Vance/Albert – Bruno Brazil 9

Alles oder nichts für Alak 6

Story: Louis Albert (Greg) 
Zeichnungen: William Vance

Originaltitel: Quitte ou double pour Alak 6

All Verlag

Hardcover | 68 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-96804-026-4

Bruno Brazil 9 - Cover

Bruno Brazil war eine Agentenserie des neuen Typs in den Siebziger Jahren. Es ging nicht darum, einen strahlenden Helden zu zeigen, der sich mehr mit dem Anbaggern von Frauen beschäftigt als mit dem eigentlichen Auftrag. Dementsprechend waren auch die Geschichten eher blutig und die Auftraggeber kaltblütig.

Dance Hall Crusher

Der Geheimdienst hat sich für den Schutz der geheimen Myxin-Formel etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Nur zwei Menschen kennen sie und zusätzlich ist sie in einem geschützten Rechenzentrum gespeichert. Als erst einer der Geheimnisträger ermordet wird und dann eine Bombe die gespeicherten Daten vernichtet wird das Kommando Kaiman benachrichtigt. Sie kommen allerdings zu spät um den Tod der zweiten Person zu verhindern.

Bruno Brazil 9 - page 24

Es stellt sich heraus, dass es einen Plan B gibt: Einem ziemlich erfolglosen Agenten war das Geheimnis unter Hypnose „eingepflanzt“ worden. Nun beginnt ein tödliches Spiel für die Kaimane, die sich als Musikkapelle verkleidet nach Mogadischu begeben, eben Alles oder Nichts für Alak 6. Greg hat ein extrem spannendes Szenario für die Agententruppe geschrieben für das eigentlich auch eine Fortsetzung vorgesehen war. Tatsächlich folgten aber nur noch ein paar Kurzgeschichten bevor ein neues Team vor kurzem mit den neuen Abenteuern den Faden wieder aufgenommen hatte.

Kongeniale Zeichnungen

William Vance ist hier auf der Höhe seiner Zeichenkunst. Ausdrucksstarke Personen in einem modernen 70-er Jahre Ambiente und Panels, die obwohl in einem traditionellen Raster angeordnet, immer wieder Überraschungen enthalten und erstaunlich vielseitig daherkommen. Vance arbeitet  vor allem mit Schraffuren und Linien, die Prägung durch schwarz-weiße Zeitungsstrips ist nicht zu verleugnen.

Bruno Brazil 9 - page 33

Die neuen, von Greg in Tintin lancierten Serien Bruno Brazil, Comanche oder Andy Morgan haben die frankobelgische Comiclandschaft komplett durchgerüttelt und sind heute noch stilprägend! Und so erscheint diese Geschichte nach Auftritten im Koralle-ZACK, bei Carlsen und Egmont EHAPA nun verdientermaßen in einem eigenständigen Hardcover, erstmals im Übrigen mit einem deutschen Titel, der dem Original entspricht.

Die Empfehlung

Bruno Brazil dürfte in keinem Comicregal fehlen und wer die Serie nicht kennt sollte definitiv einen Blick riskieren. Nicht nur, dass sie zeichnerisch und storytechnisch neue Maßstäbe gesetzt hat, sie hat auch heute noch nichts von ihrer Lesbarkeit eingebüßt. Mehr zu der Serie über den smarten Bruno und seine Kaimane in Kürze in einem Serienkompass. Auch in diesem Band gibt es einen Beitrag von Bernd Weckwert über „Brazils Väter“!

Bruno Brazil 9 - Ex Libris der VZA
Das Ex Libris der limitierten VZA

Natürlich gibt es auch von diesem Band eine limitierte Vorzugsausgabe mit exklusivem ExLibris! Für alle Krimifans, Liebhaber*innen von Agententhrillern, Genießer*innen guter Stories (ohne Happy End) und natürlich auch für die Generation ZACK ein echter Tipp!

Dazu passen The Ruts und ein Gentleman Jack’s.

© der Abbildungen Èditions du Lombard (Dargaud-Lombrd S. A.) by Greg, Vance, 2021 All Verlag

Mora/Giménez – Dani Futuro 2

Wenn das Monster angreift

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-022-6

Wie bereits zu Band 1 erwähnt ist der spanische Science-Fiction Klassiker Dani Futuro zurück auf dem deutschen Markt. Der All Verlag präsentiert erstmals alle Geschichten in acht einzelnen Hardcover, ergänzt mit weiteren Illustrationen und Interviews.

Die Geschichten in Band 2

Die titelgebende Geschichte Wenn das Monster angreift eröffnet den Reigen. Sie ist etwas besonderes denn nur zwei der Stories stammen nicht aus der Feder von Victor Mora und dieses ist eine davon: Luis Vigil Garcia war integraler Bestandteil der spanischen Science-Fiction Gemeinde und durfte sich auch an Dani beteiligen. Aufgrund einer notwendigen Reparatur nimmt die Galaktos eine Umlaufbahn um einen Asteroiden ein. Dani und iris erkunden den Himmelskörper und müssen feststellen, dass seine kleinen Bewohner*innen von einem Monster terrorisiert werden. Schnell finden sie heraus, dass es sich scheinbar um einen fehlfunktionierenden Kampfcyborg handelt.

Auch die totgeweihte Stadt ist ein wenig zukunftskritisch. Eine ehedem sehr florierende und wohlhabende Welt ist aufgrund wieder aufgebrochener vulkanischer Aktivität dem Untergang geweiht. Wie wir es auch heutzutage erleben dürfen gibt es immer irgendwelche Spinner die Veränderungen, seien sie noch so lebensnotwendig, als Eingriff in ihre „Rechte“ sehen und sich dagegen wehren.

Als wäre das noch nicht genug, stürzen Dani und Iris auf dem Planet der Vergangenheit ab. Es handelt sich um eine mittelalterliche Welt ohne Technik und der eine oder die andere mag sich das alte Star Trek-Wissen hervorholen: Einmischung in solche Zivilisationen führt immer zu kritischen Situationen.

Dazu gibt es wieder viele Titelbilder aber auch Hintergrundinformationen von Dr. Anselm Blocher, der auch Hinweise auf versteckte Referenzen gibt.

Das Artwork

Es gibt wahrscheinlich grundsätzlich zwei Reaktionen auf die Zeichnungen von Carlos Giménez: Ein kleiner Teil wird sagen, dass diese bunte, mit formen und Farben spielende und Regeln missachtende Kunst des Guten zu viel sei. Die (hoffentlich) größere Gruppe wird sich daran erfreuen und vor jedem Umblättern überlegen, was jetzt wohl kommen mag.

Trotz aller pessimistischen Zwischentöne sind die Zeichnungen optimistisch, Mut machend und Freude verbreitend! Der All Verlag hat sich mit der Kolorierung Mühe gegeben und viele Seiten liebevoll restauriert und das Resultat beweist, dass es sich gelohnt hat! Natürlich atmen diese Zeichnungen Zeitgeist, allerdings den gleichen, den auch etwa Valerian und Veronique anfangs verströmt haben und das ist ja nicht verkehrt. Während Raumschiffe heute sehr technisch aussehen müssen und ihre Funktion visualisieren, war damals viel mehr Flexibilität möglich.

Ein Cyborg kann daher gefährlich wirken und die Zähne fletschen, um gleich auf der nächsten Seite fast zu einem Blumenkind zu mutieren. Giménez bringt genau diese Wandlungsfähigkeit zum Ausdruck und nutzt Farben, Umgebung und Geschwindigkeit der Sequenzen, um Stimmungen zu transportieren.

Fazit

Muss man das haben? Ja, irgendwie schon! Als Science-Fiction-Fan sowieso, denn diese klassische Serie vermittelt ein Feeling, dass es heute so nicht mehr gibt. Wer spanische Comics mag wird auch zuschlagen wollen. Eine Graphic novel mit einer tiefschürfenden Auseinandersetzung mit der damaligen politischen Situation wäre undenkbar gewesen aber es finden sich auch hier sehr versteckte Andeutungen. Zudem atmet diese Serie den Geist des Übergangs aus den 60-ern in die 70-er. Es gibt keine Grenzenlose Zukunftsgläubigkeit mehr. Viele Ideen und Hoffnungen haben sich buchstäblich in Rauch aufgelöst und das Erwachen aus dem Rausch war manchmal schmerzhaft.

Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entstehet: Dani Futuro ist keineswegs pessimistisch, aber die Serie ermöglicht zwischen den Bildern einen kleinen Blick auf die Frage, ob das alles so richtig ist, was passiert.

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Natürlich ist selbst die normale Ausgabe wieder als Hardcover ausgeführt und handwerklich gut gemacht. Dazu gibt es wie immer eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Ex Libris.

Begleitend ein Maracuja-basierter Ipanema und guter alter Merseybeat von  Gerry and the Pacemakers (R.I.P.).

© der Abbildungen 1970 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

Mora/Giménez – Dani Futuro 1

Das verschollene Raumschiff

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-020-2

Ende 1969 begrüßt ein Jugendlicher die Leser*innen des spanischen Magazins Gazeta und weist daraufhin, dass bald seine Abenteuer im Weltall beginnen werden. Im kommenden Jahr ist es dann soweit und Dani Futuro erlebt seine Abenteuer. Gleich am Anfang steht die Origin: Während eines Fluges zu seinem Vater stürzt Dani(el) über dem ewigen Eis ab. Er verbringt 135 Jahre im Tiefschlaf und wird dann von Basil Dosian in das Leben zurückgeholt.

1972 und nochmals 1974 fand der weißhaarige Jüngling seinen Weg auf die Seiten des Koralle-ZACK, 1983 erschienen die ersten drei Alben bei Semic, einem Carlsen Ableger. Ja und nun, 37 Jahre später, kehrt der Überlebende zurück und wird im All Verlag von Ansgar Lüttgenau erstmals komplett in 8 Einzelbänden veröffentlicht werden. Das Comeback des Jahres!

Die Geschichten

Der erste Band Das verschollene Raumschiff enthält zunächst einmal einführendes Material: Dr. Anselm Blocher erzählt von den Hintergründen, die zu der Story geführt haben, dem Konkurrenzdruck auf dem spanischen Markt und den schwierigen Anfängen. Dazu werden viele Abbildungen nicht nur von Magazin-Covern präsentiert, sondern auch die farblichen Unterschiede zwischen der französischen und der spanischen Variante aufgezeigt. Vorbildlich für eine Gesamtausgabe. Was fehlt sind einzig die Angaben zu den Veröffentlichungen der einzelnen Geschichten.

Victor Mora hat einzelne, kurze Geschichten geschrieben, die die Figur des Überlebenden und die wissenschaftlichen Hintergründe zunächst langsam einführen. Der Junge begreift sich in seiner neuen Umgebung zu der neben seinem „Erwecker“ Dosian auch dessen Nichte Iris gehört langsam, geht dann aber mit Übermut freudestrahlend auf die neuen Möglichkeiten zu. Dadurch kann er verschiedene Rollen übernehmen: die des Überraschten, die des verspielten aber auch die des Retters.

Zur Unterstützung bringt Mora immer wieder abstruse Ideen ein: ein beleidigter Roboter zieht einem Gast den Teppich unter den Füßen weg, zwei andere künstliche Wesen scheinen nichts anderes zu tun als (schrecklich) zu singen und der Weltraumfahrer Kohl heißt so, weil er nur seinen eigenen, in der Rakete gezüchteten Kohl ist.

Die Zeichnungen

Anfang der Siebziger hatte sich die Gesellschaft gerade geändert: Flower Power und Pop Art, das Ausmisten der Gesellschaft und ein starker Fortschrittsglaube hatten überall neue Ideen aufkommen lassen und so konnte selbst im Spanien unter Franco eine Comic-Kultur entstehen, die vor Farben und Formen nur so explodierte. Carlos Giménez hat in Dani Futuro wirklich viel experimentieren können und so sind die Zeichnungen auch heute noch ein Genuss!

Für die Leser*innen damals muss das aber neben den strengen sonstigen Serien in Tintin oder ZACK befremdlich gewirkt haben, ging es doch sogar über die Innovationen in Valerian hinaus. Und für die wirklich innovativen Magazine war das anvisierte Publikum zu jung.

Die Empfehlung

Für uns heutige Leser*innen ist die Serie auf jeden Fall ein Kleinod, das seine Fans finden wird. Wie immer bringt der All Verlag handwerklich überzeugende und inhaltlich gut strukturierte Gesamtausgaben in Einzelbänden heraus. Das Layout ist gut durchdacht, die ergänzenden Beiträge fügen sich perfekt ein und für die Sammler*innen gibt es wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem ExLibris!

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Für alle Fans von nicht dystopischer Science-Fiction, jung gebliebene ZACK-Leser*innen und alle, die Comics mögen, die ein wenig gegen den Strich sind!

Dazu passen ein langsam die Farbe wechselnder Maui Mule und Glam Rock, etwa von den alten Sweet!

© der Abbildungen 1969/70 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

Jahresrückblick 2020

Corona, Tops & Flops und gute Wünsche

Ein seltsames Jahr geht zu Ende. Schon lange war immer wieder befürchtet worden, dass eine bisher unbekannte Krankheit sich pandemisch ausbreiten und unzählige Tote verursachen könnte. Mit COVID-19 ist dieses Schreckgespenst Realität geworden und was bisher undenkbar schien ist plötzlich Alltag: Die Menschen tragen auch in Europa Masken wenn sie aus dem Haus gehen, Geschäfte sind über längere Zeiträume geschlossen, ja, es gibt sogar Ausgangssperren. In einigen Gebieten können die Toten nicht mehr schnell genug beerdigt werden und die Krankenhäuser sind über die Kapazitätsgrenzen hinaus mit Patient*innen belegt. Vor einem Jahr wäre das einzig ein Szenario für ein Katastrophensetting gewesen.

Corona hat auch den Comic-Markt ein wenig durcheinander gewirbelt: Erlangen hat nur digital stattgefunden, die Comic-Cons sind ausgefallen, die Rudolph-Dirks-Awards wurden ohne Publikum verliehen, der Gratis-Comic-Tag wurde auf den September dezentralisiert und findet in 2021 gar nicht statt.

Ich wünsche euch und uns allen, dass das kommende Jahr besser wird, die Krankheit mit Impfungen eingedämmt werden kann, und Verschwörungstheoretiker*innen wieder im Keller verschwinden. Vielleicht können wir ja sogar den gemeinsamen Willen, Sterbefälle nicht einfach hinzunehmen, auf andere Ursachen ausdehnen. Andere Gefahrenquellen gibt es genügend.

R.I.P.

Auch 2020 sind wieder viele Akteure im Comicgeschäft verstorben; Größen der franko-belgischen Tradition wie auch der US-amerikanischen sowie ein „Urgestein“ der deutschen Comic-Szene. Da ich hier keineswegs einen vollständigen Nekrolog bieten kann und möchte, sei an die folgenden Namen exemplarisch erinnert: Wolfgang J. Fuchs, Albert Uderzo, Mort Drucker, Dennis O’Neil, André-Paul Duchâteau, Alex Varenne, Malik und Richard Corben.

Die besten Comics in 2020

Ich möchte heute meine Favoriten aus den Erscheinungen von 2020 vorstellen: rein subjektiv und unbeeinflusst. Um das etwas zu gliedern erfolgt die Vorstellung in fünf Kategorien: Alben, Graphic Novels, Gesamtausgaben, Sekundärwerke und Zeitschriften. Dazu kommt dann noch die Reihenfolge der Beiträge basierend auf den Zugriffszahlen in 2020. Wer möchte sei dazu aufgefordert, die eigene „Bestenliste“ als Kommentar zu posten!

Album des Jahres

Für mich ein wenig unerwartet, aber der beste Comic kommt tatsächlich aus dem Superheldenbereich: Joker/Harley – Psychogramm des Grauens ist eine vielschichtige Story von Kami Carcia ohne Schnickschnack, Superkräfte oder göttliche Wesen. Elemente aus Cop-Serien, Psychologie und DC-Universe werden geschickt verwoben und das mit außergewöhnlichem Artwork! Ich bin sehr gespannt auf die beiden noch fehlenden Teile dieser Miniserie unter dem Black Label.

Lucky Luke begleitet mein Leben schon seit fast fünfzig Jahren. Irgendwie immer lustig, gut gezeichnet aber auch ein wenig austauschbar. Schon die letzten Bände von Achdé und Jul haben gezeigt, dass sich das mehr und mehr ändert, aber die Fackeln im Baumwollfeld sind wirklich beeindruckend: aktuelle Themen, der erste farbige Hauptcharakter, starke Frauenfiguren und ein Humor, der auf verschiedenen Altersstufen wirkt, ohne aufgesetzt zu sein! Platz 2!

Platz 3 geht an ein Endzeitszenario: Zep hat mit The End einen Ökothriller allererster Güte abgeliefert. Die Natur schlägt zurück, ist aber doch noch irgendwie versöhnlich dabei. Unterlegt mit dem Refrain eines Doors-Song entwickeln die Bilder eine sehr eigene Stimmung.

Der vierte Rang geht an die Kronieken van Amoras: Legendre und Cambré haben die klassische All-Age-Serie Suske en Wiske auf eine sehr spannende Weise modernisiert und auf ein Niveau für Erwachsene gehoben. Umweltpolitik, Korruption, Gewalt, Arbeitslosigkeit; es gibt kaum ein aktuelles Thema, das nicht irgendwie in die Stories eingeflossen ist. Dazu kommt ein enormes Arbeitstempo der beiden Künstler. Wer kein Niederländisch versteht, darf sich trotzdem freuen: vom Sommer 2021 an wird die Amoras-Sage im ZACK erscheinen.

Und nicht zu vergessen Aristophania! Gute Hexen und Zauberer gegen die Truppen des Verbannten Königs und mittendrin ein paar Kinder, die Hoffnungsträger*innen sein könnten. Grandiose Landschaften und eindrucksvolle Emotionen von Joel Parnotte, eine spannende Story von Xavier Dorison, was will man mehr!

Die besten Graphic Novels in 2020

Bei den Graphic Novels hat es in 2020 so viele gute gegeben, dass die Auswahl wirklich schwerfällt. Trotzdem musste ich mich für fünf entscheiden:

Platz 1 geht an Der Wolf von Jean-Marc Rochette! Der uralte Kampf zwischen Tier und Mensch, gegen die Unbillen der Natur und das Eindringen der Zivilisation auch in die letzten Schutzräume werden mit großartigen Bildern erzählt! Ein Beweis dafür, dass ein Comicprogramm nicht groß sein muss, um tolle Sachen zu produzieren!

Unmittelbar darauf folgt mit CH Links ein Verlag, der eigentlich nicht für Comics bekannt ist: Meine freie deutsche Jugend erzählt die Geschichte über das Heranwachsen in der ehemaligen DDR, mit allen Situationen, die nur dort passieren konnten, aber auch dem Charme der Kindheitserinnerungen. Dies gelingt ohne Hass und auch das ist erwähnenswert! Eine gute Adaption des Romans von Claudia Busch durch Thomas Henseler und Susanne Buddenberg.

Platz drei geht an Omaha, eine Geschichte nur für Erwachsene! Kate Worley erzählt die Geschichte einer Frau, die ihren Platz in der Gesellschaft sucht und mit männlichen Machtstrukturen, Bigotterie, Korruption, Erpressung und Mord aber auch mit Liebe und Freundschaft umzugehen hat. Die Bilder von Reed Waller sind teilweise mehr als freizügig aber nie voyeuristisch! Klassiker der Independents und der Fur-Art, der jetzt wieder aufgelegt wird.

Platz 4 ist eine Literaturadaption. Die Insel des Dr. Moreau von Adams und Rodríguez modernisiert die klassische Story von H.G. Wells behutsam. Tolles Artwork für ein politisch hochbrisantes Thema, gespickt mit einem Kampf der Geschlechter. Besser als Kino!

Platz 5 geht an die wohl klassischste aller Graphic Novels, die jetzt endlich und erstmals komplett auf Deutsch vorliegt: Corto Maltese von Hugo Pratt! Gespickt mit Hinweisen auf Literatur und in historischen Zusammenhängen spielend, graphisch sowohl in schwarz-weiß als auch farbig funktionierend und dann auch noch mit vielen Illustrationen und Artikeln in einer einheitlichen Hardcoverausgabe!

Die besten Gesamtausgaben in 2020

Das Nest von Regis Loisel und Jean-Louis Tripp ist ein Comic-Roman über neun Bände. Eins bis drei sind im ersten Teil der gerade erschienen Gesamtausgabe versammelt. Ein kleines Dorf in Kanada muss sich der Moderne stellen: selbständige Frauen, unmännliche Männer und ganz viel Verwirrung bei den Traditionalisten. Großartig! Platz 1!

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Paolo Eleuteri Serpieri dürfte vielen bekannt sein als Zeichner von Druuna, einer sehr freizügigen SF-Serie. Seine Kariere begonnen hat er aber mit sehr einfühlsamen Geschichten über die Eroberung des sog. Wilden Westens, die Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner und den Kampf gegen die Natur. Die mit dem vierten Band abgeschlossene Collection Serpieri – Western hat diese Kurzgeschichten (zum Teil erstmals) dem deutschen Publikum wieder zugänglich gemacht. Platz 2!

Gleich mit zwei Bänden ist Walhalla – Die gesammelte Saga in diesem Jahr gestartet. In der aus dem Dänischen übersetzten Serie von Peter Madsen und Henning Kure werden die nordischen Heldensagen lebendig. Fast perfekte Ausgabe mit reichlich Hintergrundmaterial und Illustrationen sowie Angaben zu den ursprünglichen Mythen. Erschienen in der Edition Roter Drache.

Abgeschlossen ist die Ausgabe aller Science-Fiction und Fantasy Stories die Wally Wood für den EC-Verlag gezeichnet hat. Nach Szenarios von Bill Gaines, Al Feldstein und Ray Bradbury hat Wood unvergessliche Monster geschaffen, aber vor allem Stimmungen kreiert, die den Leser*innen noch heute Gänsehaut über die Arme jagen und damit Platz 4 verdient.

Schließlich den Weg in die Top five gefunden hat auch Aria von Michel Weyland. Die Kriegerin Aria ist unabhängig, löst die Aufgaben eher mit dem Köpfchen als mit dem Schwert, kann sich aber trotzdem durchsetzen, wenn es darauf ankommt. Sie lebt in einer teils brutalen, teils romantischen Welt und hat ein ganz eigenständiges Kapitel im Buch der Fantasy geschrieben. Zwei Bände pro Jahr mit vielen Illustrationen, weiterführenden Texten und Gedanken von Weyland zur Entstehungsgeschichte jedes Albums.

Eine lobende Erwähnung geht an Kult Comics für die Veröffentlichung von den Werken Eric Heuvels. Nicht nur die bekannten Serien January Jones und Bud Broadway, auch die educational comics, Carbeau oder Gezeichnet hats… erscheinen in schöner Regelmäßigkeit und perfekter Aufmachung, aber eben nicht als Gesamtausgabe und deshalb nicht in diese Kategorien passend!

Die besten Sekundärwerke in 2020

Das ohne jeden Zweifel beste Sekundärwerk des Jahres ist The History of EC Comics von Grant Geissman! Das großformatige und voluminöse Werk aus dem Taschen Verlag wiegt mehr als 6 Kilo und präsentiert über 1000 Abbildungen! Dazu kommt der sehr fundierte Text des langjährigen Kenners der Materie, allerdings auf Englisch. Mit diesem Band beweist Taschen mal wieder, dass Kunstdarbietung, detailreiche Inhaltsvermittlung und perfektes Coffee-table-book keine Widersprüche sein müssen, sondern sich super ergänzen können!

Platz zwei geht an einen Ausstellungskatalog. Kein leichtes Thema in diesem Jahr, waren doch Museen über lange Zeit geschlossen und mussten Pläne über geplante Exhibitions immer mal wieder neu geschrieben werden.  Fix & Foxi – Die Entdeckung von Spirou, Lucky Luke und den Schlümpfen ist eigentlich begleitend zu einer Ausstellung im Karikaturmuseum Krems erschienen, ermöglicht aber natürlich auch den Genuss zu Hause. Während die Geschichte des Kauka-Verlages schon das eine oder andere Mal Gegenstand von Veröffentlichungen und Katalogen war, liegt der Schwerpunkt hier auf der Einführung der frankobelgischen Klassiker in den deutschen Markt.

Auch der dritte Platz geht an die Edition Alfons: Die Reddition ist beständig, informativ, tiefschürfend und reich und sinnvoll illustriert. Die Redaktion geht Themen breit an und präsentiert damit einen Überblick, der seines Gleichen sucht. In diesem Jahr ging es zunächst um Zeitungscomics in Deutschland und dann um die Serie Blake und Mortimer.

Die besten Zeitschriften in 2020

Monat für Monat präsentiert der Gewinner eine genreübergreifende Auswahl an europäischen und anderen Comics: das ZACK vereinigt Klassiker, moderne Varianten davon und eine große Zahl an traditionellen wie auch innovativen Serien für mehrere Generationen von Lesern und Leserinnen. Die alten Recken wie Rick Master und Michel Vaillant wurden modernisiert, moderne Serien wie Giant, Haute Cuisine oder Millennium präsentiert und preisgekrönte Werke wie die Morde im Mai veröffentlicht. Dazu kommen Artikel, Infos und Kurzgeschichten.

Der zweite Platz geht an ein Magazin in unserem Nachbarland: JUMP. Die Uitgeverij Personalia hat schon vor einigen Jahren mit dem ebenfalls absolut empfehlenswerten StripGlossy ein sehr erfolgreiches Konzept gelauncht und versucht jetzt wieder etwas Neues. Während früher Kinder eine ganz natürliche Zielgruppe von Comic-Magazinen waren, gibt es diese mittlerweile entweder als ganz spezielle Themenmagazine, meistens orientiert an TV-Sendungen, oder aber als Disney-Publikationen. Ein unabhängiges, comic-fixiertes Medium ist dagegen neben den auf ältere Leser*innen ausgerichteten Heften nicht mehr anzutreffen. Genau diese Lücke versucht Jump zu schließen!

Platz drei geht an das auflagenstärkste Comic-Heft Deutschlands. Mosaik ist eine Institution und begeistert seit über 540 Monaten kleine und große Leser*innen mit den Abenteuern der Abrafaxe in der Zeit. Aktuell befinden sich die Drei in der Südsee zu Zeiten des deutschen Kaiserreiches. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen gibt es in jedem Heft weiterführende Infos, Spiele und Museumstipps.

Comeback des Jahres

Zum Schluss noch das Comeback des Jahres: In den 80-er-Jahren war Dani Futuro zu Gast auf den Seiten des Koralle-ZACK und brachte es 1983 auf drei Alben bei Semic. Seit ein paar Tagen ist er zurück und kommt erstmals komplett und einheitlich in insgesamt acht Bänden beim All Verlag! Band 1 beschreibt die Rettung des verschollenen Jungen Dani. Rezension der Nummer 2 folgt in Kürze.

Eure Lieblinge in 2020

Unangefochtener Spitzreiter in 2020 bei den von euch geklickten Beiträgen ist die Ankündigung des Goldenen Hinkelsteins von Uderzo und Goscinny. Dahinter kommen der Katalog zur brillanten Moebius-Ausstellung in Brühl, der aktuelle Lucky Luke, der Jahresrückblick 2019 und der erste Teil von Omaha!

Auf dem sechsten Platz die Vorstellung des zweiten Halbjahres aus dem All Verlag, Geissman’s History of EC Comics, Zep, Der Serienkompass zu Corto Maltese und Walhalla 1.

Lakota, Mechanica Celaestium, Tunga 4, mosaik 532 und das interview mit Ralf König sind 11 – 15, Michel Vaillant 60, Asterix 38, das ZACK 250, der Ausblick von Georg Tempel auf Zack im Jahr 2021 und Allein 11 beschließen den Reigen der meistgelesenen 20.

Was bleibt?

Ich wünsche allen Leser*innen von comix-online Frohe Weihnachten und ein Glückliches neues Jahr, Vrolijk kerstfeest en een gelukkig nieuw jaar und vor allem Gesundheit für Euch und eure Lieben! Stay safe and healthy!

Musikalisch passt zu dieser Zeit des Jahres etwas Weihnachtliches: The Pogues and Kirsty MacColl mit Fairytale of New York! Dazu ein Kerstbock und die Reise durch die Empfehlungen kann losgehen.

© aller Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen wie in den Linkzielen genannt.

All Verlag – Programm 2021 Teil 1

Ansgar Lüttgenau zum Programm des All Verlag im ersten Halbjahr 2021

Wenn etwas zum dritten Mal passiert ist es eine Serie, oder? Nun, jedenfalls hat sich Ansgar wieder unseren Fragen zum Programm vom All Verlag gestellt. Vielen Dank!

Neuheitenoffensive im Anmarsch

c-o: Ansgar, das Jahr 2020 war alles andere als geplant: Ladenschließungen, keine Veranstaltungen, mehr online Bestellungen. Wie hat sich covid-19 auf den All Verlag ausgewirkt? Und wie wirkt sich das auf das 10-jährige Jubiläum aus. Ich könnte mir vorstellen, dass trotzdem das eine oder andere in Planung ist.

Konkrete Auswirkungen, was die Arbeit betrifft gab es eigentlich gar nicht, da sowieso alles über Telefon und E-Mail läuft. Der Umsatz ist leicht gestiegen und in unserem Online Shop wurde etwas mehr bestellt. Das kann aber auch an den Neuerscheinungen liegen. Was wir speziell zum 10 – jährigen Verlagsjubiläum machen, überlege ich noch. Wenn wir was machen, dann sowieso erst im 2. Halbjahr. Ich sage nur „Neuheitenoffensive“.

c-o: Das letzte Jahr hat aber auch gezeigt, dass klassische französische Alben Konjunktur haben und nachgefragt werden, wenn denn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Bei Dir wird alles im Hardcover verlegt, oft genug auch noch mit informativem Teil und erscheint als Vorzugsausgabe für Sammler. Was für Reaktionen erhältst du von deinen Kunden?

Die Reaktionen halten sich in überschaubaren Grenzen. Man kann das sehr schön im Comicforum verfolgen. Bis die Bücher erscheinen gibt es oftmals viele Beiträge, wenn die Bücher erschienen sind nur wenige. Ich denke, das ist auch ein Ausdruck dafür, dass die Kunden zufrieden sind.

c-o: Mit Messalina kommt jetzt erstmals eine Serie nur für Erwachsene im All Verlag. Kannst Du etwas über Deine Motivation verraten?

Zum einen gehts um Autorenpflege. Zu anderen finde ich es immer spannend auszutesten, was so geht. Im 2. Halbjahr starten wir z.B. auch eine Gesamtausgabe einer Zeitungsstripserie. Das ist dann mehr etwas für den klassischen Buchhandel. Mal schauen, wie das so läuft.

ZACK-Klassiker bekommen Zuwachs

c-o: Bruno Brazil kommt im Original und in der neuen Serie, Luc Orient, Alain Chevallier, im Winter Dani Futuro und nun auch noch Bob Morane – die Herzen der Generation ZACK schlagen immer höher. Dieses Segment ist mittlerweile ein echter Schwerpunkt. Wie schaffst du es als immer noch relativ junger Verlag all diese Lizenzen zu bekommen?

Es kommen ja noch einige mehr. Die Lizenzen dafür zu bekommen ist oftmals eine Herausforderung und zieht sich oft über Monate, manchmal sogar über Jahre. Allein einen Kontakt mit den Rechteinhabern, oftmals die Künstler selbst oder deren Erben, herzustellen, bedarf einiger detektivischer Fähigkeiten. Eine schöne Nische, weil so etwas für jeden „normalen“ gewinnorientierten Verlag zu aufwändig ist.

c-o: Du hältst weiterhin ein ausgewogenes Verhältnis ein von Gesamtausgaben in Sammelbänden und in Einzelausgaben. Nach welchen Kriterien triffst Du die Entscheidung für das eine oder andere Format?

Ich schaue mir an, in welcher Form es die Serie bereits gab und welche Form ich selbst bei der Serie bevorzugen würde.

Tops’n‘Flops

c-o: Wie immer kommt die Frage nach den Tops und Flops des letzten Jahres – was hat dich am meisten überrascht?

Am besten verkaufen sich immer noch die Wunderwaffen. Aber auch mit Hombre und Valentin bin ich sehr zufrieden.

Nicht so gut sah es bei Alwilda, Hel’Blar und Malefosse aus.

c-o: Und worauf freust du dich am meisten?

Am interessantesten finde ich ja immer die Neustarts. Und da kommt im 2. Halbjahr ein Western auf den ich mich besonders freue. Es hat über ein Jahr gedauert bis der Vertrag unterschrieben war, weil da fast ein Dutzend Erben der beteiligten Künstler involviert waren und überzeugt werden mussten. 

Das Programm im Überblick

Februar 2021 
Bruno Brazil – Die neuen Abenteuer 2Black Program 2
Bruno Brazil 9Alles oder nichts für Alak 6
Hombre 3Gesamtausgabe
März 2021 
Alain Chevallier 2Ein teuflisches Rennen
Alain Chevallier 9Das Todeskommando
Messalina 1Der Tempel des Priapos
Messalina 2Lust und Tod
Mai 2021 
Luc Orient 924 Stunden für die Erde
Luc Orient 10Der 6. Kontinent
Die Wege voon Malefosse 5Gesamtausgabe
Juni 2021 
Bob Morane 1Die Atom-Schmuggler
Bob Morane 9Guerilla in Tumbaga
Valentin 2Gesamtausgabe

© aller Abbildungen 2021 All Verlag und jeweilige Lizenzgeber

Nolane/Maza – Wunderwaffen – Geheime Missionen 1

Das Phantom-U-Boot

Story: Richard D. Nolane
Zeichnungen: Maza

Originaltitel: Wunderwaffen – Mission secrètes 1 Le U-Boot fantôme

All Verlag
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,80 €
ISBN:  978-3-96804-004-2

Die Story – Verschollen im Bermuda Dreieck

Die Hauptserie Wunderwaffen ist ein Alternativweltszenario in der die Landung der Alliierten in der Normandie schief gegangen ist und das nationalsozialistische Deutschland weiter existiert. Es befindet sich immer noch im Kriegszustand und der im Mittelpunkt stehende Held hat seine persönlichen Widersprüche gegen das Regime, macht aber trotzdem mit. Die Serie ist so erfolgreich, dass es jetzt ein Spin-Off gibt: Die Geheimen Missionen sind weniger eingebunden in den Fortgang des Krieges und präsentieren einen neuen Ermittler in den Reihen des Ahnenerbes.

Auch Richard Wolfart macht keinen Hehl aus seiner Gegnerschaft zum NS-Regime. Als Sonderermittler gehört er zur Kriegsmarine und arbeitet an Problemfällen. Hier wird er direkt von Himmler angefordert um die Vorgänge um U-142, das Phantom-U-Boot aufzuklären. Es war 1918 im sogenannten Bermudadreieck verschwunden und ist nun, im September 1945, wieder aufgetaucht. An den Geschützen haftete noch der Geruch von Pulver, die Besatzung war aber nicht zu sehen.

Das U-Boot wird aus dem feindlichen Gebiet in ein U-Boot-Dock im besetzten Frankreich verbracht und die Mannschaft muss feststellen, dass vielleicht doch nicht alles „Lebendige“ verschwunden ist. Nolane schreibt eine spannende Geschichte die mit etwas anderen Vorzeichen auch gut als X-Akte hätte durchgehen können. Bis auf die für meinen Geschmack zu häufig in das Bild springenden Abzeichen auf Uniformen, Fahnen und Kriegsgeräten ist auch der Rahmen der Armee fast austauschbar, wäre da nicht im Hintergrund die Angst vor der SS und ihren Führern. Wolfart selbst wird zwar als Kritiker vorgestellt, worin seine Kritik oder gar ein aktiv anderes Verhalten aber bestehen sollen wird zumindest in dem ersten Teil nicht deutlich.

Die Zeichnungen

Maza liebt es augenscheinlich, technisches Gerät und Waffen zu zeichnen. Auch den Einsatz dieser Waffen stellt er sehr anschaulich dar und braucht damit sicherlich keinen Vergleich mit zum Beispiel Tanguy & Laverdure oder Buck Danny zu scheuen. Und auch History-Comics zeigen mittlerweile ständig Hakenkreuze. Und schließlich: Alternativszenarios, in denen die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, gibt es relativ häufig, man denke etwa an das auf Phillip K. Dick beruhende Man in the high Castle.

Mazas Stil ist einerseits sehr realistisch, andererseits setzt er stark auf konturierende Linien. Seine Zeichnungen erinnern daher ein wenig an alte Zeitungsstrips und passen sehr gut zu diesem Actionszenario. Die Seiten haben prinzipiell ein ordnendes Raster, dieses wird aber durch wechselnde Überspannungen sehr lebendig und lässt auch Diagonalen und Überlappungen zu. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die erfolgreichen Wunderwaffen ein Spinn-off erhalten haben.

Trotzdem bleibt ein gewisses Unbehagen. Weder Zeichnungen noch Szenario zeichnen ein Bild der glorreichen Deutschen Armee oder gar der NS-Spezialtruppen. Dem Comic ist eine antimilitaristische Haltung total fremd aber auch keine militaristische zu eigen. Für eine Mystery-Serie ist das Setting auf jeden Fall eine Abgrenzung zu den unzähligen anderen Serien mit gleichem Inhalt und wird nicht dazu führen, dass viele Leser Ideologien hinterherlaufen. Handwerklich gut gemacht ist der Band allemal und so sind die Wunderwaffen-Missionen gewissen anderen Erzeugnissen 1000-mal vorzuziehen!

Natürlich ist der Band im Überformat auf festem, etwas glänzendem Papier in stabilem Hardcover wieder in guter All Verlags Qualität und daher auch als limitierte Ausgabe mit signiertem ExLibris und Schutzumschlag erhältlich.

Detail aus dem ExLibris der Vorzugsausgabe

Dazu passen ein Marine-tauglicher Grog und Reinhard Mey & Freunde mit „Nein, meine Söhne geb ich nicht“!

© der Abbildungen 2020 All Verlag, 2019 Éditions Delcourt / D. Nolane / Maza

Burn/Hurtt – Die Sechste Waffe 6

Gesamtausgabe Band 6: Geistertanz

Story: Cullen Bunn
Zeichnungen: Brian Hurtt

Originaltitel: US-The sixth Gun – Ghost Dance (30 – 35)

All Verlag
Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 19,80 €
ISBN:  978-3-96804-006-6

Die Story

Ursprünglich war die im Original bei Oni Press erscheinende Serie mal als Western mit Mystery-Elementen gestartet. Sehr schnell hatte sich angedeutet, dass das Setting zwar im Western-Milieu angesiedelt war, auch die Kostüme der Held*innen dort ihre Herkunft hatten, der angedachte Handlungsbogen aber weit darüber hinaus ging.

Es gibt sechs mythische Waffen, die die Fähigkeit besitzen, Welten bzw. Realitäten zu zerstören und neu zu erschaffen. Die neue Realität hängt also sehr eindeutig davon ab, wer die Waffen in die Hände bekommt. Nicht alle Welten sind angenehm für diejenigen, die darin leben müssen und nicht in allen gibt es gleiche Chancen auf einen „Neuanfang“.

Becky, eine der Protagonistinnen, besitzt die Sechste Waffe und wurde auf eine Reise durch die Geisterwelt geschickt. Weder dürfen ihre Begleiter*innen sie aktiv aus dieser Reise herausholen, denn dann würde sie wahrscheinlich irreparablen Schaden nehmen, noch ist garantiert, dass sie diese Reise überstehen wird. Ihr folgen nicht nur Skinwalker und Hungrige Wesen, auch ihre Gegenspieler versuchen die Situation auszunutzen.

Auf ihrer Reise reist die Heldin durch verschiedenste Inkarnationen der Realität und trifft auf Ritter und Drachen, Geister, entartete Kreaturen aber auch auf eine friedvolle Idylle im Mittleren Westen.

Cullen Bunn hat lange auf diese Episoden hingearbeitet wie im dem Band beigefügten Interview deutlich wird und freut sich, alle Register ziehen zu können. Ihm ist dabei eine besondere Serie in der Masse der Mystery-Plots gelungen, die durch den Genre-Mix überzeugen kann.

Die Zeichnungen

Brian Hurtt gibt alles, um die verschiedenen Welten und Realitäten gegeneinander abzugrenzen und wird dabei tatkräftig durch die Kolorierung von Bill Crabtree unterstützt. In dem schon angesprochenen Interview erläutern die Künstler, welche Rolle dabei die Farben spielen. Gerade durch die Beispiele wird dieses sehr deutlich und ermöglicht noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel!

Aber auch ohne diese Hinweise wird deutlich, wie stark sich der Stil und die Fähigkeiten des Zeichners im Laufe der Geschichte weiterentwickelt haben. Vereinzelt sehen Panels immer noch etwas unfertig aus, andere sind sehr detailreich, klar in der figürlichen Darstellung und Bewegung und wirken fast schon europäisch. Man merkt der Seire an, dass sie keine Auftragsware ist, sondern mit Herzblut geschrieben und gezeichnet wird.

Den Figuren sind die harte Arbeit und die schwierigen Bedingungen anzumerken. Sie sind nicht gestylt, haben keine Modelmaße und sollen nicht „schön“ sein. Sie sind ehrlich, haben überzeichnete Ecken und Kanten und sind sogar leicht karikierend dargestellt. Dadurch unterstützen die Zeichnungen aber die Geschichte und drängen sich nicht in den Vordergrund! Vom Aufbau her ist das Werk sehr klassisch: Jede Seite hat drei in ihrer Höhe variierende Panel-Reihen mit eckigen Kästen. Auch diese Ordnung unterstützt aber den Fluss der Geschichte, die von so vielen Regeln getragen wird. Zwar werden diese alle hinterfragt, das Leben läuft aber weiter.

Die Ausgabe

Wie immer bringt Ansgar Lüttgenau neben der regulären Veröffentlichung auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe an den Start. Diese hat neben einem anderen Cover und einem Schutzumschlag wieder ein von Brian Hurtt signiertes ExLibris als Beigabe! Das ist durchaus eine Überlegung wert denn die Sechste Waffe gehört zu den „guten“ alternativen Serien von der anderen Seite des großen Teiches!

Dazu passen ein Gin Tonic mit Rosmarin und der etwas angestrengte Soul der Redskins!

© der Abbildungen  2020 All Verlag / Cullen Bunn and Brian Hurtt

Feldstein/Wood – Aus dem EC-Archiv 3

Alle Science Fiction und Fantasy Stories Band 3 (1953 – 1956)

Story: Bill Gaines & Al Feldstein, Ray Bradbury, Otto Binder, Jack Oleck
Zeichnungen: Wallace Wood

Originaltitel: EC Archive 3

All Verlag

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 29,80 € |

ISBN: 978-3-96804-012-7

Mit diesem Band liegen endlich alle von Wallace Wood gezeichneten Stories aus den EC-Reihen Weird Fantasy und Weird Science bzw. ihren Nachfolgeserien auf Deutsch vor! Band 1 enthält im Wesentlichen die Geschichten von Wood und Harry Harrison, Band 2 enthält thematisch viele Stories nach Erzählungen von Ray Bradbury. Der nun vorliegende Band zeigt Wood auf dem Höhepunkt seines Schaffens für EC und zeigt deutlich, dass die zunächst sehr optimistische Grundstimmung gekippt zu sein scheint. Die Angst vor atomarer Vernichtung und vor unkontrollierbaren Mutationen aufgrund der atomaren Strahlung bilden so etwas wie einen roten Faden durch die insgesamt 24 Beiträge!

Wer mehr über den Verlag EC und seine Geschichte wissen möchte, sollte einen Blick in The History of EC Comics werfen! Der Autor Grant Geissman erzählt nicht nur von der innovativen Schaffenskraft dieses Verlages sondern beschreibt auch den Niedergang.

Die Geschichten

Die beiden Weird-Reihen waren die ersten echten Science-Fiction Comics in der Geschichte der Bildliteratur. Hier standen nicht etwa kostümierte Helden mit Superkräften im Mittelpunkt sondern Wissenschaftler, Militärs, Forscher oder aber auch einfache Raumfahrer! Anzumerken ist, dass es hier in allen Positionen Männer und Frauen gab die aktive handlungstreibende Rollen innehatten. Das Grauen kam aus den Begegnungen mit der Einsamkeit, der dann doch unbeherrschbaren Technik und natürlich auch aus den Begegnungen mit außerirdischen Wesen.

Wie bereits angedeutet stehen in den Geschichten aus der Mitte der Fünfziger Jahre aber eher „hausgemachte“ Probleme im Vordergrund. So langsam war klar geworden, dass atomare Kräfte nicht nur Kriege beenden, sondern auch gleichzeitig eine große Bedrohung für das Überleben der menschlichen Rasse darstellen konnten. So entdecken die Protagonisten der 6 bis 8-seitigen Stories auch immer wieder Zivilisationen, die sich ausgelöscht haben. Eine andere Gefahr deutete sich bereits an: Nicht nur Überlebende aus Japan sondern auch Beobachter der Testexplosionen wiesen nicht nur äußerliche Veränderungen wie Verbrennungen auf. Auch ihr Erbgut hatte Schaden genommen und Kinder waren mit seltsamen Mutationen geboren worden.

Die Zeichnungen

Mein persönlicher Favorit aus diesem abschließenden Band ist allerdings eine der beiden Bradbury Adaptionen – Es wird ein sanfter Regen fallen ist ein Abgesang auf die Moderne, melancholisch und ruhig und ein Meisterstück der SF-Literatur! Wood hat dieses perfekt in Bilder umgesetzt und die Stimmung noch verstärkt! Der Zeichner beweist ein weiteres Mal, dass er nicht nur geniale Monster erschaffen, sondern auch Stimmungen erzeugen kann, die zum Nachdenken anregen.

Ansgar Lüttgenau hat für seine Gesamtausgabe ein etwas dickeres Papier gewählt. Dieses gibt einerseits die Zeichnungen sehr genau und konturenreich wieder, erinnert andererseits aber auch an die alten Hefte! Da sich das Team außerdem sehr viel Mühe gegeben hat, die Einstiegssequenzen an die Übersetzung anzupassen ist dem Genuss keine Grenze gesetzt.

Für mich ist SF aus den 50-er und 60-er Jahren immer noch eine sehr lesenswerte Sache: Der grenzenlose Optimismus und die Technikgläubigkeit sind bereits vergangen und Fragen ob der Sinnhaftigkeit schleichen sich ein. Im Gegensatz zu späteren Epochen stehen aber Drogenexperimente und Endlosserien noch nicht im Fokus. Wally Wood verkörpert genau diese Stimmung als Zeichner und gehört für mich daher in eine Reihe mit Moebius und Mezieres!

Natürlich gib es auch wieder einen Essay über EC, Science Fiction und Wood von Heiko Langhans!

Fazit

Von mir eine klare Empfehlung für alle Fans des klassischen Comics. Wood hat vieles gezeichnet und nicht alles ist wirklich überragend, seine SF-Stories sind es aber wirklich! Für Science Fiction-Fans sowieso ein Muss und als Ergänzung zu dem oben bereits angesprochenen Band über EC mit allen Cover-Abbildungen eine perfekte Ergänzung!

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Für Afficionados gibt es natürlich wieder eine limitierte Ausgabe mit Ex Libris und Schutzumschlag aber auch die einfache Ausgabe kommt bereits im schmucken Hardcover.

Dazu passen Dark Side of the Moon von Pink Floyd und ein Gin Tonic mit Gurke und Eis!

© der Abbildungen 2020 All-Verlag, Wipperfürth

© 2020 William M. Gaines, Agent, Inc

Duchâteau/Denayer – Alain Chevallier 8

Die Rivalen

Story: André-Paul Duchâteau 
Zeichnungen: Christian Denayer 

Originaltitel: Les rivaux

All Verlag

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-946522-98-0

Alain Chevallier ist ein französischer Rennfahrer und Formel 1-Pilot, der sich im Laufe der Zeit immer mehr verbessert hat und mittlerweile zur Weltspitze gehört. Er hat keine große Firma im Familienbesitz hinter sich, sondern muss sich Erfolge und Weiterkommen selbst erarbeiten. Alain lebt in einer festen Beziehung mit einer erfolgreichen jungen Filmschauspielerin, die ihn zwar liebt und unterstützt, aber auch ihr eigenes Leben lebt.

Insgesamt 17 Alben sind erschienen und werden nun vom All Verlag in Form von einzelnen Hardcoveralben erstmals komplett auf Deutsch veröffentlicht. Siehe dazu auch die Rezi zum zeitgleich erschienenen Band 1. Noch ein Hinweis: einige könnten sich an einen gewissen Rolf Thomsen erinnert fühlen; Das war der Name des Helden während seines Auftritts im Koralle-ZACK.

Der Inhalt

Alain ist nicht der erste Rennfahrer in seiner Familie, denn auch sein Vater saß am Steuer eines Boliden bis er schließlich bei einem Unfall während des Rennens auf dem Nürburgring 1962 tödlich verunglückte. In den Unfall war ein englischer Fahrer namens Nick Hayward verwickelt, Alain hatte den Unfall als kleiner Steppke aus der Box verfolgt.

1976 sitzt nun der Junge von damals selbst am Steuer als der Große Preis von Deutschland ausgefahren wird und wie der Zufall es will kommt es erneut zu einem Unfall. Zwar kommt Alain ungeschoren davon, der Sohn von Hayward aber scheidet aus. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine Feindschaft auf und neben der Piste die gefährlich auszuufern scheint. Natürlich ist die Situation ein gefundenes Fressen für die Hyänen der Sensationspresse.

André-Paul Duchâteau beweist erneut seine Fähigkeit, eine spannende Story zu konstruieren und dabei einen Mix aus Tragödie, Drama und ein wenig Krimi zu kreieren. Die Figuren sind glaubwürdig dargestellt und auch der Handlungsablauf benötigt keine Unwahrscheinlichkeiten um zu funktionieren. Die Rivalen sind dabei gleichzeitig emotionsgesteuert als auch getrieben von den Umständen.

Die Zeichnungen

Hatte Christian Denayer im Vorwort zu Band 1 noch mitgeteilt, dass er selbst mit der Qualität seiner Zeichnungen nicht wirklich zufrieden sei, hat sich das im Laufe der Jahre deutlich verändert. Der Panel-Aufbau war schon anfangs ziemlich gut und hat sich nur leicht verändert. Die Gesichter und überhaupt die Körper der Akteure haben dagegen einen qualitativen Sprung gemacht. Sahen einige Körper anfangs noch aus wie aus einem übertriebenen TV-Cartoon lassen sich jetzt die Proportionen auch im richtigen Leben wiederfinden.

Auch die Gesichter lassen nicht nur Emotionen erkennen, sondern sind mittlerweile auch einer Person zugeordnet. Spaß beiseite: Denayer hat wie jeder Zeichner ein wenig gebraucht, an seinen Schwächen zu arbeiten. In vielen anderen Projekten und auch bei Alain Chevallier beweist er seit Jahrzehnten seine Klasse. Schöner Klassiker des frankobelgischen Comics aus der Blütezeit der wöchentlichen Magazine.

Die Ausgabe

Alle Comics aus Ansgar Lüttgenaus All Verlag zeichnen sich durch eine hohe herstellerische Qualität aus: Gutes Papier mit passenden Farben, gute Bindung, wertiges Hardcover und für die Sammler*innen auch noch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Gimmick: Ein Schutzumschlag und ein von Christian Denayer signiertes ExLibris lohnen sich durchaus.

signiertes Ex Libris der Vorzugsausgabe

Die ursprüngliche Zielgruppe bestand sicherlich aus Jungen. Einige 14-jährige werden sich immer noch für Motorsport interessieren, die meisten Käufer werden mittlerweile erwachsen sein, ihr ursprüngliches Faszinosum für Technik und Spannung aber bewahrt haben und nun auch das entsprechende „Taschengeld“ besitzen.

Dazu passen The Maytals und ein gekühlter Chardonnay.

© der Abbildungen 2020 All Verlag GmbH / 1978 by André-Paul Duchateau und Christian Denayer 

Goscinny/Tabary – Valentin 1

Valentin Gesamtausgabe Band 1

Story: René Goscinny (Kurzgeschichten), Jean Tabary 
Zeichnungen: Jean Tabary 

Originaltitel: Valentin le vagabond – Intégrale volume 1

All Verlag

Hardcover | 248 Seiten | Farbe | 29,80 € | 
ISBN: 978-3-946522-76-8

Es gibt ein paar Namen, die das Herz von Comic-Fans höherschlagen lassen. Einer davon ist der des französischen Szenaristen René Goscinny, der so klassische Geschichten wie Asterix, Lucky Luke oder den kleinen Nick getextet hat. Einiges davon ist sehr zeitlos, anderem haftet ein wenig mehr ein etwas nostalgischen Geruch an. Viele Klassiker gewinnen ihren Charme genau daraus!

Die Serie

Valentin ist dafür ein sehr gutes Beispiel! Er ist ein Vagabund und schon diese Bezeichnung wird möglicherweise heute nicht mehr verstanden. Sie bedeutet, dass der Held dieser Serie kein Zuhause hat, sondern im Wald, in Scheunen und vielleicht auch mal in Zimmern schläft. Er hat kein festes Einkommen, er arbeitet wenn nötig und nur für das Nötige – Luxusgüter wie Uhren, Wechselklamotten, sogar fließendes warmes Wasser sind im fremd. Trotzdem ist er nicht verwahrlost: Seine Taschen mögen voller Löcher sein, Valentin ist stets frisch rasiert und nutzt den Regen zum Duschen.

Mit seiner freundlichen, etwas naiven Art bietet er sich als Zielscheibe für derben Spott an und natürlich auch als erster Verdächtiger sollte mal etwas abhandengekommen sein. Zu seinem Glück gibt es aber zumindest zwei Personengruppen, die noch bedeutend einfältiger sind: Polizisten und Kriminelle! Beide tänzeln in mehreren Geschichten um den Vagabunden herum und sorgen für eine Slapstick-Pointe nach der nächsten.

Das trifft auch schon den Kern der Geschichten. Legt Goscinny anfangs in den vier Kurzgeschichten noch das Setting für den Rest und beschreibt den Kauz, lässt Tabary in den vier folgenden albenlangen Geschichten ein Feuerwerk von Situationskomik abbrennen. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Szenarist keine Ahnung davon hat, was zwei Seiten weiter passieren wird und sich der Leser*in gleich überraschen lässt. Das macht eindeutig aber auch den (auch heute noch zündenden) Reiz der Stories aus.

Die Geschichten

Die Kurzgeschichten Der Snob, Das Burgleben und Valentin beim Wintersport zeigen in Variationen die Ungeeignetheit des Vagabunden für geregelte Arbeit. Nicht, dass er nicht wollte, er findet einfach keine Befriedigung in materiellen Dingen, ist zu neugierig und auch zu ungeschickt. Dass er daneben aber ein Herz aus Gold hat wird spätestens in Der Ausbrecher klar!

Der widerspenstige Gefangene ist die erste von Tabary allein verfasste Erzählung. Goscinny hatte sich übernommen und musste sein Engagement konzentrieren. Gleichzeitig hatte er bei Tabary nach einer albenlange Serie für Pilote gefragt und dieser hatte ihm den Ausbau des gemeinsam begonnenen versprochen. Das Landleben ist kein Zuckerschlecken, insbesondere nicht für einen Knecht, der die Tochter des Bauern heiraten möchte. Abstruse aber liebenswerte Ideen werden (erfolglos) angegangen und führen zu ersten Polizei-Kapriolen.

Diese werden in Valentin gibt dem Affen Zucker noch abstruser. Ein Affe im Anzug und vier Gangster kreuzen den Weg von Valentin. Dieser kann mal wieder sein Helfersyndrom nicht unterdrücken und eine teils vollkommen verrückte, daneben aber auch spannende Kriminalgeschichte nimmt ihren Lauf.

Auch Die schlechten Triebe karikiert den Materialismus der Gesellschaft. Während sich der Vater darüber freut, den lange vermissten Sohn wiederzufinden, sehen dessen Geschwister nur ihren geldwerten Vorteil. Bitterböse und doch mit unerschütterlicher Zuversicht, denn die kleinen Kinder geben zur Hoffnung Anlass!

Der Gangsterboss beschließt den ersten Band. Wild, anarchisch, liebenswert und somit unbedingt lesenswert. Da der Geschichte allerdings die geforderte Seitenlänge fehlt, ist sie nie in einem Album erschienen.

Dazu kommen einführende Worte des Herausgebers denen man anmerkt, wieviel Spaß und Herzblut in diesem Projekt stecken!

Die Zeichnungen

Jean Tabary hat neben dem Szenario natürlich auch alle Zeichnungen erstellt. Der Stil ist seinem wohl bekanntesten Zyklus über den Großwesir, der so gerne Kalif werden würde anstelle des Kalifen nicht unähnlich. Insbesondere die Nasen der (im wahrsten Sinne des Wortes) Gezeichneten lassen den gleichen Ursprung recht deutlich erkennen.

Das Layout ist zeittypisch und reglementiert. Wilde, innovative Ausbrüche sind hier nicht zu erwarten aber immerhin ragt schon mal das eine oder andere Detail über den Panelrand hinaus. Die Hintergründe dieses Funnies sind ausgesprochen detailreich und auf Grund ihrer Kolorierung sehr fröhlich. Besonders anzumerken sind die Mimiken der im Vollbild gezeichneten Gesichter in ihrer Vielfalt!

Die Wertung

„Eine vergessene Perle“ lautet der Titel für die Anmerkungen zu der letzten Geschichte und genau das könnte auch als Überschrift über dem ganzen Werk stehen! Die in Pilote veröffentlichten Geschichten über den Vagabunden sind nicht so veraltet wie Stan & Laurel, würden heute aber natürlich auch nicht mehr so geschrieben werden können. Sie wieder zu lesen macht aber Spaß und bringt ein etwas unbekannteres Werk von zwei Großen der Comickunst zurecht wieder in die Regale!

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Die Aufmachung in schönem Hardcover und etwas übergroßem Format tut ihr Übriges und für Sammler*innen gibt es auch wieder eine limitierte Spezialausgabe mit nummeriertem Exlibris.

Dazu passen Jim Bob und ein Mischgetränk auf TriTop-Basis.

© der Abbildungen 2020 All Verlag GmbH / 2018 IMAV éditions / Goscinny – Tabary 

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