Munuera/BeKa – Rostige Herzen 2

Inspiration

Story: Jose Luis Munuera & BeKa

Zeichnungen: Jose Luis Munuera

Originaltitel: Les Cœurs de ferraille 2 – L’Inspiration

Carlsen Comics
Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-551-79893-0

Cover Rostige Herzen 2

Eine Prise Science-Fiction, eine Prise Romantik, etwas Rührseligkeit und einen erbitterten Gegner, mehr braucht es nicht, um eine wundervolle Geschichte zu erzählen! Wie schon in Band 1 spielt die Geschichte in einer ländlichen Gegend. Einerseits ist die Technologie etwas weniger entwickelt als hier (und auch die Gesellschaft!), andererseits gibt es künstliche Wesen, also Roboter. Eine Geschichte über Freundschaft, Rassismus, und Menschen, die glauben einer Herrenrasse anzugehören.

Die revolutionäre Kraft des geschriebenen Wortes

So neu ist die Geschichte gar nicht: Ein Buch wird geschrieben, gedruckt und gelesen. Plötzlich entwickelt sich daraus etwas Neues, Ideen oder Wahrheiten werden deutlich, verbreiten sich und führen zu einer anderen Gesellschaft… Auch wenn das manchmal nur eine Hoffnung bleibt, ist das doch gleichzeitig der Wunschtraum aller Autor*innen, die inspirieren wollen, und der Alptraum aller beharrenden Kräfte.

Aber zu den Details der Geschichte: Ein menschliches Ehepaar wird grausam von zwei Robotern ermordet. Zurück bleibt nur ein kleines Mädchen, das sich verstecken kann. Die Kleine schließt Freundschaft mit einem Welpen und gemeinsam schlagen sie sich mit Einbrüchen und kleinen Diebstählen durch. Schließlich entdeckt das Mädchen ein Buch, herzzerreißend schön geschrieben, und erfährt das damit zusammenhängende Geheimnis.

Der Besitz des Buches lässt sie zur Zielscheibe werden. Allerdings erfährt sie unerwartete Hilfe und Unterstützung. Schließlich kann sie sogar den Grund für die Ermordung ihrer Eltern aufdecken und der Kreis schließt sich. Eine bewegende Geschichte über Vorurteile, Machtmissbrauch und Gewalt auf der einen, Zusammenhalt und Liebe auf der anderen Seite! Ach, würden doch mehr Menschen für solche Geschichten aufnahmebereit sein.

Rostige Herzen 2 page 3

Filmisch

Die Zeichnungen von Jose-Luis Munuera lassen einen immer an etwas ältere Filme denken. Nicht mit der Handkamera gedrehte, schnelle Schnitte, sondern Fahrten, die heranzoomen, Protagonist*innen in den Fokus nehmen und das Ergebnis der Handlung im folgenden Bild in Großaufnahme zeigen. Natürlich erwartet niemand hier einen Fotorealismus. Trotzdem sind gerade die Darstellungen der künstlichen Wesen perfekt. Sie drücken sowohl Liebe und Anteilnahme aus wie auch brutale Pflichterfüllung – je nach Modell! Dazu trägt auch das Design (ein- bzw. zweiäugig) bei.

Wie schon bei der Weihnachtsgeschichte und der Blauen-Boys-Interpretation steht die vom Zeichner mitentwickelte Geschichte im Vordergrund, die Zeichnungen unterstützen aber kongenial, ohne sich aufzudrängen. Dadurch wirken diese Geschichten immer wie aus einem Guss. In diesem Band sind die Rückblicke schwarz-weiß, aktuelle Ereignisse farbig wiedergegeben.

Rostige Herzen 2 page 4

Mitreißend!

Mein Lieblingszitat ist definitiv dasjenige über das ungedruckte Buch, das nicht gelesen werden kann und somit nicht existiert! Man kann den Comic auf viele verschiedene Weisen lesen: es ist natürlich eine spannende Geschichte, es ist eine Parabel auf die heutige, leider immer noch von Vorurteilen geprägte Zeit und es ist eine Art dystopischer Science-Fiction. Keine dieser Lesarten wird dabei zugunsten einer anderen beschnitten und so müsste der Band eigentlich einer unheimlich großen Anzahl von Leser*innen gefallen!

Die Ausgabe als Hardcover ist angemessen, schreckt aber möglicherweise Gelegenheitskäufer*innen ab. Diesen sei gesagt: Es ist nicht zwingend, Band 1 gelesen zu haben. Man kann den Band auch ohne Vorkenntnisse verstehen und vor allem genießen. Wer die Kombination Munuera/BeKa mag, kann hier bedenkenlos ebenfalls zugreifen.

Detail Vorblatt Rostige Herzen 2

Dazu passen Bob Dylans “The Times, they are a-changin“ in der Version von Flogging Molly und ein Pülleken.

© der Abbildungen DUPUIS 2023, by BeKa, Munuera (Jose Luis) / 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Mikaël – Giant

Gesamtausgabe

Story:  Mikaël
Zeichnungen: 
Mikaël
Originaltitel: 
Giant Compilation

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 32,00 €

ISBN: 978-3-949987-37-3

Cover Giant GA

Eine Graphic Novel in 3 Bänden, die jeweils in zwei Teilen erschienen sind. Eine Geschichte, die sich aus Geschichten zusammensetzt und deren heimlicher Star eine Stadt ist, die das alles erst möglich macht. Geschichten, die nur sehr lose miteinander verknüpft sind und doch viel miteinander zutun haben. All das (und noch vieles mehr) ist die New-York-Trilogie von Mikaël! Band 1, Giant, war in 2019/2020 in mehreren Folgen auf Deutsch im ZACK abgedruckt worden und ist nun als wohlfeile Gesamtausgabe in der ZACK-Edition erschienen.

Schmelztiegel New York?

Wenn wir heute über New York reden, bezeichnen wir die Stadt oft als melting pot, als Schmelztiegel. Leider ist der Weg dahin meistens vergessen worden. Dass alle Anfänge schwer sind, erzählt Mikaël unter anderem. Er erzählt aber auch von Irland, der trostlosen Situation dort, die Hunderttausende zur Migration gezwungen hat, von der Situation der einfachen Leute zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt von kleinen persönlichen Schicksalen die gleichzeitig mit Ereignissen stattfinden, an die wir uns heute noch allgemein erinnern.

Im Zentrum des Geschehens steht Giant, ein schweigsamer, kräftiger Mann, der auf Baustellen von Hochhäusern Nieten in Stahlträger treibt. Er steht meistens etwas abseits – im Verlauf der Geschichte wird einiges aus seiner Vergangenheit bekannt, dass genügend Gründe dafür enthält – ist aber trotzdem ein hilfsbereiter Kollege. So übernimmt er es, der in Irland verbliebenen Frau eines bei einem Arbeitsunfall Getöteten die Todesnachricht und die Spende der Gewerkschaft zu übermitteln. Welche Auswirkungen können Entscheidungen haben?

Wir werden als Leser*innen aber auch Zeug*innen von Auseinandersetzungen zwischen irischen und italienischen Migranten, Feierabendvergnügungen, der Entstehung eines berühmten Fotos und vor allem dem Alltagsleben in der Großstadt. Gerade die Verknüpfung von Ereignissen und Alltäglichem macht die Geschichte so unglaublich lesenswert!

Sensible Zeichenkunst

Mikaël hat einen sehr feinen Strich und nimmt zusätzlich die Motive etwas aus dem Vordergrund, indem er die meisten Zeichnungen in ein Sepia hüllt. Dadurch schafft er nicht nur eine Stimmung, die klar macht, dass die Geschehnisse sich vor langer Zeit abgespielt haben, er nimmt auch Hektik raus. Zudem macht er dadurch deutlich, dass die Bedeutung der Ereignisse je nach Standpunkt unterschiedlich gewichtig ist. Was für einen Einzelnen von immenser Tragweite sein kann, ist aus der Vogelperspektive verschwindend gering.

Trotz allem sind die Zeichnungen sehr realistisch, wenn auch nicht fotorealistisch. Wie viel Mühe sich Mikaël mit den Figuren gemacht hat, wird ein wenig deutlich durch den Anhang, der sehr viele Skizzen enthält. Die gleiche Sorgfalt hat er für die Architektur aufgewendet!

Eine meiner Lieblingsserien!

Die New York-Trilogie von Mikaël Giant, Bootblack (aktuell im ZACK) und Harlem gehört definitiv zu meinen Lieblingsserien. Sie ist eine Graphic Novel, die sehr persönliche Geschichten erzählt, dem Ganzen einen sequenziellen Sinn beifügt, gleichzeitig aber auch erlaubt, den Kreis von einem beliebigen Startpunkt (erneut) zu durchlaufen. Zudem besticht die Geschichte nicht nur von der Storykomposition her, auch die Zeichnungen sind außergewöhnlich.

Die Gesamtausgabe enthält im Gegensatz zum Abdruck im ZACK zusätzlich 16 Seiten mit Skizzen und ein Vorwort von Jean-Louis Tripp, einem der beiden Künstler hinter Das Nest. Die Verwandtschaft dieser beiden sehr unterschiedlichen und doch ähnlichen Serien ist verblüffend: Beide zwingen uns, Altbekanntes zu hinterfragen und das Große aus dem Kleinen zu verstehen. Die Vorzugsausgabe enthält neben einem Variantcover zusätzlich noch einen limitierten, signierten Druck!

Giant GA VZA ExLibris

Dazu passen The Pogues mit „Rum, Sodomy & the Lash” und ein Blackbush.

© der Abbildungen Dargaud Benelux (Dargaud-Lombard S.A.) 2017 & 2018, by Mikaël / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Rossi – Golden West

Das letzte Aufbäumen

Story: Christian Rossi
Zeichnungen: 
Cristian Rossi

Originaltitel: Golden West

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 176 Seiten | Farbe | 39,80c € | 
ISBN: 978-3-98721-422-6

Cover Golden West

Es gibt Comics, bei denen man schon nach wenigen Seiten feststellt, dass sie zwar nicht schlecht sind, einen aber irgendwie nicht fesseln können. Bei Golden West ist das anders. Der im Original in vier einzelnen Bänden erschienene Comic über das Ende einer Zivilisation zieht einen in sich hinein und lässt nicht wieder los.

Ein Fluch als Sinnbild

Der junge Apache Woan macht einen schweren Fehler, der seinem Freund das Leben kostet. Da er sich damit außerhalb des Weltbildes seines Stammes gestellt hat (So etwas macht man nicht), gilt er als verflucht und muss fortan ohne die Gemeinschaft auskommen. Tatsächlich überlebt Woan und trifft im Laufe seines Lebens auf viele Menschen, die ihn lehren werden, dass die Zeit der Apachen vorbei ist. Seine Verfluchung steht quasi parallel zum scheiternden Überlebenskampf der Indigenen.

Golden West page 7

Auf sich allein gestellt, muss der Junge zunächst einmal überleben und sich damit in einer feindlichen Natur bewähren. Das betrifft nicht nur banale Dinge wie genügend Nahrung, er muss auch Jahreszeiten und Unfälle überleben, ohne ernsthaft zu erkranken. Schließlich trifft er auf Geronimo, der von der Verfluchung weiß, ihm aber trotzdem erlaubt, am Kriegszug teilzunehmen.  

Immer wieder werden sich die Pfade der Beiden kreuzen und es wird immer deutlicher werden, dass eine Zukunft nur vorstellbar wird, wenn sie der Vergangenheit in keiner Weise ähnelt. Das jedoch erfordert ein Umdenken, zumal ja die (meisten) Weißen alles daransetzen, die Apachen und alle anderen indigenen Völker auszurotten. Und auch die Mexikaner kommen als Verbündete keineswegs in Betracht.

Golden West page 8

Naturverbundenheit und Ruhe

Christian Rossi, bekannt für Westernreihen wie Jim Cutlass oder der Planwagen der Thespis, hat nicht nur das Szenario geschrieben, sondern sich auch in die Zeichnungen hineingemalt. Manchmal merkt man Zeichnungen an, dass der Künstler sich große Mühe gegeben hat, emotional aber nicht vollkommen involviert war. Hier ist Rossi mit Haut und Haaren, mit Pinsel und Feder bei der Sache.

Die Zeichnungen sind teilweise leicht unscharf und hauptsächlich in Sepia- und Rottönen gehalten. Nur das leuchtende Blau des Himmels kommt dazu. Er zeigt die Gewalt, aber auch die gewaltige Weite der Natur. Beim Lesen stellt sich die Frage, warum bei dem Angebot an Platz eine Kooperation nicht möglich gewesen wäre. Und auch die Antwort steht geschrieben: es lag nicht an den Ureinwohner*innen!

Golden West page 12

Eine sehr persönliche Darstellung

Der klassische Western nach dem Motto Weiß=gut, Rot=böse funktioniert schon lange nicht mehr. Spätestens seit Der mit dem Wolf tanzt sind die Storylines und Sympathien anders verteilt. Natürlich gibt es allerdings noch immer einige, die die Vormachtstellung des Mannes und einer Herrenrasse auf Teufel komm raus verteidigen wollen. Diese werden auch durch das Statement von Christian Rossi nicht überzeugt werden. Alle anderen finden aber einen sehr persönlichen Zugang zu den großen und bekannten Themen aus einer ungewohnten, „kleinen“ Perspektive.

Es ist immer schwierig, zu definieren, welche Titel unbedingt in eine „vernünftige“ Sammlung gehören sollten. Golden West wäre auf jeden Fall eine Bereicherung jedes Regals mit Westerncomics und wird dazu verleiten, es mehrfach lesen und genießen zu wollen.

Detail Golden West page 15

Dazu passen „Please don’t talk about me when I’m gone“ in der Version von San Lyon, und ein frisches Wasser ohne „Feuer“!

© der Abbildungen Casterman 2023, by Christian Rossi | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Greg/Paape – Johnny Congo

Gesamtausgabe

Text: Greg

Zeichnungen: Eddy Paape

Originaltitel: Johnny Congo – La rivière écarlate & La flèche des ténèbres

All Verlag

Hardcover | 96 Seiten | Farbe | 24,80 € |

ISBN: 978-3-96804-261-9

Cover Johnny Congo GA

Mitte des letzten Jahrhunderts waren Abenteuer-Comics noch ganz anders denkbar als heutzutage. Es gab auf dieser Welt noch so viele unbekannte Gegenden, dass Autoren und Zeichner ihrer Fantasie fast keine Zügel anlegen mussten. Heutzutage dagegen ist überall selbst für den scheinbar entlegensten Winkel eine Dokumentation abrufbar. Auch die in Afrika spielenden Geschichten um Johnny Congo basieren auf dieser Unkenntnis und können somit exotisches Flair und Überspitzung wissenschaftlicher Leistungen vereinen.

Spannung pur

Der Held, Johnny Congo, ist ein Haudegen, der sich im Dschungel ebenso gut schlägt wie in einer Spielhölle. Natürlich hat er sein Herz am rechten Fleck und ist freundlich sowohl gegenüber den ursprünglich dort lebenden Bewohner*innen als auch den „guten“ Kolonialherren. Warlords, Schmuggler und Wilderer haben dagegen seine Fäuste und Waffen zu fürchten. Ihm zur Seite steht der notwendige Begleiter, der in diesem Fall Scotch heißt.

Johnny Congo GA page 3

Dieses eher austauschbare Setting erhält seine spezielle Note durch ein paar Science-Fiction Elemente, die die damals bekannte Wissenschaft nur ein wenig überholen und somit durchaus glaubwürdig erscheinen. Band 1, Der scharlachrote Fluss, beginnt damit, dass inmitten eines Unwetters ein Massaker von Wilderern an Elefanten entdeckt wird. Leider versuchen nicht nur die Gangster ihre Festnahme zu behindern, alle Beteiligten scheinen sich auch mit einer tödlichen Krankheit infiziert zu haben.

In der zweiten Geschichte, Pfeile aus dem Nichts, werden scheinbar wahllos Ziele der Infrastruktur wie landwirtschaftliche Betriebe oder Schulen aus dem Hinterhalt mit Waffen angegriffen. Bei ihrem Aufprall setzen die Geschosse sehr gefräßige und scheinbar mutierte Insekten frei, die jegliche Vegetation im Umfeld vernichten könnten. Natürlich geht es darum, den Angriff zu stoppen. Dazu sind unerwartete Allianzen notwendig. Greg schreibt gewohnt spannend und „beinahe“ glaubwürdig da niemand wirklich sicher sein kann, dass es diese Situationen nicht geben könnte.

Johnny Congo GA page 6

Fast schon alte Bekannte

Eddy Paape hat in Luc Orient (nach einem Szenario von Greg) bewiesen, dass ihm die Kombination aus fast glaubwürdigen Geschichten auf der Erde und knallharter Action liegt. Tatsächlich sieht sein Held sogar ein wenig aus wie Luc und auch sein im Laufe der Geschichte auftauchender, zusätzlicher weiblicher Sidekick könnte aus diesem Setting stammen. Es handelt sich aber keineswegs um ein Plagiat!

ExLibris Johnny Congo GA VZA

Der Urwald sieht sowohl bedrohlich genug aus, um einen Schauer zu erzeugen und Gedanken darum kreisen zu lassen, was wohl hinter diesen Blättern verborgen ist. Gleichzeitig weckt er aber auch die Sehnsucht der jugendlichen Zielgruppe, selber dort Abenteuer erleben zu können. Well done, würde ich sagen!

Ein weiteres Kleinod

Ansgar Lüttgenau hat ein Händchen dafür, Sachen auszugraben, die im Koralle-ZACK hätten veröffentlicht werden können. Auch diese beiden Geschichten mit Johnny Congo hätten es verdientgehabt. Nun werden sie aber wenigstens im großen Format und in einer stabilen Hardcover-Ausgabe veröffentlicht. Fans von Greg als auch von Eddy Paape können hier fast bedenkenlos zuschlagen, das Ergebnis entspricht genau den Erwartungen!

Cover Johnny Congo GA VZA

Für Fans und Sammler*innen gibt es eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und ExLibris.

Dazu passen Snarky Puppy, etwa mit „Keep it on your mind“, und ein Black IPA.  

© der Abbildungen 2024 by Greg & Foundation Eddy Paape / 2024 All Verlag

Lebon – Western Love 1

Der Rotschopf und der Schönling

Story: Augustin Lebon
Zeichnungen: 
Augustin Lebon

Originaltitel: Western Love, Tome 1

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 56 Seiten | Farbe | 17,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-389-2

Cover Western Love 1

Als der Western-Comic vor 80 Jahren seine erste richtige Blütezeit hatte, gesellte sich nach kurzer Zeit ein Sub-Genre hinzu, das bei fast allen amerikanischen Häusern große Erfolge verbuchen konnte und eigentlich erst durch SF/Horror im Zuge des kometenhaften Aufstiegs von EC sein Ende fand: Western Romance! Auch die hartgesottenen Kerle hatten so etwas wie eine Schokoladenseite und irgendwie musste der Westen ja auch nachhaltig besiedelt worden sein. Über Schwärmerei gingen die Inhalte allerdings selten hinaus und Inhalte wie bei Brokeback Mountain oder Zarter Schmelz waren selbstverständlich undenkbar. Der Splitter-Verlag startet nun einen ersten Versuch, ob sich diese Spielart erneut durchsetzen kann.

Eine Restaurantbesitzerin und ein Krimineller

Da es eine unendliche Vielzahl an Liebesgeschichten gibt, ist es notwendig immer wieder neue, unerwartete Plots zu schaffen, die nicht sofort vorhersehbar sind. Die Konstellation in einem Western mit Bankraub und wilder Horde eine Restaurantbesitzerin zum Ziel der Träume eines Kriminellen zu machen, ist da schon mal ein guter Startpunkt.

Western Love 1 page 4

Die Ausgangssituation ist relativ einfach: Der „Rotschopf“ führt ein Restaurant, das kurz vor dem Bankrott steht. Die einzige Lösung scheint eine reiche Heirat. Der „Schönling“ ist im dem kleinen Städtchen, um auszukundschaften, wie die Bank um ihre Einlagen erleichtert werden kann. Wie der Zufall es will, begegnen sich die Beiden in einer Weise, für die verbesserungsfähig eine höfliche Umschreibung wäre. Tatsächlich folgen Romanzen aber keiner Logik und so entwickelt sich das Ganze wider besseren Wissens.

Lebon nutzt dafür natürlich Klischees, twisted sie aber auf eine sehr liebevolle Weise (Kaktus!). Zusätzlich erzählt er aber auch eine knallharte Story, die fast schon einem Italo-Western gut zu Gesicht stünde. Die Szenen der Verliebtheit und die der Folter und des Pulverdampfes wechseln sich ab.

Humor und Härte

Augustin Lebon ist nicht nur für das Szenario verantwortlich, er hat auch die Zeichnungen erstellt. Dadurch ist die Kombination aus Geschichte und Umsetzung, die manchmal verrät, wie die entsprechenden Künstler Szenen unterschiedlich verstanden haben, eine Einheit. Lebon weiß, wann er eine linkische Position haben möchte, wann eine verzweifelte und wann eine durchsetzungsfähige. Er denkt Inhalt und Aussehen gleichzeitig und ist glücklicherweise auch fähig, das darzustellen!

Western Love 1 page 6

Grundsätzlich schwebt immer eine kleine Prise Semi-Funny im Raum. Das mildert die härtesten Szenen etwas ab und erlaubt den romantisch veranlagten Leser*innen, die Gewalt als notwendige Prüfung zu ignorieren. Die Fans knallharter Western können dagegen die Romantik ein wenig in den Hintergrund schieben, geht es doch schließlich um etwas ganz anderes.

Die Kombi machts!

Für mich funktioniert die Kombination ausgezeichnet. Dadurch haben wir es weder mit dem x-ten Aufguss einer bekannten Story zu tun, noch ist der Western zu einem reinen Kulissenspektakel degradiert worden. Und nicht zuletzt gefällt mir der Humor, der immer wieder hinter einer Ecke quasi unerwartet daherkommt!

Der vorliegende Band 1 führt in die Personen ein, erklärt ihre Hintergründe, und macht sie somit glaubwürdig. Der etwas linkische Gangster und die handfeste Köchin ergeben ein perfektes Duo und lassen daher für die Zukunft noch einiges erwarten!

Western Love 1 page 9

Dazu passen Jenny Don’t and the Spurs, etwa mit „Broken Hearted Blues“ und ein Bullit Frontier Whiskey!

© der Abbildungen Editions Soleil 2023, by Augustin Lebon | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

ZACK 302 (August 2024)

ZACK 302

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 302

Ein Heft ohne Neustart und das bei sechs Fortsetzungen. Dafür steigt aber auch die Vorfreude auf die kommende Ausgabe, denn es gibt immerhin drei Abschiede. Ansonsten bleibt der diesjährige Sommer gleichzeitig zu warm und zu nass, lässt also genügend Möglichkeiten offen, die 100 Seiten zu genießen! Außerdem lohnt sich definitiv ein Blick in das Programm sowohl der ZACK-Edition, die nun auch Tanguy und Laverdure eine Heimat gibt, als auch der ZACK-Spezial Bände. Wem die Ausgabe 300 gefallen hat, sollte sich schon mal das ZACK-Sonderheft 1 vormerken, das weitere Kurzgeschichten aus der Tintin-Jubiläumsnummer auf Deutsch veröffentlichen wird.

Die Fortsetzungen

ZACK 302 wartet auf dem Cover mit einer Abbildung aus Die Bank auf. Während die beiden Protagonisten hier fast friedlich nebeneinanderstehen, ist die wirtschaftliche Lage tatsächlich etwas komplizierter. Bankgeschäfte versprechen nun einmal große Profite, erlauben aber auch ebenso hohe Verluste. Band 5, Die Scheckhefte von Panama, spielt in der Neuen Welt, zeigt aber die alten Konflikte. Pierre Boisserie & Philippe Guillaume lassen dabei erneut nicht nur die männlichen Mitglieder der Familie agieren. Stéphane Brangier zeichnet sehr realistisch mit einem Faible für ausgefallenen Perspektiven.

ZACK 302 page 5

Im letzten Teil war Mata Hari „freundlich“ überredet worden, ihre Verbindungen in Frankreich zugunsten des Deutschen Reichs als Spionin zu verwenden. Nun ist sie wieder in Paris angekommen und muss tatsächlich ein falsches Spiel spielen. Und trotz aller Ängste findet sie die Chance einer neuen Liebe. Esther Gil erzählt das dramatische Leben mit Achtung vor den Beteiligten und Laurant Paturaud setzt das sehr angemessen um. Sicherlich ein Kandidat für die Überlegung einer späteren Albenpublikation.  

ZACK 302 page 68

Der zweite Teil des zweiten Bandes von Bootblack, seines Zeichens zweiter Teil der New York Trilogie, konfrontiert den Protagonisten mit den Taten aus der Vergangenheit. Dabei gehen die Zeitebenen ansatzlos ineinander über und erfordern von den Leser*innen ein gewisses Mitdenken. Wie auch im ersten Teil Giant (der gerade als Gesamtausgabe erschienen ist) steht weniger eine personenbezogene Handlung im Vordergrund als die Situation, die Menschen in ihrem Überlebenskampf zu bestimmten Handlungen verleitet. Für mich eine grandiose Graphic Novel von  Mikaël , die auch noch beim zweiten oder dritten Lesen fasziniert. Dazu trägt natürlich auch das etwas andere Artwork bei.

ZACK 302 page 83

Die Abschiede

Im europäischen Osten treten mehr und mehr Konflikte zu Tage, die darauf beruhen, dass sich Russland (und seine Verbündeten) und die westlich orientierten Staaten unterschiedlich entwickeln wollen. Natürlich sind damit auch ökonomische Einflusssphären gemeint. Ein Faktor in diesem „Spiel“ ist Waffentechnologie und damit fast logisch verbunden entsprechende Wirtschaftsspionage. Tanguy und Laverdure werden in Die unsichtbare Grenze mitten in eine solche Auseinandersetzung gezogen und schweben in Lebensgefahr. Auch diese Episode von Patrice Buendia & Frédéric Zumbiehl ist wieder der Anfang eines Mehrteilers, der das Leben der Kampfpiloten mit politischen Ereignissen verknüpft. Wie auch in den gerade erschienenen Alben 24 und 25 darf Sébastien Philippe grandiose Actionszenen am Boden und in der Luft zeichnen.

ZACK 302 page 23

Die Posse um eine strohdoofe Truppe von rechtsradikalen Schlägern im Zusammenhang mit den Dreharbeiten eines expressionistischen Filmes in der Episode Kino um Aleksis Strogonov hat nun ein Ende. Émile Bravo mit seiner modernen Interpretation der klaren Linie hat zurecht seine Fans, und auch Jean Regnaud hat bereits gute Szenarien abgeliefert. Hier wollten sie vielleicht einfach zu viel. Möglicherweise verstehe ich aber auch einfach ihre Art des Humors nicht.

ZACK 302 page 39

Ebenfalls zu einem vorläufigen Ende gekommen ist Harmony. Metamorphosis, der sechste Band der Reihe von Mathieu Reynès, bringt ein weiteres überraschendes Detail ans Licht (das hier natürlich nicht verraten werden soll). Auf jeden Fall steht die Frage im Mittelpunkt, ob es gelingen wird, die Held*innen wieder zu vereinen. Sehr spannende Kombination aus Mystery und Krimi mit modernen Zeichnungen und einem spannenden Layout. Dieses passt sich den jeweiligen Erfordernissen an Tempo und Dramatik an und vermittelt eine sehr filmähnliche Wahrnehmung.  

ZACK 302 page 53

Und sonst?

Was wäre das Heft ohne die Rubriken, Artikel und One-Pager? Näher vorgestellt werden die Gesamtausgaben der Flintenweiber (von Georg F. W. Tempel) und Giant (vom Verfasser dieser Zeilen). Frank Neubauer lästert in seiner Kolumne, stellt aber auch Neuerscheinungen vor und kommentiert Meldungen aus der Welt der Bildgeschichten. Michael Klein erinnert an das ZACK vor 50 Jahren und Parker & Badger, Grott & Schrott und Tizombi und seine Freunde dürfen sich mit nicht alltäglichen Alltäglichkeiten herumschlagen.

Dazu passen die unverwüstlichen Deep Purple mit ihrem neuen =1 und ein Bockbier aus der „Unwrap-Serie“ für das Blindtasting zuhause.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Buendia, Zumbiehl/Philippe – Tanguy und Laverdure 24 + 25

Sanddiamanten + Das Wüstenschwert

Story: Patrice Buendia, Frédéric Zumbiehl
Zeichnungen: 
Sébastien Philippe
Originaltitel: 
Les Chevaliers du ciel Tanguy et Laverdue 6 + 7 – Diamants de Sable + Le sabre du désert

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | je 56 Seiten | Farbe | je 18,00 €

ISBN: 978-3-949987-41-0 + 978-3-949987-42-7

Die beiden Piloten Tanguy und Laverdure, die bereits im dritten ZACK-Heft der Koralle-Ära ihren ersten Auftritt hatten, fliegen mittlerweile wieder regelmäßig im „neuen“ ZACK und standen in den letzten drei Jahren bei der Wahl der ZACK-Serie des Jahres jeweils auf dem Podium. Nun haben also auch die aktuellen Alben (mit Ausnahme der Neuinterpretationen der alten Geschichten, die weiterhin bei Salleck erscheinen) ihre Heimat in der ZACK-Edition gefunden. Die Nummerierung schließt dabei an die bereits existierenden deutschen Folgen an und folgt nicht der französischen.

Ein Pulverfass im Nahen Osten

Die Geschichten von Patrice Buendia und Frédéric Zumbiehl sind einerseits nah an der militärischen Wirklichkeit. Beide Bände enthalten einen Anhang, der die Künstler bei der Mirage-Staffel der französischen Luftwaffe zeigt. Wie etwa auch Jean Graton mit dem Motorsport eng verknüpft war, sind die beiden Szenaristen nahe am Geschehen, Zumbiehl war sogar selbst Kampfpilot. Auf der anderen Seite versuchen sie, aktuelle Themen aufzugreifen.

Der aktuelle Zweiteiler spielt in einem fiktiven kleinen Staat im Nahen Osten, dem Königreich Dahman. Es wird von seinem fundamentalistischen Nachbarn bedroht, außerdem scheinen Schmuggler und andere Kriminelle für eine zusätzliche Instabilität zu sorgen. Tanguy und Laverdure werden vom Verbündeten Frankreich mit zwei Mirage, die für Atomwaffen geeignet sind, in das Krisengebiet entsendet und sollen für Stabilität sorgen. Diese Hilfe wird von offizieller Seite gerne angenommen.

Tanguy und Laverdure 24 page 3

Im ersten Band decken die Beiden einen Drogenschmuggel mit sogenannten Sanddiamanten auf, im zweiten scheint eine feindliche Aktion unmittelbar bevorzustehen und es kommt zur Operation Wüstenschwert. Den Szenaristen gelingt es, die Essenz der beiden Piloten zu treffen, ihre Freundschaft zu thematisieren und gleichzeitig den tollkühnen Frauenhelden und den planenden Strategen lebendig werden zu lassen.

Luftkämpfe über der Wüste

Sébastien Philippe beweist sein Gespür für sich bewegende Objekte. Sowohl Autos in der Stadt als auch in der Wüste gelingen ausgesprochen gut und die rasanten Luftszenen mit vielen verschiedenen Fluggeräten sind teilweise atemberaubend. Die Originalserie fand ich gar nicht mal so spannend. Die aktuelle Inkarnation besticht aber durch die Integration dieser Actionszenen in ein glaubwürdiges Szenario, das mehr enthält als nur militärischen Alltag.

Tanguy und Laverdure 24 page 7

Und auch die alltäglichen Szenen, Gespräche an der Bar, Wartungsarbeiten oder Briefings gelingen glaubwürdig. Die Figuren und ihre Bewegungen sind stimmig, die Gesichtszüge manchmal etwas karikiert und überzeichnet, aber immer in einem realistischen Stil. Eine gelungene Mischung aus Humor und Action.

Ein gelungener Neustart

Klassische Serien haben immer ein wenig mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass aus einem früheren Erfolgsmodell das letzte Quäntchen herausgepresst werden soll. Davon kann hier keine Rede sein! Eine sehr spannende Story, hart am Puls der Zeit und gleichzeitig detailliert ausgearbeitet und umgesetzt, die trotzdem den Humor nicht vergisst und den alten „Komiker“ mit der neuen Zeit konfrontiert. Auch so kann man den Wandel der Zeiten deutlich machen!

Tanguy und Laverdure 25 page 3

Wer sich für Technik-lastige Comics begeistern kann und gleichzeitig politische als auch Soap-artige Elemente mag, liegt hier auf jeden Fall richtig! Für mich ist die Serie jetzt sogar viel besser als in ihren Anfängen, die doch immer etwas schaumgebremst waren. Die Aufmachung mit Anhang ist auf jeden Fall lobenswert! Aktuell läuft im Übrigen gerade Die unsichtbare Grenze in ZACK 298 – 302.

Dazu passen Joe Bonamassa mit „Riding with Kings“ und ein Virgin Mojito.

© der Abbildungen Dargaud 2018, by Buendia, Zumbiehl, Philippe / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Weckwert – Spaß Spannung Abenteuer

Die Chronik des Koralle-ZACK

Text: Bernd Weckwert

Originalausgabe

All Verlag

Hardcover | 400 Seiten | Farbe | 59,80 € |

ISBN: 978-3-96804-118-6

Cover Spaß Spannung Abenteuer

276 Ausgaben lang von 1972 bis zu seinem Ende in 1980 prägte das ZACK aus dem Koralle-Verlag eine Generation junger Comic-Leser*innen in Deutschland nachhaltig. Bereits vor dem Erscheinen dieser Zeitschrift waren frankobelgische Geschichten und Held*innen in deutschen Magazinen präsent und auch danach ebbte die Anzahl der Geschichten nicht ab, wenn sich auch (neue) Magazine bis zur Jahrtausendwende nicht mehr wirklich halten, geschweige denn etablieren konnten. Was aber machte den Reiz aus, der dazu führte, Comic-Fans einer bestimmten Altersstufe immer noch als „Generation ZACK“ zu bezeichnen?

Die Geschichte

Am 13.04.1972 erschien die erste Ausgabe (17/1972) und wartete gleich mit vier hochkarätigen Stories auf: Fortsetzungsgeschichten mit Michel Vaillant, Luc Orient, Umpah-Pah und Andy Morgan machten den Anfang, in Heft 19 kamen Leutnant Blueberry und Mick Tangy hinzu. Das ZACK brachte hauptsächlich Material aus Tintin und Pilote, hochklassige Comics, die in dieser Kombination für Deutschland etwas komplett Neues darstellten. Das Heft versprach jede Woche Spaß – Spannung – Abenteuer und konnte diesen Anspruch zunächst auch brillant erfüllen.

Spaß Spannung Abenteuer page 25

Im Laufe der Zeit kamen Alben (ZACK-Box) und Taschenbücher (ZACK-Parade) hinzu, Clubs, Sammelabenteuer, Preisausschreiben und vieles mehr sorgte für eine starke Leserbindung. Das ZACK wurde mit dem Yellow Kid bedacht, einer internationalen Auszeichnung, und schaffte es, seine Reputation auch außerhalb der deutschen Grenzen zu entwickeln. War Deutschland bisher eher ein comictechnisches Entwicklungsland gewesen, war das ZACK nicht nur preiswürdig, es gelang sogar Künstler wie Albert Weinberg, Jean Graton oder Jean-Michel Charlier aus ihren bisherigen Verträgen loszueisen und sie exklusiv zu verpflichten. Aus dem Lizenznehmer schien ein Lizenzgeber zu entstehen.

Zu der Geschichte gehört aber auch, dass die anfangs immens hohe Auflage sank und aus heutiger Sicht falsche Entscheidungen getroffen wurden. Dazu gehört zum einen die „Episode Kauka/Wiechmann“, zum anderen sicherlich auch der Glaube, dass Leserinnen keine Fortsetzungen goutieren würden. Auch hier präsentiert Bernd Weckwert im ersten Teil eine unglaubliche Menge an Fakten.

Spaß Spannung Abenteuer page 106

Die Details

Überhaupt, die Details: Der Band ist eine Fundgrube für Leute, die es genau wissen wollen. Spaß Spannung Abenteuer enthält daher alle Cover aller (!) ZACK-Publikationen mit den jeweiligen Informationen über den Inhalt. Dazu kommen Abbildungen aller Poster, aller ZACK-Sammelobjekte und eine Unmenge weiterer Fotos und Illustrationen. In den Statistik-Teil eingebettet sind jeweils kurze Abschnitte über Künstler und Serien. Man wird dadurch angeleitet, sich wirklich durch jede Seite zu arbeiten!

Spaß Spannung Abenteuer page 224

Die Analyse

Würde das Koralle-ZACK heute noch eine Chance auf dem Markt haben? Es hat anfangs zwar viele Dinge richtig gemacht, angefangen mit den originalgetreueren Übersetzungen über die Lizenzen von Tintin und Pilote sowie den Ausweitungen auf Serien aus Südeuropa. Dass nicht jede Serie auf Gegenliebe gestoßen ist, ist normal. Man war sogar flexibel genug, TV-Trends zu übernehmen und etwa Enterprise oder Kung-Fu zu bringen. Richtige Auswahl? Vielleicht nicht ganz, aber im Ansatz natürlich richtig. Und ob es klug war, auf Material von Spirou zu verzichten, ist ebenfalls nur spekulativ zu beantworten.

Ein aus heutiger Sicht kritisches Manko war die eigenwillige Kürzungspolitik, bei der Geschichten teilweise auf ein Drittel zusammengestrichen (Wiechmann-Ära) bzw in separate „Kurz“-Geschichten gesplittet worden waren. Natürlich mussten dafür die Inhalte „angepasst“ werden. Ich bin mir nicht sicher, ob die Leser*innen nicht auch damals schon Fortsetzungen viel besser gefunden hätten.

Spaß Spannung Abenteuer page 381

Zum Ende hin war das ZACK auf dem Weg zu einem globalen, nun ja, europaweiten Player mit Ablegern in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Da man es geschafft hatte, bereits einige Szenaristen und Zeichner direkt zu verpflichten, war das der logische nächste Schritt. Im Zeichen des Rückgangs der Verkaufszahlen aller Comic-Magazine vielleicht aber einfach zu spät. Und wer von Skaleneffekten profitieren möchte, hätte bei der Harmonisierung kompromisslos sein müssen.

Ein Erinnerungsstück!

Ich selbst habe das ZACK in meiner Jugend regelmäßig gelesen und den Unterschied zu anderen Magazinen wie Fix und Foxi oder Kobra sehr wohl bemerkt! Insofern sind gerade die vielen Abbildungen aber auch die Namen der Geschichten verknüpft mit einer Vielzahl von Erinnerungen. Auch wenn ich heute die Sachen, die ich wirklich haben wollte, in guter Qualität im Regal stehen habe, kann doch nichts an die erste Begegnung herankommen.

Für alle, denen es genauso geht, ist die Chronik ein Must-Have! Bernd Weckwert hat sich viel Mühe gegeben, die einzelnen kleinen Puzzle-Teile in eine lesbare Form zu verpacken. Hut ab! Und der Preis ist für dieses überformatige, dicke Kompendium auch vollkommen in Ordnung! Das „neue“ ZACK hat mittlerweile übrigens über 300 Ausgaben geschafft und erscheint seit einigen Jahren bei Blattgold.

Dazu passen ein Hit von 1974, The Sweet mit „Teenage Rampage“, und eine dreieckige Tüte Sunkist.  

© der Abbildungen 2024 All Verlag und Bernd Weckwert sowie bei den jeweiligen Künstlern und originalen Lizenz-Verlagen

Sente/Verron – Mademoiselle J. 2

1945: Bis ans Ende der Welt

Story: Yves Sente

Zeichnungen: Laurent Verron

Originaltitel: Jusq’au bout du monde

Carlsen Comics
Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 
978-3-551-76749-3

Cover Mademoiselle J. 2

Ein Spin-Off, das sich aus einer Hommage entwickelt hat. Diese nicht allzu häufige Konstruktion finden wir hier. Mademoiselle J(uliette) erblickte das Licht der Welt in einem der „Spirou par“-Bände die in Deutschland unter dem Titel Spirou und Fantasio Spezial erscheinen. Sein Name war Ptirou, so der Titel, war so erfolgreich und die Figur der aufgeschlossenen und unerschrockenen jungen Frau so vielversprechend, dass eine Reihe daraus entstanden ist.

Die Besatzung, der Holocaust und die Folgen

Die Geschichte ist wieder in eine fortlaufende Rahmenhandlung eingebettet: Onkel Paul kommt zu Besuch und erzählt die Abenteuer von Juliette de Sainteloi. In Band 1 hatte sie sich gerade noch weigern können, das Unternehmen ihres Vaters an einen Nazi verkaufen zu müssen. Als am 14. Juni 1940 die deutsche Armee in Paris einmarschiert, wird der Betrieb allerdings zwangsenteignet. Und auch ihre Wohnung in der Hauptstadt wird zumindest teilweise zweckentfremdet, wird doch dort ein deutscher Offizier einquartiert.

Während die meisten Deutschen als brutal und stupide gekennzeichnet werden, ist der einquartierte Offizier wenigstens höflich und hat sich ein wenig Menschlichkeit bewahrt. Juliettes Freundin Lea und ihre Eltern sind jüdischen Glaubens. Leider befolgen sie den Rat zur Flucht nicht und bei ihren Menschenjagden greifen die Deutschen sie auf und verfrachten sie in Vernichtungslager im Osten.

Mademoiselle J. 2 pages 3, 4

Nach der Befreiung durch die Alliierten macht sich Mademoiselle J bis ans Ende der Welt auf, Lea zu suchen. Dabei kommt ihr zur Hilfe, dass sie sich im Widerstand aktiv in der Redaktion einer Untergrundzeitung engagiert hat. Yves Sente spinnt den Lebensfaden dieser mutigen Frau weiter. Sie steht ein für Freiheit, gegen Unterdrückung und Machtmissbrauch und natürlich auch für die Rechte der Frau. Immer wieder taucht ein geträumter Ptirou auf, um sie moralisch zu unterstützen, er ist aber eindeutig nur eine Nebenfigur und nimmt keine Heldenrolle ein.

Realistische Zeichnungen

Die (überlange) Folge kombiniert in ihren Zeichnungen knallharten Realismus mit der romantischen Marcinelle-Schule. Die moderne Variante macht klar, dass keine Wichtel um die Ecke kommen werden. Eine magische Wendung ist ebenfalls ausgeschlossen. Trotzdem vermittelt Lauren Verron das Prinzip Hoffnung. Solange es Menschen gibt, die sich für das Gute und die Freiheit einsetzen, ist nicht alles verloren.

Dementsprechend machen auch die Physiognomien bereits deutlich auf welcher Seite die Personen stehen. Böse Menschen haben sowohl eine ständig bedrohliche Körperhaltung als auch einen entsprechenden Gesichtsausdruck. Wenn es etwas zu meckern gibt, dann vielleicht, dass Juliette eine Blondine mit Model-Maßen ist. Ein wenig mehr „Alltag“ wäre hier möglicherweise besser gewesen.

Mademoiselle J. 2 pages 5, 6

Ein der spannendsten Serien aus dem Spirou-Kosmos!

Der Spirou-Kosmos wächst und wächst. Neben der wieder neu laufenden Hauptreihe gibt es unzählige Interpretationen durch Gast-Künstler*innen. Dazu kommen lokale Interpretationen, die bei Erfolg weltweit ausgerollt werden. Im Zuge des 100. Geburtstag von André Franquin wurden viele Titel neu aufgelegt und dann gibt es ja noch die ganzen Reihen mit dem Marsupilami.

Viele der neuen Reihen (etwa die „Freunde“ oder von Bravo) beschäftigen sich mit dem Zweiten Weltkrieg und den Gräueltaten der Deutschen. Mademoiselle J. fügt aber einen aufgeklärten Feminismus hinzu der weder belehren noch erziehen will. Danke!

Dazu passen Operation Ivy mit “Unity“ und eine Limetten Limonade.

© der Abbildungen DUPUIS 2023 / 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Dubois/Delvaux – Die Abenteuer von Jacques Gibrat 10

Der Schatz von Noirmoutier

Story: Thierry Dubois
Zeichnungen: Jean-Luc Delvaux

Originaltitel: Une aventure de Jacques Gipar Tome 10 : Le Trésor de Noirmoutier

Salleck Publications

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,00 € | 
ISBN: 978-3-89908-808-3

Cover Jacques Gibrat 10

Salleck Publications ist einer der vielen kleinen deutschen Verlage, ohne die die hiesige Comic-Landschaft sehr viel trostloser wäre. Für die großen Platzhirsche Splitter, Carlsen, Egmont Ehapa und Panini zählen ganz andere finanzielle Anforderungen als für die kleinen. Salleck kann daher Serien und Einzelbände veröffentlichen, die zwar qualitativ nicht schlechter sind, die es aber nie geschafft haben, einen Marketing-Hype zu entfachen.

Eine ganz besondere Insel

Die Geschichte spielt im April 1956 auf Noirmoutier, einer kleinen Insel, die bis 1971 nur durch die Passage du Gois mit dem Festland verbunden war. Die mehr als 4 KM lange Straße war nur bei Ebbe für 3 Stunden befahrbar und lag ansonsten unter Wasser. Um für Unfälle und Pannen aller Art gewappnet zu sein, gab es alle 500 Meter kleine erhöhte Plattformen auf der sich Personen in Sicherheit bringen konnten. Diese Passage spielt eine wesentliche Rolle in diesem Band.

Er beginnt mit einem tragischen aber doch fast schon alltäglichen Ereignis: Bei einer Schlägerei zwischen Betrunkenen stirbt ein Mann, ein früherer Sträfling wird der Tat verdächtigt und festgenommen. Er ist gleichzeitig der Wirt des kleinen Cafés, für das ein Kaufangebot gemacht worden war. Dieses hat er nicht nur abgelehnt, er beteuert auch seine Unschuld.

Jacques Gibrat wird gebeten, nach dem Rechten zu sehen und beginnt seine Ermittlungen in deren Verlauf Verbindungen zur Nazi-Zeit deutlich werden. Es scheint, dass untergetauchte Kollaborateure ihre Finger im Spiel haben. Vielleicht gibt es ja sogar einen mittelalterlichen Schatz von Noirmoutier. Thierry Dubois erzählt routiniert und spannend und führt die Leser*innen immer wieder über die gefährliche Passage.

Modern mit einem leicht nostalgischen Flair

Jean-Luc Delvaux setzt die Geschichte in zwar modernen Zeichnungen um. Diese lassen aber ein nostalgisches Flair aufkommen und passen sich an den Dekors, die Mode und die Autos der 50-er Jahre an. Das strenge vierstreifige Layout der Seiten, die reduzierte Mimik und in gewisser Weise auch die Gemütlichkeit der Aktionen bezeigen die Verbundenheit mit der älteren Zeichenschule.

Man möge dieses allerdings nicht als Kritik missverstehen: Die Reminiszenzen sind gewollt und passend, die Zeichnungen passen perfekt zur Geschichte. Während heute vieles gleich aussieht, haben sich Dubois und Delvaux eine Zeit ausgesucht, in der Unterschiede noch eine viel größere Rolle spielten. Vor allem Autoliebhaber*innen kommen hier auf ihre Kosten!

Ein Ausflug in die Vergangenheit

Eine Brücke hat die Passage (für Autos) ersetzt, Unterschiede sind nivelliert worden und Taten aus der Vergangenheit sind mittlerweile (zum Glück) zu einem wesentlichen Teil gesühnt. Geschichten wie diese müssen also in die Vergangenheit verlegt werden. Es geht aber nicht um eine „Flucht“ in die „gute, alte Zeit“, es ist nur ein Stilmittel, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

Dazu passen Frank Sinatra, etwa mit einem Hit von 1956 “The Tender Trap” und einem Cognac!

© der Abbildungen BELG Prod. 2022, by Dubois & Delvaux / Eckart Schott Verlag 2024

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