Doppelagenten sind schon seit vielen Jahrzehnten ein Hauptmotiv in Spionageromanen, Filmen und auch Comics. Besonders beliebt sind dabei natürlich an tatsächliche Begebenheiten angelehnte Stories, untern anderem über die sogenannten Cambridge Five. Kim Philby, geboren 1912 in Britisch-Indien, war einer von ihnen.
Als Kommunist in Englischen Diensten
Die Graphic Novel steigt in das Leben des berühmten englischen Doppelagenten zunächst einmal literarisch ein, denn der Junge Harold bekam seinen Spitznamen Kim aufgrund der gleichnamigen Erzählung von Rudyard Kipling. Der im Moskauer Exil lebende Titelheld bekommt ein Exemplar eben dieser Geschichte von einem Bekannten, der sich später als Graham Greene herausstellen wird, überreicht. Aus diesem Gespräch auf einer Bank entwickelt sich dann das Leben in Rückblicken.
Der Wunsch, ein Spion zu werden, das Gefühl für Ungerechtigkeit und die Erkenntnis, dass systemimmanente Kräfte wie Konservative und Sozialisten das Problem nicht werden lösen können, führten schließlich dazu, dass KimPhilby Kommunist wird. Unter dem Deckmantel des Journalisten kann er nicht nur Informationen transportieren, sondern vor allem unauffällig recherchieren und Bekanntschaften mit Akteuren etwa auf Seiten Francos schließen.
Dabei überrascht es heutige Leser*innen immer wieder, wie leicht es gewesen sein muss, die kommunistischen Überzeugungen trotz vieler Hinweise zu verbergen und offiziell für den Kampf gegen die eigenen Glaubenssätze bezahlt zu werden. Gerade diese Stellen gelingen dem erfahrenen Autoren Pierre Boisserie sehr gut. Durch das Gespräch werden die Puzzlesteine aus dem Leben in Beziehung gesetzt und ergänzt, die – verhaltene – Action in den Rückblicken macht das Ganze aber gleichzeitig sehr lebendig und spannend.
Man darf aber nicht vergessen, dass es in diesem Band nicht um exakte Geschichtsschreibung geht. Auch wenn die Geschichte an die Wahrheit angelehnt ist findet sich doch die eine oder andere literarische Freiheit!
In der Ruhe liegt die Kraft
Christophe Gaultier ist ein erfahrener, in verschiedenen Stilen befähigter Comiczeichner aus Frankreich. Hier zeichnet der 1969 geborene mit groben Umrisslinien, sehr detail-reduziert und fast schon karikierend. Die Hintergründe sind allerdings stark detailliert und verhindern dadurch eine zu starke Reduktion. Erwartungsgemäß sind Bewegungen und Abläufe nicht unbedingt filmisch angelegt, sondern entsprechen eher Einzelaufnahmen.
Der Held, Philby, ist ein sympathischer, alter Mann der schnell zur Identifikationsfigur wird. Man nimmt ihm die Überraschung auch in den Rückblicken ab und kann die Entwicklung vom Heißsporn zum wichtigen Agenten auch in der körperlichen Darstellung nachverfolgen.
Auch der Gesprächspartner ist rollentypisch dargestellt und gut geraten: immer der „Kamera“ abgewandt, zugeknöpft und geheimnisvoll. Ansonsten folgt die Darstellung klaren formalen Regeln mit drei Streifen pro Seite und lässt so etwas wie Hektik vollkommen außer Acht.
Die Wertung
Im Krimi und Thriller-Genre haben sich zuletzt immer mehr Gewaltorgien durchgesetzt. Philby ist ein Gegenpol dazu: Ruhig, erklärend, britisch. Schon das wäre ein Grund zu überlegen! Wer John Le Carré mag hat, wird sich an die Cambridge Five sowieso erinnern und kann hier ebenfalls einen blick riskieren.
Der Band ist aber auch für nicht Krimifans interessant: Warum entscheidet sich jemand, Kommunist zu werden und sein weiteres Leben diesem Ziel komplett unterzuordnen. Spannend!
Dazu passen die leicht melancholischen The Triffids aus Australien mit „In the Pines“ und ein 15 Jahre alter Macallan Double Cask.
Verlag Original und Niederlande: Le Lombard / Dargaud
Aktuell 11 und 3 Bände
Veröffentlichungsstatus in Deutschland: Band 1 bis 11 der Gesamtausgabe erschienen, Band 1 bis 3 der neuen Abenteuer erschienen
Der Serienkompass wird laufend aktualisiert. Aktueller Stand: März 2023
Das Thema Comicserie über Geheimagent*innen ist gar nicht so klein wie man im ersten Moment denken würde. Zunächst einmal gab es die Zeitungsstrips mit Klassikern wie Agent X/9, Modesty Blaise oder Nick Knatterton. Später diversifizierte sich das Thema in anarchistisch-humoristische Serien wie Spion & Spion oder Clever & Smart, eher actionorientierte Serien wie Lady S. oder XIII oder an den Kinoerfolg angelehnte Episoden um James Bond. Eine der zumindest im Comic wohl am meisten gefeierten Serien war aber Bruno Brazil.
Die Entstehungsgeschichte
Wir schreiben das Jahr 1967, die Auflage des belgischen Comicmagazins Tintin geht zurück und Greg (das ist Michel Régnier), Chefredakteur des Magazins muss sich etwas einfallen lassen. Die Zielgruppe der 8 bis 14-jährigen Jungen wartet nicht mehr unbedingt darauf, dass ein neues Heft erscheint, sondern hat u. a. mit Kinobesuchen auch andere Möglichkeiten, der Realität zu entfliehen. Er beginnt also neue Serien zu entwickeln und diese mit jungen Zeichnern umzusetzen.
Eine der Serien aus dieser Gruppe war Bruno Brazil, gezeichnet von William Vance. Dieser hatte schon Seefahrer und Westernhelden gezeichnet und mit Bob Morane eine dem Agentengenre verwandte Serie übernommen, war aber gerne bereit, auch eine neue, eigene Serie zu übernehmen. Greg war zu dieser Zeit so aktiv, dass er ein Pseudonym bevorzugte, um Abwechslung zu suggerieren. Dementsprechend erschienen die Geschichten um den Agenten und seinen Boss, Colonel L, unter dem Autorennamen Louis Albert.
Die Figur mit den markanten weißen Haaren wurde zunächst in ein paar Kurzgeschichten getestet. Diese wurden dann später mit einer Rahmenhandlung versehen und als letzter Band der originalen Serie veröffentlicht. Schon kurz darauf folgte mit „Der Hai, der zweimal starb“ die erste albenlange Geschichte. Diese zeigt schon sehr deutlich, wie es in den folgenden Geschichten abgehen wird, beginnt sie doch gleich mit einem Verkehrsunfall und drei Toten im ersten Panel. Diese Gewalt war in den belgischen Comics bis dahin nicht nur unbekannt, sondern sogar verpönt. Der neue Stil zog aber durchaus und die Verkäufe stiegen wieder. Im weiteren Verlauf geht es um einen angeblichen Goldschatz in einem gesunkenen U-Boot und einen untergetauchten Alt-Nazi.
Das Team der Kaimane entsteht
Bereits im zweiten Band Kommando Kaiman darf sich der Held ein Team zusammenstellen um eine im südamerikanischen Dschungel gelegenen geheime Operationsbasis einer kriminellen Organisation zu zerstören. Auch hier zeigt sich die actionorientierte Ausrichtung: Die Teammitglieder entsprechen nicht den Anforderungen der verantwortlichen Beamten (und sicher auch nicht denen der Jugendschützer) denn Bruno wählt sie aufgrund der Fähigkeiten aus. Und so treffen im Laufe der Zeit Kleinkriminelle, Scharfschützen, Artist*innen und Leute mit Alkoholproblemen ein und müssen sich zusammenraufen. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch eine militärische Vergangenheit und so starten sie trotz aller Schwierigkeiten in das Abenteuer.
Trotz der Zerstörung der Basis konnten die Verantwortlichen fliehen und die Augen ohne Gesicht stellen gleich die nächste Herausforderung dar. Das Team soll eigentlich nur einen fast schon routineartigen Überprüfungsauftrag durchführen doch nach und nach werden Teammitglieder von einer unbekannten Macht kontrolliert. Die Gegner sind dabei nicht zimperlich und so droht die totale Vernichtung. Der Plot findet seine Fortsetzung und den Abschluss in Die erstarrte Stadt. In den beiden Bänden werden geschickt technische Errungenschaften genutzt, um das Team herauszufordern. Eine Ähnlichkeit mit den Plots von James Bond ist nicht von der Hand zu weisen, hier agiert allerdings im Gegensatz zum Geheimagenten ihrer Majestät ein Team und sexuelle Aspekte stehen nicht im Vordergrund. Die Serie bleibt aber trotz allem realistisch und driftet nicht in Richtung Science-Fiction.
Der Kampf mit der Mafia
Der folgende Zweiteiler bringt einen neuen Gegner ins Spiel. Bisher ging es quasi um Superschurken. Sie hatten noch Emotionen und waren irgendwie involviert. Die Mafia hat solche Skrupel nicht. Hier geht es um das Geschäft und eine Leiche mehr oder weniger spielt keine Rolle. Vergleichbar mit der Entwicklung des Westerngenres hin zum Italowestern brutalisiert sich hier das Agentengenre. Die Nacht der Schakale beginnt damit, dass der Vater von Gaucho Morales, einem der Kaimane, erpresst wird. Ganz Sacramento scheint korrupt und in der Hand der Gangster, doch wenige Aufrechte leisten der Schreckensherrschaft Widerstand: ein Geistlicher und ein Reporter.
Schließlich greift das Kommando Kaiman ein und der Höllentanz in Sacramento beginnt. Harte Schnitte, das gerasterte Layout löst sich fast vollkommen auf und die Leser*innen werden teilweise gezwungen, sich in dem Chaos zunächst einmal zu orientieren! Sicherlich ein Höhepunkt der graphischen Meisterschaft von William Vance! Das traditionell konservative Tintin-Magazin hatte sich sehr verändert, denn Comanche von Greg und Hermann verwandelte gleichzeitig das traditionelle Westernambiente in eine Gewaltorgie. Die Stories passten damit zu dem gesellschaftlichen Umbruch, der die althergebrachten Traditionen hinwegfegte und unter den Talaren lüftete.
Das Team verliert
Die Kaimane im Reisfeld beenden eine weitere Tradition: Held*innen einer Serie sterben nicht so schnell. Das Team soll in Thailand eine verschollene Waffe aufspüren. Während des Zweiten Weltkrieges war von den Japanern angeblich eine Rakete entwickelt worden, die die ganze Welt vernichten könnte. Wieder darf Vance eine grüne Hölle zeichnen doch dieses Mal zahlt das Kommando einen hohen Preis.
Die dezimierte Spezialeinheit darf sich einer Bewährungsprobe unterziehen und wird dafür mit dem Nomaden verstärkt. Der Einsatz richtet sich gegen Menschenschmuggler doch dem Team droht die Enttarnung und Improvisation ist gefragt. Der Sturm über den Aleuten stellt den Leser*innen deutlich die Frage, ob das Team noch das Ruder herumreißen können wird. Eine pessimistische Grundstimmung wird etabliert und das Grundvertrauen in das Überleben der Held*innen, das bisher die Basis jeder Geschichte war, verschwindet.
Ihren Höhepunkt findet diese Entwicklung in Alles oder Nichts für Alak 6. Wieder beginnt die Geschichte blutig mit einem Anschlag. Nach kurzer Zeit wird deutlich, dass eine fremde Macht versucht, eine Formel für einen Raketentreibstoff zu stehlen, wenigstens aber zu vernichten. Die verunsicherten Kaimane müssen als Band verkleidet in Mogadischu versuchen, den Fall zu lösen. Doch die Gegner scheinen übermächtig.
Der Übergang
Natürlich stellt sich in jeder Organisation nach so hohen Verlusten die Frage nach der Qualität des Chefs. Ist er ein Sicherheitsrisiko? Benötigt er vielleicht sogar mehr als psychologische Betreuung? Gaucho Morales, der trotz aller Fehler immer loyal Bruno gegenüber gewesen war, versucht auch jetzt alles zu geben und zu beweisen, dass Bruno keine Schuld trifft und er weiterhin den Anforderungen gewachsen ist. Es geht um das Dossier Brazil. Eigentlich hatte es danach weitergehen sollen. Aufgrund von Arbeitsüberlastungen kam es leider nicht mehr dazu.
Die Rückkehr des Bruno Brazil enthält drei weitere Kurzgeschichten mit einer Rahmenhandlung. Carlsen hatte diese damals nicht mehr veröffentlicht und die Lücke war es 3 Jahre später durch eine Ausgabe bei Stripspielgel geschlossen worden. Die Gesamtausgabe bei Egmont hatte diese wie auch die unvollendete Geschichte um die Rote Kette bereits integriert. Letztere war auch separat als auf 666 Exemplare limitiertes ZACK-Sonderheft 2 erschienen. Beim All Verlag sind die noch fehlenden beiden Bände angekündigt.
Der Neustart
Nach über 30 Jahren Pause war es dann endlich soweit: Laurent-Frédéric Bollée und der Lady S.-Zeichner Philippe Aymond starteten die neuen Abenteuer von Bruno Brazil und schließen mit dem Zweiteiler Black Program 1 und 2 direkt an die damaligen Geschichten an. Die Geschichte startet im September 1976 und Bruno ist tatsächlich in psychologischer Behandlung. Die Grundstimmung der Serie wird übernommen und die neue Geschichte startet sofort mit einem Anschlag auf ein Privatgelände. Dabei wird Madison Ottoman getötet, seines Zeichens Kopf der geheimen Sendeanlage im Dschungel, die damals in Band zwei zur Gründung der Kaimane geführt hatte.
Als auch noch seine damalige Komplizin Rebelle aus einem Hochsicherheitsgefängnis befreit wird, steht die Frage nach einer Reaktivierung von Bruno Brazil im Raum. Er macht sich auf die Suche nach den ehemaligen Mitgliedern, kann das Team tatsächlich auch reaktivieren und es geht erneut in den Dschungel im dem eine zweite Anlage vermutet wird. Alles steht in Verbindung mit dem geheimen Black Program. Mehr Science-Fiction-Anteile als früher aber eine gekonnte Fortsetzung die mit einem Cliffhanger endet.
Der zweite Teil von Black Program enthüllt ein geheimes Programm der NASA. Die Apollo Missionen hatten nur offiziell aufgehört, eine weitere erfolgreiche Mission zum Mars war im Geheimen durchgeführt worden. Zwischen dem letzten der Astronauten und altbekannten Gegner*innen der Kaimane scheint es eine Verbindung zu geben und eine Spur führt in den südamerikanischen Dschungel und der Anlage von Ottoman. In einer zweiten Storyline müssen Bruno, Whip Rafale, Gaucho Morales und Nomade nicht nur mit ihren eigenen Dämonen fertig werden, sondern auch wieder zusammenfinden.
Eisiger Terror im Eskimo Point spielt im tief verschneiten Kanada: In einem Fischcontainer aus Eskimo Point wird eine Leiche gefunden die kurz darauf aus dem Leichenschauhaus gestohlen wird. Vor Ort ermitteln Bruno und Nomade und decken verrückte wissenschaftliche Experimente auf. Aymond kann dabei eigen, dass er Eiswüsten genauso gut zeichnen kann wie den Dschungel.
Ein Grafischer Höhepunkt der Siebziger Jahre
Die Zeichnungen von William Vance stehen in ihrer innovativen Strahlkraft den neuen Erzählweisen von Greg nichts nach. Das klassische Seiten-Layout mit drei oder vier Streifen wird förmlich von den Explosionen, Zusammenstößen, ja fast allen Ereignissen weggesprengt. Bilder gehen ineinander über, verschränken und überlagern sich und nehmen die ganze Seite als Leinwand wahr. Die Erneuerung des verstaubten Magazins soll nicht nur inhaltlich passieren, sondern ihren Ausdruck auch in einer neuen Bildsprache finden.
Im Übrigen sind die Zeichnungen von Vance durch die schwarzen Umrisslinien und Akzente geprägt. Er beherrscht das Spiel mit den Schatten und ist damit im Einklang mit dem aktuellen Kino. Nicht die Schönheit steht im Vordergrund, sondern der Realismus und die Gewalttätigkeit der Gesellschaft. Sicherlich haben dafür die schwarz-weißen Zeitungsstrips Pate gestanden aber die Kolorierung macht die Geschichte moderner und auch heute noch zu einem (wieder-)lesbaren Klassiker.
Man darf nicht vergessen, dass die Geschichten ihre 50 Jahre auf dem Buckel haben. Sicherlich hat sich das Dekors geändert, auch die Technik ist eine andere und mit moderner Kommunikation würden die Plots heute etwas anders funktionieren. Grundsätzlich passen aber sowohl Zeichenstil als auch die Geschichten noch und treiben die Leser*innen erbarmungslos vor sich her, wenn ein Team erst mühsam gegen Widerstände aufgebaut und dann säuberlich wieder dezimiert wird. Mehr Spannung – aufrechterhalten über mehrere Bände einer Serie, geht nicht.
Der Neustart passt sich gut ein und verspricht einiges. Die Figuren sind dem neuen Team mittlerweile vertraut, strahlen einen gewissen „alten“ Charme aus, haben sich aber etwas modernisiert und wirken frisch. Die Zeichnungen kommen in den Dschungelmomenten an die Originale von Vance heran, bei den Themen „Körper im Raum“ und „Gesicht“ muss Aymond allerdings noch an sich arbeiten.
Die aktuelle Gesamtausgabe
In Deutschland hat die Serie eine bewegte Reise durch fast alle größeren Verlage mit frankobelgischem Schwerpunkt hinter sich. Den Anfang machte bereits 1969 MV Comix, 1972 kam dann das Koralle-ZACK. Bastei verlegte sie ersten drei Bände am Kiosk, Carlsen schaffte 10 als Album. Stripspiegel addierte den 11. Band und das „neue“ ZACK brachte in seiner Reihe der limitierten Sonderhefte die rote Kette auf den Markt. Egmont EHAPA hätte mit der mittlerweile vergriffenen Gesamtausgabe in drei Bänden fast den Kreis geschlossen.
Ansgar Lüttgenau hat sich allerdings entschieden, den Versuch mit Einzelbänden im Hardcover zu wagen. Alle bisherigen Versuche hatten ihre Probleme, oft genug wurde sogar der Inhalt verfälscht, wenn etwa der Nazi in Band 1 zu einem Mafioso wurde oder der Tod von Big Boy Lafayette im ZACK zu einer Verletzung umgeschrieben. Jetzt erscheinen die Bände in neuer originalgetreuer Übersetzung und auch die Titel entsprechen jetzt den französischen Originalen. Jedes Buch hat zudem einen redaktionellen Teil, viele zusätzliche Illustrationen und eine komplette Veröffentlichungshistorie. Für Sammler*innen sind auch limitierte Vorzugsausgaben mit Ex Libri erhältlich! Die noch fehlenden beiden Bände werden vermutlich noch im Laufe dieses Jahres erscheinen.
Die Folgeserie Bruno Brazil – Die neuen Abenteuer von LF Bollée und Philippe Aymond erscheint auf Deutsch ebenfalls im All Verlag. Sie passen sich an das Erscheinungsbild an: Das Rückenbild ist etwas anders und der redaktionelle Teil fehlt wie bei aktuellen Bänden üblich. Dafür ist die ExLibris der VZA aber auch signiert.
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
Der Frühling ist da und macht angeblich alles neu. Wie aber schon Theodor Fontane in Frühling verkündet hat:
Wohl zögert auch das alte Herz und atmet noch nicht frei; es bangt und sorgt: Es ist erst März, und März ist noch nicht Mai.
Das April-ZACK 262 liegt genau dazwischen, ist aber schon eine seltene Pflanze, denn es enthält weder Neustart noch Abschluss einer Geschichte.
Die Fortsetzungen – Geschichten aus der Vergangenheit,
Das Titelmotiv stammt dieses Mal aus der Fantasy-Serie Saul von den beiden Niederländern Willem Ristier und Apriyadi Kusbiantoro. Der Held war im letzten Heft auf seiner Flucht von Zwergen gerettet worden. Diese hatten ihm den lebenden Mantel umgelegt, der nun langsam beginnt, Einfluss auf den Träger auszuüben. Er soll einen Krieger aus dem Träger machen. Derweil hat das auf Sauls Ergreifen ausgelobte Kopfgeld eine Jägerin angelockt. Auch sie begegnet dem Schneetiger, der ihr sein Geheimnis offenbart. Spannende Melange aus Action und bekannten aber neu gemixten Zutaten im Storm-Stil. Auffallend ist hier, dass die Zwerge nichts Niedliches an sich haben!
Danach geht es in das Frankreich des Jahres 1743. Die uneheliche Tochter des verstorbenen Marquis de Valcourt war zum Tode verurteilt worden und hatte von der Befreiung eines Anführers einer Truppe von Gesetzlosen profitieren können. Nicht alle im Lager sind aber über ihre Anwesenheit erfreut und auch sie selbst muss sich über ihre neue Lage klar werden. In Die Räuberin muss sich die zukünftige Rani langsam damit abfinden, dass ihre bisherigen Ansichten in einem neuen Leben nicht zählen werden. Spannende History-Serie von Altmeister Van Hamme und Alcante mit grandiosen Landschaften von Francis Vallés.
Jack Manini erzählt Geschichten über das Mädchen von der Weltausstellung in Paris. 1855 ist ein Auftritt des Kaisers Napoleon III. geplant und ein Offizier wird erpresst, um ihn öffentlich zu ermorden. Mit Hilfe der kleinen Julie versucht dieser, die Entführer zu enttarnen, um seine Geliebte aus ihren Fängen befreien zu können doch der Plan scheint schief zu gehen! Willem Étienne setzt die Geschichte gekonnt um. Er verwendet dabei durchaus moderne Layouts, bleibt aber grundsätzlich im vertrauten Streifenraster. Mit schnellen Schnitten schafft er Tempo und Dramatik und variiert dabei auch geschickt die Perspektive. Wer Bastos & Zakuski mochte wird auch hier erfreut sein!
Gegenwart und Zukunft
Nach all der Dramatik bringt Spaghetti den Klamauk zurück: Kampf um Fahrgäste mit allen Mitteln in Taxi! Der niederländische Tausendsassa Daan Jippes bringt die neuen Abenteuer der Figur von Dino Attanasio nach Geschichten von Frans Hasselaar zu Papier. Klassischer Füller in hoher Qualität!
Bei all der Vergangenheitsorientierung tut es gut, einen Sprung in die Zukunft zu machen: Terence Trolley öffnet das Fenster zum Gehirn und zeigt eine Welt, in der einige wenige Psy-Fähigkeiten haben. Natürlich rufen besondere Fähigkeiten auch die verschiedensten potentiellen Nutznießer*innen auf den Plan und nicht alle haben gute Absichten. Etwas ruppige Zeichnungen von Patrick Boutin-Gagné passen sehr gut zu dem Szenario von Serge Le Tendre das kein nettes Bild der Zukunft entwirft! Etwas erwachsener als das auf einem ähnlichen Grundsetting startende Harmony.
Abschließend bringt uns Empire USA 2.3 zurück in die Gegenwart. Der Kampf zwischen verschiedenen russischen Oligarchen und dem Amerikaner Marlin Deckart wird teilweise im Jet-Set ausgetragen, führt aber auch zu blutigen Auseinandersetzungen auf der Straße. Immer wieder sind auch Top-Models involviert. Und dabei versucht der Held, Jared, doch eigentlich nur die letzten Stunden vor der Ermordung seines Freundes zu rekonstruieren. Spannender Thriller mit ansprechenden Zeichnungen von Griffo der darauf wartet wegen der vielen Personen und Querverbindungen nach Komplettierung noch einmal am Stück gelesen zu werden! Ein guter Vertreter des Krimi-/Thriller-Genres!
Der ZACK-Held des Jahres 2019 ist … – Tusch!!
… wieder ein Western! Ich hatte meiner Meinung oft genug Ausdruck verliehen und dem One-Shot einiges zugetraut und tatsächlich hat Der Sheriff gewonnen! Auch sonst hat es einige Verwerfungen gegeben obwohl immer noch drei „Klassiker“ in neuem Gewand unter den ersten Fünf sind. Die Silbermedaille wurde von den Leser*innen an Rick Master verliehen! Von den in diesem Heft vertretenen Serien hat es Rani gleich mit dem ersten Teil auf das Treppchen geschafft – wie gut, dass hier noch einiges zu erwarten ist! Die komplette Liste gibt es online.
Und sonst?
Mein Lieblings-Onpager Tizombi hat es leider nicht in die Top Ten geschafft. Trotzdem lernen wir auch in dieser Ausgabe Neues über Schwierigkeiten auf dem Friedhof! Dazu kommen Parker & Badger und der Vater der Sterne mit alltäglichen Problemen. In einem Interview darf der deutsche Marvelzeichner Jonas Scharf über seine Projekte berichten und es geht um Rassismus im Geisterhaus. Das April ZACK 262 bietet einen bunten Frühlingsstrauß und dürfte alle Erwartungen erfüllen! Zum Schluss daher noch zwei Ankündigungen: Die Michel Vaillant-Gesamtausgabe wird im Herbst bei Egmont erscheinen (Näheres dazu bald hier) und ZACK-Abonnent*innen dürfen sich auf ein weiteres Spezial-Album freuen!
Zu diesem Heft passen ein frühlingshafter Kräuter-Gin mit Bitter Lemon und die guten alten Blechreiz mit „Which side are you on?“.
In Bruno BrazilBand 9 war das Kommando Kaiman, eine Truppe von Geheimagent*innen unter Führung von Bruno Brazil, entscheidend geschlagen worden. Drei Agenten waren im Laufe der Einsätze gestorben, zwei weitere schwer verletzt und ihr Chef bedurfte der psychologischen Betreuung. Obwohl es schon in den siebziger Jahren Ideen gab, die Geschichte fortzuentwickeln, folgten nur noch ein paar Kurzgeschichten. 2019 war es dann aber endlich soweit: Laurent-Frédéric Bollée schrieb ein zweiteiliges Szenario zu den Neuen Abenteuern und Philippe Aymond setzte das ganze grafisch um: Black Program war geboren!
Zurück zu den Wurzeln
Bereits in Teil 1 war es Brazil gelungen, seine Dämonen in Schach zu halten und die Reste des Teams wieder zusammen zu fügen. Altbekannte Gegner*innen waren plötzlich zu Opfern geworden und immer wieder tauchte ein Name auf: Black Program. Nun zeigt es sich, dass die NASA nach dem Ende der bemannten Raumfahrt zum Mond keineswegs aufgehört hatte, sondern eine geheime Apollo 18 Mission zum Mars durchgeführt worden war. Zwar hatte es Probleme gegeben, beide Astronauten hatten aber zur Erde zurückkehren können.
Es wird klar, dass Ottoman und Rebelle nicht nur eine Basis im südamerikanischen Dschungel gebaut hatten und die zweite wieder in Benutzung zu sein scheint. Die dahinterstehende Organisation steht in Verbindung mit den anschlägen und auch mit dem überlebenden Astronauten. Bruno und Gaucho machen sich auf den Weg, diese zu suchen, und werden dabei von Nomade und Whip aus dem Hintergrund unterstützt. Dazu scheint es noch ein Geheimnis zwischen Bruno und Rebelle zu geben.
Die Story von Laurent-Frédéric Bollée ist sicherlich etwas anders gelagert als die damaligen Geschichten von Greg: Neben den weiterhin vorkommenden Agententhriller-Aspekten, den Actioneinlagen und der Teamchemie, bei denen der Originalton sehr passend weitergeführt wird, tauchen auch Science-Fiction-Elemente auf. Diese passen technologisch vielleicht nicht ganz zu den Gegebenheiten Ende der Siebziger Jahre, integrieren sich in das Storykonzept aber ganz gut und machen neugierig auf weitere Folgen. Das neue Kreativteam hat definitiv den Mumm, den Klassiker zwar ehrfürchtig fortzusetzen, dabei aber gleichzeitig auch kräftig zu erneuern!
Brillante Hintergründe und viel Action
Während man die Story ohne größere Verrenkungen mit dem Original verbinden kann fällt das bei den Zeichnungen etwas schwerer! Natürlich hat Philippe Aymond einen eigenen Stil (und ich glaube auch nicht, dass Vance‘ Strich einfach zu kopieren wäre). Die Figuren haben auch einen hohen Wiedererkennungsfaktor, es fühlt sich aber trotzdem ein wenig so an als ob die Schauspieler*innen in der Staffelpause ausgewechselt worden wären. Dabei macht Aymond seine Sache gut; die Dschungelszenen sind erstklassig und auch die Darstellung des Weltraums, der technischen Labore, überhaupt aller Umgebungen gelingen ihm ausgesprochen gut.
Die Figuren wirken dagegen manchmal etwas unbeholfen was sich meines Erachtens nach auf eine einzige Schwachstelle zurückführen lässt: Die Mundpartie! Die Lippen sind zu Botox-lastig und die ewig-gleiche weiße Zahnreihe wirkt irritierend.
Das ist aber nur ein Schönheitsfehler! Actionszenen wechseln sich mit Meetings oder sogar Familienbildern ab und die eine oder andere Reminiszenz an andere Serien hat auch den Weg in das Album geschafft.
Fazit
Die Serie gehört sicherlich zu DEN Klassikern des europäischen Comics. Im Gegensatz zu vielen Anderen hatte sie allerdings nur eine relativ kurze Laufzeit und so ist es zu begrüßen, dass auch Bruno Brazil nun ein zweites Leben erlaubt worden ist. Story-technisch ist der Spagat zwischen reiner Nachahmung und moderner Weiterentwicklung gelungen. Zeichnerisch befindet sich das Team auf sehr gutem Weg dahin. Es bleibt also zu hoffen, dass weitere Abenteuer folgen werden!
Dankenswerter Weise bringt der All-Verlag aktuell nicht nur Bruno Brazil – die Neuen Abenteuer heraus, sondern legt auch die alten erneut auf. Im Buchregal passen also beide Reihen perfekt zueinander! Hardcover, Überformat, gutes Papier und die Möglichkeit, eine limitierte Vorzugsausgabe mit Schutzumschlag und signiertem ExLibris zu erwerben, sind ein Lob wert!
Dazu könnte sicherlich ein gut gekühltes Westcoast-IPA schmecken und Cock Sparrer, die in den letzten 5 Jahrzehnten jeweils mindestens einen Tonträger veröffentlicht haben, schlagen dazu die musikalische Brücke aus den Siebzigern!
Bruno Brazil war eine Agentenserie des neuen Typs in den Siebziger Jahren. Es ging nicht darum, einen strahlenden Helden zu zeigen, der sich mehr mit dem Anbaggern von Frauen beschäftigt als mit dem eigentlichen Auftrag. Dementsprechend waren auch die Geschichten eher blutig und die Auftraggeber kaltblütig.
Dance Hall Crusher
Der Geheimdienst hat sich für den Schutz der geheimen Myxin-Formel etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Nur zwei Menschen kennen sie und zusätzlich ist sie in einem geschützten Rechenzentrum gespeichert. Als erst einer der Geheimnisträger ermordet wird und dann eine Bombe die gespeicherten Daten vernichtet wird das Kommando Kaiman benachrichtigt. Sie kommen allerdings zu spät um den Tod der zweiten Person zu verhindern.
Es stellt sich heraus, dass es einen Plan B gibt: Einem ziemlich erfolglosen Agenten war das Geheimnis unter Hypnose „eingepflanzt“ worden. Nun beginnt ein tödliches Spiel für die Kaimane, die sich als Musikkapelle verkleidet nach Mogadischu begeben, eben Alles oder Nichts für Alak 6. Greg hat ein extrem spannendes Szenario für die Agententruppe geschrieben für das eigentlich auch eine Fortsetzung vorgesehen war. Tatsächlich folgten aber nur noch ein paar Kurzgeschichten bevor ein neues Team vor kurzem mit den neuen Abenteuern den Faden wieder aufgenommen hatte.
Kongeniale Zeichnungen
William Vance ist hier auf der Höhe seiner Zeichenkunst. Ausdrucksstarke Personen in einem modernen 70-er Jahre Ambiente und Panels, die obwohl in einem traditionellen Raster angeordnet, immer wieder Überraschungen enthalten und erstaunlich vielseitig daherkommen. Vance arbeitet vor allem mit Schraffuren und Linien, die Prägung durch schwarz-weiße Zeitungsstrips ist nicht zu verleugnen.
Die neuen, von Greg in Tintin lancierten Serien Bruno Brazil, Comanche oder Andy Morgan haben die frankobelgische Comiclandschaft komplett durchgerüttelt und sind heute noch stilprägend! Und so erscheint diese Geschichte nach Auftritten im Koralle-ZACK, bei Carlsen und Egmont EHAPA nun verdientermaßen in einem eigenständigen Hardcover, erstmals im Übrigen mit einem deutschen Titel, der dem Original entspricht.
Die Empfehlung
Bruno Brazil dürfte in keinem Comicregal fehlen und wer die Serie nicht kennt sollte definitiv einen Blick riskieren. Nicht nur, dass sie zeichnerisch und storytechnisch neue Maßstäbe gesetzt hat, sie hat auch heute noch nichts von ihrer Lesbarkeit eingebüßt. Mehr zu der Serie über den smarten Bruno und seine Kaimane in Kürze in einem Serienkompass. Auch in diesem Band gibt es einen Beitrag von Bernd Weckwert über „Brazils Väter“!
Das Ex Libris der limitierten VZA
Natürlich gibt es auch von diesem Band eine limitierte Vorzugsausgabe mit exklusivem ExLibris! Für alle Krimifans, Liebhaber*innen von Agententhrillern, Genießer*innen guter Stories (ohne Happy End) und natürlich auch für die Generation ZACK ein echter Tipp!
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
Diese Ausgabe läutet schon wieder den Abschied vom ersten Quartal des Jahres ein. Wir hatten in einigen Gegenden Deutschlands das erste Mal seit Jahren wieder Schnee und ansonsten haben wir coronabedingt aufgeräumt, viel gelesen oder ferngesehen und lustige Frisuren bekommen. Mit diesem ZACK lernen wir zwei weitere neue Serien kennen.
Die Neustarts
Den Anfang macht Terence Trolley, die neue Serie von Serge Le Tendre. Dieser ist in Deutschland alles andere als unbekannt, hat er doch sowohl im Fantasybereich mit Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit als auch mit dem Western Chinaman schon große Duftmarken gesetzt. Letztere war im Übrigen auch im ZACK vertreten und wartet immer noch auf die angekündigte Gesamtausgabe. Die aktuelle Serie thematisiert die Frage wie weit „Wissenschaft“ gehen darf, wo genetische Manipulationen aufhören müssen. Patrick Boutin-Gagné zeichnet dazu in einem sehr rauen Stil; zarte Details sind seine Sache nicht, aber zu diesem Thema passt das ganz gut. Im ersten Teil von Das Fenster zum Gehirn fällt eine außergewöhnliche Gedankenkraft eines Jungen bei einem Rummelbesuch auf und wird weitergemeldet.
Es gibt noch einen weiteren Neustart im Grenzbereich zwischen Fantasy und Science-Fiction: Saul, eine im Stil von Storm sehr realistisch gezeichnete Saga kommt aus dem StripGlossy. Der lebende Mantel erzählt die Geschichte eines Geflüchteten. Zu Unrecht eines Verbrechens bezichtigt, flieht er aus der Hauptstadt seines Planeten Boritas. Ein Wirbelsturm verschlägt ihn in das Land der Riesen, die ihn sofort töten wollen. Und auch eine Großkatze ist nicht gerade freundlich gesinnt. Willem Ritstier ist bei unseren westlichen Nachbarn ein sehr bekannter und vielseitiger Szenarist, der aus Lombok stammende Zeichner Apriyadi Kusbiantoro war bisher mehr in der Werbung unterwegs.
Beide neuen Serien versprechen mit ganz unterschiedlichen Zeichenstilen spannende Unterhaltung!
Die Fortsetzungen
In eine ganz andere Zeit, nämlich das Frankreich des Jahres 1743, versetzt uns Rani. In Die Räuberin wird die unschuldig zum Tode Verurteilte befreit und entdeckt eine ganz andere Gesellschaft: die der Ausgestoßenen, Vertriebenen und Entrechteten. Jean Van Hamme und Alcante haben ein sehr dichtes Szenario geschaffen das Francis Vallès genügend Möglichkeiten lässt, Menschen in allen Lebenslagen und Landschaften zu zeichnen. Mehr zu den Hintergründen der schönen Historiengeschichte im Serienkompass, der aber Spoiler enthält!
Spaghetti ist ein ganz klassischer Funny von Dino Attanasio und René Goscinny. Der rasende Lieferant von warmen Speisen wurde für das StripGlossy von Daan Jippes modernisiert. Hier darf er gleich zwei aufeinander aufbauende One-Pager nach Szenarios von Frans Hasselaar durchleiden. Empfehlenswert!
Das Mädchen von der Weltausstellung geht mit dem ersten Teil Paris, 1855 bereits in die dritte Runde. Ein Soldat war gezwungen worden, eine Bombe auf der Ausstellung zu platzieren, um seine Frau zu retten. Diese entpuppt sich zwar als Blindgänger zu Testzwecken, der nun folgende Auftrag ist aber noch gewaltiger. Kann Julie mit ihren hellseherischen Fähigkeiten helfen? Jack Manini erzählt eine spannende Geschichte rund um die Attraktionen der Weltausstellung und Willem Étienne setzt die Mischung etwa im Stil von Bastos und Zakusky kongenial um.
In Empire USA 2.3 versucht Jared, der Held, immer noch herauszufinden, was sein Freund gemacht hat, bevor er ermordet worden war. Es ist klar, dass russische Oligarchen eine Rolle gespielt haben, und dass es eine Gruppe von ehemaligen KGB-lern gibt, die sich den neuen Verhältnissen angepasst haben. Es scheint aber auch Verbindungen zu Supermodels zu geben. Griffo zeichnet einen harten Thriller mit Blut und nackter Haut den Stephen Desberg entwickelt hat. Es würde mich nicht wundern, wenn diese Geschichte über kurz oder lang bei einem der Streaminganbieter auf der Liste stehen würde.
Und sonst?
Natürlich gibt es neue Geschichten von der Friedhofs-WG um Tizombi, in der es um (misslungene) Romantik, das richtige Feiern und die Körperpflege geht. Wie immer unterscheiden sich dabei Gepflogenheiten von Lebenden und Untoten ein wenig. Der Vater der Sterne ist dabei, das grandiose Mechanica Caelestium wird vorgestellt, das frankoblegische Comic-Kino geht in die elfte Runde und Rezis, News sowie Frank Neubauers ZACK-Keller runden das Programm ab.
Der ZACK-Held sollte mittlerweile gewählt worden sein. Im Kommentar dürfen gerne Prognosen abgegeben werden. Sicherlich gute Chancen darauf hat Michel Vaillant dessen „Vater“ Jean Graton Anfang des Jahres gestorben ist. Natürlich würdigt das Editorial einen der letzten Vertreter der Generation, die das „alte“ ZACK geprägt haben.
Der Frühling kommt mit frischem Wind, der Winterschlaf ist zu Ende! Lasst euch also mitnehmen von zwei komplett neuen Serien, genießt das (zum zehnten Mal in Folge zu warme) Wetter und bleibt gesund! Dazu passen möglicherweise ein Altbier und als Ausblick auf das kommende die neue Single von den Dropkick Murphys!
Caroline Baldwin ist eine der wenigen Ermittlerinnen in der Comicbranche, die es auf eine lange Laufzeit gebracht haben. Dabei war das gar nicht geplant denn das erste Abenteuer war als One-Shot gedacht und die Heldin anfangs nur als Nebenfigur. Zum Glück kam es dann aber doch anders. Mehr zur Serie im Allgemeinen bei der Rezension des ersten Bandes der gerade parallel gestarteten Gesamtausgabe der Bände 1 bis 16 im Sub-Label Alles Gute! des Hamburger Verlages Schreiber & Leser.
Alte Tänze und neue Drogen
2007 war zunächst einmal Schluss mit neuen Geschichten um die selbstbewusste junge Frau. Charaktere abseits der üblichen Schemata sind aber gefragt und so hatte sich die Idee einer Verfilmung ergeben. Es wurde fleißig am Drehbuch gewerkelt, das dann aber doch nicht umgesetzt wurde. Glücklicherweise war es aber die Grundlage für einen neuen Zyklus, der die Heldin mit indianischen Wurzeln 2012 zurückbrachte.
Caroline erhält in Narco-Tango von einer Pharma-Firma den Auftrag, einen Wissenschaftler aufzuspüren, der vor kurzem mit wichtigen Unterlagen im Gepäck verschwunden war. Die Firma befürchtet, dass er zur Konkurrenz gewechselt sein könnte. Als die Heldin die Ermittlungen aufnimmt, erfährt sie von einem ehemaligen Schulfreund, dass die Stadt gerade von neuen Drogen überschwemmt wird. Und die ehemalige Assistentin des Forschers erzählt, dass er verrückt nach Tango gewesen wäre.
Natürlich lässt André Taymans seine Heldin also Tangounterricht nehmen, um die Ermittlungen in Fahrt zu bringen. Wie immer gerät sie dabei in Gefahr, muss verzwickte Verbindungen aufdröseln und das eine oder andere Getränk zu sich nehmen. Die Story ist spannend, gut konstruiert und funktioniert im Comic perfekt. Verfilmt kann ich mir das nicht ganz so gut vorstellen.
Die moderne Klare Linie
Taymans hat aber nicht nur das Szenario verfasst, sondern auch zeichnerisch umgesetzt. Er bleibt bei seiner modernen Interpretation der klaren Linie. Die Dynamik ist gut herausgearbeitet und sowohl Tanz- als auch Kampfszenen zeigen realistische Körperhaltungen. Die Panels sind konsequent in Streifen angelegt wobei Anzahl und Höhe wechseln. Die Geschwindigkeit wird daher allein durch Perspektivwechsel und Bildfolgendichte geregelt.
Gerade im Vergleich zu den Anfängen ist die Heldin nicht mehr so freizügig dargestellt. Sie ist erwachsener geworden ohne dabei langweilig oder weniger freigeistig zu werden und das ist gut so. Die Hintergründe sind, wenn benötigt, sehr detailliert, versuchen aber nicht, den Fokus auf sich zu lenken. Also genau so, wie man es erwartet hätte.
Die Empfehlung
Für Krimifans eine echte Empfehlung: Action mit einer zugrundeliegenden, relevanten Story und glaubwürdigen Akteur*innen. Wer auf selbständige, emanzipierte Heldinnen steht wird hier ebenfalls zufrieden sein und Fans der Klaren Linie sowieso. Die Serie strahlt zudem einen gewissen nostalgischen Charme aus, denn insbesondere Caroline Baldwin ist liberal im eigentlichen Sinn und offen für Neues. Schade, dass das heutzutage so selten geworden ist.
Ex Libris der limitierten VZA
Natürlich ist der Band mit seinen Glanzlackapplikationen auf weißen Hintergrund auch ein Schmuckstück für jede Sammlung. Wer es ganz edel möchte kann zur limitierten Vorzugsausgabe greifen der ein ExLibris beiliegt. Den Abschluss des Bandes bildet eine Seite mit Hinweisen von André Taymans zu dieser Geschichte und dem geplanten Film sowie eine unkolorierte Seite als Ausblick auf Band 18!
Dazu passen ein Manhattan und Joy Crookes, eigentlich mit allem.
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
2020 war schon fast Geschichte und es stand keine Wahl zur ZACK-Serie des Jahres an. Die Frage danach von comix-online in einem Interview mit Georg F. W. Tempel war ein Auslöser dafür, dass es sie jetzt doch gibt! Wer noch nicht teilgenommen hat, sollte dieses schleunigst hier nachholen! Zu gewinnen gibt es im Übrigen das ansonsten nur für Abonnent*innen erhältliche Michel Vaillant Spezial 1 mit Werbecomics des leider gerade verstorbenen Jean Graton. Außerdem dürfen wir uns schon mal auf einen weiteren Western im Sommer von dem aus Deutschland stammenden Martin Frei freuen!
Die Rückkehrer
Die von Jean Van Hamme und Alcante verfasste Serie Rani kehrt mit dem zweiten von bisher acht Bänden zurück auf die Seiten dieses Magazins. Ursprünglich hatte die Geschichte eine TV-Serie werden sollen, aber manchmal kommt es dann doch anders. Tatsächlich war diese zweite Erzählung bereits erhältlich als die Serie dann doch noch im französischen Fernsehen zu sehen war. Glück gehabt, denn Francis Vallès war die richtige Wahl für die bebilderte Umsetzung des Skripts. Jolanne, die uneheliche Tochter des Marquis de Valcourt, war in Band 1 zu Unrecht eines Mordes bezichtigt worden und hatte erfolglos versucht, zu fliehen. Ihr Halbbruder hatte es geschafft, das eigentlich ihr zustehende Erbe an sich zu reißen und Jolanne zum Tode verurteilen zu lassen.
Band 2 – Die Räuberin – beginnt nun mit einer Verlegung der Gefangenen zum Zwecke der Hinrichtung in einem offenen Gitterwagen zusammen mit einem weiteren Mithäftling. Während einer Übernachtung versucht der Polizeiinspekteur Laroche, Jolanne zu sexuellen Gefälligkeiten zu überreden und bringt damit die weiteren Ereignisse ins Rollen. Routiniert und spannend erzählte Geschichte mit teils brillanten Zeichnungen aus dem Frankreich des Jahres 1743. Mehr zu der History-Serie im Serienkompass, aber: Achtung Spoiler!
Und noch eine Serie kehrt zurück: Stephen Desbergs Thriller Empire USA mit dem etwas unspektakulären Titel 2.3! Jared versucht den letzten Tag seines ermordeten Expartners aufzuklären. Vermutlich hatte er sterben müssen, weil er etwas herausgefunden hat, was niemand erfahren darf. Der Comic spielt im Umfeld der nach der Systemwende in der UdSSR emporgekommenen Oligarchen. Viele von ihnen haben sich mit alten Seilschaften verbandelt und nicht alle sind sich grün. Griffo setzt das kühle Jetset und das ausschweifende Leben der High-Society genauso glaubwürdig um wie die brutale Gewalt, die zum Schutz der Privilegien eingesetzt wird. Auch dieses Szenario könnte durchaus die Basis einer Verfilmung sein – Mal sehen, wann die Streamingdienste Nachschub brauchen.
Die Fortsetzung
Im Januarheft hatte eine ungewöhnliche Reihe ihren ersten Auftritt im ZACK: Das Mädchen von der Weltausstellung wird jede Pariser Weltausstellung sowie zwei Sonderschauen als Anlass für einen Band nehmen. Den Anfang macht die erste von 1855. Einerseits geht es darum, die in Bezug zum Herrscher stehenden Toten mit einer Mischung aus Fake News und Ablenkung aus der öffentlichen Diskussion heraus zu halten, andererseits scheint es aber auch jemanden zu geben, der die Ausstellung sabotieren möchte. Die kleine Julie mit ihren hellseherischen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt dieser Mischung aus Krimi und History von Jack Manini und Étienne. Eindeutig mehr als einen Blick wert!
Irgendwie auch hierhin gehören die Onepager und Streifen, die leicht übersehen werden können. Parker & Badger von Cuadrado versuchen sich mit allerlei Jobs über Wasser zu halten, scheitern aber meistens grandios. In diesem Heft geben die beiden den Babysitter. Tizombi von Cazenove und Maury handelt von den Abenteuern einer besonderen Clique auf einem Friedhof: Ein paar Zombies und ihre menschliche Freundin, das kleine Steak, vertreiben sich die Zeit mit Kinoabenden, All-you-can-eat-Orgien und schlechter Gesellschaft. Oft ein wenig neben dem guten Geschmack, immer aber herzerfrischend! Und dann gibt es noch den Vater der Sterne von Piquet und Seb, der ständig versucht, seine eigene Welt des Kampfes und der Siegesorientierung über die romantische, verspielte und ziellose Welt seiner kleinen Tochter zu stülpen.
Der Abschied
Giant von Mikaël ist meines Erachtens eine der besten aktuellen Graphic Novels. In ihr sind mehrere Themen miteinander verwoben: Der Aufschwung New Yorks mit seinen gigantischen Hochhäusern als Symbol und seiner gleichzeitigen Begrenzung auf wenige Gewinner, die breite, teils immer noch hungerleidende Masse der Arbeiter und ihre Konflikte, und am irischen Beispiel die zur Auswanderung führende Not der Bevölkerung, die alles hinter sich lassen muss um einen ungewissen Neuanfang in Amerika zu wagen.
Giant hatte sich nicht getraut, der Frau eines Kollegen von seinem Tod zu berichten und hatte ihr stattdessen in seinem Namen Briefe und Geld geschickt. Nun aber steht sie mit den kleinen Kindern vor ihm in New York und erwartet Antworten. Solidarität, Mut und der Zwang weiter zu machen bekommen so ein ganz anderes, persönliches Bild. Die in Erdfarben gehaltenen Bilder erinnern an alte Fotos, geben aber auch die wehmütige Stimmung perfekt wieder! Mehr als ein Kleinod.
Und sonst
Friedrich Engels wird meistens nur in seiner Kombination mit Marx betrachtet. Nun aber gibt es eine Graphic Novel über den Revolutionär und Unternehmer von drei deutschen Comicschaffenden. Michael Hüster präsentiert ein Interview und eine unveröffentlichte Seite!
Bernd Hinrichs ordnet den Band von Taschen über die gefährlichsten Comics der Welt in ihren historischen Kontext ein. Während in Amerika die bahnbrechenden Hefte aus dem EC-Verlag für kurze Zeit als die innovativsten Comics des Jahrhunderts gefeiert wurden, verschafften sich dort und auch hier Lautsprecher Gehör, die „unsere Kinder“ vor „Schmutz und Schund“ und „Verrohung“ zu beschützen vorgaben. Sehr lesenswerte Besprechung eines vorzüglichen Bandes, der hier zum Sekundärwerk des Jahres gekürt worden war.
Eine sehr abwechslungsreiche Mischung aus französischer und amerikanischer Vergangenheit sowie europäischer Gegenwart, Krimi, Abenteuer und Gesellschaftskritik, abgerundet mit spannenden Beiträgen, News und Rezensionen!
Auch musikalisch dazu eine kleine Zeitreise, zurück in die beginnenden 80-er: Die erste von Madness ist immer noch zusammen mit der ersten von The Specials ein Aufbruch in neue Zeiten! Perfekte Hintergrundmusik zu diesem ZACK und einem Hellen Bio-Bier aus der Finne Brauerei.
Es gibt Krimis und Krimis. Die einen erzählen zum gefühlt millionsten Mal eine bekannte Geschichte: Ein Mann hat irgendjemand umgebracht, wird von einem Polizisten gejagt und am Ende ist nach einigen Verwirrungen der Fall erfolgreich gelöst. Je nach Zeit und Medium gibt es dazu noch ein paar familiäre Probleme, Ärger mit Kolleg*innen und mehr oder weniger Gewalt.
Und es gibt solche, die anders sind, bei denen die Spannung erhalten bleibt, weil nachvollziehbare Charaktere versuchen, ihre Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen und die möglicherweise auch gar nicht gut ausgehen. Letztere liebe ich und in diese Kategorie gehören die Abenteuer von Caroline Baldwin!
Eine Heldin, die es gar nicht geben sollte
André Taymans war Mitte der 90-er Jahre bereits ein bekannter Autor und Zeichner von Comics für Kinder, begann aber die Lust daran zu verlieren und wollte etwas anderes machen. Der genaue Verlauf der Odyssee von einer ersten Idee hin zu Moon River ist im Vorwort der gerade erschienenen Gesamtausgabe nachzulesen. Hier soll davon nur verraten werden, dass der Comic weder als Reihe geplant war, noch Caroline Baldwin die Titelheldin oder Hauptperson sein sollte. Egal, 1996 erschien Moon River als erster Teil einer neuen Serie, wurde für gut befunden und mittlerweile haben 16 weitere Teile das Licht der Verkaufsregale erblickt.
Band 1 erzählt die Geschichte eines depressiven ehemaligen Astronauten. Er verschwindet plötzlich obwohl er doch als Aushängeschild einer Firma zu einem wichtigen Vertragsabschluss hätte beitragen sollen. Da möglicherweise die Konkurrenz ihre Finger im Spiel haben könnte, beauftragt die Firma die Privatdetektivin Baldwin mit dem Auffinden und Zurückbringen des alten Helden. Die Heldin trinkt, hat wechselnde Partner und ist auch sonst manchmal eher depressiv unterwegs. Sie ist aber keineswegs bereit, klein beizugeben!
Gleich im Anschluss wird es noch politischer: in Kontrakt 48-A geht es um die Auswirkungen radioaktiver Strahlung und die nicht immer vorhandene medizinische Ethik. Taymans hat mittlerweile einen besseren Bezug zu seiner Heldin entwickelt und sie mehr in den Mittelpunkt gerückt. Sie bekommt einen sehr sympathischen Großvater, einen Erbfall und unsympathische Verwandte für den Hintergrund. Zudem hat sie über diese Linie indianisches Blut und daher auch nicht immer die Vorteile einer Weißen.
Tödliche Texte
Und dann schlugen wieder die Zufälle des Lebens zu. Während die ersten beiden Bände mit einem Umfang von 64 Seiten veröffentlicht worden waren, standen für die weiteren Folgen nur noch 48 Seiten zur Verfügung und Taymans musste das bereits begonnene neue Werk entweder stark kürzen oder ausweiten. Zum Glück für uns entschied er sich für das letztere und so entstanden die zusammengehörigen Nummern Der Tote im Pool und Showdown in Havanna.
Ein rechter Mob verbrennt erotische Romane an einer Tankstelle, kurze Zeit später schwimmt der Autor dieser Romane tot in dem Pool von Carolines Freundin. Als wäre das nicht genug, überrascht Caroline auch noch einen Einbrecher, kann ihn aber nicht überwältigen. Eine Spur führt in die Welt der Literatur mit Massenauflagen und Schreibblockaden. Die Lösung dieses Falls kann aus verschiedenen Gründen nur in Havanna liegen und so macht sich die Heldin auf in eine Stadt, die sich – zumindest hier im Comic – sehr farbig, aufgedreht und musikalisch, aber eben auch als sehr gefährlich präsentiert!
Die Zeichnungen
Caroline Baldwin ist hübsch, aber kein Model. Sie ist eigenwillig, aber nicht egozentrisch. Die Heldin ist depressiv, aber nicht unterzukriegen. Sie ermittelt selbständig, ist aber kein Mann. Und: sie ist sexuell aktiv, aber nicht gebunden. Für die damalige Zeit eine ganze Menge an Tabubrüchen und auch heute noch lange nicht selbstverständlich! Taymans hat für diese Frau und ihre Erlebnisse mit einer nur leicht modernisierten Ligne Claire das nahezu perfekte Stilmittel gefunden.
Sie ermöglicht Emotionen in der Darstellung, verlangt aber keinen Realismus. Hintergründe sind wichtig, wenn sie eine Aufgabe haben, können aber auch durchaus auf eine Farbe reduziert werden, wenn sie nicht ablenken sollen. Bewegungslinien erzeugen Dynamik und alles zusammen strömt eine nostalgische Note aus! Einige Figuren, wie etwa der Großvater, haben ihre Vorbilder in der Realität und den Zeichnungen ist anzusehen, wie der 1967 in Belgien Geborene sich langsam in die Handelnden hineinversetzen kann, sie liebgewinnt und ihnen Persönlichkeit gibt.
Natürlich gehört Caroline Baldwin mittlerweile mit einem eigenen Wandgemälde zum Stadtbild von Brüssel und wurde damit zurecht in die erste Reihe aufgenommen!
Der Tipp
Krimifreund*innen aufgepasst: Wer die Serie noch nicht kennen sollte, darf, muss vielleicht sogar einen Blick riskieren. Die Heldin wird sich noch weiter entwickeln und langweilig wird es definitiv auch weiterhin nicht. Die gleiche Empfehlung geht an alle Fans der klaren Linie, die Generation ZACK und an alle, die auch nicht Graphic Novels zusprechen, Personen entwickeln zu können.
Schreiber & Leser spendiert der Serie unter seinem Label Alles Gute eine Hardcoverausstattung mit allen Extras: durchlaufendes Rückenbild, Lesebändchen, Glanzlackapplikationen auf dem Einband und eine ausführliche redaktionelle Einleitung mit einer Unmenge an Illustrationen! Heutzutage geht der Blick oft genug zurück auf falsche Vorbilder oder Referenzen; diese Serie atmet zwar nostalgischen Charme aus, ist aber immer noch aktuell und die Freiheit fördernd!
Der Lockdown geht noch lange genug, also kontaktiert eure*n Lieblingsdealer*in und bestellt!
Dazu passt Brody Dalle, energisch und unangepasst, und Whiskey on the rocks.
The Crow ist im eigentlichen Sinne (Selbst-)Therapie. James O´Barr konnte es sich nicht leisten, mit seinem kaputten Auto noch einmal von der Polizei angehalten zu werden und hatte deshalb seine Freundin gebeten, ihn abzuholen. Diese war auf dem Weg zu ihrem Auto angefahren und tödlich verletzt worden. O´Barr rutschte daraufhin in eine Spirale aus Selbstmitleid und Selbsthass und konnte sein Tief nur dadurch überwinden, dass er begann The Crow zu zeichnen.
Diese düstere Graphic Novel hatte erstaunlicherweise großen Erfolg und sollte verfilmt werden. Am Set starb Brandon Lee auf tragische Weise und wieder begann die Spirale von neuem. Natürlich ist im weiteren Sinn der Autor des verfilmten Werkes der Anlass für eine Verfilmung, von persönlicher Schuld wird man aber in beiden Fällen nicht sprechen können. Trotzdem ist es natürlich richtig, dass man sich selber vergeben muss auch wenn man unberechtigte Schuldgefühle loswerden muss. Die Story ist daher in mehreren Teilabschnitten entstanden, hat sich entwickelt und liegt jetzt erstmals in dieser kompletten Fassung auf Deutsch vor.
Die Story – Ein Wutbürger sieht rot
Die Geschichte lässt sich auf zweierlei Weisen lesen: Die eine ist eine zutiefst romantische. Der Held ist so voller Liebe, dass er nicht loslassen kann. Die beiden sind nicht nur für immer sondern sogar für ewig verbunden. Dazu passen dann auch einige der melodramatischen Szenen dieses Comics und natürlich auch das Kostüm, das sich der tote Eric gibt.
Die andere ist eine selbstsüchtige, Gesellschaft und Rechtsstaat verachtende, zutiefst reaktionäre Männlichkeitsideale feiernde Rachestory. Wie etwa auch in ein Mann sieht rot oder in Rambo stellt sich ein Mann über die Regeln, ernennt sich zum Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person und zieht mordend und brandschatzend durch die Gegend. Nicht nur die fünf Crack-Junkies die Eric und seine Freundin vergewaltigt und ermordet haben unterfallen dem Richtspruch, weitere (zugegebener Weise nicht Unschuldige) werden ebenfalls hingerichtet. The Crow nimmt es sich sogar heraus, zu entscheiden ob sein Gegenüber einen schnellen oder langsamen, qualvollen Tod verdient habe.
Ich will jetzt nicht sagen, dass das Lesen eines Comics wie diesem irgendwelche Mordbrenner inspiriert auf Amoktour zu gehen. Ich muss aber zugeben, dass ich den Comic, den ich das letzte Mal vor 25 Jahren gelesen habe, damals anders bewertet habe und nun den Hype darum nicht mehr wirklich nachvollziehen kann.
Die Ausgabe
Jano Rohleder hat sich sehr viel Mühe gegeben und es hat sich gelohnt! Das Cover hat eine leicht weiche Anmutung, der Band enthält mehrere Vorworte, alle im Nachhinein erschienenen Zeichnungen und wurde komplett neu übersetzt. Es gibt gleich zwei verschiedene limitierte Ausgaben mit einem oder zwei signierten ExLibris und für alle, die beweisen können, dass sie das Werk legal erworben haben, sogar eine digitale Ausgabe als Gratiszugabe!
Die Zeichnungen von O´Barr sind zum Teil wirklich hochklassig und transportieren sowohl die Brutalität als auch die Romantik. Durch die farbigen Zeichnungen im Anhang wird noch einmal ein ganz anderer Zugang ermöglicht und O´Barr muss seine Fähigkeiten keinesfalls in Zweifel ziehen. Insgesamt bleibt also ein sehr zwiespältiger Eindruck: gutes Artwork in guter Aufmachung aber grottenüberflüssige Machostory.
Dazu kann eigentlich nur Musik passen, die sich selbst nicht ernst nimmt und dadurch die Balance wieder herstellt: Kapelle Petra und als Getränk ein Root Beer.