Interview mit Pippo von Schreiber & Leser

Eindrücke aus dem Verlagsalltag, Corona und Ausblick auf 2021

Der Verlag Schreiber & Leser aus Hamburg ist mit mehreren Titeln unter den meistgelesenen Beiträgen vertreten und hat sich auch in der Jahresbestenliste 2020 prominent platzieren können. Es wurde daher dringend Zeit, den Verlag ein wenig genauer vorzustellen und wie könnte das besser geschehen als jemand aus dem Verlag selbst zu befragen. Pippo ist derjenige, der dafür sorgt, dass alles läuft und hat comix-online gut gelaunt Rede und Antwort gestanden. Aber lest selbst:

c-o: Hallo Pippo, könntest du dich / ihr euch und den Verlag Schreiber & Leser für die Leser*innen von comix-online kurz vorstellen?

Gerne. Ich sage ja immer, dass Schreiber und Leser nicht unangefochten der älteste deutschsprachige Verlag sein mag, der speziell Grafische Literatur für Erwachsene Leser*innen herausbringt, denn etwa der einstige Feest Verlag und das ebenfalls nicht mehr existierende Carlsen-Verlagslabel Edition ComicArt entstanden ungefähr gleichzeitig direkt Anfang der 1980er, aber S&L ist in diesem Programmbereich definitiv der langlebigste Verlag. Der erste Splitter Verlag, Salleck Publications oder der Reprodukt Verlag starteten schließlich erst um 1990 herum, der Dino Verlag, der die ersten dezidiert erwachsenen US-Comics im großen Stil rüberbrachte, sogar noch etwas später, und mit den Manga ging es ja erst kurz vor der Jahrtausendwende richtig los in Deutschland. Man möge mich hier aber gerne auch in allen Punkten oder teilweise korrigieren

Das jedenfalls steht aber fest: Seit den Anfängen konzentrierte man sich bei S&L, namentlich die heutige Senior-Verlegerin und Max-und-Moritz-Preisträgerin Rossi Schreiber, auf europäische Comic-Lizenzen. Bis heute auch ist man dem italienischen (u.a. Manara, Serpieri, Hugo Pratt) und besonders dem frankobelgischen Comic treu geblieben, auch wenn das Programm mit der Zeit um US-Indie-Comics von Künstlern wie etwa Terry Moore sowie um die frühen Manga von Jiro Taniguchi erweitert wurde. Superhelden- und High-Fantasy-Geschichten liegen (aktuell) nicht im Fokus, aber darüber hinaus kennt das S&L-Programm keinerlei Einschränkungen: Uns ist nur wichtig, dass die Geschichten spannend und zeitgemäß bzw. bestens gealtert sind. S&L geht also, natürlich im krassen Gegensatz zu allen anderen Comic-Verlagen auf der Welt, ganz nach dem Motto vor: Qualität statt Masse. Das zeigt sich auch schon darin, dass wir im Monat nur sehr selten mehr als 2-3 Titel veröffentlichen.

Comics für Erwachsene

c-o: Ihr macht Comics für Erwachsene, definiert das aber anders als andere Verlage. Gibt es ein Bindeglied zwischen Serien wie Druuna oder Venus H. auf der einen und den Geheimnisvollen Städten oder Lincoln auf der anderen Seite?

Definieren die anderen Verlage das anders? Nach meinem Verständnis gibt es im Bereich der Grafischen Literatur (und wahrscheinlich der Unterhaltungsliteratur insgesamt) nur Geschichten, die sich im Spektrum zwischen All-Age-tauglich und nicht All-Age-tauglich bewegen, und wir sind mit unseren Titeln eher nicht so All-Age aufgestellt: mal aufgrund der expliziten Darstellungen von Erotik oder Verbrechen, mal aufgrund der verhandelten Inhalte, die eine gewisse Lebenserfahrung voraussetzen, um alle Nuancen zu verstehen, mal aufgrund ironischer oder anderer literarischer Verweise, die ein jüngeres Lesepublikum sehr wahrscheinlich noch gar nicht herausfiltern und erkennen kann. Da es aber zum Glück noch nie an Verlagen mangelte, die ganz bewusst All-Age-taugliche grafische Literatur herausbringen (der uralte Spruch, Comics seien nur für Kinder, kommt ja nicht von ungefähr), sehen wir da auch keine Dringlichkeit, unsere Expertise und unser nun schon viele Jahre gepflegtes Profil im Bereich der Erwachsenenliteratur komplett infrage zu stellen.

Corona

c-o: Das Jahr 2020 war geprägt von der Pandemie und Verschwörungstheorien und somit ganz anders als erwartet. Was ist bei euch anders gelaufen als geplant?

Als klar wurde, dass jetzt Stichworte wie „Lockdowns“ und „Veranstaltungsabsage“ zum Alltag gehören, haben wir erst einmal alles pausiert, was nicht zwingend zum Kerngeschäft gehört – eine Reaktion, die sicher auch bei vielen anderen Kolleg*innen zutreffen wird, denke ich. In den letzten Monaten war dann auch viel Kommunikation wichtig. Glücklicherweise durften wir aber rasch feststellen, dass wir unserer Philosophie treu bleiben können, keinen Trends zu folgen, sondern einfach auf gute, zeitlose Geschichten zu setzen. Es zeigte sich der große Wert unserer über Jahrzehnte gepflegten und gewachsenen Stammleserschaft, denn die Verkäufe blieben über das ganze Jahr 2020 stabil. Soweit ich das überblicke, teilen wir diese Erfahrung aber mit den meisten Comic-Verlagen, die ein klares Profil verfolgen und ebenso engagiert sind.

Publikumsverlage, die ein ganz breite Leserschaft ansprechen, hatten es da definitiv schwerer, da diese die Leser*innen teilweise gar nicht kennen und erst suchen und abholen müssen – wenn Geschäfte zu sind, niemand die Werbemittel mitnimmt, niemand das Marketing in den Schaufenstern sieht, haben diese Verlage natürlich ein massives Problem. Es hat sich in dieser Krise daher für uns noch mal in aller Deutlichkeit gezeigt, dass es durchaus seine Vorteile hat, als kleine Nussschale durch den großen Buchhandelsozean zu segeln statt als großer Verlagstanker, der ständig irgendwelche Bestseller- und Schnelldreherlizenzen durchboxen muss, um den ganzen Apparat am Laufen zu halten.

Aber das soll jetzt nicht respektlos klingen, denn Hut ab vor den Kolleg*innen, die in den Großverlagen arbeiten und mit Abstand größere geschäftliche Risiken eingehen als wir – aber solche Spekulationsakrobatik ist aber einfach nicht das Ding von S&L, auch wenn das heißt, das wir so definitiv nie Millionäre werden, wie die Kontoauszüge auch leider immer wieder beweisen

Ausblick auf 2021 – das Verlagsprogramm

c-o: Könnt ihr schon einen Ausblick auf das kommende Jahr werfen? Gesamtausgaben wie die Western von Serpieri und Corto Maltese sind (erstmal) abgeschlossen, was kommt jetzt? Worauf freut ihr euch am meisten?

Richtig, die zwei Serien der italienischen Comic-Legenden Hugo Pratt und Serpieri liegen jetzt abgeschlossen vor – mit den beiden sind wir aber noch lange nicht fertig! Von Serpieri etwa folgt im Sommer bereits der Auftaktband einer bibliophil aufgemachten Artbook-Reihe, u.a. mit Halbleinenumschlag und einem Sonderdruck in der kompletten Erstauflage. Der erste Band dieser Reihe mit dem Titel „West“ nimmt die Western Serpieris in den Blick, und was danach folgt, dürfte klar sein: mindestens ein Artbook von Druuna! Auch von Hugo Pratt gibt es noch ein paar Schätze zu heben, zuerst aber werden seine „Wüstensskorpione“ fortgesetzt, ebenfalls in der mittlerweile etablierten doppelten Ausführung, also einmal als Farbausgabe und dann als Klassiker-Ausgabe in Schwarz-Weiß: Der 2. Band ist für Mai 2021 geplant. Und wir hoffen natürlich, dass die beiden spanischen Erben von Pratt, der Zeichner Rubén Pellejero und der Szenarist Juan Díaz Canales, mindestens noch eine Fortsetzung von Corto Maltese abliefern.

Hier geht es zum Katalog

Es ist eigentlich immer unmöglich, das eigene Programm objektiv zu hierarchisieren. Wenn man etwas herausbringt, dann, weil man davon überzeugt ist, sonst würde man es nicht tun, vor allem nicht als Kleinstverlag. Aber so ganz persönlich gesprochen und wenn man mich zwingen würde, zumindest einen Titel hervorzuheben, dann würde meine Wahl aktuell fallen auf: Winczlav – 1. Vanko 1848! Das mag mit Blick auf die ganzen anderen Highlights im Programm 2021 vielleicht etwas überraschen, aber ich finde es einfach genial, dass die legendäre Largo-Winch-Serie jetzt ein Spin-off bekommt, das zumal die Vorgeschichte erzählt, dazu noch vom legendären Berthet gezeichnet, dessen Zeichen- und Erzählstil mich schon immer beeindruckt hat, und dann ist da noch das Comeback von Jean van Hamme. Wäre das nicht echt, man könnte es sich nicht ausdenken! Doch wer weiß, vielleicht wird dieser Ausflug den einen oder anderen Largo-Winch-Puristen auch total enttäuschen, ich aber freue mich schon enorm auf die deutsche Ausgabe und die Reaktionen der Leser*innen und bin da ganz optimistisch, dass das Dreamteam Berthet/van Hamme eine meisterliche Leistung abliefert.

Tops’n‘Flops

c-o: Für die Statistiker*innen unter uns: Welche Titel waren in 2020 Top? Und welcher Titel hat euch am meisten positiv oder negativ überrascht?

Wie erwähnt, verlief 2020 sehr stabil für uns, auch, weil wir von Experimenten oder irgendwelchen Panikreaktionen abgesehen haben, obwohl Letzteres sehr unserem Naturell entspricht hier in Hamburg. Weil aber alles so lief, wie noch vor Corona-Zeiten ausgemalt, muss man angesichts der schwierigen Umstände bei den klassischen Verkaufsstellen sagen, dass die Titel anscheinend sogar so stark waren, dass die Leser*innen mindestens einen Schritt mehr gegangen sind, um ranzukommen. Das beeindruckt uns aktuell nach wie vor und dafür sind wir allen Leser*innen da draußen sehr dankbar!

Um aber einmal zu den Zahlen zu kommen: Wie in den Vorjahren liegt die Durchschnittsauflage einer Publikation bei S&L mindestens im niedrigen 4-stelligen Bereich – einzige Ausnahme nach unten in den letzten Jahren nur die Klassik-Edition von Corto Maltese. Neben Neuauflagen von Corto Maltese, Largo Winch, Taniguchi-Manga und Bänden der Serpieri-Collection hat uns besonders die rasche 2. Auflage von „The End“ von Zep gefreut. Aktuell erscheint auch die 2. Auflage von „Shooting Ramirez“. Und wenn es so weiter geht, steuern auch „Mechanica Caelestium“, „Im selben Boot“ und der 1. Band von „Omaha the Cat Dancer“ auf eine 2. Auflage zu.

c-o: Vielen Dank! Möchtet ihr zum Schluss noch etwas mitgeben?

Im Internet steht meistens eigentlich nur Quatsch, glaubt also nicht alles, was ihr da findet!

© der Abbildungen 2021 Schreiber und Leser sowie die entsprechenden Lizenzgeber und Künstler*innen

Mora/Giménez – Dani Futuro 2

Wenn das Monster angreift

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-022-6

Wie bereits zu Band 1 erwähnt ist der spanische Science-Fiction Klassiker Dani Futuro zurück auf dem deutschen Markt. Der All Verlag präsentiert erstmals alle Geschichten in acht einzelnen Hardcover, ergänzt mit weiteren Illustrationen und Interviews.

Die Geschichten in Band 2

Die titelgebende Geschichte Wenn das Monster angreift eröffnet den Reigen. Sie ist etwas besonderes denn nur zwei der Stories stammen nicht aus der Feder von Victor Mora und dieses ist eine davon: Luis Vigil Garcia war integraler Bestandteil der spanischen Science-Fiction Gemeinde und durfte sich auch an Dani beteiligen. Aufgrund einer notwendigen Reparatur nimmt die Galaktos eine Umlaufbahn um einen Asteroiden ein. Dani und iris erkunden den Himmelskörper und müssen feststellen, dass seine kleinen Bewohner*innen von einem Monster terrorisiert werden. Schnell finden sie heraus, dass es sich scheinbar um einen fehlfunktionierenden Kampfcyborg handelt.

Auch die totgeweihte Stadt ist ein wenig zukunftskritisch. Eine ehedem sehr florierende und wohlhabende Welt ist aufgrund wieder aufgebrochener vulkanischer Aktivität dem Untergang geweiht. Wie wir es auch heutzutage erleben dürfen gibt es immer irgendwelche Spinner die Veränderungen, seien sie noch so lebensnotwendig, als Eingriff in ihre „Rechte“ sehen und sich dagegen wehren.

Als wäre das noch nicht genug, stürzen Dani und Iris auf dem Planet der Vergangenheit ab. Es handelt sich um eine mittelalterliche Welt ohne Technik und der eine oder die andere mag sich das alte Star Trek-Wissen hervorholen: Einmischung in solche Zivilisationen führt immer zu kritischen Situationen.

Dazu gibt es wieder viele Titelbilder aber auch Hintergrundinformationen von Dr. Anselm Blocher, der auch Hinweise auf versteckte Referenzen gibt.

Das Artwork

Es gibt wahrscheinlich grundsätzlich zwei Reaktionen auf die Zeichnungen von Carlos Giménez: Ein kleiner Teil wird sagen, dass diese bunte, mit formen und Farben spielende und Regeln missachtende Kunst des Guten zu viel sei. Die (hoffentlich) größere Gruppe wird sich daran erfreuen und vor jedem Umblättern überlegen, was jetzt wohl kommen mag.

Trotz aller pessimistischen Zwischentöne sind die Zeichnungen optimistisch, Mut machend und Freude verbreitend! Der All Verlag hat sich mit der Kolorierung Mühe gegeben und viele Seiten liebevoll restauriert und das Resultat beweist, dass es sich gelohnt hat! Natürlich atmen diese Zeichnungen Zeitgeist, allerdings den gleichen, den auch etwa Valerian und Veronique anfangs verströmt haben und das ist ja nicht verkehrt. Während Raumschiffe heute sehr technisch aussehen müssen und ihre Funktion visualisieren, war damals viel mehr Flexibilität möglich.

Ein Cyborg kann daher gefährlich wirken und die Zähne fletschen, um gleich auf der nächsten Seite fast zu einem Blumenkind zu mutieren. Giménez bringt genau diese Wandlungsfähigkeit zum Ausdruck und nutzt Farben, Umgebung und Geschwindigkeit der Sequenzen, um Stimmungen zu transportieren.

Fazit

Muss man das haben? Ja, irgendwie schon! Als Science-Fiction-Fan sowieso, denn diese klassische Serie vermittelt ein Feeling, dass es heute so nicht mehr gibt. Wer spanische Comics mag wird auch zuschlagen wollen. Eine Graphic novel mit einer tiefschürfenden Auseinandersetzung mit der damaligen politischen Situation wäre undenkbar gewesen aber es finden sich auch hier sehr versteckte Andeutungen. Zudem atmet diese Serie den Geist des Übergangs aus den 60-ern in die 70-er. Es gibt keine Grenzenlose Zukunftsgläubigkeit mehr. Viele Ideen und Hoffnungen haben sich buchstäblich in Rauch aufgelöst und das Erwachen aus dem Rausch war manchmal schmerzhaft.

Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entstehet: Dani Futuro ist keineswegs pessimistisch, aber die Serie ermöglicht zwischen den Bildern einen kleinen Blick auf die Frage, ob das alles so richtig ist, was passiert.

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Natürlich ist selbst die normale Ausgabe wieder als Hardcover ausgeführt und handwerklich gut gemacht. Dazu gibt es wie immer eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Ex Libris.

Begleitend ein Maracuja-basierter Ipanema und guter alter Merseybeat von  Gerry and the Pacemakers (R.I.P.).

© der Abbildungen 1970 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

Van Hamme-Alcante-Vallès – Serienkompass Rani

Jolanne de Valcourt – Geächtet, verfolgt und unbeugsam

Texter: Jean Van Hamme, Alcante

Zeichner: Francis Vallès

Reihentitel: Rani

Verlag Deutschland: Blattgold (ZACK)

Verlag Original und Niederlande: Le Lombard

Aktuell 8 Bände von 2009 bis heute

Veröffentlichungsstatus in Deutschland: Band 5 ab September 2024 im ZACK

Cover ZACK 260
Cover Rani 2 als Magazincover

Die Serie

Rani sollte eigentlich eine Fernsehserie werden, konnte jedoch aufgrund von Umstrukturierungen im französischen Fernsehen nicht realisiert werden. Nun ist der Autor Jean Van Hamme ja aber kein Unbekannter im Comic-Business und so wurde das Skript von Alcante (d.i. Didier Swysen) umgeschrieben, der erste Band erschien 2009. Die TV-Serie konnte 2010 doch noch gedreht werden und erschien 2011, kurz nach der Veröffentlichung des zweiten Comics. Mittlerweile liegen acht Comic-Bände im französischen Original und in niederländischer Sprache bei Lombard vor.

Der Titel der Reihe ist eine Referenz auf eine in der Zukunft liegende Episode. Näheres dazu nur für die, die es genauer wissen wollen, unter dem Abschnitt Spoiler.

Detail Rani 2
aus Rani 2

Als Zeichner konnte der Franzose Francis Vallès gewonnen werden, der mit Jean Van Hamme bereits an einem anderen TV/Comic-Hybrid zusammengearbeitet hatte: Hopfen und Malz. Das Paket aus dem aktuell wohl erfolgreichsten europäischen Szenaristen und einem geübten Zeichner versprach von Anfang an gute Unterhaltung und akribische Recherchen. Wenn auch die Verfilmung nach der ersten Staffel keine Fortsetzung erfuhr, die Comics erscheinen noch immer, haben die TV-Serie aber mittlerweile eingeholt:

BandOriginalNiederländische AusgabeDeutsche Ausgabe
1Bâtarde (2009)BastaardZACK 248251
2Brigande (2011)BandietZACK 260263
3Esclave (2012)SlavinZACK 273276
4Maîtresse (2013)Meesteres ZACK 289 292
5Sauvage (2015)Wilde ZACK 303
6Condamnée (2017)Veroordeelde 
7Reine (2019)Koningin 
8Marquise (2020)Markiezin 
Cover ZACK 248
Cover Rani 1 als Magazincover

Eigentlich ist es unverständlich, dass eine Serie von Van Hamme nicht schon längst in Deutschland erschienen ist, verkaufen sich diese doch auch hierzulande nicht ganz schlecht. Tatsächlich hat sich aber noch niemand an Rani gewagt gehabt und so waren es Georg F. W. Tempel und das ZACK, die 2020 die Chance ergriffen haben.

Die Story

Wir schreiben das Jahr 1743. Die Geschichte beginnt im französischen Zentralmassiv. Die junge Jolanne de Valcourt ist die uneheliche Tochter des alten Marquis Charles de Valcourt, der sie als Tochter anerkennen wollte. Er wird allerdings von ihrem Halbbruder Philippe de Valcourt aus Habgier ermordet. Um seine Rivalin loszuwerden versucht Philippe, Jolanne an einen alten Lüstling zu verkaufen. Dieser infame Versuch wird begleitet von einem Akt des Landesverrats. Natürlich scheitert sowohl das eine wie auch das andere. Das hilft der jungen Heldin allerdings keineswegs denn sie wird zum Sündenbock auserkoren und muss ihr Zuhause fluchtartig verlassen.

Detail Rani 1
aus Rani 1

Hier tritt nun das erste Mal ein Motiv auf, dass die Serie begleiten wird: die junge Frau ist in der Lage, sich aus einer fast ausweglosen Situation zu befreien und kann fliehen. Die Flucht ist aber selten von Dauer und führt zu einer erneuten Festnahme oder einer vergleichbaren Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Natürlich ist das dem TV-Serien-Konzept geschuldet, das noch viel mehr auf Cliffhangern basiert. Dementsprechend endet der erste und beginnt der zweite Band mit unserer Heldin in einem Gefangenentransport.

Ein weiteres, immer wiederkehrendes Motiv der Geschichte ist der Wunsch auf Rehabilitation. Immer wieder versucht Jolanne, Beweise für den Verrat ihres Halbbruders und des ich unterstützenden Polizisten Laroche zu finden und damit ihre Unschuld beweisen zu können. Doch selbst wenn einzelne Puzzlestücke in ihren Besitz gelangen müssen die äußeren Umstände eine Geltendmachung unterstützen.

Detail Rani 1
aus Rani 1

Der klassische Gegensatz von Gut gegen Böse wird hier in einer Melange aus Mantel-und-Degen, Romantik, ferne Welten und Kulturen (Indien) und David gegen Goliath zelebriert. Das garantiert Spannung und Abwechslung!

Spoiler – bitte ggf. überspringen und bei DIE ZEICHNUNGEN weitermachen

Jolanne entkommt Laroche während des Transportes, trifft zunächst erneut auf den Engländer Craig Walker und wird dann Mitglied einer Bande von Gesetzlosen unter der Führung von Gabriel. Aufgrund eines Verrates aus Liebe wird sie erneut verhaftet. Sie schafft es, der Hinrichtung zu entkommen, indem sie sich unter der Identität einer anderen Gefangenen versteckt, wird allerdings nach Französisch-Indien deportiert.

Cover ZACK 275
ZACK-Cover zu Rani 3

Dort angekommen wird sie als Animierdame an die Besitzerin eines Bordells verkauft, hat aber einen sehr speziellen Kunden und ist daher privilegiert. Aufgrund dieser besonderen Ausgangslage schafft sie es, die Leitung zu übernehmen und für „ihre“ Mädchen bessere Verhältnisse zu schaffen. Mittlerweile haben aber auch Philippe und Laroche den Weg nach Indien gefunden und auch Gabriel ist als Galeerensklave dort eingetroffen. Seine Befreiung gelingt zwar, Jolanne muss deswegen aber ihre Stellung aufgeben.

Rettung naht in Form einer Heirat: Sie wird die (Maha)Rani, die Königin eines indischen Reiches und muss feststellen, dass das Land nicht nur an indischen Traditionen festhält, die den europäischen widersprechen, sondern auch zwischen die Fronten Englands und Frankreichs gerät. Erneut stehen Philippe und Craig auf unterschiedlichen Seiten und erneut wird ein Verrat begangen.

Cover ZACK 303
Cover ZACK 303 (Teil 5)

Erneut steht die Heldin vor den Trümmern ihrer Existenz und findet sich auf einem Schiff nach Europa wieder. Wird sich hier tatsächlich die drohende Hinrichtung noch einmal abwenden lassen?

Die Zeichnungen

Francis Vallès liefert grandiose Bilder ab: Landschaften und Innendekors gelingen ihm genauso gut wie die Figuren. Die Gewänder der Personen sitzen und fallen den Bewegungen entsprechend, selbst die Reitszenen sehen „richtig“ aus und die Gesichter haben Ausdruck. Wie oft denkt man beim Lesen eines Comics, dass der Zeichner die Gesichter irgendwie nur skizziert habe. Das ist bei Vallès anders! Auch der Seitenaufbau ist flexibel. Natürlich nicht wie bei einem amerikanischen Image-Titel, die Panels bleiben rechteckig, variieren aber in Breite und Höhe.

Detail Rani 2
aus Rani 2

In der nun startenden zweiten Folge wird die Heldin häufiger unbekleidet zu sehen sein. Die mittellose junge Frau „ohne Herkunft“ ist einerseits immer wieder herrschsüchtigen, machtgierigen Männern ausgeliefert, die in Frauen ohnehin nur eine Ware sehen. Andererseits spielt sie aber auch immer wieder damit, dass Männer unvorsichtig werden, wenn sie glauben, dass eine Frau ihnen scheinbar freudig zu Diensten ist. So schafft sie es wenigstens teilweise, ihre Opferrolle taktisch zu wenden. Daneben gibt es aber auch eine romantische Substory, die sich über alle Bände streckt. Insofern haben alle diese Darstellungen ihre nicht voyeuristische Begründung.

Während die ersten beiden Bände in einem europäischen setting angelegt sind und die grandiosen Landschaften insofern wiedererkennbar sind werden die weiteren im Fernen Osten, in Indien spielen. Vallès schafft es aber, diese Umgebungen genauso selbstverständlich wirken zu lassen.

Die Einordnung

Die deutschen ZACK-Leser*innen können sich die nächsten Jahre auf eine tolle Serie freuen! In den Niederlanden ist das in gewisser Weise schon Vergangenheit: Die Serie liegt komplett als Softcover vor. Rani ist sicherlich nicht das beste aller Szenarien von van Hamme; die ursprüngliche Konzeption als TV-Spektakel erforderte es scheinbar manchmal, eine gewisse Unlogik einzubauen. Aber das ist schließlich bei den Drei Musketieren oder Zorro auch nicht anders und stört daher nicht wirklich.

Detail Rani 2
aus Rani 2

Die Sparte Mantel-und-Degen hat nicht viele Heldinnen und schon das ist ein Argument für diese Serie. Rani ist kurzweilig, gut gezeichnet und durch das ständige Wechseln der Handlungsorte auch sehr abwechslungsreich im Dekor. Kurzum: Selbst als Albumreihe eine Empfehlung wert, als Bestandteil des ZACK durchaus eine Begründung, kein Heft zu verpassen!

Was passt zum Lesen einer in Fortsetzungen abgedruckten Geschichte? Es gibt immer mal wieder kleine Flaschen in Probiergröße, die als Set angeboten werden. Vielleicht steht ja ein solches mit Rotweinen bei euch eh auf der Liste – hier wäre eine perfekte Einsatzmöglichkeit! Dazu braucht es Musik von einer Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und immer wieder aufsteht. Amy Winehouse passt wegen ihres zu frühen Endes dann doch nicht, aber Björk!

© der Abbildungen 2009 – 2020 Èditions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) by Van Hamme, Alcante, Vallès / 2020 – 2024 Blattgold Verlag

Kleine Detektive Gesamtausgabe

Die Abrafaxe auf heißer Spur

Story: Hubertus Rufledt
Zeichnungen: Thorsten Kiecker, Andreas Pasda

Mosaik – Steinchen für Steinchen Verlag

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 19,95 € |

ISBN: 978-3-86462-245-8

Abrax, Brabax und Califax erleben Monat für Monat ihre Zeitreiseabenteuer im mosaik und begeistern damit Zehntausende von Leser*innen. Aktuell sind sie gerade in der Südsee während des ausgehenden 19. Jahrhunderts unterwegs. Wie es sich für richtige Comic-Helden gehört tauchen sie natürlich auch in Alben auf. Immer wieder gibt es Einzeltitel zu bestimmten Themen und Sammelbände. Eine Mischung aus beidem sind die Kleinen Detektive – die Abrafaxe auf heißer Spur.

Kriminalfälle für Kleine Detektive

Die gerade erschienene Gesamtausgabe enthält alle 15 Kurzgeschichten der Abrafaxe im viktorianischen England für den Berliner Kurier. Von 1996 – 97 war jeweils eine Seite in der Samstags- und der Sonntagsausgabe erschienen und hatte die Leser*innen der Berliner Lokalzeitung nicht nur mit detektivischen Abenteuern der drei Freunde erfreut sondern auch das eine oder andere Quentchen hintergrundwissen transportiert. Kurz darauf hatte es eine erste, allerdings um insgesamt drei Geschichten gekürzte dreibändige Albenausgabe gegeben.

Nun also ein Hardcover, das erstmal alle Stories enthält, eine redaktionelle Einführung, gliedernde Landkarten und ein Exposee sowie Vorzeichnungen. Auf Deutsch: der Band enthält alles, was man von einer Gesamtausgabe erwarten darf! Die Seiten wurden dabei auf das übliche mosaik-Format verkleinert.

Der größte Detektiv der damaligen Zeit ist und bleibt natürlich Sherlock Holmes und sein inspirierender Geist schwebt über allem. Sein Counterpart Inspektor Lestrade gibt sich auch auf diesen Seiten die Ehre, ist aber weiterhin nicht gerade die hellste Leuchte. So hat es der kluge Brabax manchmal sehr leicht, sich in das richtige Licht zu stellen. Manchmal bedarf es aber auch Kraft und Tatendrang, verkörpert durch Abrax oder die gelassene Unwissenheit und Unbedarftheit des dritten im Bunde, Califax. Zusammen sind sie fast unschlagbar.

Die Gesamtausgabe

Zeitungscomics mit einer längeren Storyline haben eine Herausforderung zu bewerkstelligen: Die Leser*innen müssen beim Lesen der Seite noch wissen/erinnern, was bisher geschah, und das vorläufige Ende muss sie dazu bringen, wissen zu wollen, wie es weitergeht. Insofern sind an das Szenario ganz andere Anforderungen zu stellen als bei monatlichen 22 Seiten am Stück oder gar kompletten Alben. Hubertus Rufledt hat das gut genug geschafft, um die Serie über ein ganzes Jahr am Laufen zu halten und dabei so dezent, dass es jetzt in der Gesamtausgabe nicht stört. Hut ab!

Die Geschichten sind in drei Blöcke unterteilt: London, Süd-Ost-Küste und Oldferry. Die kleinen Detektive haben es dabei mit sehr unterschiedlichen Aufgaben zu tun. Manchmal geht es nur um belanglose Alltagsfragen, es mag aber auch sein, dass die Bowling-Brothers oder gar der anarchistische Rabiatoff ihre Finger im Spiel haben.

Layouttechnisch hatten einige der Originalseiten einen schwarzen Hintergrund. Dieser hat es nur in Ausnahmefällen auch in die Buchveröffentlichung geschafft. Ansonsten sind die Zeichnungen aber in der gleichen Art und Qualität wie auch im monatlichen Heft, also absolut Anschauens wert!

Im Anhang finden sich Scribbles und Vorzeichnungen

Lesen? Ja!

Klare Empfehlung für alle nicht-Berliner*innen (und solche, die die alten Originale nicht mehr im Schrank stehen haben): kurzweilige Lektüre mit den Kleinen Kerlen, die alle Eigenarten in einem Krimi-Setting ausspielen dürfen. Wer etwa Pfarrer Braun mag oder ZDF-Krimiserien wird sich hier wohl fühlen!

Dazu passen wahlweise ein englischer Tee oder ein gekühltes Ale und Madness!

© der Abbildungen 2020 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Mette – politisch korrekte Cartoons

… für links-grün versiffte Gutmenschen

Autor: Til Mette

Zeichner: Til Mette

Lappan Verlag
Hardcover Querformat | 124 Seiten | Farbe | 16,00 €
ISBN: 978-3-8303-3600-6

Til Mette ist einer der bekanntesten deutschen Cartoonisten und veröffentlicht seit über 25 Jahren ausschließlich im stern. Das allein ist schon außergewöhnlich, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Künstler lange Jahre gar nicht in Deutschland gelebt hat.

Keine falsche Rücksicht

Seine Cartoons sind immer auch politisch, Til Mette war nicht umsonst Mitbegründer der taz Bremen. Er verortet sich auch immer noch in der Linken. Das hindert ihn allerdings nicht daran, den Finger in die Wunden eben dieser politischen Grundorientierung zu legen und den links-grün versifften Gutmenschen vorzuführen. Dabei spielt er gerne mit Klischees und entlarvt die Überkorrekten, die dann doch das eine oder andere „anti“ vergessen haben. Sexismus und Rassismus sind im Alltag (leider) tief verwurzelt und kommen immer wieder zum Vorschein.

© Til Mette, Lappan Verlag

Aber er hält nicht nur seiner eigenen Gruppe den Spiegel vor, er weist natürlich auch satirisch, manchmal gar zynisch auf gesellschaftliche Probleme hin wenn etwa der Bauer ein fröhliches Lied über den Bienenmord trällert oder der Junge ob der bewaffneten Polizisten vor der Synagoge seinen Vater fragt, was die Juden denn getan hätten. Bei solchen Bildern bleibt einem das Lachen schon ein wenig im Hals stecken!

Rückzug ins Private – nicht nur Corona

Genau das ist aber auch der Kern von Mettes Cartoons. Verpackt in eine liebevolle Darstellung kommt die Keule unvermutet und trifft oft genau. Die Bilder sind dabei oft auch zeitlos genug, um sie später noch einmal anzuschauen. Vielleicht werden einige sogar in ein paar Jahren wehmütig betrachtet werden, denn es gibt natürlich auch hier das Thema Corona. Die Altenpflegerin wird dann schon wieder keine Heldin mehr sein aber der Rest wird verständlich bleiben.

© Til Mette, Lappan Verlag

Das Private ist aber nicht nur pandemiebedingtes Thema; auch die Klimakrise, die Selbst-Optimierung und verschiedene andere Trends lassen den Menschen wieder in seiner Wohnung agieren. Ob das immer so wünschenswert (für alle) ist, sei allerdings dahingestellt!

Die Kunst all diese Geschichten in nur einem Bild zu erzählen ist nicht jede*r gegeben; Til Mette ist einer der Großen in diesem Bereich. Bekanntlich hilft in der Kunst das Können alleine nicht und so ist es sicherlich hilfreich, dass Mette von dem Renommee und der Verbreitung des stern zehren kann. Viele, die heutzutage über social media anfangen, müssen sich nicht verstecken, haben aber trotzdem keine vergleichbare Verbreitung. Trotzdem sei dieser Band allen ans Herz gelegt, die sich ihren uneingestandenen Vorurteilen stellen möchten! Wer (wieder) über sich selbst lachen und trotzdem die wichtigen Themen dieser Welt nicht aus den Augen lassen möchte, ist hier 100 % richtig aufgehoben!

Kauf Tipp!

Die Darbietung mit einem Cartoon pro mit 20 x 22 cm großzügiger Seite lädt ein, fokussiert zu verweilen und trägt daher wesentlich zum Genuss bei! Die meisten Cartoons sind schwarz-weiß, wie man sie als Leser*in des Magazins auch kennt. Einige sind aber auch farbig angelegt und wirken noch einmal anders. Insgesamt eine echte Empfehlung in dem Sektor, der auf comix-online leider etwas zu kurz kommt!

© Til Mette, Lappan Verlag

Dazu passen würden dann ein Glas Rotwein, selbstverständlich vegan und bio aus einer Kooperative und klimaneutral per Fahrradkurier geliefert, und dazu die Sleaford Mods!

© der Abbildungen 2021 Lappan Verlag in der Carlsen Verlag Gmbh, Oldenburg/Hamburg / Til Mette

ZACK 259

ZACK 259 (Januar 2021)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen und Georg F. W. Tempel hat bereits einiges von dem mitgeteilt, was das gerade zum Comic-Magazin des Jahres gewählte ZACK in diesem Jahr bringen wird. Die erste Neuerung ist in der Nummer 259 erstmals zu begutachten: Das modernisierte Layout! Für die älteren unter uns eine etwas größere Schrift und ein aufgelockertes, gleichzeitig aber informativeres Seitenlayout. Eure Meinung dazu gerne als Kommentar!

Die Neustarts

Das Januarheft startet gleich mit einer neuen Serie: Das Mädchen von der Weltausstellung kombiniert verschiedene Elemente: Einerseits nimmt sie die sieben Weltausstellungen (und zwei Kolonialausstellungen), die in Paris stattgefunden haben, zum Anlass, eine Geschichte über eine sehr lange Zeit zu erzählen. Die Heldin Julie ist in dem ersten Band, der 1855 spielt, noch ein junges Mädchen, wird im letzten Teil aber bereits 93 Jahre alt sein. Jack Manini, der im ZACK bereits mit einigen Serien vertreten war, verbindet klassische Krimi-Aspekte mit seiner leichten Gesellschaftskritik und seiner Lust am Fabulieren und Willem Étienne darf seiner Leidenschaft frönen, Erfindungen darzustellen.

Étienne ist in Deutschland bisher nicht so bekannt, hat mit Ein Affe am Himmel aber bereits überzeugen können. Hier darf er weder Tierfiguren zeichnen noch echten Steampunk abliefern. Die Geschichte bietet aber genug Raum für große und kleine Bilder, liebevoll entworfene Personen und vor allem wechselnde Dekors!

Außerdem startet mit den Macaronis eine weitere Zusammenarbeit mit dem holländischen StripGlossy. In den 70er Jahren erschienen die Abenteuer von Dick Matena und Dino Attanasio über eine Fußballmannschaft im Mafia-Umfeld auch auf Deutsch, dann war es lange still. Nun hat Dick Matena sie wieder reaktiviert. Die erste vierseitige Folge dürfte einige Bundesligaklubs zum Nachdenken anregen. Mehr zu den Originalserien und ihren modernen Inkarnationen in StripGlossy 13.

Die Fortsetzung

Giant geht natürlich in die nächste Runde. Der gutmütige riesenhafte Ire hat erfahren, dass die Frau seines Kollegen sich mit ihren Kindern nach New York aufgemacht hat um zu ihrem Mann zu ziehen. Als sie in seiner Wohnung steht, müsste er ihr eigentlich mitteilen, dass er bereits vor Monaten gestorben ist. Doch wird er ihr tatsächlich die Wahrheit sagen? In eine spannende Story verpackte Sozialkritik und Beschreibung der Verhältnisse vor rund 100 Jahren in New York von Mikaël mit grandiosen Bildern! Eine der besten aktuellen Graphic Novels!

Die Abschiede

Gleich drei Serien enden in diesem Heft (vorerst).

Tanguy & Laverdure haben in der von Buendia und Zumbiehl verfassten Doppelepisode um das Wüstenschwert den Auftrag in der Region von Dahman und Nijaq im Nahen Osten für Stabilität zu sorgen. Die Situation ist aber eskaliert und es läuft ein offener Angriff. Während Tanguy versucht, aus der Luft einzugreifen, befindet sich Laverdure mitten in der umkämpften Hauptstadt.  Dramatische Ereignisse, politisch auf der Höhe der Zeit, aber nicht belehrend und zeichnerisch von Philippe sehr gut umgesetzt. Neben all der Action schaffen es die Autoren aber auch, das psychologische Zusammenspiel der beiden Helden zu beleuchten. Gut gemacht!

Auch die Episode um die Milliarde der Emigranten aus der Serie Die Bank endet hier. Boisserie und Guillaume haben nichts weniger vor als die europäische Geschichte aus einem neuen Blickwinkel zu erzählen, dem der Finanz. Im Mittelpunkt stehen zunächst die verfeindeten Geschwister de Saint-Hubert. Während es ihm gelungen ist, das Vermögen der Familie zurück zu erlangen, muss sie sich verkaufen um zu Einfluss zu gelangen. Wer wird die Eisenbahnlinie bauen dürfen? Und dann gibt es da noch einen aus der Sippe, der lange auf seinen Auftritt warten musste. Julien Maffres Zeichnungen sind nicht immer „schön“, denn er überzeichnet Emotionen. Dafür bringt er aber auch die Gefühlswelt der handelnden Personen gut rüber und ergänzt das Ganze durch formidable Hintergründe! Wie bei einer guten Serie erfordert es die Story allerdings, am Ball zu bleiben.

Stilistisch ganz anders ist Harmony von Mathieu Reynés: Modern, digital und actiongeladen. In dem letzten Teil von Ago kommt es zum Kampf zwischen den Mutanten und es wird deutlich, dass es um viel mehr geht als den Versuch einer politischen Gruppe, menschliche Waffen zu erschaffen. Perfekter Cliffhanger des Science-Fiction-Spektakels aus dem französischen Spirou-Magazin!

Und sonst?

Parker & Badger, die beiden sympathischen Loser, versuchen gleich zweimal ihr Leben zu meistern und auch der Vater der Sterne darf doppelt daran scheitern, seine Erwachsenenwelt seiner Tochter aufzwingen zu wollen. In Tizombi stellt sich die Frage einer Priorisierung zwischen Essen und Diskussion.

Dazu kommen natürlich News und Rezensionen, ein Artikel über EVROPA, ein Comic über das Nachkriegs-Ex-Jugoslawien und einer über Grönland Odyssee.

Wie immer eine gelungene Mischung aus klassischen, aber neu interpretierten Serien und dem Besten von heute.

Dazu passen das teilweise herausfordernde break thru des New York-Ska Jazz Emsembles und ein  Gin Tonic auf Wacholder, Rosamarin und Chili-Basis.

© der Abbildungen 2021 bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Der neue Asterix erscheint am 21.10.21

Das Jahr 2021 fängt gleich mit guten Neuigkeiten an: Im Oktober erscheint wieder ein neuer Asterix aus der Feder von Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen). Das 39. Album der Reihe verspricht ein wahrhaft spannendes Abenteuer zu werden! Und als Vorgeschmack auf das große Bankett im kommenden Oktober enthüllen Jean-Yves Ferri und Didier Conrad vorab und exklusiv einen kleinen Auszug aus ihrem neuen Werk. Wie es die Tradition verlangt (immer schön im Wechsel!) gehen unsere Freunde im neuen Album wieder auf Reisen. Das bestätigt uns auch der Druide.

Bis dahin gibt es nur ein paar erste Hinweise, ich bin aber sicher, dass im Laufe der  nächsten Monate weitere folgen werden.

Als erster Vorgeschmack hier eine erste Seite:

Das ist aber nicht alles: Egmont Ehapa Media als deutscher Verlag des Galliers hat noch zwei weitere Neuigkeiten angekündigt:

Die neue Zeichentrickserie Idefix und die Unbeugsamen kommt voraussichtlich im Dezember 21 in das deutsche Fernsehen und – so COVID-19 es zulässt – wird es eine große Asterix-Ausstellung geben.

ASTERIX DER EUROPÄER soll vom 3. APRIL–28. NOVEMBER 2021 stattfinden. Die außergewöhnliche Ausstellung auf Burg Malbrouck (Departement Moselle, Frankreich) könnte einen Trip wert sein!

© der Abbildungen Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2021 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Reddition 72 – Blake und Mortimer

Dezember 2020 – 75 Jahre Blake und Mortimer

Herausgeber: Volker Hamann
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISSN: n/a

Die Reddition ist der zweimal jährlich angetretene Beweis, das sachkundige Informationen mit einer Länge von mehr als einer Zeitschriftenseite spannend dargeboten werden können! Bereits im 36. Jahr präsentieren Volker Hamann und ein Team von Autoren Dossiers zu unterschiedlichsten Themengebieten. Selten ist dabei ein Comic der Fokus einer ganzen Ausgabe. Die Serie Blake und Mortimer war die erste, der diese Ehre vor elf Jahren erwiesen worden war. Nun, 21 Ausgaben später, hat sich so viel ereignet, dass das lange vergriffene Dossier eine erweiterte Neuauflage bekommt.

Online würde die Nachfrage das Angebot nicht übersteigen können, könnten Ergänzungen oder Richtigstellungen in das Vorhandene integriert werden und somit eine ständige Up-to-dateness erreicht werden. Es würde aber auch die Möglichkeit verschwinden, dass sich Teams für eine gewisse Zeit vergraben und dann mit etwas Neuem kommen, um es im Anschluss für wieder etwas Neues auch vergessen zu können. Insofern bin ich froh, dass dieses doch kleine Team eine so breit gefächerte Wissensbasis hat und immer wieder neue Themen aufbereiten kann! An dieser Stelle ein Dankeschön!

Warum Blake und Mortimer?

Blake und Mortimer ist eine „alte“ Serie. Die erste Seite der ersten Folge von Edgar P. Jacobs erschien bereits am 26. September 1946 in der ersten Nummer von Tintin. Sie sollte über die Zeit des Magazins immer ein Zugpferd bleiben, auch wenn die Abstände zwischen den einzelnen Episoden bereits zu Lebzeiten von Jacobs lang waren. Mittlerweile haben mehr und mehr Klassiker den Tod der Schöpfer überlebt und sich durch andere Künstler*innen mehr oder weniger runderneuert fortführen lassen.

Blake und Mortimer hat aber eine gewisse Alleinstellung in dieser Liste denn es arbeiten mehrere Teams parallel aber alle innerhalb einer gemeinsamen Kontinuität. Dadurch können einerseits Lücken innerhalb der Originale gefüllt oder angerissene Fäden weitererzählt werden, andererseits aber auch leere Zeiträume für ganz neue Stränge genutzt werden. Grenzen werden eigentlich nur durch Geburt und Tod gesetzt. Und auch das Publikum hat mitgezogen denn die Serie hat immer noch hohe Auflagen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Serie auch nach 75 Jahren lebt und wächst.

Jacobs ist immer als ein Vertreter der Klaren Linie gehandelt worden und so war es relativ klar, dass auch die folgenden Zeichner diesem Stil oder seiner Weiterentwicklung verbunden sein sollten. Selbst diese Vermutung gilt aber nicht mehr, denn mit Francois Schuiten hat auch ein Vertreter einer ganz anderen Technik seinen Beitrag abgeliefert. Gründe für eine vertiefte Beschäftigung mit dieser Serie gibt es also zu Hauf!

Die Beiträge

Der längste Beitrag ist Edgar P. Jacobs gewidmet; Volker Hamann beschreibt den beruflichen Werdegang des Menschen, seine Arbeitsweise und ein paar seiner Eigenheiten. Im Folgenden werden drei Werke im Speziellen vorgestellt, die animierten TV-Folgen (von Peter Osterried) und Der Kampf um die Welt sowie das gelbe M von Michael Hein. Exemplarisch werden hier Motivation, Umsetzung aber auch akribische technische Vorbereitung geschildert. Jacobs wollte nicht bei dem Bekannten stehen bleiben aber auch nicht in das Unvorstellbare, Nicht-ableitbare abgleiten und führte daher ausgiebige technische Diskussionen.

Nach dem Ableben von Jacobs wurde zunächst Bob de Moor verpflichtet, ein bereits fast komplett ausgearbeitetes Szenario umzusetzen. Bernd Hinrichs beschreibt den Versuch, der wohl nicht als sehr erfolgreich in die Annalen eingehen wird. Der Verlag – mittlerweile Les Editons Blake et Mortimer – hatte zu lernen, dass neue Bände aus dieser Reihe eine lange Vorbereitungszeit benötigten. Man entschloss sich daher, mehrere Teams parallel an ihren Interpretationen arbeiten zu lassen. Sie mussten nur dem Konzept der Reihe zustimmen und gewisse Auflagen erfüllen.

Jedes dieser Teams hat einen eigenen Artikel und wird mit Beschreibung des Inhalts und Stils, Einordnung des Werkes in die Serie und – natürlich – einer Unmenge an Illustrationen eingeführt. Die Beiträge kommen von Volker Hamann, Bernd Hinrichs, Peter Nover, Stefan Schmatz und Alex Jakubowski und beleuchten die Vielfalt der Epigonen.

Das Heft

Abgeschlossen wird das Dossier wie immer mit einer aktuellen und umfassenden Bibliografie der einzelnen Veröffentlichungen der Comicserie aber auch von Parodien und Sekundärwerken. Wer also schon immer wissen wollte, welche Folge in welcher Zeitschrift vorabgedruckt worden war oder wie sich die verschiedenen deutschen Ausgaben unterscheiden, wird hier auf jeden Fall fündig!

Und ebenso wie immer kommt der Hinweis, dass es sich lohnen könnte, die Reddition zu abonnieren. Nur für diejenigen mit Abo gibt es nämlich immer ein kleines Sahnestückchen obendrauf, in diesem Fall eine Blake und Mortimer Kurzgeschichte von Ted Benoit aus dem Jahr 2005.

Man mag ein von der Reddition gewähltes Thema nicht mögen; ich kann mir aber nicht vorstellen das irgendjemand nach der Lektüre feststellen kann, gelangweilt zu sein oder nichts Neues gelernt zu haben! In diesem Sinne der Tipp für den Weihnachtslockdown! Zurecht ist auch 2020 die Reddition in der Jahresbestenliste von comix-online vertreten!

Dazu passen würden dann eine Kanne Kaffee, ein oder zwei kleine Eierlikörchen (bevorzugt selbstgemacht) und die neue von Dr. Ring Ding!

© der Abbildungen Les Editions Blake & Mortimer (Dargaud-Lombard s.a.) by E.P.Jacobs/2020 Verlag Volker Hamann, Edition Alfons

Mora/Giménez – Dani Futuro 1

Das verschollene Raumschiff

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-020-2

Ende 1969 begrüßt ein Jugendlicher die Leser*innen des spanischen Magazins Gazeta und weist daraufhin, dass bald seine Abenteuer im Weltall beginnen werden. Im kommenden Jahr ist es dann soweit und Dani Futuro erlebt seine Abenteuer. Gleich am Anfang steht die Origin: Während eines Fluges zu seinem Vater stürzt Dani(el) über dem ewigen Eis ab. Er verbringt 135 Jahre im Tiefschlaf und wird dann von Basil Dosian in das Leben zurückgeholt.

1972 und nochmals 1974 fand der weißhaarige Jüngling seinen Weg auf die Seiten des Koralle-ZACK, 1983 erschienen die ersten drei Alben bei Semic, einem Carlsen Ableger. Ja und nun, 37 Jahre später, kehrt der Überlebende zurück und wird im All Verlag von Ansgar Lüttgenau erstmals komplett in 8 Einzelbänden veröffentlicht werden. Das Comeback des Jahres!

Die Geschichten

Der erste Band Das verschollene Raumschiff enthält zunächst einmal einführendes Material: Dr. Anselm Blocher erzählt von den Hintergründen, die zu der Story geführt haben, dem Konkurrenzdruck auf dem spanischen Markt und den schwierigen Anfängen. Dazu werden viele Abbildungen nicht nur von Magazin-Covern präsentiert, sondern auch die farblichen Unterschiede zwischen der französischen und der spanischen Variante aufgezeigt. Vorbildlich für eine Gesamtausgabe. Was fehlt sind einzig die Angaben zu den Veröffentlichungen der einzelnen Geschichten.

Victor Mora hat einzelne, kurze Geschichten geschrieben, die die Figur des Überlebenden und die wissenschaftlichen Hintergründe zunächst langsam einführen. Der Junge begreift sich in seiner neuen Umgebung zu der neben seinem „Erwecker“ Dosian auch dessen Nichte Iris gehört langsam, geht dann aber mit Übermut freudestrahlend auf die neuen Möglichkeiten zu. Dadurch kann er verschiedene Rollen übernehmen: die des Überraschten, die des verspielten aber auch die des Retters.

Zur Unterstützung bringt Mora immer wieder abstruse Ideen ein: ein beleidigter Roboter zieht einem Gast den Teppich unter den Füßen weg, zwei andere künstliche Wesen scheinen nichts anderes zu tun als (schrecklich) zu singen und der Weltraumfahrer Kohl heißt so, weil er nur seinen eigenen, in der Rakete gezüchteten Kohl ist.

Die Zeichnungen

Anfang der Siebziger hatte sich die Gesellschaft gerade geändert: Flower Power und Pop Art, das Ausmisten der Gesellschaft und ein starker Fortschrittsglaube hatten überall neue Ideen aufkommen lassen und so konnte selbst im Spanien unter Franco eine Comic-Kultur entstehen, die vor Farben und Formen nur so explodierte. Carlos Giménez hat in Dani Futuro wirklich viel experimentieren können und so sind die Zeichnungen auch heute noch ein Genuss!

Für die Leser*innen damals muss das aber neben den strengen sonstigen Serien in Tintin oder ZACK befremdlich gewirkt haben, ging es doch sogar über die Innovationen in Valerian hinaus. Und für die wirklich innovativen Magazine war das anvisierte Publikum zu jung.

Die Empfehlung

Für uns heutige Leser*innen ist die Serie auf jeden Fall ein Kleinod, das seine Fans finden wird. Wie immer bringt der All Verlag handwerklich überzeugende und inhaltlich gut strukturierte Gesamtausgaben in Einzelbänden heraus. Das Layout ist gut durchdacht, die ergänzenden Beiträge fügen sich perfekt ein und für die Sammler*innen gibt es wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem ExLibris!

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Für alle Fans von nicht dystopischer Science-Fiction, jung gebliebene ZACK-Leser*innen und alle, die Comics mögen, die ein wenig gegen den Strich sind!

Dazu passen ein langsam die Farbe wechselnder Maui Mule und Glam Rock, etwa von den alten Sweet!

© der Abbildungen 1969/70 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

error: Content is protected !!