Frenz/Ordon – Phantom 1

Die verschwundenen Base-Jumper

Story:  Bernd Frenz
Zeichnungen: 
Janusz Ordon
Originaltitel: 
Fantomen

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Softcover | 56 Seiten | Farbe | 16,00 €

ISBN: 978-3-949987-66-3

Cover Phantom 1 ZACK-Edition
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Viele Jahre war der ganz besondere Superheld vom deutschen Markt verschwunden, nur um urplötzlich in einer Vielfalt zurückzukehren, die von niemandem erwartet worden war. Lee Falk’s Phantom ist ein Phänomen sondergleichen. Für Fans und Sammlerinnen gibt es das Kompendium von Blees und eine Mischung aus alten, bisher bei uns unveröffentlichten Klassikern erscheint bei Zauberstern. Neben der zweibändigen Ausgabe mit von Mitton gezeichneten Stories nun also auch eine Reihe mit Geschichten von Bernd Frenz!

Der aktuelle Wandelnde Geist im Kampf gegen das Verbrechen

Das Phantom hat einen Vorteil gegenüber allen anderen Superheld*innen, kann er doch auf eine Historie von Inkarnationen verweisen und somit Geschichten über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten ermöglichen. Der deutsche Szenarist Bernd Frenz konzentriert sich aber zunächst auf das aktuelle Geschehen. Ursprünglich als dritte und vierte seiner Geschichten in dem schwedischen Fantomen-Magazin erschienen, bilden sie den Auftakt der Reihe, da beide vom gleichen Zeichner umgesetzt worden waren.

Die verschwundenen Base-Jumper beunruhigen die Gemeinschaft der Extremsportler, gibt es doch scheinbar keine Erklärung für ihr Verschwinden. Daher beschließen das Phantom und seine Frau der Sache nachzugehen und sich als Jumper auszugeben. Tatsächlich müssen sie am eigenen Leib erfahren, was mit den vorherigen Springer*innen passiert ist. Es entwickelt sich eine spannende, actionreiche Geschichte mit einem wahnwitzigen Plan.

Phantom 1 ZACK-Edition page 3
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Auch Gefährliche Wasser ist sehr actionreich, bezieht seine Idee aber aus aktuellen Sicherheits- und Militärtechnischen Entwicklungen. Wir alle haben spätestens während des Angriffs von Russland auf die Ukraine lernen müssen, dass moderne Waffen mehr und mehr aus unbemannten, autonom operierenden Drohnen bestehen. Hier werden sie nicht durch staatliche Stellen eingesetzt!

Kolorierte Schwarz-Weiß Seiten

Über eine lange Zeit erschien das schwedische Magazin nur mit schwarz-weißen Seiten, die perfekt zu diesem Comic passen. Schließlich liegen die Ursprünge der Seite im Comic-Strip, also der Tagesstreifen und später auch Sonntagsseiten für Zeitungen. Auch Janusz Ordon beherrscht das Spiel mit den Schwarzflächen, die der Seite Tiefe geben. Die Seitenaufteilung ist sehr flexibel, die markanten Gesichter kommen trotz der nachträglichen Kolorierung gut zur Geltung!

Detail Phantom 1 ZACK-Edition page 4
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Seine hier mitabgedruckten Covermotive beweisen aber, dass er auch farbige Seiten abliefern kann. Wie immer bei dieser Serie versucht das Motiv, den Inhalt spannend anzuteasern. Das ist manchmal ein heikles Unterfangen, wird das Cover doch schon oft nach der ersten Idee gezeichnet, bevor die Story wirklich geschrieben ist. Es können also Abweichungen vorkommen. Hier sind aber wenigstens Covermotiv und Story von einem Zeichner, die Abweichungen halten sich daher im Rahmen.

Schon wieder ein anderes Phantom!

Es ist wirklich erstaunlich, welche Vielfalt den Phans aktuell geboten wird! Von Klassik über amerikanischen Heftchen-Mainstream, von frankobelgischen Einflüssen bis hin zu europäischer Interpretation der Strips ist alles dabei! Die neue Reihe in der ZACK-Edition bedient dabei gleich zwei Kategorien, denn zum einen stehen die Stories in der europäischen Tradition, zum anderen kommt der Szenarist aus Deutschland und ist international erfolgreich. Allein das hat immer noch einen gewissen Seltenheitsfaktor!

Detail Phantom 1 ZACK-Edition page 6
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Dankenswerterweise gibt es in dem Band einen Artikel von Bernd Frenz mit Hintergründen über Reihe, Format und natürlich auch die Künstler. Die Illustrationen ermöglichen es den Leser*innen, die Entstehungsphasen nachzuvollziehen und machen Lust auf mehr. Das einzige kleine Manko: die bibliographischen Angaben sind unterdurchschnittlich. Bei den weiteren Bänden wäre es schön, diese Informationen zu finden.

Dazu passen Samantha Fish mit „Bulletproof“ und ein Trophy Lager.

© der Abbildungen 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

ZACK 305 (November 2024)

ZACK 305

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 305

Wer von Euch, liebe Leser*innen, war während des Sommers am Strand? Vielleicht habt auch ihr Euch eingraben lassen und erinnert Euch nun gerne daran. Es gibt aber auch andere Stories, die man nicht erleben möchte und Coverboy Rick Master muss seine Freizeitbeschäftigung verschieben…  Dieses Heft wird begleitet von einer ganzen Reihe an anderen Projekten: ZACK-Sonderheft 1 kommt bald, ZACK-Spezial ist schon da, Michel Vaillant und Das Phantom geben sich die Ehre, Rio geht in die zweite Runde und die Chroniken von Amoras stehen ebenfalls in den Regalen!

Die Neustarts

Gleich drei Serien beginnen komplett neu oder doch zumindest mit weiteren Teilen. Den Anfang macht Rick Master, der sich zusammen mit Nadine ein paar wohlverdiente Tage am Strand gönnt. Während der Kommissar sich mit den geistigen Höhenflügen seiner Untergebenen herumschlagen muss, wird ein kleines Mädchen beinahe Opfer eines Verbrechen am Meer! Zidrou gibt sehr viel Wortspielereien zu der Spannung hinzu und Simon van Liemt setzt das gewohnt souverän um. Eines ist gewiss, langweilig wird dieser Urlaub nicht.

ZACK 305 page 5

Heute frischer Fisch ist ein neues Road-Movie. Charel Cambré und Marc Legendre zeichnen sich selbst. Auf der Suche nach einer perfekten Idee für einen Comic und gefrustet von ihrem bisherigen Leben mit unerfreulichen Signiersessions beschließen die Beiden, sich auf Reise zu begeben. Sehr humorig, auch wenn der Humor manchmal etwas unerwartet um die Ecke kommt.

ZACK 305 page 36

Und auch Die Mauern von Eden, der zweite Teil von Libertalia, startet in dieser Ausgabe. Die Meuterer haben ihr Stückchen Land gefunden und müssen sich jetzt um ihr Überleben kümmern. Auch dazu gehören Kontakte mit den Einheimischen, sowohl sexueller Natur als auch Handelssachen. Noch steht die Idee einer anarchistischen Kommune in der jeder für jeden eintritt. Es ist aber zu erwarten, dass Rudi Miehl & Fabienne Pigière Wolken am Horizont aufziehen lassen werden. Paolo Grella setzt das Ganze mit sehr aufwändigen Bildern um.

ZACK 305 page 69

Die Fortsetzungen

Rani hat wenig Glück. Kaum ist ihr die Flucht gelungen, verliert sie ihr Gedächtnis. Als Die Wilde schafft sie es zwar, in Pondichery aufgenommen zu werden, doch ihre Vergangenheit scheint sie einholen zu wollen. Von Francis Vallès sehr farbenfroh und exotisch umgesetzte Saga über eine Frau, die niemals aufgibt von Jean Van Hamme & Alcante. History vom Feinsten!

Detail ZACK 305 page 22

In der aktuellen Folge von Michel Vaillant ist Steve Warson Das Ziel einer Verschwörung. Der amerikanische Politiker lässt sich nicht für reaktionäre Kampagnen einspannen und ist im Visier einer rechten Terrorgruppe. Daneben gilt es aber auch, die 24 Stunden von Le Mans zu überstehen und möglichst zu gewinnen. Doch Francoise muss einen noch viel härteren Kampf ausfechten. Die zweite Staffel bleibt sich treu und Denis Lapière serviert Rennsport, Soap und Politthriller mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Benjamin Benéteau.

ZACK 305 page 48

Auf Amoras trifft Lambik auf Jerusalem, die bereit ist, für Verpflegung und Schutz zu bezahlen. Währenddessen macht Krimson seinen Mitarbeitern klar, was er von fremder Hilfe hält. Die Naturkatastrophe scheint die Menschen in geistige Verwirrung zu stürzen, denn überall ist nur noch Chaos. Wie gut, dass wenigstens Sidonie nicht aufgibt. Der zweite Beitrag von Marc Legendre und Charel Cambré in diesem Heft ist vielleicht nichts für Zartbesaitete, an Spannung und Tempo aber kaum zu überbieten.

Detail ZACK 305 page 85

Und sonst?

Natürlich gibt es wieder die kleinen Trenner, die dem Gehirn erlauben, zwischen zwei Fortsetzungsgeschichten ein wenig Ablenkung zu finden: Parker & Badger, Grott & Bott, Tizombi und StarfiXion zeigen das Leben aus unerwarteten Perspektiven! Neben vielen Rezensionen, News und Gedanken von Frank Neubauer, lässt Michael Klein das ZACK vor 50 Jahren Revue passieren, beschreibt Christian Endres, warum er das Cross-Over von Dylan Dog und Batman so spannend findet, und führt der Verfasser dieser Zeilen in die zu erwartenden Fettnäpfchen von Heute frischer Fisch ein.

Oder kurz gesagt: Wer hier nichts findet, wird es auch woanders schwer haben!

Dazu passen Linkin Park mit „The Emptiness Machine“ und ein Dithmarscher Bockbier.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Bottier/Callixte – Hercule Poirots Weihnachten

Agatha Christie Classics 3 – Ein Poirot-Krimi

Story: Isabelle Bottier nach Agatha Christie

Zeichnungen: Callixte

Originaltitel: Le Noel D’Hercule Poirot

Carlsen Comics
Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 
978-3-551-80426-6

Cover Hercule Poirots Weihnachten

Es weihnachtet wieder. Während die einen anfangen, nervös zu werden, weil sie nicht wissen, was sie schenken sollen, fangen die anderen an, sich mit Plätzchen und Geschichten in die richtige Stimmung zu bringen. Auch Carlsen hat mindestens einen Weihnachtsklassiker pro Jahr im Angebot. Auf Dickens folgt nun die Queen of Crime.

Die Familie, ein Hort des Friedens

Und noch ein Gegensatz: Während die einen sich darauf freuen, im Kreis der Familie ein paar glückliche Tage zu verbringen, es zu genießen, dass alle wieder vereint sind und von ihren Leben erzählen, gibt es andere, die jetzt schon wissen, dass sie die Heuchelei nicht aushalten werden.

Diese Geschichte gehört eher zu der zweiten Kategorie: Der Hausherr, reich und alt, ist ein wenig speziell und gängelt seine Kinder durchaus. Die meisten von ihnen sind aber folgsam, hängen sie doch am finanziellen Tropf. Für dieses Jahr hat er aber auch das schwarze Schaf der Familie eingeladen und zusätzlich noch eine uneheliche Enkelin. Als dann auch noch bekannt wird, dass der alte Herr sein Testament ändern möchte, ist der Siedepunkt erreicht, die Stimmungen kochen über.

Natürlich wird der alte Simeon Lee tot aufgefunden und Hercule Poirot ist zur Stelle, den Fall aufzuklären. In für Agatha Christie typischer Manier wird eine verborgene Sache nach der anderen aufgedeckt und am Ende ist wirklich jede*r verdächtig. Trotzdem wird natürlich der Fall geklärt werden müssen.

Hercule Poirots Weihnachten page 3

Weiß!

Die Zeichnungen von Callixte bringen die Atmosphäre eines englischen Landgutes und seiner Bewohner*innen gut zum Tragen. Kostüme und Dekors sind sehr stimmig und die Eigenarten im Verbergen von Gefühlen, die einigen Bewohner‘*innen der englischen Inseln zugeschrieben werden, werden ebenfalls sehr glaubwürdig dargebracht. Mit den Gesichtern, speziell den Mundpartien, steht Callixte jedoch eindeutig auf Kriegsfuß!

Wer darüber hinwegsehen kann, dass – wie so oft – eine weiße Aussparung den Mund darstellt, findet hier eine unterhaltsame Wiedergabe des klassischen Krimistoffes. (Innen-)Architektur und Kleidung gelingen jedenfalls gut genug, um trotzdem eine Empfehlung abgeben zu können!

Hercule Poirots Weihnachten page 4

Zur Einstimmung!

Weihnachtliche Katastrophengeschichten erlauben einem immer, sich zu freuen, dass es bei einem selbst anders oder aber mindestens nicht so schlimm ist. Insofern eignen sie sich perfekt zur Einstimmung. Der Baum wird geschmückt, die entsprechenden Teilchen müssen doch irgendwo im Keller sein, oder? Nachdem alles bereitet ist, kann man sich mit Hercule Poirots Weihnachten gemütlich im Sessel zurücklegen und entspannen!

Doch halt: Es fehlen noch Geschenke! Zumindest zur Adventszeit ist dieses Buch eine sehr gelungene Möglichkeit, auch andere an der Freude teilhaben zu lassen!

Hercule Poirots Weihnachten page 5

Dazu passen „Rudolph“ in der Version von Amasic und ein erster Glühwein.

© der Abbildungen BELG Prod. (2017), 1938, Agatha Christie Limited / 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

ZACK 304 (Oktober 2024)

ZACK 304

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 304

Das Jahr ist nun schon zu drei Vierteln passé, der Winter steht vor der Tür. Das bedeutet einerseits, dass es Zeit wird, einen Termin für das Aufziehen der Winterreifen zu organisieren, andererseits kehren aber auch alte Bekannte wieder ein! Mit einem Monat Verspätung startet das bereits 12. Abenteuer aus der Zweiten Staffel von Michel Vaillant! Zeitgleich sind auch der vierte Teil der Bob Morane Classics und ZACK-Spezial 12 erschienen. Das schlechte Wetter kann also kommen.

Der Neustart

Das Titelbild kündigt es bereits an, der aktuelle Michel Vaillant setzt neue Maßstäbe.  Cannonball hatte es schon angedeutet: Die Zeiten sind härter geworden und nationale Spinner machen sich immer mehr breit. Steve Warson ist theoretisch ein geeigneter Kandidat für das Amt des US-Vizepräsidenten und wird damit auch zum Ziel der Atomwaffen-Division, einer rechtsradikalen Terrortruppe mit Sitz in den USA. Und natürlich ist auch Bob Cramer involviert … Hochspannung von Denis Lapière mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Benjamin Benéteau in der Schnittmenge aus Politthriller und Rennsport. Wie immer werden Purist*innen die Gesichter bemängeln.

ZACK 304 page 5

Die Fortsetzungen

Weiter geht die Serie von Kurzgeschichten mit Harry und Platte. In Gabrielle steht zunächst Action im Vordergrund, denn Platte und ein Gangster liefern sich eine Prügelei auf Leben und Tod auf den Waggondächern eines fahrenden Zuges. Erst im Laufe der Zeit erfahren wir aus eingestreuten Rückblicken etwas über die Hintergründe. Auch hier beweist Denis Lapière seine Klasse im Konstruieren eines extrem spannenden Szenarios. Wieder nimmt er aktuelle Probleme auf und verarbeitet sie in einer sehr wertenden Weise! Die Zeichnungen von Alain Sikorski zeigen einen eigenen Stil, müssen sich aber vor den „Klassikern“ der Serie nicht verstecken. Die Veröffentlichung dieser Kurzgeschichten und einiger längerer Alben kann nur als gelungener Coup bezeichnet werden.

ZACK 304 page 36

Lambik hat es mittlerweile geschafft, auf der Insel Amoras zu landen und läuft sofort ein paar Fatties über den Weg. Diese hatten sich allerdings etwas anderes versprochen! Suske wiederum soll nach seiner Gefangennahme exekutiert werden. Möglicherweise ist es allerdings von Vorteil, dass gerade jetzt die Erde bebt und nicht einmal potentielle Todesschützen gerne draußen herumlaufen möchten. Mit einer Familienserie hat diese Adaption von Marc Legendre und Charel Cambré wahrlich nichts mehr gemein, mit einer sehr spannenden Endzeit-Science-Fiction allerdings sehr wohl. Top-Tipp!

ZACK 304 page 51

Nach ihrer doppelten Flucht ist Rani noch immer ohne Erinnerungen an ihr früheres Leben. Die Wilde beweist allerdings, dass sie ihren unbedingten Überlebenswillen nicht eingebüßt hat und zeigt ein paar Strandräubern, dass mit ihr nicht gut Kirschen Essen ist. Schließlich erreicht sie Pondicherry, ein Territorium unter französischer Herrschaft. Dort gibt es einige, die Jolanne wiedererkennen. Die ursprünglich als TV-Serie geplante Geschichte von Jean Van Hamme & Alcante ist eine Mischung aus Historie, Schmonzette und Entwicklungsroman und zurecht sehr erfolgreich. Das liegt allerdings auch an den großartigen Zeichnungen von Francis Vallès.

ZACK 304 page 65

Die Abschiede

Zwei Abschiede bedeuten zweimal Vorfreude auf Neues im kommenden Heft, zwingen uns aber auch, Abschied zu nehmen.

Auch die Familiengeschichte der Saint-Huberts böte genügend Stoff für eine Verfilmung. Intrigen, Verfehlungen und maßlose Gewinne und Verluste sind miteinander verwoben und werden durch Missgunst zusammengehalten. Das Ende der Scheckhefte von Panama ist ein schöner Cliffhanger für die weitere Zukunft, ist die Familie doch mal wieder völlig unzufrieden mit den Entscheidungen eines Sprösslings. Pierre Boisserie & Philippe Guillaume zeigen uns in die Bank wie Familie „richtig“ geht und Stéphane Brangier findet bei all der Schlechtigkeit noch genügend Zeit für eingestreute schöne Szenen..

ZACK 304 page 21

Und auch Bootblack geht zu Ende. Mikaël vermischt mehrere Zeitebenen, deutet die Verzweiflung und die objektive Hoffnungslosigkeit von Verlieren an und erlaubt seinen Figuren doch immer wieder, nicht aufgeben zu wollen. Dabei ist es egal, ob die Unterlegenen diejenigen sind, die in der Stadt die dreckigen und gefährlichen Geschäfte erledigen müssen, ob sie in den Schützengräben stecken, oder ob sie mit den Hoffnungen ihrer Eltern leben müssen, Selbstbestimmung geht anders. Giant/Bootblack/Harlem war eine der besten Graphic-Novel-Serien der letzten Jahre!

ZACK 304 page 81

Und sonst?

Für Freund*innen des Zombie-Humors erleben Tizombi, das kleine Steak und Co eine längere Geschichte mit einer neuen Gattung: Spielfiguren, Kuscheltiere und auch Haustiere werden immer öfter begraben und können daher folgerichtig auch wiederkommen. Dazu Parker & Badger, Grott & Bott und die üblichen Rubriken von Frank Neubauer und Michael Klein. Die Artikel dieser Ausgabe (übrigens vom Verfasser dieser Zeilen) beschäftigen sich mit den Flüssen der Zeit und den Chroniken von Amoras, zwei neuen Serien in der ZACK-Edition.

Dazu passen The Wolfgangs und ein Oktoberfestbier (ohne Festzelt!).

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

O‘Donnell/Holdaway – Modesty Blaise 1

Die kompletten Comicstrips 1963 – 1964

Autor: Peter O‘Donnell

Zeichnungen: Jim Holdaway

Originaltitel: Modesty Blaise 1 – 354 & 1 – 12 „Wie alles begann“

Bocola Verlag

Hardcover Querformat | s/w | 144 Seiten | 29, 00 €
ISBN: 978-3-946842-75-0

Cover Modesty Blaise 1

James Bond kennt jede*r, Emma Peel zumindest noch sehr viele. Es gab aber auch eine große Anzahl an Zeitungen die jahrelang tagaus, tagein einen Streifen mit einer nicht weniger toughen Frau abgedruckt haben: Modesty Blaise. Der Strip kommt aus England und wurde von einem ehemaligen Offizier der englischen Streitkräfte verfasst. Auch in Deutschland durften wir in einigen Zeitungen daran teilhaben und über die Jahre gab es immer mal wieder Abdrucke in Heftchen oder Alben. Nun endlich bringt der Bocola-Verlag die ultimative Gesamtausgabe heraus!

Gelangweilte kriminelle Rentner*innen?

Dieses Schlagwort wäre vielleicht etwas hart gewählt, Tatsache ist aber, dass die Heldin dieser Geschichten und ihr Mitstreiter, Willie Garvin, früher eine kriminelle Organisation angeführt haben und sich dann zur Ruhe setzten. Nun aber werden beide davon geplagt, dass in ihrem neuen Leben keine wirkliche Herausforderung lauert, und so sind beide nur allzu gerne bereit, auf freiwilliger Basis für den englischen Geheimdienst zu arbeiten.

Dieser Band enthält nicht nur drei komplette Abenteuer, sondern auch die erst später erschienene Originstory. O’Donnell hatte während des Krieges in einem Lager ein kleines Mädchen gesehen, dass scheinbar komplett alleine war, allerdings auch den Anschein machte, die damit verbundenen Gefahren schon mehrfach überlebt zu haben. Daraus wurde dann die Geschichte der Heldin.

Modesty Blaise 1 page 31

La Machine ist das erste Abenteuer überhaupt und führt die Personen ein. Der Auftragggeber, Sir Gerald Tarrant, ist froh, sich nicht an Regeln halten zu müssen, Modesty und Willie spüren endlich wieder Nervenkitzel. Es geht um eine Organisation, die Auftragsmorde ausführt. Der lange Hebel ist aus heutiger Sicht etwas nostalgisch. Es geht darum, dass während des kalten Krieges beide Supermächte gegenseitig versuchten, sich Wissenschaftler abspenstig zu machen. In Das Gabriel-Verfahren taucht schließlich ein kriminelles Mastermind erstmals auf, dessen Weg sich in Vergangenheit und Zukunft häufiger mit Modesty und Willies Wegen kreuzt.

O‘Donnell schafft es, doppelte Spannung aufzubauen. Einerseite hat er nur drei Bilder pro Tag zur Verfügung und muss die Leser*innen anhalten, am nächsten Tag weiterlesen zu wollen. Auf der anderen Seite muss natürlich eine im Ganzen stimmige und spannende Geschichte dabei rauskommen. Das gelingt perfekt und nimmt dabei den Zeitgeist der sich ankündigenden Veränderungen auf. Modesty ist tough, frei und sexy, ohne dabei aber aus dem Rahmen einer Tageszeitung zu fallen!

Übergroße schwarz-weiß Streifen

Bocola verwendet ein etwas dickeres Papier, dass farblich ein wenig den Eindruck einer Zeitung vermittelt. Die Qualität ist aber natürlich eine ganz andere, jeder feine Strich ist zu sehen und wird nicht durch Fasern verändert. Jim Holdaway spielt mit Licht und Schatten sowie Schwarzflächen. Dabei wechselt er von der Nahaufnahme zum perspektivischen Blick in die weite Ferne. Seine Modesty ist kein Püppchen, zeigt noch nicht einmal viel nackte Haut unter hochgeschlossenen Tops, ist aber durchaus attraktiv und setzt diese Eigenschaft glaubhaft ein.

Modesty Blaise 1 page 127

Aber auch die anderen Figuren gelingen Holdaway mit Bravour. Die Gesichter haben Tiefe, Linien geben Kontur und die Mode entspricht dem Jahrzehnt der Entstehung. Man sieht sehr gut die Akribie, die auf die Wiedergabe des Alltags (in seinen unterschiedlichen Schichten!) gelegt worden ist.

Zeitungsstrip as its best!

Zweifellos ist der Zeitungsstrip heutzutage nicht mehr so en vogue wie früher. Die Künstler eines gut laufenden Strips hatten ihre Million sicher und waren gefeierte Stars. Für englische Serien galt das schon nur noch eingeschränkt, für etwa niederländische kaum noch. In Deutschland gab es zwar Nick Knatterton, die meisten Zeitungen hatten dann aber doch amerikanische Strips im Angebot.

Im Humor-Bereich laufen immer noch einige Serien, der realistische Strip ist dagegen weitgehend verschwunden, feiert aber gerade in Alben eine Art zweites Leben (Nicky Saxx, Modesty Blaise, Phantom). Diese Ausgabe ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es machen kann. Ein interessantes Vorwort, hilfreiche kurze Einführungen, ein perfektes Format und für Fans eine Vorzugsausgabe mit Druck! Alles andere als eine uneingeschränkte Empfehlung wäre ein Fehler!

Cover Modesty Blaise 1 VZA

Dazu passen Nina Simone mit „Ain’t Got No, I Got Life“ und Moscow Mule.

© der Abbildungen Associated Newspapers Ltd. / Distr. Bulls / 2024 Bocola Verlag GmbH Klotten

Pevel/Willem – Die Flintenweiber

Gesamtausgabe

Autor: Pierre Pevel

Zeichnungen: Étienne Willem

Originaltitel: Les Artilleuses

Blattgold Verlag

Hardcover | 156 Seiten | 39,00 €
ISBN: 978-3-949987-07-6

Cover Die Flintenweiber Gesamtausgabe

Manchmal enthalten Gesamtausgaben begleitende Texte, die nicht direkt mit dem Comic zu tun haben. Georg F. W. Tempel beendet diese Ausgabe sehr persönlich mit einem emotionalen Statement über den freiwilligen Tod des Zeichners Étienne Willem. Auch dafür muss in der heutigen, oberflächlichen Zeit Platz sein!

Ein Raub und eine Staatsaffäre

Das dreiteilige Abenteuer über eine Gruppe von drei jungen Frauen, die Flintenweiber, und den von ihnen durchgeführten Raub eines ganz besonderen Siegelrings spielt im Jahr 1911 im Paris der Wunder. Dieses von Pierre Pevel geschaffene Universum entstand durch die Öffnung einer Verbindung zwischen der uns bekannten Umgebung und der Anderswelt. Und so werden nun beide Welten sowohl von Menschen als auch von magischen Wesen bewohnt. Dies ermöglicht eine humorvolle, trotzdem aber spannende Verbindung zwischen Action-Szenen und niedlichen Drachen.

Lady Remington, Miss Winchester und Mamsell Gatling waren mit dem Diebstahl beauftragt worden, die geplante Übergabe wird jedoch massiv gestört und ihr Auftraggeber, ein krimineller Faun, getötet. Es entwickeln sich im Verlauf mehrere Schlachten zwischen Polizei, verschiedenen Geheimdiensten und den drei Damen. Dabei wird deutlich, woher die Drei ihre Kampfnamen haben, denn neben magischen Waffen kommen ganze Waffenarsenale zum Einsatz. Die Deutschen kommen dabei übrigens nicht besonders gut weg.

Cover ZACK 280

Immer wieder gelingt es Pevel, die Möglichkeiten der Anderswelt in die Story zu integrieren. Dabei geht es nicht nur um Situationskomik (der polternde Troll), auch die „bösen“ Wesen machen viel Spaß. Und so entwickelt sich eine rasante Story, voll mit Verfolgungsjagden, internen Reibereien, Konflikten zwischen konkurrierenden Dienststellen und Mächten, aber eben auch politischen Strategien. Während der Veröffentlichung über 3 Jahrgänge des ZACK fand ich die Cliffhanger toll, nun aber, in einem Rutsch gelesen, hat die Dramatik noch mal einen ganz neuen Charakter!

Humor und Action

Die Zeichnungen von Étienne Willem vereinbaren die beiden inhaltlichen Komponenten kongenial. In fast jedem Panel ist irgendeine lustige Szene versteckt. Trotzdem werden rasante Actionszenen präsentiert, ja, selbst Folter und Hinrichtungen gehören zum Inhalt. Die ganze Niedlichkeit darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Leben in Gefahr sind. Diese Gewissheit ist bei den Heldinnen zwar zu spüren, sie drücken aber eine gewisse Überheblichkeit aus, wenn sie ihr eigenes Glück voraussetzen.

Die Hintergründe sind extrem detailliert und auch die Nebenfiguren sind exakt ausgeführt. Es tauchen im Verlauf der Geschichte eine ganze Menge technischer Gadgets auf, die von Kampfdrohnen bis hin zu mechanischen Wesen reichen. Auch diese sind eine Mischung aus Realität und Art-Deco-inspirierten Manierismen. Kurzum: Das Betrachten der Zeichnungen wird auch nach wiederholtem Ansehen nicht langweilig!

Cover ZACK 296

Extrem gute Unterhaltung

Eine Gesamtausgabe ist in gewisser Weise die gedruckte Möglichkeit des bingens. Man ist nicht gezwungen, nach wenigen Seiten (im Magazin) oder einem Band zu warten, sondern kann ganz in die Materie eintauchen und genießen. Das trifft natürlich insbesondere bei einbändigen Ausgaben zu. Die Flintenweiber ist eine Quelle für vorzügliche Unterhaltung mit Suspense, Magie, Gewalt, Verfolgungen, magischen Momenten, Glück und Verlust. Mehr Drama geht nicht!

Wer jetzt Lust bekommt, der sei auf das Universum des Paris der Wunder hingewiesen. Die Länder Frankreich und Ambremer bieten Stoff für viele weitere Abenteuer, die zum Teil bereits erschienen sind, zum Teil aber auch nur angekündigt sind. Stay tuned! Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit entsprechendem Druck.

Dazu passen Bite me Bambi mit „Girls of Summer“, und ein sommerlicher Gin Tonic mit Limone.

© der Abbildung 2023 Drakoo par Pierre Pevel & Étienne Willem / 2024 Blattgold Verlag, Bad Dürkheim

Sprechblase 249 (Aug 2024)

Modesty Blaise und andere Themen

Redaktion: Gerhard Förster
Bildschriftenverlag Hannover (bsv)
Din A4 | 100 Seiten | Farbe | 11,90 €
ISSN: N/A

Cover Sprechblase 249

Lange ist es her, dass comix-online eine Ausgabe der Sprechblase besprochen hatte: es war die Nummer 238 mit dem Schwerpunkt Edouard Aidans. Es ist also wieder mal an der Zeit, bevor sich im Rahmen von gleich zwei anstehenden Jubiläen alle darauf stürzen werden. Die Zeitschrift mit dem Untertitel „Die wunderbare Welt der Comics“ ist aktuell in ihrem 49. Jahrgang und die 250. Ausgabe ist geplant für Anfang kommenden Jahres.

Eine Institution braucht eine Nachfolgeregelung

Die Sprechblase ist eine Zeitschrift für Menschen, die klassische Comics mögen. War sie anfangs fast nur auf die Generation Lehning ausgerichtet, ist die Generation ZACK mittlerweile ebenfalls stark vertreten. Wir alle, die wir zu einer dieser beiden Gruppen gehören, sind mittlerweile in die Jahre gekommen und auch Gerhard Förster, der die Zeitschrift vor langer Zeit von Norbert Hethke übernommen hatte, geht in den wohlverdienten Ruhestand, allerdings erst nach der Jubiläumsnummer. Wer Interesse hat, hier einzusteigen, melde sich bitte!

Intro Sprechblase 249

Die wohl coolste „Tödliche Lady“ aller Zeiten

Neben einer Vielzahl von Besprechungen und News wartet die „Blase“ immer mit einigen sehr ausführlichen Artikeln auf. Covermodel ist dieses Mal Modesty Blaise, eine Comic-Strip Heldin, die 1963 erstmalig das Licht der Welt erblickte und Leser*innen vieler Tageszeitungen erfreute. Gerhard Förster beschreibt nicht nur ausführlich inhaltliche Merkmale des Strips, er geht auch auf die Persönlichkeiten des Autors und einiger Zeichner näher ein.

Peter O’Donnell war während des Zweiten Weltkrieges als Unteroffizier tätig und schrieb danach verschiedene Szenarien, bevor ihm mit der Serie um die freiberuflich tätige Blaise ein Riesenerfolg gelang. Es war die Zeit, in der James Bond seine ersten Erfolge feiert und die Avengers (dt. Mit Schirm, Charme und Melone) die Fernsehzuschauer*innen begeisterten.

Zwar ist es notwendig, eine gute Story zu haben, ohne passende Zeichner wird es aber trotzdem kein Erfolg werden. Sowohl Jim Holdaway als auch Enrique Badia Romero (bekannt auch mit Axa) waren sehr wohl in der Lage, die schwierige Mischung aus versteckter Erotik in Zeitungen, die auch von Kindern gelesen wurden, Martial Arts und Spannung umzusetzen. In den Skandinavischen Ländern war der Strip am erfolgreichsten, aber auch in Deutschland erscheint jetzt bei Bocola eine Gesamtausgabe. Vervollständigt wird das Feature mit dem Abdruck der Origin-Geschichte!

Von Wastl über Fix & Foxi zum Blut auf der Prärie

Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte von Wastl (oder eigentlich Jerom, wie er im flämischen Original heißt) und seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Ursprünglich war er ein Sidekick in Suske und Wiske, erlebt aber wegen seiner Beliebtheit auch Soloabenteuer. Natürlich wird hier ein besonderes Augenmerk auf die erfolgreiche deutsche Bastei-Serie Wastl und ihre Nachfolger gelegt. Es gibt aber auch Anmerkungen zu den moderneren Interpretationen in Amoras und J.Rom.

Ein Wiederabdruck eines alten Interviews erinnert an Ludwig Fischer, einen der Fix und Foxi-Zeichner, die sich mit ihrem Stil aus der Masse hatten herausheben können.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Western-Schwerpunkt. Der Abdruck des Comics Blut auf der Prärie findet mit dem dritten Teil seinen Abschluss. Ihm vorangestellt ist ein Faktencheck, der die Ereignisse gegen die Wirklichkeit prüft. Ein Comic von Look & Learn! Thematisch passend folgt ein Überblick über Filme und Comics, die sich mit Little Bighorn befassen. Subjektiv und erfrischend!

Sehr viele wissenswerte Informationen!

Es gibt verschiedene Sekundärzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Sprechblase richtet sich an ältere Comic-Fans (die natürlich auch so ihre Vorurteile haben, die hier auch gepflegt werden). Für diese Zielgruppe gibt es nichts Vergleichbares. Die Themen sind liebevoll kuratiert, die immens vielen Abbildungen passen zu den Inhalten und das Layout ist durch thematische Kästen und Rubriken gut gegliedert.

Im Übrigen findet der Fan nur hier eine Zusammenstellung aller Kleinverlagseditionen aus diesem Spektrum. Die Rezensionen sind vielfältig (und beinhalten erstmals auch eine vom Verfasser diese Zeilen) und machen Lust auf das eine oder andere Experiment. Es wäre schade, wenn sich kein Nachfolger finden würde. Glücklicherweise lässt Gerhard den potentiellen Kandidaten ja noch ein wenig Bedenkzeit.

Dazu passen ein guter Rotwein, ich würde einen Primitivo bevorzugen, und The Pioneers.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen 2024, c/o Bildschriftenverlag Hannover (bsv)

Dubois/Delvaux – Die Abenteuer von Jacques Gibrat 10

Der Schatz von Noirmoutier

Story: Thierry Dubois
Zeichnungen: Jean-Luc Delvaux

Originaltitel: Une aventure de Jacques Gipar Tome 10 : Le Trésor de Noirmoutier

Salleck Publications

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,00 € | 
ISBN: 978-3-89908-808-3

Cover Jacques Gibrat 10

Salleck Publications ist einer der vielen kleinen deutschen Verlage, ohne die die hiesige Comic-Landschaft sehr viel trostloser wäre. Für die großen Platzhirsche Splitter, Carlsen, Egmont Ehapa und Panini zählen ganz andere finanzielle Anforderungen als für die kleinen. Salleck kann daher Serien und Einzelbände veröffentlichen, die zwar qualitativ nicht schlechter sind, die es aber nie geschafft haben, einen Marketing-Hype zu entfachen.

Eine ganz besondere Insel

Die Geschichte spielt im April 1956 auf Noirmoutier, einer kleinen Insel, die bis 1971 nur durch die Passage du Gois mit dem Festland verbunden war. Die mehr als 4 KM lange Straße war nur bei Ebbe für 3 Stunden befahrbar und lag ansonsten unter Wasser. Um für Unfälle und Pannen aller Art gewappnet zu sein, gab es alle 500 Meter kleine erhöhte Plattformen auf der sich Personen in Sicherheit bringen konnten. Diese Passage spielt eine wesentliche Rolle in diesem Band.

Er beginnt mit einem tragischen aber doch fast schon alltäglichen Ereignis: Bei einer Schlägerei zwischen Betrunkenen stirbt ein Mann, ein früherer Sträfling wird der Tat verdächtigt und festgenommen. Er ist gleichzeitig der Wirt des kleinen Cafés, für das ein Kaufangebot gemacht worden war. Dieses hat er nicht nur abgelehnt, er beteuert auch seine Unschuld.

Jacques Gibrat wird gebeten, nach dem Rechten zu sehen und beginnt seine Ermittlungen in deren Verlauf Verbindungen zur Nazi-Zeit deutlich werden. Es scheint, dass untergetauchte Kollaborateure ihre Finger im Spiel haben. Vielleicht gibt es ja sogar einen mittelalterlichen Schatz von Noirmoutier. Thierry Dubois erzählt routiniert und spannend und führt die Leser*innen immer wieder über die gefährliche Passage.

Modern mit einem leicht nostalgischen Flair

Jean-Luc Delvaux setzt die Geschichte in zwar modernen Zeichnungen um. Diese lassen aber ein nostalgisches Flair aufkommen und passen sich an den Dekors, die Mode und die Autos der 50-er Jahre an. Das strenge vierstreifige Layout der Seiten, die reduzierte Mimik und in gewisser Weise auch die Gemütlichkeit der Aktionen bezeigen die Verbundenheit mit der älteren Zeichenschule.

Man möge dieses allerdings nicht als Kritik missverstehen: Die Reminiszenzen sind gewollt und passend, die Zeichnungen passen perfekt zur Geschichte. Während heute vieles gleich aussieht, haben sich Dubois und Delvaux eine Zeit ausgesucht, in der Unterschiede noch eine viel größere Rolle spielten. Vor allem Autoliebhaber*innen kommen hier auf ihre Kosten!

Ein Ausflug in die Vergangenheit

Eine Brücke hat die Passage (für Autos) ersetzt, Unterschiede sind nivelliert worden und Taten aus der Vergangenheit sind mittlerweile (zum Glück) zu einem wesentlichen Teil gesühnt. Geschichten wie diese müssen also in die Vergangenheit verlegt werden. Es geht aber nicht um eine „Flucht“ in die „gute, alte Zeit“, es ist nur ein Stilmittel, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

Dazu passen Frank Sinatra, etwa mit einem Hit von 1956 “The Tender Trap” und einem Cognac!

© der Abbildungen BELG Prod. 2022, by Dubois & Delvaux / Eckart Schott Verlag 2024

Lapière/Dutreuil – Michel Vaillant Legenden 2

Die Seele der Fahrer

Story:  Denis Lapière
Zeichnungen: 
Vincent Dutreuil
Originaltitel: 
Michel Vaillant Légendes tome 2 – L´amedes pilotes

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Softcover | 64 Seiten | Farbe | 20,00 €

ISBN: 978-3-949987-10-6

Cover Michel Vaillant Legenden 2

Lange Zeit „gehörte” Michel Vaillant der Familie Graton. Vor einigen Jahren jedoch wurden die Rechte verkauft, Philippe hörte auf, Szenarios zu verfassen und plötzlich öffneten sich Türen. Neben der sog. zweiten Staffel, in der die aktuelle Geschichte fortgeschrieben wird, entsteht ein ganzer Kosmos. In der Reihe Legenden werden im klassischen Stil alte Rennen neu beleuchtet. In der leider nur auf Französisch erhältlichen Serie über Henri Vaillant werden die Anfänge erzählt (die Fanboxen sind übrigens wirklich sehr empfehlenswert!!) und selbst Julie Wood soll wieder auf die Piste gehen.

F1 GP vom Monaco 1971

Der große Preis von Monaco ist immer ein ganz besonderes Rennen. Noch mehr als sonst versammelt sich das große Geld zu diesem Rennen. Und für die Fahrer ist es besonders schwer, auf dem sehr engen Stadtkurs zu überholen. Umso wichtiger ist es, einen guten Startplatz zu ergattern. Allerdings spielt das Wetter nicht unbedingt mit, es regnet an zwei von drei Trainingstagen. Ausgerechnet an dem Schönwettertag ist Steve Warson im Auftrag des FBI in geheimer Mission unterwegs.

Michel Vaillant befindet sich aktuell in einer Pechsträhne. Nichts scheint ihm zu gelingen. Für die Presse ist das natürlich ein Top-Thema. Und so muss er sich der Fragen einer jungen Journalistin stellen. Tatsächlich geht das Interview tiefer als gewöhnlich und es geht gar um die Seele der Fahrer!

Neben diesen Krimi und Dramamotiven steht aber natürlich auch das Rennen selbst im Vordergrund. Wie immer in dieser Serie sind die meisten Beteiligten „echte“ Piloten die „echte“ Formel 1 Boliden fahren. Es kommt also auch darauf an, die Realität mit der Fiktion glaubhaft zu verknüpfen. Jean Graton und sein Sohn beherrschten das meisterlich doch auch Denis Lapière liefert ein spannendes und mögliches Szenario ab. Hut ab!

Druck Michel Vaillant Legenden 2 VZA

Landung auf dem Podium

Vincent Dutreuil hatte im ersten Band der Legenden noch ein paar Anpassungsschwierigkeiten. Zwar ist er perfekt mit seinem eigenen, modernen Stil in der zweiten Staffel unterwegs, die Graton’sche Art ist aber etwas anderes. Spielte Band 1 noch zu Zeiten der 60-er, ist diese Geschichte im Stil der 70-er gezeichnet. Und sie ist gelungen! Fans der klassischen Serie werden sich hier wohlfühlen.

Es ist keine Kopie des Altmeisters, sondern eine eigenständige Interpretation, die ihm allerdings sehr nahekommt. Sowohl die Gesichter der Helden als auch Fahrzeuge und Ambiente sind sehr gut getroffen und auch die Figuren wirken nun mehr wie aus einem Guss. Und Rennszenen konnte Dutreuil schon immer.

Gelungene Ergänzung

Anfangs war ich etwas unschlüssig, ob ich Michel Vaillant Legenden wirklich gut finden sollte. Die Idee, klassische Rennen und Themen neu zu beleben und anders darzustellen gefällt mir mittlerweile aber sehr. Sowohl Szenario als auch Zeichnungen sind eigenständige Werke und keinesfalls einfach nur ein schlechtes Remake. Zudem ist es eine Möglichkeit, die Fans der alten Serie ebenfalls mit neuen Stoffen zu versorgen. Als Zusatzreihe scheint das auch zu laufen, vor allem weil die neue Staffel auch neue Kund*innen geworben hat.

Cover Michel Vaillant Legenden 2 VZA

Universen sind eine Möglichkeit, sich von Konkurrenzanbietern abzusetzen. Was bei Disney, Netflix und Co klappt, sollte auch im Comic funktionieren. Freuen wir uns also auf neue Projekte aus diesem Kosmos. Die Aufmachung als Hardcover unter dem Label ZACK EDITION ist jedenfalls sehr passend. Für Sammler*innen gibt es wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Druck.

Dazu passen Twenty One Pilots mit „Oldies Station“ und ein Champagner eigener Wahl.

© der Abbildungen Graton Editeur 2023 by Lapière, Dutreuil / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Cauvin/Berck – Sammy & Jack Integral 4

1978 – 1981

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: 
Berck
Originaltitel:
Sammy Integraal 4

Kult Comics

Hardcover | 272 Seiten | Farbe | 39,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-252-6

Cover Sammy & Jack Integral 4

Cauvin ist einer der produktivsten Szenarist*innen seiner Zeit gewesen. Dabei deckte er verschiedenste Gebiete ab, allerdings immer mit einem unverkennbaren Humor. Seine Westernserie Die Blauen Boys verband Situationskomik mit einer geharnischten Kritik an Kriegen, Kadavergehorsam und Autoritäten, Die kranken Schwestern nahmen Arztserien auf die Schippe, Pierre Tombal das Leben und Sterben an sich. Wie auch in Sammy & Jack ist der Humor dabei teils slapstikhaft, oft genug aber auch komplett anarchistisch. Die Integral-Reihe enthält alle Episoden, auch die Kurzgeschichten, erstmals komplett und in chronologischer Reihenfolge.

Leibwächter mit weltweiten Einsätzen

Das Setting mit zwei gegensätzlichen Charakteren funktioniert innerhalb einer Geschichte perfekt. Damit trotzdem genügend Abwechslung eingebaut werden kann, ist es notwendig den lokalen Bezug immer wieder zu verändern. Neben den in Chicago spielenden Prohibitionsstories versetzt Cauvin seine Leibwächter Sammy & Jack daher immer wieder in fremde Gegenden. Das große Bibbern ist eine Wissenschaftskatastrophenstory: Ein Experiment geht schief und einer der Beteiligten ist nun eine unermesslich heiße Batterie. Die einzige Chance ihn vor der Überhitzung zu bewahren ist eine Reise an den Nordpol. Leider erweckt sein Zustand auch Begehrlichkeiten.

Sammy & Jack Integral 4 page 53

Passend zur baldigen Fußball-EM thematisiert Die Gorillas machen ein Tor sowohl übergriffige Fußballfans als auch Hooliganismus. Manchmal vergessen wir alle, dass es doch nur ein Spiel ist bzw. sein sollte! Zurück in den USA werden unsere Gorillas in Hollywood für einen Mafiafilm gecastet. Die Darstellung einer queeren Persönlichkeit würde heutzutage sicherlich etwas anders laufen müssen, die Story an sich hat aber ihren Charme.

In deutscher Erstveröffentlichung kommt nun endlich auch die Episode Ku-Klux-Klan zu uns. Dieses Highlight parodiert die leider gar nicht lustige amerikanische rassistische Realität und spielt mit der Beschränktheit der weißen Protagonisten. Die Mischung aus Dumm und Böse liefert genügend Stoff für den explosiven Inhalt. Erstaunlich, dass diese Geschichte bisher immer ausgelassen worden war.

Sammy & Jack Integral 4 page 57

Bester Spirou-Style

Arthur Berckmans bzw. Berck hat seinen Stil über die Jahre perfektioniert und liefert hier sehr routiniert hochklassige Zeichnungen ab. Sowohl in den Kurzgeschichten als auch in den vier Alben ist zu merken, dass die Zusammenarbeit mit Cauvin klappt, seine eigenen Stärken eingesetzt werden können und Langeweile vermieden wird.

Der ausführliche redaktionelle Teil gibt einen Einblick in Zeiten der Karriere, in denen das nicht der Fall war. Anhand der ausführlichen Illustrationen ist der Werdegang und auch die Professionalisierung nachzuvollziehen.

Sammy & Jack Integral 4 page 58

Fast schon ein Teil einer kommentierten Werksausgabe

Das hier übersetze Integral ist sehr ausführlich bezüglich des Werdeganges der Kreativen und enthält zudem noch umfassende Artikel zu den einzelnen Abenteuern. Den Leser*innen wird dadurch ein ganz anderer Zugang zu den Geschichten ermöglicht, liegen einige der Ereignisse doch schon mehr als 40 Jahre in der Vergangenheit. Trotzdem sind die Stories und Gags aber nicht veraltet, sondern entwickeln ihren Humor immer noch mit der gleichen Schärfe. Es sei hier erwähnt, dass der Verfasser dieser Zeilen für die Übersetzung der redaktionellen Beiträge verantwortlich war.

Wie immer gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und drucksigniertem ExLibris. Zu empfehlen ist der Band definitiv allen, die Semi-Funnies aus der Hochzeit des Spirou-Magazins mögen: Explosionen, haarsträubende Experimente, ein sich kabbelndes Duo und spannende Handlungsabläufe!

Dazu passen Earth, Wind and Fire mit „Boogie Wonderland“, und ein Cuba Libre.

© der Abbildungen Dupuis, 1980, 1981, 1982, 1983 / Berck, 2023 / 2023 Comic Combo, Leipzig

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