Ritstier/Oosterveer – Nicky Saxx 2

Psi – Paranormal & Unkraut

Story: Willem Ritstier
Zeichnungen: 
Minck Oosterveer
Originaltitel:
Nicky Saxx 2

Kult Comics

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 20,00 € |
ISBN: 978-3-96430-363-9

Cover Nicky Saxx 2

Zeitungsstrips sind ein ganz besonderes Medium, müssen sie doch die Leser*innen überzeugen, am nächsten Tag wieder zu kommen (also eine neue Ausgabe der Zeitung, die sie gerade lesen, zu kaufen) und teilweise gleichzeitig eine Geschichte erzählen, die trotz der Redundanzen auch im Ganzen lesbar bleibt. Während Folgen bei Strips wie Magnus der Magier oder Häuptling Feuerauge selten aufeinander aufbauen, erzählen etwa Modesty Blaise oder Phantom Epen. Auch Nicky Saxx ist ein Beispiel dafür, die einzelnen Episoden bestehen aus 20 bis 22 Seiten a vier Tagesfolgen, sind also nicht zu komplex. Die Storylines stehen zueinander aber schon in einem losen Zusammenhang und erlauben Kontext und Entwicklung.

Abenteuer im Schnee und auf hoher See

Die Heldin, Nicky Saxx, leitet eine Agentur, Room 666, die sich um schwierige Fälle kümmert. Dabei sehen sie und ihre Helfer*innen, insbesondere aber ihre Freundin Elja Steiner, oft genug dem Tod ins Auge. Während Nicky eher die toughe Person ist, die auch austeilen kann, ist Elja als paranormal begabte Psychologin eher für die nicht sichtbaren Seiten des Falles zuständig.

Nicky Saxx 2 page 3

Psi – Paranormal spielt während des Urlaubs von Elja. Ihre kleine Nichte verschwindet plötzlich, ihre Spuren werden von dem stetig fallenden Schnee überdeckt und die Paranormal begabte Heldin spürt die Gefahr und einen Zusammenhang mit einem ganz ähnlichen Verschwinden von vor 15 Jahren an genau der gleichen Stelle.

In Unkraut ist es Nicky, die sich im Urlaub befindet. Sie ist mit einem Segelboot irgendwo vor der lateinamerikanischen Küste unterwegs. Während sie ein Bad nimmt, wird dieses Schiff plötzlich aus einem Hubschrauber beschossen und versenkt. Doch damit fangen ihre Schwierigkeiten erst an, denn sie muss nicht nur versuchen, an Land zu kommen, die Hubschrauberbesatzung ist keineswegs gewillt, sie in Frieden zu lassen.

Nicky Saxx 2 page 4

Kolorierte Schwarz-weiß Zeichnungen

Die Zeichnungen von Minck Oosterveer waren ursprünglich in schwarz-weiß angelegt, schließlich waren sie für eine Tageszeitung gedacht, in der farbige Details eher schwierig gewesen wären. Anfang dieses Jahrtausend lief die Serie für rund sechs Jahre in De Telegraaf, nun wurde sie für diese Gesamtausgabe erstmals koloriert. Dabei sind sehr stimmungsvolle Panels entstanden, vereinen sie doch einerseits das Spiel mit Licht und Schatten und andererseits das gewohnte Bild der Farbigkeit.

Die Zeichnungen sind alle etwas rauer, ohne das letzte bisschen an realistischem Detail, sind daher aber vielleicht sogar ehrlicher. Die Action stimmt, die Emotionen sind etwas überzogen, wirken dadurch natürlich aber umso stärker. Man mag sich allerdings manchmal fragen, ob es den beiden Frauen nicht etwas kalt wird…

Detail Nicky Saxx 2 page 9

Spannung in Serie!

Willem Ritstier schafft es fast an jedem Streifenende einen kleinen Cliffhanger zu platzieren. Dieser muss am nächsten Tag so aufgenommen werden, so dass er diejenigen, die die gestrige Folge verpasst haben, mitnimmt, die anderen aber nicht langweilt. Insofern ist das erste Panel fast zwangsläufig eine gewisse Art von Wiederholung, allerdings mit anderen Worten, aus einer anderen Perspektive oder um Sekunden zeitverschoben. Die Geschichte und ihr Gesamtspannungsbogen sind aber trotzdem der Fokus der Erzählung.

Diese Gattung ist sicherlich nicht etwas für jede*n, man muss sich darauf einlassen wollen. Wenn man das möchte, bietet Nicky Saxx eine gute Möglichkeit zur kleinen Flucht aus dem Alltag, ist herrlich aus der Zeit gefallen und doch nicht peinlich. Der kleine Anhang bietet eine Möglichkeit, die Künstler hinter der Serie kennenzulernen und für Fans gibt es eine Vorzugsausgabe mit limitiertem und signiertem Druck! Sollte jemand an der Übersetzung etwas auszusetzen habe, so sei darauf hingewiesen, dass sie vom Verfasser dieser Zeilen stammt. Bemerkungen also gerne im Kommentar.

Cover Nicky Saxx 2 VZA

Dazu passen The Interrupters mit „Alien“ und ein Bulleit Bourbon.

© der Abbildungen 2022 Uitgeverij Reboot Comics / 2024 Comic Combo, Leipzig

Frenz/Ordon – Phantom 1

Die verschwundenen Base-Jumper

Story:  Bernd Frenz
Zeichnungen: 
Janusz Ordon
Originaltitel: 
Fantomen

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Softcover | 56 Seiten | Farbe | 16,00 €

ISBN: 978-3-949987-66-3

Cover Phantom 1 ZACK-Edition
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Viele Jahre war der ganz besondere Superheld vom deutschen Markt verschwunden, nur um urplötzlich in einer Vielfalt zurückzukehren, die von niemandem erwartet worden war. Lee Falk’s Phantom ist ein Phänomen sondergleichen. Für Fans und Sammlerinnen gibt es das Kompendium von Blees und eine Mischung aus alten, bisher bei uns unveröffentlichten Klassikern erscheint bei Zauberstern. Neben der zweibändigen Ausgabe mit von Mitton gezeichneten Stories nun also auch eine Reihe mit Geschichten von Bernd Frenz!

Der aktuelle Wandelnde Geist im Kampf gegen das Verbrechen

Das Phantom hat einen Vorteil gegenüber allen anderen Superheld*innen, kann er doch auf eine Historie von Inkarnationen verweisen und somit Geschichten über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten ermöglichen. Der deutsche Szenarist Bernd Frenz konzentriert sich aber zunächst auf das aktuelle Geschehen. Ursprünglich als dritte und vierte seiner Geschichten in dem schwedischen Fantomen-Magazin erschienen, bilden sie den Auftakt der Reihe, da beide vom gleichen Zeichner umgesetzt worden waren.

Die verschwundenen Base-Jumper beunruhigen die Gemeinschaft der Extremsportler, gibt es doch scheinbar keine Erklärung für ihr Verschwinden. Daher beschließen das Phantom und seine Frau der Sache nachzugehen und sich als Jumper auszugeben. Tatsächlich müssen sie am eigenen Leib erfahren, was mit den vorherigen Springer*innen passiert ist. Es entwickelt sich eine spannende, actionreiche Geschichte mit einem wahnwitzigen Plan.

Phantom 1 ZACK-Edition page 3
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Auch Gefährliche Wasser ist sehr actionreich, bezieht seine Idee aber aus aktuellen Sicherheits- und Militärtechnischen Entwicklungen. Wir alle haben spätestens während des Angriffs von Russland auf die Ukraine lernen müssen, dass moderne Waffen mehr und mehr aus unbemannten, autonom operierenden Drohnen bestehen. Hier werden sie nicht durch staatliche Stellen eingesetzt!

Kolorierte Schwarz-Weiß Seiten

Über eine lange Zeit erschien das schwedische Magazin nur mit schwarz-weißen Seiten, die perfekt zu diesem Comic passen. Schließlich liegen die Ursprünge der Seite im Comic-Strip, also der Tagesstreifen und später auch Sonntagsseiten für Zeitungen. Auch Janusz Ordon beherrscht das Spiel mit den Schwarzflächen, die der Seite Tiefe geben. Die Seitenaufteilung ist sehr flexibel, die markanten Gesichter kommen trotz der nachträglichen Kolorierung gut zur Geltung!

Detail Phantom 1 ZACK-Edition page 4
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Seine hier mitabgedruckten Covermotive beweisen aber, dass er auch farbige Seiten abliefern kann. Wie immer bei dieser Serie versucht das Motiv, den Inhalt spannend anzuteasern. Das ist manchmal ein heikles Unterfangen, wird das Cover doch schon oft nach der ersten Idee gezeichnet, bevor die Story wirklich geschrieben ist. Es können also Abweichungen vorkommen. Hier sind aber wenigstens Covermotiv und Story von einem Zeichner, die Abweichungen halten sich daher im Rahmen.

Schon wieder ein anderes Phantom!

Es ist wirklich erstaunlich, welche Vielfalt den Phans aktuell geboten wird! Von Klassik über amerikanischen Heftchen-Mainstream, von frankobelgischen Einflüssen bis hin zu europäischer Interpretation der Strips ist alles dabei! Die neue Reihe in der ZACK-Edition bedient dabei gleich zwei Kategorien, denn zum einen stehen die Stories in der europäischen Tradition, zum anderen kommt der Szenarist aus Deutschland und ist international erfolgreich. Allein das hat immer noch einen gewissen Seltenheitsfaktor!

Detail Phantom 1 ZACK-Edition page 6
© 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls

Dankenswerterweise gibt es in dem Band einen Artikel von Bernd Frenz mit Hintergründen über Reihe, Format und natürlich auch die Künstler. Die Illustrationen ermöglichen es den Leser*innen, die Entstehungsphasen nachzuvollziehen und machen Lust auf mehr. Das einzige kleine Manko: die bibliographischen Angaben sind unterdurchschnittlich. Bei den weiteren Bänden wäre es schön, diese Informationen zu finden.

Dazu passen Samantha Fish mit „Bulletproof“ und ein Trophy Lager.

© der Abbildungen 2024 Kings Features Syndicate ™Hearst Holding, Inc/Distr. Bulls / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

O‘Donnell/Holdaway – Modesty Blaise 2

Die kompletten Comicstrips 1964 – 1965

Autor: Peter O‘Donnell

Zeichnungen: Jim Holdaway

Originaltitel: Modesty Blaise 355 – 743

Bocola Verlag

Hardcover Querformat | s/w | 144 Seiten | 29, 00 €
ISBN: 978-3-946842-76-7

Cover Modesty Blaise Gesamtausgabe 2

Die wohl charmanteste tödliche Heldin eines täglichen Thriller-Zeitungsstrips ist auf die deutsche Bühne zurückgekehrt. Im Bocola Verlag aus Klotten erscheint in mustergültiger Aufmachung eine Gesamtausgabe der Comic-Streifen über Modesty Blaise, sogar einschließlich der wenigen Strips, die wegen einer anderen Erscheinungsweise nur im Glasgow Evening Citizen erschienen sind.

Nicht ganz legal, aber immer ehrenvoll

Während Modesty Blaise und ihr Partner, Willie Garvin, im ersten Band noch eingeführt werden mussten, sind den Leser*innen Handlungsweisen und Motive jetzt bereits bekannt. Es bedarf also keiner weiteren Erklärungen, warum die beiden, die ihre kriminelle Kariere beendet haben, plötzlich dem britischen Geheimdienst helfen. Trotzdem fügt Peter O’Donnell immer neue Facetten hinzu!

Mister Sun stürzt die Heldin in einen großen innerlichen Konflikt. Ihr Mündel, Weng, hat sich mit Drogenschmugglern eingelassen und somit eigentlich jede Unterstützung verwirkt. Und doch könnte es für sie Gründe geben, einzugreifen. Neben diesen persönlichen Motiven spielen die große Politik, organisierte Kriminalität und asiatische Regeln eine große Rolle. Ein echter erster Höhepunkt der Reihe!

Die Fähigkeiten der Mrs. Drake bringt zeitgemäß ein wenig Grenzwissenschaftliches in das Setting ein. Wie auch in den Avengers (Mit Schirm, Charme und Melone) oder in Nicky Saxx spielen parapsychologische Themen eine große Rolle und Mrs. Drake scheint in der Lage zu sein, mehr wahrzunehmen als üblich. Nur leider werden diese Fähigkeiten ausgenutzt. Onkel Happy schließlich zeigt nicht nur, dass auch Modesty Liebhaber hat, sondern präsentiert ein Pärchen, dass gut scheint, es aber nicht ist.

Modesty Blaise Gesamtausgabe 2 page 62

Das wirkmächtige „Schwarz“

In den 60-er Jahren war das Papier vieler Zeitungen noch sehr holzhaltig, feine Details konnten schon mal untergehen. Glücklicherweise ist das Papier dieser Ausgabe zwar haptisch dem früheren sehr ähnlich, qualitativ aber Lichtjahre davon entfernt. Und so ist mittlerweile jeder feine Strich von Jim Holdaway perfekt zu sehen! Daher wirken nicht nur seine Schwarzflächen, sondern auch die feinen gestrichelten Details kommen zur Geltung.

Beeindruckend ist seine Fähigkeit, den Personen Leben einzuhauchen. Obwohl abstrahiert, wirken sie fast so, als könnten sie jeden Moment das Papier verlassen. Seine Modesty ist mondän, selbstbewusst, sexy, aber nie billig oder Opfer. Natürlich gab es in den Sechzigern schon verschiedene Rollenbilder von toughen, erfolgreichen und selbständigen Frauen. Man sollte aber nicht vergessen, dass damals noch die Unterschrift des Ehemannes notwendig war, wenn eine Frau arbeiten wollte!

Modesty Blaise Gesamtausgabe 2 page 79

Ein Klassiker in perfekter Darbietung

Wer mehr über die Serie wissen möchte, sollte einen Blick in die Sprechblase 249 werfen. Und auch die Vorworte der Bände enthalten gut lesbare Informationen. Schließlich wird jedes neue Kapitel von Peter O’Donnell himself eingeleitet. Wer also über den Genuss der Stories hinaus mehr wissen möchte, hat alle Möglichkeiten.

Die Serie war in Deutschland nicht wirklich optimal präsentiert worden. Es gab zwar einige Alben und auch in Heftchen immer mal wieder einzelnen Auftritte. Der wirkliche Genuss in Form des querformatigen, größeren Druckes ist aber erstmals eine wirklich angemessene Darbietung! Band 3 und 4 sind bereits angekündigt.

Dazu passen Nancy Sinatra mit „bang-bang“ und Espresso Martini.

© der Abbildungen Associated Newspapers Ltd. / Distr. Bulls / 2024 Bocola Verlag GmbH Klotten

O‘Donnell/Holdaway – Modesty Blaise 1

Die kompletten Comicstrips 1963 – 1964

Autor: Peter O‘Donnell

Zeichnungen: Jim Holdaway

Originaltitel: Modesty Blaise 1 – 354 & 1 – 12 „Wie alles begann“

Bocola Verlag

Hardcover Querformat | s/w | 144 Seiten | 29, 00 €
ISBN: 978-3-946842-75-0

Cover Modesty Blaise 1

James Bond kennt jede*r, Emma Peel zumindest noch sehr viele. Es gab aber auch eine große Anzahl an Zeitungen die jahrelang tagaus, tagein einen Streifen mit einer nicht weniger toughen Frau abgedruckt haben: Modesty Blaise. Der Strip kommt aus England und wurde von einem ehemaligen Offizier der englischen Streitkräfte verfasst. Auch in Deutschland durften wir in einigen Zeitungen daran teilhaben und über die Jahre gab es immer mal wieder Abdrucke in Heftchen oder Alben. Nun endlich bringt der Bocola-Verlag die ultimative Gesamtausgabe heraus!

Gelangweilte kriminelle Rentner*innen?

Dieses Schlagwort wäre vielleicht etwas hart gewählt, Tatsache ist aber, dass die Heldin dieser Geschichten und ihr Mitstreiter, Willie Garvin, früher eine kriminelle Organisation angeführt haben und sich dann zur Ruhe setzten. Nun aber werden beide davon geplagt, dass in ihrem neuen Leben keine wirkliche Herausforderung lauert, und so sind beide nur allzu gerne bereit, auf freiwilliger Basis für den englischen Geheimdienst zu arbeiten.

Dieser Band enthält nicht nur drei komplette Abenteuer, sondern auch die erst später erschienene Originstory. O’Donnell hatte während des Krieges in einem Lager ein kleines Mädchen gesehen, dass scheinbar komplett alleine war, allerdings auch den Anschein machte, die damit verbundenen Gefahren schon mehrfach überlebt zu haben. Daraus wurde dann die Geschichte der Heldin.

Modesty Blaise 1 page 31

La Machine ist das erste Abenteuer überhaupt und führt die Personen ein. Der Auftragggeber, Sir Gerald Tarrant, ist froh, sich nicht an Regeln halten zu müssen, Modesty und Willie spüren endlich wieder Nervenkitzel. Es geht um eine Organisation, die Auftragsmorde ausführt. Der lange Hebel ist aus heutiger Sicht etwas nostalgisch. Es geht darum, dass während des kalten Krieges beide Supermächte gegenseitig versuchten, sich Wissenschaftler abspenstig zu machen. In Das Gabriel-Verfahren taucht schließlich ein kriminelles Mastermind erstmals auf, dessen Weg sich in Vergangenheit und Zukunft häufiger mit Modesty und Willies Wegen kreuzt.

O‘Donnell schafft es, doppelte Spannung aufzubauen. Einerseite hat er nur drei Bilder pro Tag zur Verfügung und muss die Leser*innen anhalten, am nächsten Tag weiterlesen zu wollen. Auf der anderen Seite muss natürlich eine im Ganzen stimmige und spannende Geschichte dabei rauskommen. Das gelingt perfekt und nimmt dabei den Zeitgeist der sich ankündigenden Veränderungen auf. Modesty ist tough, frei und sexy, ohne dabei aber aus dem Rahmen einer Tageszeitung zu fallen!

Übergroße schwarz-weiß Streifen

Bocola verwendet ein etwas dickeres Papier, dass farblich ein wenig den Eindruck einer Zeitung vermittelt. Die Qualität ist aber natürlich eine ganz andere, jeder feine Strich ist zu sehen und wird nicht durch Fasern verändert. Jim Holdaway spielt mit Licht und Schatten sowie Schwarzflächen. Dabei wechselt er von der Nahaufnahme zum perspektivischen Blick in die weite Ferne. Seine Modesty ist kein Püppchen, zeigt noch nicht einmal viel nackte Haut unter hochgeschlossenen Tops, ist aber durchaus attraktiv und setzt diese Eigenschaft glaubhaft ein.

Modesty Blaise 1 page 127

Aber auch die anderen Figuren gelingen Holdaway mit Bravour. Die Gesichter haben Tiefe, Linien geben Kontur und die Mode entspricht dem Jahrzehnt der Entstehung. Man sieht sehr gut die Akribie, die auf die Wiedergabe des Alltags (in seinen unterschiedlichen Schichten!) gelegt worden ist.

Zeitungsstrip as its best!

Zweifellos ist der Zeitungsstrip heutzutage nicht mehr so en vogue wie früher. Die Künstler eines gut laufenden Strips hatten ihre Million sicher und waren gefeierte Stars. Für englische Serien galt das schon nur noch eingeschränkt, für etwa niederländische kaum noch. In Deutschland gab es zwar Nick Knatterton, die meisten Zeitungen hatten dann aber doch amerikanische Strips im Angebot.

Im Humor-Bereich laufen immer noch einige Serien, der realistische Strip ist dagegen weitgehend verschwunden, feiert aber gerade in Alben eine Art zweites Leben (Nicky Saxx, Modesty Blaise, Phantom). Diese Ausgabe ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es machen kann. Ein interessantes Vorwort, hilfreiche kurze Einführungen, ein perfektes Format und für Fans eine Vorzugsausgabe mit Druck! Alles andere als eine uneingeschränkte Empfehlung wäre ein Fehler!

Cover Modesty Blaise 1 VZA

Dazu passen Nina Simone mit „Ain’t Got No, I Got Life“ und Moscow Mule.

© der Abbildungen Associated Newspapers Ltd. / Distr. Bulls / 2024 Bocola Verlag GmbH Klotten

Schultz/Yeates – Prinz Eisenherz II Band 26

Jahrgang 2021/2022

Autor: Mark Schultz

Zeichnungen: Thomas Yeates

Originaltitel: Hal Foster’s Prince Valiant 4378 – 4481

Bocola Verlag

Hardcover Überformat | 112 Seiten | 24,90 €
ISBN: 978-3-946842-56-9

Cover Prinz Eisenherz II 26

Freudestrahlend hatte ich die Vorzugsausgabe vor rund einem Jahr als Gewinner eines Preisausschreibens in Empfang nehmen können, doch dann gelangte der Band aus unerfindlichen Gründen an das hintere Ende meines Lesestapels. Nun habe ich es endlich geschafft, mich ihm zu widmen. Und er war es wert! Die 1937 erstmalig erschienene Serie hat mittlerweile ihren vierten Zeichner, vermag aber immer noch zu begeistern.

Ritter, Ränke und fantastische Abenteuer

Vielleicht eine kleine Einordnung vorweg: Der Held, Prinz Eisenherz, ist ein Ritter von König Arturs Tafelrunde und als solcher Kamerad von Gawain, Galahad und anderen bekannten Recken. Gleichzeitig ist er aber auch ein Prinz der Wikinger aus Thule. Mit seinem „singenden Schwert“ hat er unzählige Kämpfe siegreich bestanden und vieles von der Welt gesehen. Er ist verheiratet mit Aleta, der ehemaligen Herrscherin der Nebelinseln. Ihr gemeinsamer Sohn Arn ist mittlerweile der Regent des Königreiches. Bei Bocola erscheinen Sammelbände, die jeweils zwei komplette Jahrgänge umfassen.

Generell ist zu bemerken, dass die Serie schon von Beginn an sehr frei mit der tatsächlichen Geschichte umgegangen ist. Wenn dramaturgisch notwendig, wurden schon einmal Jahrhunderte übersprungen und kombiniert. Und so beginnt der Band auch mit einem gewagten Experiment. Ein kleines Fürstentum macht seine Erfahrungen mit „Demokratia“, einer Volksherrschaft. Da es die Leibeigenen angrenzender Fürstentümer anzieht, kommt es zum Konflikt und zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Auf der sich anschließenden Heimreise des Helden, der Jugenderinnerungen zelebriert, kommt es zu einem eher fantastischen Intermezzo. Bedingt durch Zauberei und die Einnahme eines magischen Trankes wird Eisenherz in ein Horror-artiges Traumreich gezogen. Kann die von ihm im Traum zu Hilfe gerufene Aleta ihn vor der Attacke durch Morgan Le Fay retten?

Prinz Eisenherz II 26 page 15

Detailliertes Artwork, spannendes Layout

Seit dem 13.2.1937 erscheint jede Woche eine farbige Sonntagsseite, zunächst von Hal Foster (Prinz Eisenherz I). Danach übernahm John Cullen Murphy den Zeichenstift, gefolgt zunächst von Gary Gianni, bevor Thomas Yeates ab April 2012 fortführte. Schon immer war ein Markenzeichen der Serie die Detailtiefe der Zeichnungen. Die Seite muss zwar regelmäßig und pünktlich geliefert werden, erlaubt aber trotzdem mehr darauf verwendete Arbeitszeit als für andere Serien zur Verfügung stünde. Die Zeichnungen sind daher typischerweise extrem ausgearbeitet und auch die Seitenkompositionen sind alles andere als standardisiert!

Auch Yeates verwendet viel Zeit auf die Komposition und zeigt zudem deutliche Unterschiede zwischen den „realen“ und den „magischen“ Sequenzen. Seine Figuren haben trotz der Kolorierung noch viele Schraffuren und sind dadurch dem Medium des Zeitungsstrips weiterhin deutlich zugehörig. Das Überformat der Ausgabe bringt das perfekt zur Geltung.

Cover Prinz Eisenherz II 26 VZA

Eine wunderschöne Ausgabe

Die Älteren unter den Leser*innen werden sich noch an die Carlsen-Ausgabe erinnern. Obwohl diese natürlich nicht schlecht war, gefällt mir die wohlfeile Bocola-Hardcover-Reihe doch deutlich besser. Die fundierte Einführung erläutert Hintergründe und ermöglicht es auch Neulingen, sofort einzusteigen! Die auf 150 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe hat nicht nur ein Variantcover, sondern enthält zudem auch noch einen signierten Druck von Thomas Yeates. Für diesen Jahrgang ist sie aber mittlerweile verlagsvergriffen.

Nicht nur als Erinnerung an Jugendtage ist diese Reihe einen Blick wert! Nostalgie mischt sich hier mit innovativen Zeichnungen und für ein Abenteuer ist die Einbettung als Ritter, Western oder Science-Fiction nur ein wichtiges Stilmittel. So war es ganz folgerichtig, dass der Recke in den 70-ern auch auf den Seiten des ZACK sein Schwert geschwungen hat. Notwendig ist aber immer die Fähigkeit, die Geschichte handwerklich ansprechend zu gestalten. Und das ist hier zweifellos gelungen.

Dazu passen die Grail Knights mit ihrer Mischung aus Metal und Showtime und ein Zwarte Magie Black IPA.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc ./Distr. Bulls/2023 Bocola Verlag

Sprechblase 249 (Aug 2024)

Modesty Blaise und andere Themen

Redaktion: Gerhard Förster
Bildschriftenverlag Hannover (bsv)
Din A4 | 100 Seiten | Farbe | 11,90 €
ISSN: N/A

Cover Sprechblase 249

Lange ist es her, dass comix-online eine Ausgabe der Sprechblase besprochen hatte: es war die Nummer 238 mit dem Schwerpunkt Edouard Aidans. Es ist also wieder mal an der Zeit, bevor sich im Rahmen von gleich zwei anstehenden Jubiläen alle darauf stürzen werden. Die Zeitschrift mit dem Untertitel „Die wunderbare Welt der Comics“ ist aktuell in ihrem 49. Jahrgang und die 250. Ausgabe ist geplant für Anfang kommenden Jahres.

Eine Institution braucht eine Nachfolgeregelung

Die Sprechblase ist eine Zeitschrift für Menschen, die klassische Comics mögen. War sie anfangs fast nur auf die Generation Lehning ausgerichtet, ist die Generation ZACK mittlerweile ebenfalls stark vertreten. Wir alle, die wir zu einer dieser beiden Gruppen gehören, sind mittlerweile in die Jahre gekommen und auch Gerhard Förster, der die Zeitschrift vor langer Zeit von Norbert Hethke übernommen hatte, geht in den wohlverdienten Ruhestand, allerdings erst nach der Jubiläumsnummer. Wer Interesse hat, hier einzusteigen, melde sich bitte!

Intro Sprechblase 249

Die wohl coolste „Tödliche Lady“ aller Zeiten

Neben einer Vielzahl von Besprechungen und News wartet die „Blase“ immer mit einigen sehr ausführlichen Artikeln auf. Covermodel ist dieses Mal Modesty Blaise, eine Comic-Strip Heldin, die 1963 erstmalig das Licht der Welt erblickte und Leser*innen vieler Tageszeitungen erfreute. Gerhard Förster beschreibt nicht nur ausführlich inhaltliche Merkmale des Strips, er geht auch auf die Persönlichkeiten des Autors und einiger Zeichner näher ein.

Peter O’Donnell war während des Zweiten Weltkrieges als Unteroffizier tätig und schrieb danach verschiedene Szenarien, bevor ihm mit der Serie um die freiberuflich tätige Blaise ein Riesenerfolg gelang. Es war die Zeit, in der James Bond seine ersten Erfolge feiert und die Avengers (dt. Mit Schirm, Charme und Melone) die Fernsehzuschauer*innen begeisterten.

Zwar ist es notwendig, eine gute Story zu haben, ohne passende Zeichner wird es aber trotzdem kein Erfolg werden. Sowohl Jim Holdaway als auch Enrique Badia Romero (bekannt auch mit Axa) waren sehr wohl in der Lage, die schwierige Mischung aus versteckter Erotik in Zeitungen, die auch von Kindern gelesen wurden, Martial Arts und Spannung umzusetzen. In den Skandinavischen Ländern war der Strip am erfolgreichsten, aber auch in Deutschland erscheint jetzt bei Bocola eine Gesamtausgabe. Vervollständigt wird das Feature mit dem Abdruck der Origin-Geschichte!

Von Wastl über Fix & Foxi zum Blut auf der Prärie

Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte von Wastl (oder eigentlich Jerom, wie er im flämischen Original heißt) und seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Ursprünglich war er ein Sidekick in Suske und Wiske, erlebt aber wegen seiner Beliebtheit auch Soloabenteuer. Natürlich wird hier ein besonderes Augenmerk auf die erfolgreiche deutsche Bastei-Serie Wastl und ihre Nachfolger gelegt. Es gibt aber auch Anmerkungen zu den moderneren Interpretationen in Amoras und J.Rom.

Ein Wiederabdruck eines alten Interviews erinnert an Ludwig Fischer, einen der Fix und Foxi-Zeichner, die sich mit ihrem Stil aus der Masse hatten herausheben können.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Western-Schwerpunkt. Der Abdruck des Comics Blut auf der Prärie findet mit dem dritten Teil seinen Abschluss. Ihm vorangestellt ist ein Faktencheck, der die Ereignisse gegen die Wirklichkeit prüft. Ein Comic von Look & Learn! Thematisch passend folgt ein Überblick über Filme und Comics, die sich mit Little Bighorn befassen. Subjektiv und erfrischend!

Sehr viele wissenswerte Informationen!

Es gibt verschiedene Sekundärzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Sprechblase richtet sich an ältere Comic-Fans (die natürlich auch so ihre Vorurteile haben, die hier auch gepflegt werden). Für diese Zielgruppe gibt es nichts Vergleichbares. Die Themen sind liebevoll kuratiert, die immens vielen Abbildungen passen zu den Inhalten und das Layout ist durch thematische Kästen und Rubriken gut gegliedert.

Im Übrigen findet der Fan nur hier eine Zusammenstellung aller Kleinverlagseditionen aus diesem Spektrum. Die Rezensionen sind vielfältig (und beinhalten erstmals auch eine vom Verfasser diese Zeilen) und machen Lust auf das eine oder andere Experiment. Es wäre schade, wenn sich kein Nachfolger finden würde. Glücklicherweise lässt Gerhard den potentiellen Kandidaten ja noch ein wenig Bedenkzeit.

Dazu passen ein guter Rotwein, ich würde einen Primitivo bevorzugen, und The Pioneers.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen 2024, c/o Bildschriftenverlag Hannover (bsv)

Diverse/Mitton – Das Phantom 2

1991 – 1993

Story: Scott Goodall, Norman Worker, Donne Avenell, Lennart Moberg
Zeichnungen: 
Jean-Yves Mitton
Originaltitel:
Fantomen

Kult Comics

Softcover | 148 Seiten | s/w | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-369-1

Cover Mitton - Phantom 2

Nicht allzu oft kommt es zu der Kombination, dass ein durchaus bekannter Zeichner frankobelgischer Serien eine sehr bekannte amerikanische Superheldenfigur zeichnen kann. Dabei ist die Erklärung relativ simpel: Mitton war bei einem französischen Verlag hauptsächlich mit Superheldenabenteuern wie etwa Mikros betraut als der Verlag an ein schwedisches Unternehmen (Semic) verkauft wurde. Dieses wiederum gab in Skandinavien die sehr erfolgreichen Ableger der Phantom-Geschichten heraus und erkannte das Talent des Franzosen. Für Mitton war das der erste Entwicklungsschritt hin zu Serien wie Alwilda oder Vae Victis! Bei Kult erscheinen die insgesamt 8 Geschichten in zwei Bänden.

Historische Abenteuer des wandelnden Geistes

Ein Markenzeichen der Phantom-Plots ist, dass der wandelnde Geist quasi unsterblich ist. Das Kostüm und die Aufgabe werden von Generation zu Generation jeweils in der Familie weitergegeben. Das ermöglicht den Kreativen, über die komplette Chronik der jeweiligen Inhaber als Aufhänger auch historische Abenteuer zu schreiben und sie sogar mit aktuellen Ereignissen zu verknüpfen. Natürlich erweitert sich dadurch das Spektrum möglicher Hintergründe gewaltig.

Mitton - Phantom 2 page 11

Das Geheimnis der Kathedrale führt zurück zu den Zeiten des 12. Phantoms. Bei Bauarbeiten an der Pariser Kathedrale kommt es zu einem Streit, bei dem ein Arbeiter stirbt. Auslöser war scheinbar ein Fund aus der Vergangenheit. Die Geschichte verwebt geschickt Gegenwart und Vergangenheit. Auch Tod in Brügge spielt in Westeuropas Vergangenheit. Ein Brief von Präsident Luanda veranlasst das aktuelle Phantom in die Chroniken einzusteigen. Das fünfte Phantom hatte 1656 dem damals noch unbekannten Rembrandt geholfen und war von ihm porträtiert worden. Nun taucht das Bild wieder auf.

Eine klassische Revenge-Story wird in Hoogans Rache erzählt. Ein Sträfling kommt nach Jahren der Haft frei und folgt einem lang ersonnenen Plan um alle, die ihm damals geschadet haben, zu bestrafen. Mit auf dieser Liste stehen der Präsident und das Phantom. Eine sehr spannende Geschichte mit guten Einfällen! Schließlich folgt noch das Geheimnis der Statue. Erneut spielt die Vergangenheit eine Rolle, dieses Mal allerdings eher alte Verpflichtungen! Gut konstruiert, geschickt die Ebenen wechselnd und den Dschungel als Lebensraum einbeziehend.

Mitton - Phantom 2 page 12

Für schwarz-weiß Fans!

Jean-Yves Mitton ist heutzutage für seine historischen Alben und seine oftmals leicht bekleideten Frauen bekannt. Seine Werke gehen dabei durchaus auch in das pornographische. Hier allerdings zeigt er zwar sein Verständnis für Körperbau und Bewegungen, hat aber fast nur männliche Protagonisten. Seine Zeichnungen sind sowohl in den Actionszenen als auch in eher statischen Gegebenheiten vorzüglich. Wegen des Fehlens der Farbe ist Mitton gezwungen (oder ermächtigt?), mit Licht und Schatten zu spielen und Tiefe durch Schwarzflächen zu erzeugen.

S/W-Ausgaben von kolorierten Werken werden durchaus teilweise als Vorzugsausgaben veröffentlicht und erlauben einen besseren Einblick in die Fähigkeiten des Zeichners. Hier allerdings war geplant, die Zeichnungen in dieser Weise auch zu veröffentlichen. Die Details sind daher gewolltermaßen mehr ausgearbeitet und das Schwarz muss für sich alleine stehen. Auch die Szenen im Dschungel haben sowohl Tiefe als auch Detail.

Detail Mitton - Phantom 2 page 21

Nicht nur für Phans

Nach einer (zu) langen Durststrecke dürfen sich Phans gerade über mehrere parallele Publikationen freuen und haben sogar ein Kompendium für die bisherigen deutschen Ausgaben an der Hand. Die beiden Mitton-Ausgaben von Kult sollten hier als absolutes Must-Have durchgehen. Die Zeichnungen sind so gut, dass sie für alle Liebhaber*innen von schwarz-weißen Geschichten in Frage kommen. Wer also die Jerry-Spring-Ausgabe, Modesty Blaise oder Terry and the Pirates mag, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren!

Der Band kommt als gut gebundenes Softcover daher und enthält einen einführenden Teil sowohl zu Mitton als auch zu den Autoren, die in Deutschland eher unbekannt sind. Von ihnen hatte bei uns nur Donne Avenell mit Axa einen gewissen Erfolg und war auch im Kobra vertreten. Die Druckqualität ist dabei meilenweit über den alten Bastei-Klassikern anzusiedeln. Der Band ist auch als limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und gleich zwei Drucken erhältlich!

Cover Mitton - Phantom 2 VZA

Dazu passen Jungle mit ihrem modernen Soul, und ein Whisky (!) Sour.

© der Abbildungen 2024 King Features Syndicate, Inc/Distr. Bulls / Egmont Publishing AB / 2024 Comic Combo, Leipzig

Ritstier/Oosterveer – Nicky Saxx 1

Der Betrug & Die Vergebung

Story: Willem Ritstier
Zeichnungen: 
Minck Oosterveer
Originaltitel:
Nicky Saxx 1

Kult Comics

Hardcover | 52 Seiten | Farbe | 20,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-361-5

Cover Nicky Saxx 1

Zeitungsstrips waren eine lange Zeit ein wesentlicher Werbeträger für Tageszeitungen. Einerseits unterschieden sie sich natürlich durch ihre politische Ausrichtung, andererseits hatten sie ihre möglichst exklusiven Strips. Diese sollten die Leser*innen anhalten, die Zeitung auch am nächsten Tag wieder zu kaufen, um die Fortsetzung zu erfahren. Leider ist diese Tradition ein wenig eingeschlafen. In den Niederlanden war das Duo Ritstier/Oosterveer mit einigen Strips in De Telegraaf vertreten.

Nicky Saxx – eine toughe Ermittlerin

Nicky Saxx leitet Room 666, ein Unternehmen für schwierige Fälle. Wenn es darum geht, fast unmögliche Aufgaben zu lösen, ist dieses eine perfekte Adresse. Neben Nicky ist oft ihre Freundin Elja beteiligt, die mit ihren parapsychologischen Fähigkeiten unterstützen kann. Im Hintergrund werkelt Ben, der die Geschichten lieber von seinem PC verfolgt und technischen Support bietet. Pro Band erscheinen zwei extra kolorierte Geschichten der ursprünglich in schwarz-weiß abgedruckten Serie in Deutscher Erstausgabe. Die Serie ist auf 10 Bände konzipiert.

Nicky Saxx 1 page 3

Der Betrug beginnt damit, dass ein zahlungskräftiger Kunde Nicky bittet, den in Bolivien von Gangstern entführten Sohn zu befreien. Das Lösegeld ist angeblich überwiesen worden, seitdem fehlt jedoch jede Nachricht. Nicky und ihre Freundin Elja machen sich auf den Weg in das südamerikanische Land, müssen aber schnell erkennen, dass es sich um eine Falle handelt. Die Vergebung spielt dagegen in England. Elja wird informiert, dass ihre Tante plötzlich unerwartet verstorben ist und macht sich auf den Weg nach Cheswick. Dort angekommen entdeckt sie, dass nicht alle Indizien zueinander passen. Glücklicherweise bekommt sie spontanen Besuch von Nicky und die Beiden versuchen, den Fall aufzuklären.

Beide Fälle sind sehr spannend, müssen doch die Leser*innen bei der Stange gehalten werden. Mit einer Länge von jeweils 22 Seiten kann Willem Ritstier durchaus einige Details vertiefen, epische Auslassungen sind aber nicht möglich. An die Cliffhanger am Ende jeder Panel-Zeile gewöhnt man sich schnell. Eine gute Bereicherung des Geheimagent*innen-Sektors ohne den Sexismus von James Bond.

Nicky Saxx 1 page 4

Behutsam kolorierte Zeichnungen!

Wie bei Zeitungsstrips vor einigen Jahren üblich waren die Zeichnungen in schwarz-weiß angelegt. Das grobe Papier war für farbliche Details nicht unbedingt geeignet, Licht und Schatten waren einfacher wiederzugeben. Minck Oosterveer war ein Meister darin, mit schwarzen Flächen Tiefe zu erzeugen. Die nachträgliche Kolorierung ist zeitgemäßer, verdeckt aber die ursprüngliche Kunstfertigkeit nicht.

Oosterveer war durchaus dafür bekannt, seine Frauengestalten üppig auszugestalten und eher leichtbekleidet zu zeigen. Eine Vorgabe für diese Serie war daher, dass die Heldin kleinere Brüste haben müsste. Dieses und mehr Details gibt es im Anhang des Bandes in der mitabgedruckten ersten Ausgabe von De Telesaxx.

Nicky Saxx 1 page 5

Spannende Abenteuer mit durchsetzungsfähigen Heldinnen

Wenn man sich überlegt, wieviel Schrott im Laufe der Jahre auch auf Deutsch erschienen ist, ist es immer wieder erstaunlich, dass manche Serien bisher sträflich übersehen worden sind. Kult Comics ist es zu verdanken, dass dieser Klassiker aus unserem westlichen Nachbarland nun endlich den Sprung zu uns geschafft hat. Ein Hinweis sei erlaubt: Der Verfasser dieser Zeilen hat als Übersetzer an der Produktion von Nicky Saxx mitgewirkt.

Das leicht glänzende Papier bringt die Farben und vor allem das satte Schwarz gut zur Geltung, der Hardcovereinband sieht sehr wertig aus. Neben der regulären Ausgabe gibt es auch eine auf 50 Exemplare limitierte Luxusausgabe mit einem sehr schönen signierten Druck.

Cover Nicky Saxx 1 VZA
Cover der Vorzugsausgabe

Dazu passen Pretenders mit „Stob your Sobbing“, und ein Texel Skuumkoppe.

© der Abbildungen 2022 Uitgeverij Reboot Comics / 2023 Comic Combo, Leipzig

Zauberstern – Flash Gordon 3

„Zeitgeist“ und ein paar Klassiker

Story: Eric Trautmann, Archie Goodwin, Larry Ivie, Bill Pearson

Zeichnungen: Daniel Indro, Al Williamson, Reed Crandall

Originaltitel: Flash Gordon 5 & 6, 2011 & 4 – 6, 1967, USA

Zauberstern Comics

Heft |100 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISBN: 978-3-98953-003-4

Die Abenteuer des wohl bekanntesten klassischen amerikanischen Science-Fiction Helden gehen weiter. Der Zauberstern Verlag folgt in seinen Serien zwei unterschiedlichen Konzepten: Flash Gordon und Phantom enthalten Material aus diesem Jahrtausend und gleichzeitig klassische Stoffe, die bisher nicht auf Deutsch erschienen sind, Van Helsing, Mikros und Savage Dragon bringen die jeweiligen Serien fortlaufend.

Cover Flash Gordon 3

Das Böse ist immer und überall …

… war eine nette Textzeile aus einem deutschen Titel der 80-er. Die moderne Story Zeitgeist, die im Original bei Dynamite erschienen ist, kombiniert den klassischen Stoff, der quasi neu erzählt wird, mit dem Bösen, das auf der Erde zumindest im 20. Jahrhundert durch die Nazis und Adolf Hitler verkörpert worden ist. In einer an Computerspiele angelehnten Grafik unterstützen die bekannten Handelnden Menschen jüdischen Glaubens gegen die kombinierten Angriffe von Ming und Nazis, während auf Mongo Flash Gordon, Dale und Zarkov versuchen, den Tyrannen zu bekämpfen.

Der zweite Teil des Heftes bringt fortlaufende Geschichten aus der amerikanischen Heft-Serie aus dem Jahr 1967.

Inhaltlich sind die Geschichten sehr gleichwertig, zeichnerisch stechen die Zeichnungen von Al Williamson heraus! Wer klassische amerikanische Comics liebt, die sich an Zeitungsstrips orientieren, wird hier auf jeden Fall zuschlagen wollen! Für Fans enthält das Heft nicht nur eine Karte von Mongo, sondern auch zwei klassische Heft-Cover als Abbildungen.

Der Klassiker in Serie

Weit bevor Science-Fiction durch Star Trek und Star Wars neu definiert worden war, dominierten Held*innen von Edgar Rice Burroughs oder Hans-Rudi Wäscher den Markt. Ihr Erfolg wurde weltweit nur noch getoppt durch Flash Gordon (und seine Nachahmungen). Dementsprechend schön ist es, dass die Serie jetzt auch endlich wieder auf Deutsch erscheint und viele der noch fehlenden Klassiker erhältlich werden. Die Purist*innen werden sich aufregen, dass „der moderne Krams“ nicht dazu passt, andere werden sich über das „alte Zeugs“ beschweren. Ökonomisch gesehen macht es Sinn, beide Zielgruppen zu vereinen!

Dazu passen Madness („Shut Up“) und ein Mönchshof Kellerbier.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc King Comics 1967 und Dynamite Entertainment 2011 / Zauberstern Comics 2023

Mitton – Das Phantom 1

Die ersten vier Geschichten aus der Feder von Jean-Yves Mitton 1989 – 1990

Story: Scott Goodall, Norman Worker, Donne Avenell, Lennart Moberg
Zeichnungen: 
Jean-Yves Mitton
Originaltitel:
Fantomen (SW) 7, 22 (1989), 7, 15 (1990)

Kult Comics

Softcover | 148 Seiten | s/w | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-367-7

Cover Mitton - Das Phantom 1

Das Phantom ist ein echtes Phänomen: jahrelang war es vom deutschen Markt verschwunden und nun erscheinen neue Geschichten gleichzeitig hier bei Kult, bei Zauberstern, bei ECR und bei Wick. Während bei den letzteren Publikationen die Titelfigur im Vordergrund steht, fokussiert Kult Comics auf den Zeichner! Dieser hatte zunächst für einen kleinen französischen Verlag an Superheldencomics gearbeitet. Jener Verlag wurde dann von Semic gekauft, der wiederum in einigen Ländern das Phantom-Magazin herausgab. Und so markiert Das Phantom einen Wendepunkt in der Karriere des Zeichners von Stoffen wie Mikros zu Alwilda oder Vae Victis.

Einsatz für die Schwächsten

Ich möchte nicht behaupten, dass schwarz-weiße Zeichnungen und Comic-Geschichten per se besser wären als kolorierte. Oft fehlt ohne Farbe etwas und Zeichner wie etwa Prugne haben eine solche Meisterschaft mit dem Pinsel erreicht, dass es blödsinnig wäre, ihre Werke in einen solchen Vergleich zu ziehen. Auf der anderen Seite lassen sich etwa die verschiedenen Jerry Spring-Ausgaben von Jije nebeneinanderlegen und offenbaren ihre jeweiligen Stärken. Die Geschichten von Mitton für das schwedische Fantomen-Magazin erscheinen nun erstmals komplett auf Deutsch in der schwarz-weißen Originalfassung.

Mitton - Das Phantom 1 page 17

Der gelbe Tod stellt eines der immer wieder kehrenden Themen in den Mittelpunkt: die aufgrund von Profitinteressen in-Kauf-genommene Zerstörung von Lebensräumen für Mensch und Umwelt. Worubu ist eher traditionell: Es gibt einen Gangster, der mit Hilfe von mehr oder weniger freiwilligen Komplizen versucht, einen Coup zu landen. Dabei werden Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen. Hier wird in einer sehr spannenden Weise die Dschungelpatrouille mit einbezogen.

Die Kinder des Dschungels handelt erneut von der scham- und grenzenlosen Ausbeutung der Natur und ihrer tödlichen Folgen auf die indigene Bevölkerung. Zwar nennen die Autoren es weder Völkermord noch Rassismus, nehmen aber klar Stellung in der Verurteilung. Den Abschluss bildet Der Nektar der Götter, eine Story mit mehr Fantasy-Einfluss. Man nehme ein wenig Conan, ein wenig Edgar Rice Burroughs und eine Prise Phantom und eine sehr spannende Erzählung ist das Ergebnis!

Mitton - Das Phantom 1 page 18

Lichte Schattenmalerei!

Mitton darf hier zeigen, was er kann! Sein Spiel mit Licht und Schatten ist grandios und lässt die Zeichnungen sehr plastisch wirken. Emotionen sind klar ersichtlich, die Actionsequenzen sind punktgenau getroffen. Der zum Absprung bereite Panther drückt sämtliche Konzentration und Anspannung aus die notwendig ist, um im geistigen Auge des/der Leser*in den Sprung folgen zu lassen!

Die Zeichnungen enthalten dabei genug Referenzen an die Vergangenheit als Zeitungsstrip und die großen Meister dieses Stils. Sie zeigen aber auch die Meisterschaft in der Komposition der gesamten Seite, die nicht auf den Cliffhanger am Ende jeder Zeile setzen muss. Wer hier allerdings die eher spärlich bekleideten Frauen aus dem Spät-Werk Mittons sucht, wird enttäuscht sein.

Mitton - Das Phantom 1 page 24

Schöne Zusammenstellung

Die Grundlage eines der ältesten kostümierten Helden überhaupt ist der Pulp: einfach konstruierte und spannungsgetriebene Geschichten, die die täglich kleine Flucht ermöglichen. Aus dieser Einfachheit hat sich das Phantom schon lange entfernt. Trotz einer internationalen Lizenzproduktion ist allen Produkten gemein, dass sie auf der Seite des Richtigen stehen und Missachtung fremder Kulturen, Zerstörungen von Lebensräumen und persönliche Gier zutiefst verachten! Insofern ist es schön, dass sie auch in Deutschland wieder Fuß fassen konnte.

 Die Softcover-Reihe mit den Geschichten von Jean-Yves Mitton ergänzt die aktuellen Hefte, indem sie einen Zeichner in den Fokus nimmt und herausstellt. Wick und ECR sind eher an den Sammler gerichtet, Zauberstern setzt auch auf Gelegenheitskäufer*innen. Wer möchte, kann sich auch die limitierte Vorzugsausgabe ansehen, die gleich mit zwei Ex Libris daherkommt!

Mitton - Das Phantom 1 VZA Ex Libris
Ex Libris der Vorzugsausgabe (Ausschnitt)

Dazu passen The Offenders mit „Hasta La Muerte“, und ein Gouden Carolus Noël.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc./Distr. Bulls | Egmont Publishing AB / 2023 Comic Combo, Leipzig

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