders
Satire würde ich eher im Bereich der Cartoons erwarten, nicht aber bei einer so erfolgreichen und eingeführten Reihe, die sonst eher für den all-age-Humor steht. Jul schafft es aber, viele Gags über die Deutschen so genial umzusetzen, dass es beim Lesen teilweise weh tut, immer aber Spaß macht. So werden viele deutsche Eigenschaften von einem Vertreter der First Nations vorgeführt und die Daltons in Lederhosen sind schon genial.
Ansonsten bringt auch dieser Band alles das, was von einem LL zu erwarten ist: Wimmelbilder, abstruse Szenen und Gags, die erwarten, dass man zu mindestens das Grundkonzept der Serie kennt. Vielleicht nicht das stärkste Album der Serie aber trotzdem – für mich persönlich – ein Must Have in der unüberschaubaren Menge von Neuerscheinungen.
Zum über-sich-selbst-Lachen
Die Welt wird immer verrückter und auch die jüngsten Ereignisse in den USA sind für Europa nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Man muss daher anfangen, über sich selber lachen zu können! Eine erste Lektion dafür ist dieser Comic!
Wer möchte, kann zur Hardcover-Ausgabe greifen, die am 12. November erscheint. Die Softcover-Kiosk-Ausgabe ist bereits erhältlich.
Dazu passen ein Schell’s Pilsener und „Funkytown“ von den Lucky Chops.
Ein Spielbein der Graphic Novels ist die Kategorie der lehrreichen und trotzdem unterhaltsamen Sachcomics. Diese müssen aber nicht immer nur komplexe politische oder ökonomische Theorien vorstellen, sie können sich auch mit geschichtlichen Themen befassen. Die Historie der Bier- und Braukultur ist auf jeden Fall ein Thema nicht nur für Nerds; alle, die gerne Bier trinken sind hier angesprochen. Was läge also näher als eine Besprechung dieses Werkes, schließt doch jeder Beitrag auf comix-online mit einer Empfehlung für passende Musik und Getränkeauswahl.
12.000 Jahre Trinkgenuss
Aktuell gibt es eine sehr lebendige Craftbier-Szene, die nicht nur dafür gesorgt hat, dass fast in jeder Stadt wieder mindestens eine (Mikro-)Brauerei anzutreffen ist, sondern auch viele alte, fast vergessene Biersorten neu belebt hat. Für eine lange Zeit stand in Deutschland das Pils fast schon als Synonym für Bier, und auch in anderen Ländern reduzierte sich das Angebot hin zu massenverträglichen Angeboten „ohne Ecken und Kanten“. Das deutsche Reinheitsgebot wurde nicht hinterfragt, sondern zu einem Dogma erhoben. Ausländische Biere, die oft andere Zusätze enthielten, durften hier nicht als Bier verkauft werden.
Wie aber hatte sich das Getränk, dass weltweit in seiner Konsumption nur von Kaffee und Tee übertroffen wird, entwickelt? Genau diese Frage stellen sich die beiden Autoren, Jonathan Hennessey und Mike Smith, und starten ihre Untersuchungen in der Frühzeit der Menschen. Aufgrund von Ausgrabungen wissen wir, dass schon vor rund 12.000 Jahren vergorene Getränke auf Getreidebasis von Menschen genossen wurden. Sie wurden allerdings wahrscheinlich nicht bewusst gebraut! Es war notwendig, dass natürlich vorkommende Hefe-Bakterien ihren „zufälligen“ Anteil leisteten. Auf dieser Stufe blieb die Geschichte des Bieres bzw. seiner Vorläufer über eine lange Zeit.
Während der folgenden Jahrhunderte sind zwei Entwicklungen in Verbindung miteinander: Einerseits setzen die Hochkultur und das frühe religiöse Establishment eher auf Wein denn auf Bier, das eher für Barbaren und Pöbel geeignet schien, andererseits erkannten (und erkennen) Herrscher immer wieder die Einnahmequellen, die der Verkauf von Bier und der Prozess seiner Herstellung bieten. Ein letztes Aufflammen dieser Auseinandersetzung waren die Prohibitionsbemühungen. Andererseits war es geschichtlich betrachtet lange Zeit wesentlich gesünder, bearbeitete (und dadurch gekochte) Flüssigkeit in Form von Bier zu sich zu nehmen als verunreinigtes Wasser.
Abwechslungsreiches Layout
Sach-Comics haben oft ein sehr abwechslungsreiches Layout, da sie verschiedene Erzählformen zu bedienen haben. Diese reichen von der reinen, textlastigen Informationsvermittlung über die grafische Unterstützung derselben hin zu szenischen Momenten die pars pro toto Geschichten erzählend Inhalte vermitteln. Per se kann man das daher sehr spannend gestalten. Natürlich erfordert das ein sehr spezifisches Können! Aaron McConnell hat schon verschiedene Sachcomics mit Jonathan Hennessey umgesetzt, die beiden sind ein eingespieltes Duo.
Die angewendeten Zeichenstile variieren und schaffen dadurch mehr Abwechslung. Während prinzipiell ein realistischer Stil bevorzugt benutzt wird, gehen die Zeichnungen teilweise in karikaturenhafte Übertreibung oder einen holzschnittartigen Stil. Sie betonen dadurch auch die unterschiedlichen Wissensvermittlungsarten.
Nicht nur für IPA-Fans!
Über eine lange, lange Zeit verlor Bier immer mehr an unterschiedlichen Facetten und migrierte von lokalen Besonderheiten zu standardisierten, globalen Produkten. Mit der Craft-Beer-Bewegung hat sich das seit einigen Jahrzehnten wieder in das Gegenteil gekehrt; noch nie gab es so viele Brauereien und Spielarten wie heute. Die Geschichte des Bieres als Kulturgut wird hier nachvollziehbar beschrieben. Es mag die eine oder andere Kritik an einzelnen Elementen geben, grundsätzlich bekommt man hier aber einen guten Überblick.
Aufgrund seiner Professionalität ist das Buch auch nicht nur für Fans und Trinker geeignet, es ist interessant genug, um sowohl reinzublättern als auch um es komplett durchzulesen und kann daher auch eine Funktion als „Mini“-Coffee-Table-Book und Themengenerierer wahrnehmen. Wer will wird eine Sonderedition mit Rudi-Cover erwerben können. Wer über einen kleineren Zeitabschnitt lesen möchte, kann zusätzlich zu Hopfen und Malz greifen.
Dazu passen ein Guinness und The Business mit „Guinness Boys“!
Bier ist seit einigen Jahren wieder in aller Munde,
insbesondere, wenn es sich um neue Geschmäcker oder alte Sorten handelt. Um
Bier, seinen Brauprozess im Wandel der Zeiten und natürlich auch um die
persönlichen Schicksale der handelnden Personen geht es in dem 8-bändigen
Zyklus „Hopfen und Malz“, der ursprünglich zwischen 1992 und 1999 bei Glenat erschienen ist.
Der Autor Jean van
Hamme aus Brüssel ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten
europäischen Comic-Szenaristen und dem deutschen Publikum eher von XIII oder Thorgal bekannt obwohl fast alle Serien von ihm in deutscher
Übersetzung vorliegen bzw. veröffentlicht werden. Ältere Einzelwerke wie Epoxy oder Western sind nur noch antiquarisch zu bekommen.
Von dem Zeichner Francis
Vallès, der in den letzten Jahren hauptsächlich mit Stephan Desberg und eben van
Hamme zusammengearbeitet hat, liegt nur wenig vor.
Hopfen und Malz ist eine Serie über die Brauerfamilie Steenfort; den prägenden Personen einer Epoche ist
jeweils eines von insgesamt sieben Album gewidmet – von Charles, 1854 bis zu
Frank, 1997. Comicplus + hat in seiner limitierten Gesamtausgabe von 2016/2017
den abschließenden achten Band mit Kurzgeschichten in den zeitlichen Ablauf
integriert, so dass sich eine sehr lesbare Handlung über eineinhalb
Jahrhunderte ergibt. Es sei dazu gesagt, dass die gesamte Story zwar auf
historischen Fakten beruht, sich aber als reine Fiktion hinsichtlich der
Personen und Unternehmen präsentiert.
Die Story beginnt 1854 in dem belgischen Dorp und dem
Bierbrauer Alfred de Ruiter. Da er seine Angestellten allerdings nicht gerade vernünftig
behandelt und er Moderne auch nicht so aufgeschlossen ist, schafft es einer
seiner ehemaligen Arbeiter – Charles Steenfort – dem Alteingesessenen mit
eigenem Bier Konkurrenz zu machen. Schon hier wird deutlich, dass es um Macht
gehen wird, um Ränkespiele und um psychologische Profile der Akteure. Anders
als sonst bei van Hamme üblich gibt es aber keine wiederkehrenden positiven
Charaktere mit Identifikationspotential. Wen das an aktuelle TV-Serien erinnert
liegt im Übrigen nicht falsch, denn das Skript war ursprünglich als Drehbuch
geplant und wurde erst 10 Jahre später als Comic realisiert. Die
Fernsehadaption erfolgte dann aber doch noch.
Der Comic führt beispielhaft durch die Geschichte des
Brauens und die notwendigen Anpassungen der jahrhundertealten Tradition an
moderne Errungenschaften.
Das Thema der Marktkonzentration, das Ende des letzten
Jahrtausends bereits sehr deutlich zu spüren war, wird ebenfalls nicht
ausgespart. Alleine der Hype des keinen Craft-Brauereien wurde nicht
vorhergesehen.
Daneben gibt es aber auch deutliche zeitgeschichtliche und
politische Themen von Feindschaft, Kollaboration oder „Sünde“ die reflektiert
werden. Hier zeigt sich die Limitierung des Ansatzes: Aufgrund der Beschränkung
auf 48 Seiten pro Epoche und der Notwendigkeit, auch noch die Story und die
Bier-bezogenen Aspekte voranzubringen, sind die Positionen viel zu
oberflächlich und schwarz-weiß dargestellt um wirklich zu überzeugen. Immerhin
beweist das aber, dass Fragestellungen dieser Art auch in nicht-graphic-novel-Formaten
auftauchen können.
Auch wenn die Deutschen in dem 1917 spielenden dritten Band
fast nur karikaturenhaft beschrieben werden, die Auseinandersetzung mit dem
Faschismus in den eigenen (belgischen) Reihen ist in Band 4 schon wesentlich
ehrlicher und verzichtet auf moralisch eindeutige Schuldzuweisungen.
Die Darstellung des jeweiligen Ambientes und der Kleidung
stehen der inhaltlichen Genauigkeit der Story in nichts nach. Vallès schafft es mit seinem
realistischen Stil fast in jedem Bild, einen visuell stimmigen Eindruck zu hinterlassen
und seine Gesichter (für mich immer ein erstes Kriterium der Qualität) sind
nicht nur detailreich, sondern transportieren auch zum Text und der Geschichte
passende Emotionen.
Das Layout der Geschichten ist dagegen eher klassisch: nur
selten wird von der drei- oder vierreihigen Aufteilung abgewichen. Wenn, dann
ist es meistens um einen schnellen Kameraschnitt zu simulieren und Emotion oder
Geschwindigkeit zu transportieren.
Comicplus + integriert in die Gesamtausgabe nicht nur die
Cover der einzelnen Ausgaben sondern ergänzt das Ganze mit viel
Hintergrundmaterial über die TV-Serie, einzelnen Zeichnungen und Abbildungen
von (imaginären) Werbematerialien für Steenfort-Biere.
Die im Original „Meister
der Gerste“ genannte Serie ist nicht nur allen Freund*innen der Braukunst
an Herz zu legen, sondern stellt auch einen spannenden und lesenswerten Versuch
dar, einen so langen Zeitraum exemplarisch darzustellen. Niemand erwarte
allerdings, dass hier objektive Fakten im Sinne eines aufgeklärten Schulunterrichts
präsentiert würden denn dafür stehen viel zu viele Klischees im Vordergrund.
Der erste und zweite Band enthalten jeweils 2 Alben und die
dazugehörigen, ergänzenden Überleitungen, der dritte versammelt die letzten
drei Abenteuer. Alle Bände sind als Hardcover mit Glanzapplikationen auf dem
Titelbild erschienen, auf jeweils 1000 Exemplare limitiert und noch lieferbar.
Die Serie bietet solides Handwerk mit einem nicht
alltäglichen Setting. Van Hamme
beweist einmal mehr seine Fähigkeit, lange Handlungsbögen zu spinnen, darf sich
hier aber sogar Generationenübergreifend betätigen. Vallès ist in Deutschland eher unterschätzt. Neben dieser Serie
liegt nur noch die Gesamtausgabe von Tosca
vor. Die Serie selbst ist nicht nur ein tolles Geschenk für Bierliebhaber mit
Comicleidenschaft oder Comicliebhaber, die gerne Bier trinken sondern auch für
sich selbst eine nette Abwechslung zu der 25-sten Geschichte im gleichen
Ambiente!
Dazu passt natürlich nichts Anderes als belgisches Bier! Wer
mag, kann ein klassisches Lambiek
probieren und mit einem Abtei-Bier
weitermachen. Für alle anderen tut es aber auch ein Belgian Blonde! Im Hintergrund darf die Musik in diesem Falle nicht
ablenken – Wie wäre es mit den australischen The Triffids?
Ein paar
abschließende Worte zu dieser Rubrik: Neue Comics erscheinen mit einer hohen
Frequenz Monat für Monat. Auch wenn sich der klassische Buchhandel vieler Orten
mit einer Comic-Ecke schmückt, zeigt sich, dass der knappe Platz oft für
Dauerseller und Neuerscheinungen gebraucht wird. Es gibt aber viele
Veröffentlichungen der letzten Jahre die es nicht verdient haben, unterzugehen
und dem Vergessen anheimzufallen.
Wenn jemand von euch einen bestimmten Titel hier gerne sehen würde oder gar selbst ein paar Worte darüber verlieren möchte: Dafür ist die Kommentarspalte dar 🙂