div – Kurzgeschichten Die Blauen Boys

Die Festschrift zum 60. Album

Story: Thierry Gloris, Sti, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Denis Lapière, Olivier Schwartz, Clarke, Lapuss‘, Joris Chamblain, Zidrou, Blutch nach Salvèrius, Lambil und Cauvin
Zeichnungen: 
Denis Bodart, Denis Goulet, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Pau, Olivier Schwartz, Clarke, Baba, Olivier Frasier, Maltaite, Blutch nach Salvèrius, Lambil und Cauvin

Originaltitel: Les Tuniques Bleues – Des Histoires courtes par …

Piredda Verlag

Hardcover | 120 Seiten | Farbe | 30,00 € 
ISBN: 
978-3-949968-05-1

Cover Kurzgeschichten Die Blauen Boys

Die Blauen Boys sind eine der erfolgreichsten und bekanntesten Westernserien aus dem frankobelgischen Semi-Funny Comic-Segment. Einzig Lucky Luke spielt in einer komplett anderen Liga. 2016 erschien das 60. Album der beiden (Anti-)Helden Corporal Blutch und Sergeant Chesterfield. Da es schon seit geraumer Zeit im Spirou-Magazin üblich war, gut laufende Serien unter dem Signet „… par …“ wechselnden Teams anzuvertrauen, bot es sich an, die bis dahin im Magazin erschienenen Kurzgeschichten mit ein paar weiteren als eigenständigen Hommage-Band zu vermarkten. Nun endlich ist auch eine deutsche Übersetzung erschienen!

Kritik am Militarismus

Die allerersten Anfänge der Serie, noch gezeichnet von Salvérius, hatten eher ein Fort der Armee der Nordstaaten als Ausgangspunkt für Komik und Slapstick. Schon sehr bald wurden aber die Schlachtfelder des Sezessionskrieges der Blueprint für die Abenteuer und trotz der weiterhin vorhandenen großen Prise Humor begann die Kritik am bedingungslosen Abschlachten, an unfähigen Vorgesetzen und allgemein am Militarismus einen breiten Bereich einzunehmen.

Auch die dreizehn in diesem Band versammelten Kurzgeschichten, die jeweils einen persönlichen Blick der jeweiligen Szenarist*innen und Zeichner*innen darstellen, nehmen diese Grundtendenz auf. So steht natürlich auch hier das Thema der Fahnenflucht im Mittelpunkt einiger Geschichten. Neu ist aber, dass auch der Vorgesetzte seine Zweifel äußern darf. Eine sehr berührende Geschichte kommt von Aimée de Jongh, die das Thema der auf dem Schlachtfeld eingesetzten Kinder visualisiert.

Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 5

Allen Geschichten gemein ist, dass, obwohl die Essenz der Serie immer getroffen wurde, sehr unterschiedliche Interpretationen entstanden sind. Der Band eröffnet daher einen, nein, viele neue Blicke auf ein Grund-Szenario, das schon viele Iterationen hinter sich hat. Gleichzeitig erfordern die Stories aber kein „Expert*innen-Wissen“. Jede*r kann sofort einsteigen und findet im Blaue-Boys-Setting viele Western-Narrative wieder.

Sehr unterschiedliche Zeichenstile

Wie auch schon die Story-lines sind die Zeichnungen nicht als Kopie des Originals angelegt. Im Gegenteil, die Zeichner*innen sollten ihren eigenen Stil einbringen und so ist ein bunter Strauß dabei herausgekommen. Einiges ist sehr realistisch, anderes ist bunt, frech und karikaturesk. Mit anderen Worten: Alle im Spirou der letzten 10 Jahre vorkommenden Stile finden sich auch in diesem Sammelband wieder.

Daher ist vollkommen klar, dass jede*r bestimmte Seiten nicht so gerne mag. Darauf kommt es aber nicht an, denn das Ziel ist, die Essenz in der fremden Darstellung wiederzufinden und Wert zu schätzen! Wer sich darauf einlassen kann, wird hier viel Spaß haben.

Detail Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 9

Die Weitung de Perspektive

Für mich ist es wichtig, immer wieder die Möglichkeit zu haben, etwas Neues zu entdecken. Manchmal muss man leider feststellen, dass sich eine Sache totgelaufen hat. Für mich trifft das weder auf die Hauptserie zu, noch auf diesen Jubiläumsband. Es stecken so viele Möglichkeiten darin und sehr viele davon werden hier präsentiert!

Die Ausgabe als Hardcover ist gediegen, das Layout der jeweiligen Einführungsseiten sehr ansprechend und der haptische Eindruck hervorragend. Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen möchte, braucht nur die hintere Umschlagseite zu nehmen und sich die dreizehn verschiedenen Profile anzusehen. Viel Spaß damit!

Kurzgeschichten Die Blauen Boys page 3

Dazu passen Jack White mit “Seven Nations Army” und ein starker Kaffee.

© der Abbildungen DUPUIS 2016, by Thierry Gloris, Sti, Munuera, Renaud Collin, Olivier Dutto, Aimée de Jongh, Denis Lapière, Olivier Schwartz, Clarke, Lapuss‘, Joris Chamblain, Zidrou, BlutchDenis Bodart, Denis Goulet, Pau, Baba, Olivier Frasier, Maltaite  / 2024 Piredda Verlag

ZACK 303 (September 2024)

ZACK 303

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 303

Eine Überraschung gleich zum Start. Obwohl angekündigt, wird Michel Vaillant nicht in diesem Heft starten. Alle Fans sind aufgefordert, sich weitere 4 Wochen zu gedulden. Dafür gibt es aber passend zum Ende der Sommerferien gleich zwei Neustarts und die erste von vier Kurzgeschichten mit Harry und Platte der Nach-Will-Ära. Ein gelungener Coup!

Die Neustarts

Cover-Girl und Opener ist Rani. Der bereits fünfte Band – Die Wilde – setzt nach der geglückten Flucht der ehemaligen Bordellchefin ein. Sie ist als Schiffbrüchige gestrandet und in einem Fischerdorf aufgenommen worden, hat aber ihr Gedächtnis verloren. Obwohl sie ein relativ sorgenfreies Leben führen könnte, mehren sich ihre Zweifel und als ein Maharadscha das Dorf besucht, gerät ihr Leben mal wieder an einen Wendepunkt. Spannend konstruierte Saga um eine toughe Frau, die unter falscher Identität in eine französische Strafkolonie nach Indien verbracht worden war, von Altmeister Jean Van Hamme & Alcante mit geübten Zeichnungen von Francis Vallès. Wer früher die Weihnachtsvierteiler geliebt hat, wird diese Serie ebenfalls mögen!

ZACK 303 page 5

Es dürfte unnötig sein, die beiden Detektive Harry und Platte näher vorzustellen. Sie sind auf Deutsch unter unterschiedlichen Namen bei verschiedenen Verlagen publiziert worden, die nun präsentierten Kurzgeschichten von Denis Lapière und Alain Sikorski fehlten allerdings bisher. Maskerade beginnt mit einem Schocker: Eine junge Frau bittet die beiden Helfen um Hilfe und wird eine halbe Seite später auf offener Straße erschossen. Sofort eilt Platte dem vermeintlichen Täter hinterher, nur um festzustellen, dass es sich dabei um eine alte Freundin handelt. Schöner Plot mit vielen Twists und viel Action mit Zeichnungen, die nicht ganz an die Hochzeiten der Serie herankommen, trotzdem aber ihren eigenen Charme verbreiten!

ZACK 303 page 36

Ebenfalls wieder dabei ist Amoras. Die Suske und Wiske-Adaption für Erwachsene geht in die vierte von sechs Runden. Im Mittelpunkt steht dieses Mal Lambik. Während der in seinem Inneren gutherzige Lambik versucht, mit Hilfe der Zeitmaschine Suske und Wiske zu Hilfe zu eilen, müssen sich diese auf der Insel Amoras in ihrer Zukunftslinie den Unbillen der Natur und der Attacken von Krimson erwehren. Ein spannendes und düsteres Szenario das trotzdem die wesentlichen Züge der seit Jahrzehnten etablierten Figuren übernimmt. Die Kenntnis der Originalserie wird aber keinesfalls vorausgesetzt! Die ebenfalls von Marc Legendre geschriebene und von Charel Cambré umgesetzte Nachfolgeserie Die Chroniken von Amoras erscheint übrigens in Kürze in der ZACK-Edition!

Detail ZACK 303 page 73

Die Fortsetzungen

Ach, wie schön kann Bruderliebe sein? Es ist immer wieder erstaunlich, wie verfeindet in der Sippe der Saint-Huberts die Familienmitglieder sind. Eine Re-union, die jetzt gerade selbst Oasis wieder zusammenbringt, ist hier eher nicht zu erwarten. Die Scheckhefte von Panama sind eine grandiose Aneinanderreihung von Boshaftigkeiten; Pierre Boisserie & Philippe Guillaume lassen es in die Bank erneut krachen. Stéphane Brangier darf sogar Zeit auf die Kleinsten verwenden und lässt uns ahnen, dass die nächste Generation eher noch schlimmer werden wird.

Detail ZACK 303 page 21

In Bootblack, dem wohl düstersten Teil der New-York-Trilogie, vermischt Mikaël immer wieder Kriegserfahrungen mit dem verzweifelten Versuch, (s)ein Leben selbst bestimmen zu können. Wer nicht auf der Sonnenseite geboren wurde, muss entweder zu drastischen Mitteln greifen und mit Bestrafung durch Konkurrenten oder Polizei rechnen, oder aber seinen Körper oder Seele verkaufen. Das gelingt nicht immer! Oft bleibt der Krieg als letzte Zuflucht, diese hat allerdings eigene Risiken! Geniale Graphic Novel. Der Vorläufer Giant ist gerade als Gesamtausgabe erschienen.

ZACK 303 page 55

Die Abschiede

Die Comicbiographie Mata Hari hatte mit ihrer Hinrichtung als deutsche Spionin begonnen und dann in Form einer großen Rückblende das Leben der jungen Frau erzählt. Der letzte Teil schließt den Kreis und beschreibt, wie sich die größeren und kleineren Lügen schließlich zu einer Schlinge verknüpfen, vor der es kein Entrinnen mehr gibt. Das sehr persönliche Szenario von Esther Gil erlaubte, die Legendenbildung besser zu verstehen, die Zeichnungen von Laurent Paturand machten das Ganze zu einem Vergnügen. Schade, dass es nun vorbei ist.

Und sonst?

Passend zu den Kurzgeschichten von Harry und Platte führt Volker Hamann gewohnt sorgfältig in die Serie ein und Christian Endres berichtet über die Comic-Adaption von Cormac McCarthys The Road/Die Straße. Dazu kommen wie immer News, Rezensionen und Meinungen sowie der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren. Wem die Jubiläumsnummer 300 gefallen hat und deswegen mehr Kurzgeschichten aus dem Tintin-Originalband lesen möchte, kann ab sofort das ZACK-Sonderheft 1 beim Verlag bestellen. Es ist kein Bestandteil des regulären Abos.

Dazu passen Chris Murray der mit „Rock Steady“ zeigt, dass man „alte“ Musik „neu“ machen kann und ein Ricard auf Eis.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Schultz/Yeates – Prinz Eisenherz II Band 26

Jahrgang 2021/2022

Autor: Mark Schultz

Zeichnungen: Thomas Yeates

Originaltitel: Hal Foster’s Prince Valiant 4378 – 4481

Bocola Verlag

Hardcover Überformat | 112 Seiten | 24,90 €
ISBN: 978-3-946842-56-9

Cover Prinz Eisenherz II 26

Freudestrahlend hatte ich die Vorzugsausgabe vor rund einem Jahr als Gewinner eines Preisausschreibens in Empfang nehmen können, doch dann gelangte der Band aus unerfindlichen Gründen an das hintere Ende meines Lesestapels. Nun habe ich es endlich geschafft, mich ihm zu widmen. Und er war es wert! Die 1937 erstmalig erschienene Serie hat mittlerweile ihren vierten Zeichner, vermag aber immer noch zu begeistern.

Ritter, Ränke und fantastische Abenteuer

Vielleicht eine kleine Einordnung vorweg: Der Held, Prinz Eisenherz, ist ein Ritter von König Arturs Tafelrunde und als solcher Kamerad von Gawain, Galahad und anderen bekannten Recken. Gleichzeitig ist er aber auch ein Prinz der Wikinger aus Thule. Mit seinem „singenden Schwert“ hat er unzählige Kämpfe siegreich bestanden und vieles von der Welt gesehen. Er ist verheiratet mit Aleta, der ehemaligen Herrscherin der Nebelinseln. Ihr gemeinsamer Sohn Arn ist mittlerweile der Regent des Königreiches. Bei Bocola erscheinen Sammelbände, die jeweils zwei komplette Jahrgänge umfassen.

Generell ist zu bemerken, dass die Serie schon von Beginn an sehr frei mit der tatsächlichen Geschichte umgegangen ist. Wenn dramaturgisch notwendig, wurden schon einmal Jahrhunderte übersprungen und kombiniert. Und so beginnt der Band auch mit einem gewagten Experiment. Ein kleines Fürstentum macht seine Erfahrungen mit „Demokratia“, einer Volksherrschaft. Da es die Leibeigenen angrenzender Fürstentümer anzieht, kommt es zum Konflikt und zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Auf der sich anschließenden Heimreise des Helden, der Jugenderinnerungen zelebriert, kommt es zu einem eher fantastischen Intermezzo. Bedingt durch Zauberei und die Einnahme eines magischen Trankes wird Eisenherz in ein Horror-artiges Traumreich gezogen. Kann die von ihm im Traum zu Hilfe gerufene Aleta ihn vor der Attacke durch Morgan Le Fay retten?

Prinz Eisenherz II 26 page 15

Detailliertes Artwork, spannendes Layout

Seit dem 13.2.1937 erscheint jede Woche eine farbige Sonntagsseite, zunächst von Hal Foster (Prinz Eisenherz I). Danach übernahm John Cullen Murphy den Zeichenstift, gefolgt zunächst von Gary Gianni, bevor Thomas Yeates ab April 2012 fortführte. Schon immer war ein Markenzeichen der Serie die Detailtiefe der Zeichnungen. Die Seite muss zwar regelmäßig und pünktlich geliefert werden, erlaubt aber trotzdem mehr darauf verwendete Arbeitszeit als für andere Serien zur Verfügung stünde. Die Zeichnungen sind daher typischerweise extrem ausgearbeitet und auch die Seitenkompositionen sind alles andere als standardisiert!

Auch Yeates verwendet viel Zeit auf die Komposition und zeigt zudem deutliche Unterschiede zwischen den „realen“ und den „magischen“ Sequenzen. Seine Figuren haben trotz der Kolorierung noch viele Schraffuren und sind dadurch dem Medium des Zeitungsstrips weiterhin deutlich zugehörig. Das Überformat der Ausgabe bringt das perfekt zur Geltung.

Cover Prinz Eisenherz II 26 VZA

Eine wunderschöne Ausgabe

Die Älteren unter den Leser*innen werden sich noch an die Carlsen-Ausgabe erinnern. Obwohl diese natürlich nicht schlecht war, gefällt mir die wohlfeile Bocola-Hardcover-Reihe doch deutlich besser. Die fundierte Einführung erläutert Hintergründe und ermöglicht es auch Neulingen, sofort einzusteigen! Die auf 150 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe hat nicht nur ein Variantcover, sondern enthält zudem auch noch einen signierten Druck von Thomas Yeates. Für diesen Jahrgang ist sie aber mittlerweile verlagsvergriffen.

Nicht nur als Erinnerung an Jugendtage ist diese Reihe einen Blick wert! Nostalgie mischt sich hier mit innovativen Zeichnungen und für ein Abenteuer ist die Einbettung als Ritter, Western oder Science-Fiction nur ein wichtiges Stilmittel. So war es ganz folgerichtig, dass der Recke in den 70-ern auch auf den Seiten des ZACK sein Schwert geschwungen hat. Notwendig ist aber immer die Fähigkeit, die Geschichte handwerklich ansprechend zu gestalten. Und das ist hier zweifellos gelungen.

Dazu passen die Grail Knights mit ihrer Mischung aus Metal und Showtime und ein Zwarte Magie Black IPA.

© der Abbildungen 2023 King Features Syndicate, Inc ./Distr. Bulls/2023 Bocola Verlag

Pevel/Willem – Die Flintenweiber

Gesamtausgabe

Autor: Pierre Pevel

Zeichnungen: Étienne Willem

Originaltitel: Les Artilleuses

Blattgold Verlag

Hardcover | 156 Seiten | 39,00 €
ISBN: 978-3-949987-07-6

Cover Die Flintenweiber Gesamtausgabe

Manchmal enthalten Gesamtausgaben begleitende Texte, die nicht direkt mit dem Comic zu tun haben. Georg F. W. Tempel beendet diese Ausgabe sehr persönlich mit einem emotionalen Statement über den freiwilligen Tod des Zeichners Étienne Willem. Auch dafür muss in der heutigen, oberflächlichen Zeit Platz sein!

Ein Raub und eine Staatsaffäre

Das dreiteilige Abenteuer über eine Gruppe von drei jungen Frauen, die Flintenweiber, und den von ihnen durchgeführten Raub eines ganz besonderen Siegelrings spielt im Jahr 1911 im Paris der Wunder. Dieses von Pierre Pevel geschaffene Universum entstand durch die Öffnung einer Verbindung zwischen der uns bekannten Umgebung und der Anderswelt. Und so werden nun beide Welten sowohl von Menschen als auch von magischen Wesen bewohnt. Dies ermöglicht eine humorvolle, trotzdem aber spannende Verbindung zwischen Action-Szenen und niedlichen Drachen.

Lady Remington, Miss Winchester und Mamsell Gatling waren mit dem Diebstahl beauftragt worden, die geplante Übergabe wird jedoch massiv gestört und ihr Auftraggeber, ein krimineller Faun, getötet. Es entwickeln sich im Verlauf mehrere Schlachten zwischen Polizei, verschiedenen Geheimdiensten und den drei Damen. Dabei wird deutlich, woher die Drei ihre Kampfnamen haben, denn neben magischen Waffen kommen ganze Waffenarsenale zum Einsatz. Die Deutschen kommen dabei übrigens nicht besonders gut weg.

Cover ZACK 280

Immer wieder gelingt es Pevel, die Möglichkeiten der Anderswelt in die Story zu integrieren. Dabei geht es nicht nur um Situationskomik (der polternde Troll), auch die „bösen“ Wesen machen viel Spaß. Und so entwickelt sich eine rasante Story, voll mit Verfolgungsjagden, internen Reibereien, Konflikten zwischen konkurrierenden Dienststellen und Mächten, aber eben auch politischen Strategien. Während der Veröffentlichung über 3 Jahrgänge des ZACK fand ich die Cliffhanger toll, nun aber, in einem Rutsch gelesen, hat die Dramatik noch mal einen ganz neuen Charakter!

Humor und Action

Die Zeichnungen von Étienne Willem vereinbaren die beiden inhaltlichen Komponenten kongenial. In fast jedem Panel ist irgendeine lustige Szene versteckt. Trotzdem werden rasante Actionszenen präsentiert, ja, selbst Folter und Hinrichtungen gehören zum Inhalt. Die ganze Niedlichkeit darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Leben in Gefahr sind. Diese Gewissheit ist bei den Heldinnen zwar zu spüren, sie drücken aber eine gewisse Überheblichkeit aus, wenn sie ihr eigenes Glück voraussetzen.

Die Hintergründe sind extrem detailliert und auch die Nebenfiguren sind exakt ausgeführt. Es tauchen im Verlauf der Geschichte eine ganze Menge technischer Gadgets auf, die von Kampfdrohnen bis hin zu mechanischen Wesen reichen. Auch diese sind eine Mischung aus Realität und Art-Deco-inspirierten Manierismen. Kurzum: Das Betrachten der Zeichnungen wird auch nach wiederholtem Ansehen nicht langweilig!

Cover ZACK 296

Extrem gute Unterhaltung

Eine Gesamtausgabe ist in gewisser Weise die gedruckte Möglichkeit des bingens. Man ist nicht gezwungen, nach wenigen Seiten (im Magazin) oder einem Band zu warten, sondern kann ganz in die Materie eintauchen und genießen. Das trifft natürlich insbesondere bei einbändigen Ausgaben zu. Die Flintenweiber ist eine Quelle für vorzügliche Unterhaltung mit Suspense, Magie, Gewalt, Verfolgungen, magischen Momenten, Glück und Verlust. Mehr Drama geht nicht!

Wer jetzt Lust bekommt, der sei auf das Universum des Paris der Wunder hingewiesen. Die Länder Frankreich und Ambremer bieten Stoff für viele weitere Abenteuer, die zum Teil bereits erschienen sind, zum Teil aber auch nur angekündigt sind. Stay tuned! Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit entsprechendem Druck.

Dazu passen Bite me Bambi mit „Girls of Summer“, und ein sommerlicher Gin Tonic mit Limone.

© der Abbildung 2023 Drakoo par Pierre Pevel & Étienne Willem / 2024 Blattgold Verlag, Bad Dürkheim

M. und J.-F. Charles – China Li

Gesamtausgabe

Story: Maryse & Jean-François Charles
Zeichnungen: 
Jean-François Charles

Originaltitel: China Li Vol. 1 – 4 (Shanghai, L’honorable monsieur Zhang, La fille de l’eunuque, Hong Kong – Paris)

Splitter Verlag

Hardcover Überformat |264 Seiten | Farbe | 45,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-379-3

Cover China Li

Das Ehepaar Maryse & Jean-François Charles hat sich schon mehrfach mit Dreams/Träumen auseinandergesetzt. Egal, ob in Frankreich, Afrika oder Indien, immer beschreiben sie persönliche Schicksale und verknüpfen kriegerische und weltpolitische Ereignisse mit diesen Geschehnissen. Während die Geschichtsschreibung sich auf die großen, heroischen Momente konzentriert, sind die Auswirkungen im Alltäglichen manchmal ganz anders, zeitversetzt und alles andere als heroisch.  

Die Tochter eines Eunuchen

Wie immer in ihren Werken stellt das belgische Ehepaar eine Frau in das Zentrum ihrer Geschichte. Diese spielt in China während des Übergangs zur Moderne. Die chinesische Nation musste während dieser Zeit einige Demütigungen erdulden. Zunächst einmal waren die europäischen Staaten als Konzessionsmächte tonangebend, die japanische Armee war brandschatzend, vergewaltigend und mordend eingefallen und der Kampf zwischen den Truppen des nationalistischen Generals Chiang Kai-shek mit den revolutionären Organisationen unter Führung der Kommunistischen Partei und Mao Ze-Dong hatte ebenfalls immense Opferzahlen zur Folge.

China Li page 3

Neben der politischen Führung gab es aber zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine große Schattenwirtschaft um Opiumkonsum, Prostitution und Bestechung, die von den chinesischen Organisationen der Triaden geleitet wurde. Und nicht zuletzt spielten auch die alten Traditionen noch eine immense Rolle und in ihnen das Schicksal der Eunuchen. Diese wurden teilweise bereits als kleine Kinder entmannt und in die Dienste innerhalb der Verbotenen Stadt gegeben. So geschah es auch dem Eunuchen Zhang, der sich im Verlauf der Zeit zum skrupellosen Führer der in Shanghai herrschenden Triade entwickelt hat. Er nimmt die junge Chinesin Li unter seine Fittiche, als diese im Alter von 7 Jahren als Wettschuld verkauft wird.

Die Geschichte erzählt, teilweise ineinander verwoben, sowohl von dem Aufstieg und der Herrschaft Zhangs, als auch das Leben von Li, die von einem misshandelten Mädchen zur einflussreichen Adoptivtochter des mächtigen Herrschers wird. Dabei gibt es nicht nur spannende Momente in ihrer Jugend, sie geht später nach Paris, begleitet Mao auf seinem langen Marsch und versucht, den letzten Auftrag ihres Adoptivvaters auszuführen. Nach chinesischer Religion ist es nämlich wichtig, dass der Körper eines Toten komplett vergraben wird. Ansonsten ist der Weg in das Paradies versperrt. Also bedeutet dass, das die entfernten Testikel im Besitz des Eunuchen sein müssen.

China Li page 4

Zartes Aquarell und heftige Brutalität

Die Zeichnungen von Jean-François Charles, der wieder selbst den Pinsel übernommen hat, sind in ihrer grundsätzlichen Ausformung zarte Aquarelle. Diese passen insbesondere zu den teils ganzseitigen Bildern, die die Natur darstellen und von der chinesischen Tradition inspiriert sind! Meistens enthalten sie Elemente von Yin und Yang und drücken damit ein Gleichgewicht aus. Neben diesen ruhigen Haltepunkten gibt es aber auch die Hektik der Großstadt, die Verzweiflung der Süchtigen und Armen, vor allem aber die Gewalt. Diese wird hauptsächlich von Männern ausgeübt und richtet sich gegen angeblich Minderwertige und Andersdenkende.

Natürlich sind auch die Auseinbandersetzungen innerhalb der Triaden und mit europäischen Mafia-ähnlichen Gruppen nicht gerade friedlich. Während diese aber irgendwie noch Sinn machen, ist die Gewalt der japanischen Besatzer und die der kriegsführenden Parteien gegenüber allen Anderen kaum noch nachvollziehbar. Umso erstaunlicher ist es, dass die Erzählung immer wieder ihren Weg zurück zu der Geschichte findet und die gewalttätigen Szenen letztlich nur als Beiwerk einbindet und deutet. Hier werden auch kulturelle Aspekte immer wieder eingewoben.

Detail China Li page 9

Gelungene Kombi aus „Großem“ und „Kleinem“

Geschichte leidet immer ein wenig darunter, dass sie entweder die relevanten Ereignisse in den Vordergrund stellt und so tut, als ob sie eine Abfolge von Kalenderdaten wäre, oder aber die sozialgeschichtlichen Aspekte überbetont. Dem Ehepaar Charles ist es in China Li gelungen, beide Sichtweisen zu vereinen. Während die Struktur „bekannt“ ist, sind es die persönlichen Biographien, an denen die Auswirkungen deutlich werden. Dieser Anspruch ist nicht neu, scheitert aber (viel zu) oft!

Zusätzlich gefällt mir die zarte, pinselgetriebene Zeichnung in den Panels, die selbst in stressigen Situationen eine gewisse Ruhe ausstrahlt. Am besten gelingen dabei die grandiosen Darstellungen der Natur. Aber auch das Treiben in den Städten (so wohl der europäischen als auch der asiatischen) ist glaubhaft. Und in dem Gewimmel, das teilweise zum Besten gegeben wird, verstecken sich eine Unmenge an Details. Und schließlich bietet der Band auch für die Freund*innen der Cameos die eine oder andere versteckte Überraschung!

China Li page 6

Dazu passen The Oldtones, etwa mit „Tocamos Ska“, und ein Singapore Sling!

© der Abbildungen Casterman 2018, 2020, 2021, 2023| Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Munuera/BeKa – Rostige Herzen 2

Inspiration

Story: Jose Luis Munuera & BeKa

Zeichnungen: Jose Luis Munuera

Originaltitel: Les Cœurs de ferraille 2 – L’Inspiration

Carlsen Comics
Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-551-79893-0

Cover Rostige Herzen 2

Eine Prise Science-Fiction, eine Prise Romantik, etwas Rührseligkeit und einen erbitterten Gegner, mehr braucht es nicht, um eine wundervolle Geschichte zu erzählen! Wie schon in Band 1 spielt die Geschichte in einer ländlichen Gegend. Einerseits ist die Technologie etwas weniger entwickelt als hier (und auch die Gesellschaft!), andererseits gibt es künstliche Wesen, also Roboter. Eine Geschichte über Freundschaft, Rassismus, und Menschen, die glauben einer Herrenrasse anzugehören.

Die revolutionäre Kraft des geschriebenen Wortes

So neu ist die Geschichte gar nicht: Ein Buch wird geschrieben, gedruckt und gelesen. Plötzlich entwickelt sich daraus etwas Neues, Ideen oder Wahrheiten werden deutlich, verbreiten sich und führen zu einer anderen Gesellschaft… Auch wenn das manchmal nur eine Hoffnung bleibt, ist das doch gleichzeitig der Wunschtraum aller Autor*innen, die inspirieren wollen, und der Alptraum aller beharrenden Kräfte.

Aber zu den Details der Geschichte: Ein menschliches Ehepaar wird grausam von zwei Robotern ermordet. Zurück bleibt nur ein kleines Mädchen, das sich verstecken kann. Die Kleine schließt Freundschaft mit einem Welpen und gemeinsam schlagen sie sich mit Einbrüchen und kleinen Diebstählen durch. Schließlich entdeckt das Mädchen ein Buch, herzzerreißend schön geschrieben, und erfährt das damit zusammenhängende Geheimnis.

Der Besitz des Buches lässt sie zur Zielscheibe werden. Allerdings erfährt sie unerwartete Hilfe und Unterstützung. Schließlich kann sie sogar den Grund für die Ermordung ihrer Eltern aufdecken und der Kreis schließt sich. Eine bewegende Geschichte über Vorurteile, Machtmissbrauch und Gewalt auf der einen, Zusammenhalt und Liebe auf der anderen Seite! Ach, würden doch mehr Menschen für solche Geschichten aufnahmebereit sein.

Rostige Herzen 2 page 3

Filmisch

Die Zeichnungen von Jose-Luis Munuera lassen einen immer an etwas ältere Filme denken. Nicht mit der Handkamera gedrehte, schnelle Schnitte, sondern Fahrten, die heranzoomen, Protagonist*innen in den Fokus nehmen und das Ergebnis der Handlung im folgenden Bild in Großaufnahme zeigen. Natürlich erwartet niemand hier einen Fotorealismus. Trotzdem sind gerade die Darstellungen der künstlichen Wesen perfekt. Sie drücken sowohl Liebe und Anteilnahme aus wie auch brutale Pflichterfüllung – je nach Modell! Dazu trägt auch das Design (ein- bzw. zweiäugig) bei.

Wie schon bei der Weihnachtsgeschichte und der Blauen-Boys-Interpretation steht die vom Zeichner mitentwickelte Geschichte im Vordergrund, die Zeichnungen unterstützen aber kongenial, ohne sich aufzudrängen. Dadurch wirken diese Geschichten immer wie aus einem Guss. In diesem Band sind die Rückblicke schwarz-weiß, aktuelle Ereignisse farbig wiedergegeben.

Rostige Herzen 2 page 4

Mitreißend!

Mein Lieblingszitat ist definitiv dasjenige über das ungedruckte Buch, das nicht gelesen werden kann und somit nicht existiert! Man kann den Comic auf viele verschiedene Weisen lesen: es ist natürlich eine spannende Geschichte, es ist eine Parabel auf die heutige, leider immer noch von Vorurteilen geprägte Zeit und es ist eine Art dystopischer Science-Fiction. Keine dieser Lesarten wird dabei zugunsten einer anderen beschnitten und so müsste der Band eigentlich einer unheimlich großen Anzahl von Leser*innen gefallen!

Die Ausgabe als Hardcover ist angemessen, schreckt aber möglicherweise Gelegenheitskäufer*innen ab. Diesen sei gesagt: Es ist nicht zwingend, Band 1 gelesen zu haben. Man kann den Band auch ohne Vorkenntnisse verstehen und vor allem genießen. Wer die Kombination Munuera/BeKa mag, kann hier bedenkenlos ebenfalls zugreifen.

Detail Vorblatt Rostige Herzen 2

Dazu passen Bob Dylans “The Times, they are a-changin“ in der Version von Flogging Molly und ein Pülleken.

© der Abbildungen DUPUIS 2023, by BeKa, Munuera (Jose Luis) / 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Mikaël – Giant

Gesamtausgabe

Story:  Mikaël
Zeichnungen: 
Mikaël
Originaltitel: 
Giant Compilation

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 32,00 €

ISBN: 978-3-949987-37-3

Cover Giant GA

Eine Graphic Novel in 3 Bänden, die jeweils in zwei Teilen erschienen sind. Eine Geschichte, die sich aus Geschichten zusammensetzt und deren heimlicher Star eine Stadt ist, die das alles erst möglich macht. Geschichten, die nur sehr lose miteinander verknüpft sind und doch viel miteinander zutun haben. All das (und noch vieles mehr) ist die New-York-Trilogie von Mikaël! Band 1, Giant, war in 2019/2020 in mehreren Folgen auf Deutsch im ZACK abgedruckt worden und ist nun als wohlfeile Gesamtausgabe in der ZACK-Edition erschienen.

Schmelztiegel New York?

Wenn wir heute über New York reden, bezeichnen wir die Stadt oft als melting pot, als Schmelztiegel. Leider ist der Weg dahin meistens vergessen worden. Dass alle Anfänge schwer sind, erzählt Mikaël unter anderem. Er erzählt aber auch von Irland, der trostlosen Situation dort, die Hunderttausende zur Migration gezwungen hat, von der Situation der einfachen Leute zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt von kleinen persönlichen Schicksalen die gleichzeitig mit Ereignissen stattfinden, an die wir uns heute noch allgemein erinnern.

Im Zentrum des Geschehens steht Giant, ein schweigsamer, kräftiger Mann, der auf Baustellen von Hochhäusern Nieten in Stahlträger treibt. Er steht meistens etwas abseits – im Verlauf der Geschichte wird einiges aus seiner Vergangenheit bekannt, dass genügend Gründe dafür enthält – ist aber trotzdem ein hilfsbereiter Kollege. So übernimmt er es, der in Irland verbliebenen Frau eines bei einem Arbeitsunfall Getöteten die Todesnachricht und die Spende der Gewerkschaft zu übermitteln. Welche Auswirkungen können Entscheidungen haben?

Wir werden als Leser*innen aber auch Zeug*innen von Auseinandersetzungen zwischen irischen und italienischen Migranten, Feierabendvergnügungen, der Entstehung eines berühmten Fotos und vor allem dem Alltagsleben in der Großstadt. Gerade die Verknüpfung von Ereignissen und Alltäglichem macht die Geschichte so unglaublich lesenswert!

Sensible Zeichenkunst

Mikaël hat einen sehr feinen Strich und nimmt zusätzlich die Motive etwas aus dem Vordergrund, indem er die meisten Zeichnungen in ein Sepia hüllt. Dadurch schafft er nicht nur eine Stimmung, die klar macht, dass die Geschehnisse sich vor langer Zeit abgespielt haben, er nimmt auch Hektik raus. Zudem macht er dadurch deutlich, dass die Bedeutung der Ereignisse je nach Standpunkt unterschiedlich gewichtig ist. Was für einen Einzelnen von immenser Tragweite sein kann, ist aus der Vogelperspektive verschwindend gering.

Trotz allem sind die Zeichnungen sehr realistisch, wenn auch nicht fotorealistisch. Wie viel Mühe sich Mikaël mit den Figuren gemacht hat, wird ein wenig deutlich durch den Anhang, der sehr viele Skizzen enthält. Die gleiche Sorgfalt hat er für die Architektur aufgewendet!

Eine meiner Lieblingsserien!

Die New York-Trilogie von Mikaël Giant, Bootblack (aktuell im ZACK) und Harlem gehört definitiv zu meinen Lieblingsserien. Sie ist eine Graphic Novel, die sehr persönliche Geschichten erzählt, dem Ganzen einen sequenziellen Sinn beifügt, gleichzeitig aber auch erlaubt, den Kreis von einem beliebigen Startpunkt (erneut) zu durchlaufen. Zudem besticht die Geschichte nicht nur von der Storykomposition her, auch die Zeichnungen sind außergewöhnlich.

Die Gesamtausgabe enthält im Gegensatz zum Abdruck im ZACK zusätzlich 16 Seiten mit Skizzen und ein Vorwort von Jean-Louis Tripp, einem der beiden Künstler hinter Das Nest. Die Verwandtschaft dieser beiden sehr unterschiedlichen und doch ähnlichen Serien ist verblüffend: Beide zwingen uns, Altbekanntes zu hinterfragen und das Große aus dem Kleinen zu verstehen. Die Vorzugsausgabe enthält neben einem Variantcover zusätzlich noch einen limitierten, signierten Druck!

Giant GA VZA ExLibris

Dazu passen The Pogues mit „Rum, Sodomy & the Lash” und ein Blackbush.

© der Abbildungen Dargaud Benelux (Dargaud-Lombard S.A.) 2017 & 2018, by Mikaël / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Rossi – Golden West

Das letzte Aufbäumen

Story: Christian Rossi
Zeichnungen: 
Cristian Rossi

Originaltitel: Golden West

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 176 Seiten | Farbe | 39,80c € | 
ISBN: 978-3-98721-422-6

Cover Golden West

Es gibt Comics, bei denen man schon nach wenigen Seiten feststellt, dass sie zwar nicht schlecht sind, einen aber irgendwie nicht fesseln können. Bei Golden West ist das anders. Der im Original in vier einzelnen Bänden erschienene Comic über das Ende einer Zivilisation zieht einen in sich hinein und lässt nicht wieder los.

Ein Fluch als Sinnbild

Der junge Apache Woan macht einen schweren Fehler, der seinem Freund das Leben kostet. Da er sich damit außerhalb des Weltbildes seines Stammes gestellt hat (So etwas macht man nicht), gilt er als verflucht und muss fortan ohne die Gemeinschaft auskommen. Tatsächlich überlebt Woan und trifft im Laufe seines Lebens auf viele Menschen, die ihn lehren werden, dass die Zeit der Apachen vorbei ist. Seine Verfluchung steht quasi parallel zum scheiternden Überlebenskampf der Indigenen.

Golden West page 7

Auf sich allein gestellt, muss der Junge zunächst einmal überleben und sich damit in einer feindlichen Natur bewähren. Das betrifft nicht nur banale Dinge wie genügend Nahrung, er muss auch Jahreszeiten und Unfälle überleben, ohne ernsthaft zu erkranken. Schließlich trifft er auf Geronimo, der von der Verfluchung weiß, ihm aber trotzdem erlaubt, am Kriegszug teilzunehmen.  

Immer wieder werden sich die Pfade der Beiden kreuzen und es wird immer deutlicher werden, dass eine Zukunft nur vorstellbar wird, wenn sie der Vergangenheit in keiner Weise ähnelt. Das jedoch erfordert ein Umdenken, zumal ja die (meisten) Weißen alles daransetzen, die Apachen und alle anderen indigenen Völker auszurotten. Und auch die Mexikaner kommen als Verbündete keineswegs in Betracht.

Golden West page 8

Naturverbundenheit und Ruhe

Christian Rossi, bekannt für Westernreihen wie Jim Cutlass oder der Planwagen der Thespis, hat nicht nur das Szenario geschrieben, sondern sich auch in die Zeichnungen hineingemalt. Manchmal merkt man Zeichnungen an, dass der Künstler sich große Mühe gegeben hat, emotional aber nicht vollkommen involviert war. Hier ist Rossi mit Haut und Haaren, mit Pinsel und Feder bei der Sache.

Die Zeichnungen sind teilweise leicht unscharf und hauptsächlich in Sepia- und Rottönen gehalten. Nur das leuchtende Blau des Himmels kommt dazu. Er zeigt die Gewalt, aber auch die gewaltige Weite der Natur. Beim Lesen stellt sich die Frage, warum bei dem Angebot an Platz eine Kooperation nicht möglich gewesen wäre. Und auch die Antwort steht geschrieben: es lag nicht an den Ureinwohner*innen!

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Eine sehr persönliche Darstellung

Der klassische Western nach dem Motto Weiß=gut, Rot=böse funktioniert schon lange nicht mehr. Spätestens seit Der mit dem Wolf tanzt sind die Storylines und Sympathien anders verteilt. Natürlich gibt es allerdings noch immer einige, die die Vormachtstellung des Mannes und einer Herrenrasse auf Teufel komm raus verteidigen wollen. Diese werden auch durch das Statement von Christian Rossi nicht überzeugt werden. Alle anderen finden aber einen sehr persönlichen Zugang zu den großen und bekannten Themen aus einer ungewohnten, „kleinen“ Perspektive.

Es ist immer schwierig, zu definieren, welche Titel unbedingt in eine „vernünftige“ Sammlung gehören sollten. Golden West wäre auf jeden Fall eine Bereicherung jedes Regals mit Westerncomics und wird dazu verleiten, es mehrfach lesen und genießen zu wollen.

Detail Golden West page 15

Dazu passen „Please don’t talk about me when I’m gone“ in der Version von San Lyon, und ein frisches Wasser ohne „Feuer“!

© der Abbildungen Casterman 2023, by Christian Rossi | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2024

Sprechblase 249 (Aug 2024)

Modesty Blaise und andere Themen

Redaktion: Gerhard Förster
Bildschriftenverlag Hannover (bsv)
Din A4 | 100 Seiten | Farbe | 11,90 €
ISSN: N/A

Cover Sprechblase 249

Lange ist es her, dass comix-online eine Ausgabe der Sprechblase besprochen hatte: es war die Nummer 238 mit dem Schwerpunkt Edouard Aidans. Es ist also wieder mal an der Zeit, bevor sich im Rahmen von gleich zwei anstehenden Jubiläen alle darauf stürzen werden. Die Zeitschrift mit dem Untertitel „Die wunderbare Welt der Comics“ ist aktuell in ihrem 49. Jahrgang und die 250. Ausgabe ist geplant für Anfang kommenden Jahres.

Eine Institution braucht eine Nachfolgeregelung

Die Sprechblase ist eine Zeitschrift für Menschen, die klassische Comics mögen. War sie anfangs fast nur auf die Generation Lehning ausgerichtet, ist die Generation ZACK mittlerweile ebenfalls stark vertreten. Wir alle, die wir zu einer dieser beiden Gruppen gehören, sind mittlerweile in die Jahre gekommen und auch Gerhard Förster, der die Zeitschrift vor langer Zeit von Norbert Hethke übernommen hatte, geht in den wohlverdienten Ruhestand, allerdings erst nach der Jubiläumsnummer. Wer Interesse hat, hier einzusteigen, melde sich bitte!

Intro Sprechblase 249

Die wohl coolste „Tödliche Lady“ aller Zeiten

Neben einer Vielzahl von Besprechungen und News wartet die „Blase“ immer mit einigen sehr ausführlichen Artikeln auf. Covermodel ist dieses Mal Modesty Blaise, eine Comic-Strip Heldin, die 1963 erstmalig das Licht der Welt erblickte und Leser*innen vieler Tageszeitungen erfreute. Gerhard Förster beschreibt nicht nur ausführlich inhaltliche Merkmale des Strips, er geht auch auf die Persönlichkeiten des Autors und einiger Zeichner näher ein.

Peter O’Donnell war während des Zweiten Weltkrieges als Unteroffizier tätig und schrieb danach verschiedene Szenarien, bevor ihm mit der Serie um die freiberuflich tätige Blaise ein Riesenerfolg gelang. Es war die Zeit, in der James Bond seine ersten Erfolge feiert und die Avengers (dt. Mit Schirm, Charme und Melone) die Fernsehzuschauer*innen begeisterten.

Zwar ist es notwendig, eine gute Story zu haben, ohne passende Zeichner wird es aber trotzdem kein Erfolg werden. Sowohl Jim Holdaway als auch Enrique Badia Romero (bekannt auch mit Axa) waren sehr wohl in der Lage, die schwierige Mischung aus versteckter Erotik in Zeitungen, die auch von Kindern gelesen wurden, Martial Arts und Spannung umzusetzen. In den Skandinavischen Ländern war der Strip am erfolgreichsten, aber auch in Deutschland erscheint jetzt bei Bocola eine Gesamtausgabe. Vervollständigt wird das Feature mit dem Abdruck der Origin-Geschichte!

Von Wastl über Fix & Foxi zum Blut auf der Prärie

Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte von Wastl (oder eigentlich Jerom, wie er im flämischen Original heißt) und seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Ursprünglich war er ein Sidekick in Suske und Wiske, erlebt aber wegen seiner Beliebtheit auch Soloabenteuer. Natürlich wird hier ein besonderes Augenmerk auf die erfolgreiche deutsche Bastei-Serie Wastl und ihre Nachfolger gelegt. Es gibt aber auch Anmerkungen zu den moderneren Interpretationen in Amoras und J.Rom.

Ein Wiederabdruck eines alten Interviews erinnert an Ludwig Fischer, einen der Fix und Foxi-Zeichner, die sich mit ihrem Stil aus der Masse hatten herausheben können.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Western-Schwerpunkt. Der Abdruck des Comics Blut auf der Prärie findet mit dem dritten Teil seinen Abschluss. Ihm vorangestellt ist ein Faktencheck, der die Ereignisse gegen die Wirklichkeit prüft. Ein Comic von Look & Learn! Thematisch passend folgt ein Überblick über Filme und Comics, die sich mit Little Bighorn befassen. Subjektiv und erfrischend!

Sehr viele wissenswerte Informationen!

Es gibt verschiedene Sekundärzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Sprechblase richtet sich an ältere Comic-Fans (die natürlich auch so ihre Vorurteile haben, die hier auch gepflegt werden). Für diese Zielgruppe gibt es nichts Vergleichbares. Die Themen sind liebevoll kuratiert, die immens vielen Abbildungen passen zu den Inhalten und das Layout ist durch thematische Kästen und Rubriken gut gegliedert.

Im Übrigen findet der Fan nur hier eine Zusammenstellung aller Kleinverlagseditionen aus diesem Spektrum. Die Rezensionen sind vielfältig (und beinhalten erstmals auch eine vom Verfasser diese Zeilen) und machen Lust auf das eine oder andere Experiment. Es wäre schade, wenn sich kein Nachfolger finden würde. Glücklicherweise lässt Gerhard den potentiellen Kandidaten ja noch ein wenig Bedenkzeit.

Dazu passen ein guter Rotwein, ich würde einen Primitivo bevorzugen, und The Pioneers.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen 2024, c/o Bildschriftenverlag Hannover (bsv)

Greg/Paape – Johnny Congo

Gesamtausgabe

Text: Greg

Zeichnungen: Eddy Paape

Originaltitel: Johnny Congo – La rivière écarlate & La flèche des ténèbres

All Verlag

Hardcover | 96 Seiten | Farbe | 24,80 € |

ISBN: 978-3-96804-261-9

Cover Johnny Congo GA

Mitte des letzten Jahrhunderts waren Abenteuer-Comics noch ganz anders denkbar als heutzutage. Es gab auf dieser Welt noch so viele unbekannte Gegenden, dass Autoren und Zeichner ihrer Fantasie fast keine Zügel anlegen mussten. Heutzutage dagegen ist überall selbst für den scheinbar entlegensten Winkel eine Dokumentation abrufbar. Auch die in Afrika spielenden Geschichten um Johnny Congo basieren auf dieser Unkenntnis und können somit exotisches Flair und Überspitzung wissenschaftlicher Leistungen vereinen.

Spannung pur

Der Held, Johnny Congo, ist ein Haudegen, der sich im Dschungel ebenso gut schlägt wie in einer Spielhölle. Natürlich hat er sein Herz am rechten Fleck und ist freundlich sowohl gegenüber den ursprünglich dort lebenden Bewohner*innen als auch den „guten“ Kolonialherren. Warlords, Schmuggler und Wilderer haben dagegen seine Fäuste und Waffen zu fürchten. Ihm zur Seite steht der notwendige Begleiter, der in diesem Fall Scotch heißt.

Johnny Congo GA page 3

Dieses eher austauschbare Setting erhält seine spezielle Note durch ein paar Science-Fiction Elemente, die die damals bekannte Wissenschaft nur ein wenig überholen und somit durchaus glaubwürdig erscheinen. Band 1, Der scharlachrote Fluss, beginnt damit, dass inmitten eines Unwetters ein Massaker von Wilderern an Elefanten entdeckt wird. Leider versuchen nicht nur die Gangster ihre Festnahme zu behindern, alle Beteiligten scheinen sich auch mit einer tödlichen Krankheit infiziert zu haben.

In der zweiten Geschichte, Pfeile aus dem Nichts, werden scheinbar wahllos Ziele der Infrastruktur wie landwirtschaftliche Betriebe oder Schulen aus dem Hinterhalt mit Waffen angegriffen. Bei ihrem Aufprall setzen die Geschosse sehr gefräßige und scheinbar mutierte Insekten frei, die jegliche Vegetation im Umfeld vernichten könnten. Natürlich geht es darum, den Angriff zu stoppen. Dazu sind unerwartete Allianzen notwendig. Greg schreibt gewohnt spannend und „beinahe“ glaubwürdig da niemand wirklich sicher sein kann, dass es diese Situationen nicht geben könnte.

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Fast schon alte Bekannte

Eddy Paape hat in Luc Orient (nach einem Szenario von Greg) bewiesen, dass ihm die Kombination aus fast glaubwürdigen Geschichten auf der Erde und knallharter Action liegt. Tatsächlich sieht sein Held sogar ein wenig aus wie Luc und auch sein im Laufe der Geschichte auftauchender, zusätzlicher weiblicher Sidekick könnte aus diesem Setting stammen. Es handelt sich aber keineswegs um ein Plagiat!

ExLibris Johnny Congo GA VZA

Der Urwald sieht sowohl bedrohlich genug aus, um einen Schauer zu erzeugen und Gedanken darum kreisen zu lassen, was wohl hinter diesen Blättern verborgen ist. Gleichzeitig weckt er aber auch die Sehnsucht der jugendlichen Zielgruppe, selber dort Abenteuer erleben zu können. Well done, würde ich sagen!

Ein weiteres Kleinod

Ansgar Lüttgenau hat ein Händchen dafür, Sachen auszugraben, die im Koralle-ZACK hätten veröffentlicht werden können. Auch diese beiden Geschichten mit Johnny Congo hätten es verdientgehabt. Nun werden sie aber wenigstens im großen Format und in einer stabilen Hardcover-Ausgabe veröffentlicht. Fans von Greg als auch von Eddy Paape können hier fast bedenkenlos zuschlagen, das Ergebnis entspricht genau den Erwartungen!

Cover Johnny Congo GA VZA

Für Fans und Sammler*innen gibt es eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und ExLibris.

Dazu passen Snarky Puppy, etwa mit „Keep it on your mind“, und ein Black IPA.  

© der Abbildungen 2024 by Greg & Foundation Eddy Paape / 2024 All Verlag

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