Im flämisch/niederländischen Sprachraum gibt es einige Serien, die wirklich die Bezeichnung „langlebig“ verdienen. Zeitweise waren auch Zeitschriftenveröffentlichungen dieser Serien en vogue, mittlerweile sind es aber Alben, die die Veröffentlichungen vorantreiben. Dabei ist durchaus eine hohe Schlagzahl zu konstatieren. Und so hat es auch die Spielart für Erwachsene von Suske en Wiske, Amoras bzw. de Kronieken van Amoras, schon auf insgesamt 16 Alben gebracht.
Parallele Dimensionen
Schon immer war es wesentlicher Bestandteil der Serie, dass die Protagonist*innen mit der Zeitmaschine von Professor Barabas durch die Zeit reisen konnten und so die Anzahl von möglichen Schauplätzen fast in das Unendliche ging. Seit einiger Zeit fragt sich der Professor aber, ob es neben der linearen Bewegung durch die Zeit vielleicht auch horizontale Verschiebungen geben könnte.
Als Anhaltspunkt dafür nimmt er das Schiff Antverpia, das auf seiner letzten FahrtSus Antigoon an Bord hatte. Es gibt Berichte, dass das Schiff zwar in eine Nebelbank hineingefahren sei, danach aber verschwunden wäre. Auch scheint Barabas Beweise dafür zu haben, dass der Endpunkt einer Reise zeitlich vor seinem Beginn erreicht worden ist. Natürlich sind Lambik, Suske und Wiske sofort bereit, bei der Aufklärung zu helfen und lassen sich in damalige Zeit versetzen.
Insbesondere letztere haben natürlich auch ein eigenes Interesse an der Reise, hatten sie doch gemeinsam davon geträumt, an Bord der Antverpia gewesen zu sein. Während die Reise in die Zeit reibungslos gelingt, sind der Aufenthalt dort und auch die spätere Rückkehr nicht ganz so einfach. Marc Legendre erzählt wieder eine spannende Science-Fiction Story, die mit Reminiszenzen an das Original nicht spart und sogar Rikki zurückbringt.
Action und Gefühle
Charel Cambré beherrscht seine Figuren mittlerweile wahrscheinlich im Schlaf. Trotzdem schafft er es, die Geschichte nicht nur routiniert runterzuzeichnen. Seine Actionszenen wirken wie Standbilder, die jeden Moment weiterlaufen könnten und sind – trotz der manchmal beigefügten karikaturesken Überhöhung – sehr realistisch. Auch die gezeigten Emotionen in Gesichtsausprägung oder Körpersprache wirken authentisch.
Zusätzlich baut der Zeichner immer mal wieder ein wenig Humor in den Dekors seiner Panels ein und variiert häufig die Ausschnitte und Blickwinkel. Für Langeweile beim Genießen ist daher kein Platz und auch die vielen Lautmalereien tragen zu der Rasanz bei. Sehr kurzweilig!
Der Tipp für den Urlaub in den Niederlanden
Die Urlaubszeit hat begonnen und die Niederlande (und natürlich auch der flandrische Teil Belgiens) sind ein beliebtes Ziel. Die Amoras Bände sind nicht nur im Comic Spezialhandel vorrätig, sondern auch in Kiosken, Buchhandlungen und teilweise auch Supermärkten. Wer die Serie nicht kennt, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren!
Während Amoras aus sechs aufeinander aufbauenden Bänden besteht (auf Deutsch im ZACK), sind die Kronieken unabhängig voneinander, auch wenn es manchmal Zwei- oder Dreiteiler gibt.
Dazu passen The Regrettes mit „Barely on My Mind” und ein La Cambre IPA.
Manchmal dauert es ein Weilchen, bis eine Rezension tatsächlich fertig wird. Meistens ist das nicht weiter schlimm, das WWW ist ja ein riesiges Archiv, in dem nichts verloren geht und ein Tipp bleibt über lange Zeit gültig. Bei Magazinen ist das eigentlich anders, denn meistens interessiert nur die aktuell am Kiosk vorrätige Ausgabe. Die folgende Besprechung ist daher eher allgemein zu verstehen!
Comics für Kinder und Jugendliche
Das JUMP bietet eine breite Auswahl von Strips für Kinder ab 8. Damit steht es natürlich einerseits in der Tradition von Robbedoes, Kuifje oder dem Suske en Wiske Weekblad, befindet sich andererseits aber auch in direkter Konkurrenz zu Superheld*innen und den Disney Titeln. Namenspate ist die Serie JUMP von Charel Cambré die sowohl im Innenteil mit einer längeren Geschichte als auch auf dem Backcover mit einem Einseiter auftaucht. In flüssigem Stil gezeichnet werden die Abenteuer von drei Freund*innen erzählt. Spannung und Spaß stehen im Vordergrund der modernen Geschichten.
Dazu kommen weitere längere Stories: Gilles de Geus von Hanco Kolk und Dick Heins erzählen von dem kräftigen, aber etwas tumben Helden im Mittelalter. Timo von Alex Turk ist ebenfalls ein wenig hilflos. Auch dieser Held ist natürlich schließlich erfolgreich, stolpert dabei aber von Panne zu Panne.
Daneben gibt es kürzere Beiträge in ganz unterschiedlichen Stilarten von chaotisch-nervös zu verträumt. Unverkennbar ist aber der Einfluss des in Spirou gepflegten Stil. Anlesetipps sind etwa Mythos, Rembrandt oder Swamp Thing.
Komplettiert wird JUMP mit Uitgeverij Personalia Serien wie Sjors en Sjimmie oder Pinantie United und international Bekanntem wie De Kleine Robbe oder Kid Lucky.
Bunte Mischung
Da dazu auch immer noch (kindgerechte!) Interviews, Knutseleien und Rätsel sowie Gewinnspiele kommen, stellt das JUMP mittlerweile nicht nur eine sehr gute Mischung von kindgerechter Unterhaltung aus dem Comic-Bereich dar. Es braucht auch keinen Vergleich mit existierender oder historischer Konkurrenz zu fürchten! Möglicherweise einziges Manko ist die monatliche Erscheinungsweise die aber auch das Taschengeldproblem entschärft.
Schade, dass Vergleichbares in Deutschland nicht existiert!
Dazu passen Randale mit ihrer Rockmusik für Kinder, etwa dem Hardrockhasen Harald und natürlich ein Getränk aus den Niederlanden: Fristi.
Üblicherweise finden Interviews mit Comic-Künstler*innen auf Veranstaltungen statt. Mehr oder weniger geplant hat man einen Termin, quetscht sich in irgendeine halbwegs ruhige Ecke und spricht miteinander. COVID-19 hat leider auch dem einen Riegel vorgeschoben; Ausstellungen, Börsen und andere Events sind abgesagt oder finden online statt. Ich bin daher sehr froh, dass Charel Cambré und Marc Legendre bereit waren, meine Fragen Corona-konform schriftlich zu beantworten.
Wer ist …? Die Künstler
Wer comix-online bereits etwas länger folgt, wird die beiden Namen bereits das eine oder andere Mal gelesen haben. Sie haben drei Geschichten unter dem Titel Robbedoes special miteinander entwickelt. Sie waren allein für den niederländisch-sprachigen Markt vorgesehen und hatten Spirou und Fantasio (um die hier in Deutschland gebräuchlichen Namen zu verwenden) in eine modernisierte, aber doch mit Reminiszenzen an die klassische Serie gespickte Version verwandelt.
Parallel dazu hatte Charel über die Jahre an einer mittlerweile 17 Bände umfassenden Serie Jump gearbeitet. Diese war im letzten Jahr namensgebender Inhalt für ein neues, auf Kinder zugeschnittenes Magazin. Daneben veröffentlicht der Belgier unter anderem auf facebook strips, die sich mit der königlichen Familie oder Fußballer beschäftigen. Marc, 1956 in Antwerpen geboren, war bereits 1993 Chefredaktuer des Suske en Wiske weekblads und textete unter anderem neue Abenteuer des Roten Ritters. Er hat also eine lange Verbindung zu Comics von Willy Vandersteen.
2013 war es dann soweit: Das erste Abenteuer von Amoras erschien bei Standaard. Suske en Wiske für Erwachsene in einer dystopischen Welt im Jahre 2047 mit all dem klassischen Personal der offiziellen Serie und als Reminiszenz an das erste Abenteuer der Reihe von 1945 das auf der Insel Amoras spielt. Innerhalb kurzer Zeit hatten die beiden die geplanten sechs Bände abgeliefert. Wegen des großen Erfolgs wurde die Reihe um die folgenden Kronieken van Amoras erweitert. Hier stehen einzelne Akteure oder Themen im Vordergrund. Aktuell ist der Band sieben.
Das Interview
c-o: Marc, Charel, readers of comix-online know you because of Amoras, Robbedoes special and Jump, but the typical German comics-reader does not. Do you have any reason for not being that well-known on this side of the border?
Charel: I had a lot of series here in the past and still have now. They always are quite popular series, so I guess that’s the main reason.
Marc: I think there’s no real reason why our books are well known in Germany. Of course we ‚d like to be well known on your side of the border, but it’s never easy to sell your products. Biebel was an overwhelming succes in Holland and Flanders, it sold well in France, Italy, Greece, Turky… Everyone who sees Biebel, loves the character, but I don’t know why it never appealed to a German editor.
c-o: Charel, you create a lot of stuff around Dutch and Flemish celebrities and the Elftal. How important is it for you to live in the same setting as your stories?
Charel: I follow what happens in the media, but nowadays that’s possible everywhere, I guess.
c-o: Marc, you are doing another series from Willy Vandersteen, the Red Knight, currently. How is it to work in someone else’s ideas?
Marc: Well, I read this books as a child and me and my brothers were huge fans of these series. I could never dream that one day I would be making this stories myself. So it’s a Wonderfull feeling. The heritage of Willy Vandersteen is enormous. The characters, the world in which the adventures take place, their way of acting and speaking… it’s a real joy to get the opportunity to collaborate and to introduce these classic series to a new generation of readers.
Die Zeit mit Robbedoes
c-o: You stopped working on Robbedoes as the character was not open enough to be added by own ideas. But then you started drawing another very classical group of characters, although modernized and twisted. How did you assure your artist’s freedom on the one compared with the other?
Charel: The main reason why we decided not to work on Spirou anymore is because I expected more from the project. Also, Dupuis wouldn’t publish the albums in French for some mysterious reason, call it the huge gap between the two cultures in our country. I can’t see another reason. A shame I think, so we moved on.
Marc: For the first album, Happy Family, we got carte blanche and we could do whatever we wanted. It felt as a present and we enjoyed ourselves. But from the second album onwards, a lot of people interfered. For some mysterious reason we could not use the southcoast of France anymore. A complete idiot in the story should become less idiot, France should become Holland etc. Also we got the message that it could not be just amusement, they literally proposed us to change the Far West for Mesopotamia in a story that I wrote. There it ends.
Die Zusammenarbeit
c-o: Charel, how is your collaboration with Marc Legendre? Are you involved in storytelling or is your work strictly divided into story-writing and artwork?
Charel: Sometimes the Idea for a Kronieken album comes from me, sometimes from Marc, but Marc always decides how the story goes. Amoras was our first big project together, since then we worked on 3 Spirou Family albums and now, we’re working on yet a few other projects. We are like a married couple, sometimes I hate him and vice versa, but we work great together.
c-o: Marc, what would you add from your perspective?
Marc: Like Charel says, sometimes we use his ideas, sometimes mine. We have different opinions about comics and storytelling. I believe readers are intelligent enough to understand the story we’re telling while Charel likes to explain everything. So we’ve regular clashes. Sometimes he wins, sometimes I lose hahaha.
c-o: Amoras is some sort of Science-Fiction and you did already a piece of illness with the Killerbacterie. Have you ever thought of a situation like the current pandemic as a setting for a story? Or has reality outperformed thinking?
Charel: Hahaha, no, that was a total coincidence. We are working now on a new project called “Fresh Fish” which has a bit of that element in it. It appears in the Eppo magazine in Holland.
Marc: I’m not sure readers are looking forward to more stories about covid and corona. They want their normal life back.
Amoras kommt nach Deutschland in das ZACK
c-o: It is already announced that ZACK will start Amoras in August. What would you like to tell your German readers?
Charel: I really hope they like the drawings but even more, the story Marc has written. We think it gives a new dimension to the Suske and Wiske universe, without touching their DNA.
Marc: Enjoy reading as much as we enjoy making it!
Danke für dieses Interview! Natürlich wird comix-online die beiden Künstler weiter im Auge behalten und auch die Veröffentlichung im ZACK begleiten.
(c) der Abbildungen 2013 – 2016 DUPUIS, 2013 – 2021 Standaard Uitgeverijj, Charel Cambré und Marc Legendre; Fotos by permission of Charel Cambré und Marc Legendre
Im letzten Band hatte Sidonia ihren Gewinn noch dafür verwendet, einen Wohnwagen zu kaufen um allen einen Sommerurlaub zu ermöglichen. Nun ist das Geld bereits wieder Mangelware und Sus und Wiske versuchen, ihren Beitrag zu leisten. Wiske war beim Straßensport angegriffen worden und Suske ihr beigesprungen. Den viel größeren Gegner hatte er mit der Faust niedergestreckt und so die Aufmerksamkeit eines komischen Typen erlangt.
Viel Geld wäre im Kampfsport zu verdienen, besonders für ein so junges, unbekanntes Talent, dass auch noch so unscheinbar aussehe, ein Underdog eben. Tatsächlich lassen sich die beiden darauf ein, doch dann begreifen sie langsam, dass der Sinn der Auseinandersetzung nicht der sportliche Wettkampf, sondern die Wetten am Rande sind und der Ausgang der Kämpfe manchmal geplant ist.
Ab dann überschlagen sich die Ereignisse: Wiske wird entführt, Jerom und Lambiek wandeln auf komischen Pfaden und Sidonia verabschiedet sich auf ein geheimnisvolles Wochenende.
Die Umsetzung
Das Tempo, in dem Legendre und Cambré neue Abenteuer vorlegen, ist schon beachtlich, ist es doch erst sieben Monate her, das Band 5 erschienen war. Der Qualität der Zeichnungen oder der Story ist das nicht anzumerken, denn beide sind auf hohem Niveau. Der Zeichenstil erinnert manchmal an den von Michel Vaillant, lässt aber den altbekannten Vandersteen-Stil noch erkennen.
Die Story ist sauber aufgebaut und steigt mitten in das Kampfgeschehen ein; der Werdegang wird dann als Rückblick erzählt. Ständig wird zwischen actionbetonten und ruhigen Abschnitten gewechselt. Dialoge und Situationsbeschreibungen wie etwa das fehlende Geld werden genauso sorgfältig präsentiert wie Reaktionen auf verlorene Wetten oder andere Halbweltthemen.
Für mich definitiv eine der besten aktuellen europäischen Serien – spannend, modern, actionorientiert aber nicht gewaltverherrlichend, schnell erzählt und trotzdem mit nachvollziehbaren Charakteren gefüllt!
Es gibt im Übrigen ein Ex Libris für alle Käufer*innen mit Bezug zu Corona.
Dazu passen The Younghearts und ein Kompaan Vrijbuiter.
In der Reihe Klassiker des Quartals soll heute ein Magazin gewürdigt werden, das von 1946 an fast 50 Jahre lang wöchentlich erschienen ist und ursprünglich der niederländisch-sprachige Ableger des Brüsseler Magazin Tintin gewesen ist. Nach der Einstellung dieses Magazins 1988 lief die flämische Ausgabe Kuifje weiter und hatte von 1989 an eine eigene französische Ausgabe unter dem Titel Hello Bédé. 1993 war dann endgültig Schluss! Zwischenzeitlich waren von dem Heft wöchentlich über 600.000 Exemplare verkauft worden.
1981 erschien das Hardcover „35 Jaar Weekblad Kuifje – 35 Jaar Humor“ zur Feier des Jubiläums bei Lombard das antiquarisch noch für rund 10€ in lesbarem Zustand erhältlich sein sollte. Für besonders gut erhaltene Exemplare mit Schutzumschlag muss deutlich mehr angelegt werden.
Die Konkurrenz
Während der gesamten Zeit lieferte sich Tintin/Kuifje ein Wettrennen mit Spirou/Robbedoes. Versammelte das erstere hauptsächlich die Brüsseler Schule mit der Ligne Claire um sich, war das zweitere das Publikationsorgan der Ecole Marcinelle. Trotzdem wechselten Zeichner und Autoren zwischen den Magazinen. Andre Franquin war der einzige, der unter seinem Namen eine Zeitlang gleichzeitig für beide Magazine tätig war. Robbedoes/Spirou war anfangs auch während der deutschen Besetzung Belgiens erschienen und dann von den Deutschen verboten worden. Das Magazin aus dem Hause Dupuis bzw. sein Chefredakteur hatte dabei den Widerstand teilweise aktiv unterstützt. Hergé hatte sich während des Krieges dagegen unter das Dach der von Deutschen gesteuerten Le Soir begeben und sich nach Kriegsende wegen Kollaborationsvorwürfen verteidigen müssen. Der Popularität seiner Figuren tat das keinen Abbruch.
Mitte der 60-er Jahre war die Fortsetzung Kuifjes schon einmal gefährdet; der Inhalt entsprach nicht mehr dem Geschmack des „neuen“ jungen Publikums. Ab dem 1. Oktober 1965 änderte der gerade eingesetzte Chefredakteur Greg das Konzept und brachte längere Fortsetzungen und neue, moderne aber auch Gewalt nicht mehr aussparende Geschichten, etwa Luc Orient, Bruno Brazil oder Comanche. Diese Neuausrichtung war nicht nur ein zweiter Frühling, sondern etablierte eine ganze neue Generation von Serien und Künstlern. Konzeptgemäß sind in dieser auf die humorigen Serien fokussierten Ausgabe keine Beispiele der neuen Reihen enthalten. Obwohl das Blatt mit dem Spruch „von 7 bis 77 Jahren“ warb, waren ab diesem Zeitpunkt sicherlich nicht alle Inhalte auch für alle Altersgruppen gleich geeignet.
Mit der 68-er Bewegung kamen aber auch andere Herausforderungen auf die Macher der „alten“ Magazine hinzu. Das politische Klima liberalisierte sich mehr und mehr und die katholisch-konservative Ausrichtung von Kuifje war nicht mehr en-vogue. Künstler*innen wollten neue Sachen ausprobieren, Rechte an ihren Figuren behalten und gleichzeitig drohte die zunehmende Nutzung von Kino und Fernsehen den Printmedien erstmals die zahlenden Kund*innen wegzunehmen. Neben Fantasy/SF-lastigen Titeln wie Heavy Metal/Schwermetall kamen auch moderne Hefte wie Pilote oder (A Suivre) in die Regale. Im Endeffekt überlebt hat davon aber bis auf Spirou und eher Satire-lastige Magazine wie Charlie Hebdo keines.
Etwas anders sieht es im niederländisch-sprachigen Markt aus: Zwar sind das Suske-en-Wiske-Weekblad und Robbedoes mittlerweile ebenfalls verschwunden, das Eppo (vormals PEP) existiert aber wieder!
Der Inhalt
In diesem Band werden in chronologischer Abfolge Beispiele für die humorigen Comics aus Kuifje abgedruckt. Den Beginn macht dabei (natürlich) ein Zweiseiter von Hergé mit Kwik en Fluppke (dt. Stupps und Steppke) von 1947. Zu Beginn sind übrigens durchaus noch schwarzweiße bzw. schwarz-rote Beiträge dabei, da nicht jede Seite vierfarbig angelegt war.
Die Auszüge geben einen guten Überblick über die Entwicklung des Magazininhalts: Waren anfangs noch Slapstick und Humor in altbackener Weise gefragt, wandelte sich der Inhalt über die Jahre zu auch heute noch lesbaren Klassikern wie Dommel/Cubitus oder Roodoog/Häuptling Feuerauge. Deutschen Leser*innen sind die Serien teilweise aus dem alten Koralle-ZACK bekannt das anfangs einen Teil des Materials in Lizenz abgedruckt, später sogar einige der Zeichner und Szenaristen abgeworben und mit eigenen Verträgen ausgestattet hatte. Ganz zum Schluss kommen dann auch Karrikaturartige Beiträge hinzu.
Viele der Serien zählen noch heute zu den Klassikern! Dazu gehört sicherlich Ton en Tinneke(Mausi und Paul). Diese klassische Familienserie wurde von Greg und Franquin entwickelt als letzterer frustriert von den Zuständen bei Dupuis eine Alternative gesucht hatte. Im Endeffekt hatte das dann zu einer Doppelbelastung geführt die Franquins Gesundheit sicherlich nicht zuträglich war. In dieser Zusammenstellung ist nicht nur die erste Seite überhaupt von 1955 (mit einem Szenario von Peyo) enthalten, sondern auch weitere Versionen durch Attanasio (1966), Mittéï und Cricri (1974) sowie Walli (1981).
Daneben gibt es aber noch weitere Beispiele von aktuell
laufenden Reihen, etwa Dirk-Jan, der
im Eppo Heft für Heft dabei ist. Auch
Olivier Blunder (Albert Enzian) oder Robin Hoed
(Robin aus dem Wald) gehören dazu.
Kooperation mit Willy Vandersteen
Interessant ist auch, dass Suske en Wiske von 1948 bis 1959 ein Gastspiel in Kuifje geben hatte. Die acht Abenteuer, die heute unter der Bezeichnung „Blaue Reihe“ laufen, hatten einen etwas anderen Zuschnitt als die traditionelle („Rote“) Reihe und musste ohne Tante Sidonia und Jerom (auf Deutsch in den Bastei-Zeiten Wastl) auskommen. Nach einem Zerwürfnis zwischen Willy Vandersteen und Hergé wurde die vorgesehene neunte Geschichte nicht mehr veröffentlicht. In diese Zusammenstellung wurden von Vandersteen daher nur zwei Seiten seiner Serie über den kleinen Prinzen ´t Prinske aufgenommen.
Fazit
Heute würden die meisten der abgedruckten Gags nicht mehr
als zeitgerecht empfunden werden. Als Dokument dieser Entwicklung ist die Sammlung
aber gut geeignet. Zudem war das Magazin in seiner Zeit absolut stilprägend
sowohl für die Niederlande und Flandern direkt als auch über die verschiedenen
Publikationen aus dem Kauka-Imperium
und das ZACK in Deutschland.
Dazu passen eigentlich nur der King (selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang Elvis damit gemeint, der im Januar 85 Jahre alt geworden wäre), ein Tomaten-Mayonnaise-Pilz und ein klassisches Grolsch.
De zwarte Madam
ist zurück! Allein diese Aussage machte schon neugierig auf den vierten Teil
des Spin-offs der alternativen, für ein erwachsenes Publikum gedachten
Abenteuer von Suske und Wiske im Amoras-Kosmos. Die Kronieken konzentrieren sich dabei auf einzelne Personen, sollen
aber trotzdem den Kosmos weiter aus- und aufeinander aufbauen.
Die ursprüngliche Reihe unter dem Titel Amoras erzählte in sechs Bänden auf dystopische Weise ein Zukunftsszenario mit viel Gewalt, großer Kluft zwischen Arm und Reich und führte Androiden in die ansonsten eher beschauliche Welt des Longsellers von Willy Vandersteen ein. Die ersten drei Bände der folgenden Kronieken hatten sich unter dem Titel de Zaak Krimson auf die Beziehung zwischen Lambik und dem Psychopathen Krimson konzentriert.
Die Geschichte
Die schwarze Madam
gehört zu den beliebteren Nebenfiguren der Originalserie und ist immer ein
wenig tragisch. Einerseits ist sie irgendwie böse, andererseits viel zu
theatralisch, um es wirklich zu sein. So nimmt sie eher die Rolle eines Quälgeistes
ein. Nun taucht sie also wieder auf und möchte mit ihrer neuen Theaterrevue Gardavu! den Sprung nach Amerika
schaffen. Ihr Programm ist aber – natürlich – viel zu ernst und so sucht sie
nach einer Möglichkeit, Humor hinzuzufügen.
Lambik und Jerom scheinen gerade Recht zu kommen, um mit
ihrer unfreiwilligen Komik das Programm aufzupeppen. Währenddessen muss sich Sidonia
in einer nicht wirklich passenden Parallelhandlung mit dem Vorwurf
auseinandersetzen, ein Luxuskleid geklaut zu haben. Der spannendere Teil dreht
sich aber um den Androiden Diez. Sie ist im letzten Teil beschädigt worden und
liegt nun im Müll wo sie von Theofiel Boemerang gefunden wird, der sie als
Putzroboter und für andere Dinge aufpeppen möchte. Natürlich ist Diez damit
nicht einverstanden und es entwickelt sich eine muntere Verfolgungsjagd mit
verschiedenen Beteiligten zu denen neben Suske und Wiske, Jerom und Teofil auch
die geheimnisvolle Academie gehört. Letzteres möchte sein Eigentum zurückhaben
und scheut vor Gewaltanwendung nicht zurück…
Die Umsetzung
Über die Qualität der Zeichnungen von Charel Cambré noch ein Wort zu verlieren, hieße fast schon Eulen nach Athen zu tragen! Seine Bilder sind so voller Dynamik, dass man beim Lesen fast schon erwartet, dass die Figuren aus dem Rahmen springen und anfangen, sich zu bewegen. Im gelingen dabei Dekors genauso gut wie Menschen und auch die Mischung aus Technik und humanem Aussehen der Androiden gelingt ihm ausgesprochen gut (ohne dabei in das niedliche Aussehen abzugleiten, dass etwa beim ersten Robbedoes Spezial-Abenteuer zum Tragen kam).
Die Bilder sind dabei viel heller und freundlicher als in
den anderen Bänden und spielen auch mehr mit Ironie. Während sich sonst der
dystopische Charakter fast in jeder Kolorierung zeigte, könnte das aktuelle
Abenteuer heute spielen. Der alternative, erwachsene Touch ist immer noch im
Zeichenstil deutlich, die Stimmungen gleichen sich aber an.
In gewisser Weise gilt das auch für die Storyline von Marc Legendre. Obwohl die Geschichte in sich stimmig ist und spannend erzählt wird, trägt sie wenig zu einem alternativen Kosmos bei. Vielleicht brauchten die Beiden auch einfach ein wenig Ruhe im Umfeld um die Geschichte mit Diez ein wenig voranzutreiben um dann im nächsten Teil wieder Fahrt aufzunehmen.
Von den Zeichnungen her ist auch dieser Teil ein absoluter
Kauf Tipp, die Story spricht dagegen eher Komplett-Sammler an.
Dazu gehört „Bohemian Rhapsody“ von The Queen, denn nichts anderes würde wirklich zu der Revue Gardavu! passen. Heutzutage für solche Shows fast schon üblich wäre ein spezielles Craft Bier. Es würde stark gehopft sein und eher dunkel!
Im Mittelpunkt der 13. Ausgabe der StripGlossy
aus Leens bei Groningen steht der italienischstämmige Dino Attanasio. Attanasio arbeitete zunächst in Italien in
der Zeichentrickfilmbranche, emigriert aber schon 1948 zusammen mit Vater und
Bruder nach Brüssel. Nach kurzer Zeit wechselte er von dem Zeichentrickfilm zum
unbewegten Comic. Da Belgien (mindestens) zweisprachig ist, kommt er dort auch
ohne Kenntnisse des Holländischen gut zurecht und wenn es doch einmal von Nöten
ist, übersetzt seine Frau.
Dino Attanasio
Dino Attanasio hat nie den Sprung in die erste Reihe der frankobelgischen Künstler*innen geschafft; umso mehr bleibt jetzt (wieder) zu entdecken. Seine Comic-Karriere began zunächst bei Spirou/Robbedoes doch schon bald erfolgt der Wechsel zu Tintin/Kuifje wo er unter anderem Ton en Tineke (auf Deutsch Mausi und Paul) von André Franquin übernimmt. Daneben entwickelte er Bob Morane und zeichnete nach Texten von René Goscinny den Funny Spaghetti. Ab 1964 kommen dann der Detektiv-Funny Johnny Goodby nach Szenarios u.a. von Martin Lodewijk für Pep/Eppo und gegen Ende der 60-er Jahre die Serie „Macaroni’s“ über einen italienischen Fußballverein im Spannungsfeld der (amerikanisch/italienischen) Mafia. Letztere erschien in Deutschland in dem Taschenbuch 1.FC Fußball & Comic, das die Möglichkeit bot, die Bundesligaergebnisse einzutragen und sich daher bei Jungen einer großen Beliebtheit erfreute.
Dino Attanasios Serien stehen aber fast noch mehr im Licht dieser Ausgabe. Schon das Titelbild
ist eine Hommage von Danier (d.i. Daan Jippes) an die Serie Spaghetti und es folgt im Heft noch ein
aktueller Vierseiter von Jippes nach
einem Text von Frans Hasselaar.
Daneben gibt es aber aus der Originalserie die (Sjors-)Einführungsseite von 1974 sowie die dort referenzierte erste
Geschichte. Und da die Liebe (auch zu einer Comicfigur) ja bekanntlich durch
den Magen geht, ermöglicht man den Leser*inneneinen ersten Einblick in das Ende
des Jahres erscheinende Stripkookboek
mit einem Rezept für Entenbrust in Limoncello!
Auch die Macaroni’s bekommen ihre Neuinterpretation, gezeichnet und getextet von Dick Matena. Zum Schluss darf natürlich auch Johnny Goodbye nicht fehlen: Neben dem Reprint einer Originalseite von Attanasio dürfen Robbert Damen und Michiel Offerman ihre Version zum Beste geben. Moderner, den Ton aber treffend!
StripGlossy bietet damit eine umfangreiche Mischung aus Informationen über den
Künstler Dino Attanasio und Comics
entweder von ihm selbst oder aber von anderen als Hommage ausgestaltet. Die
informativen Beiträge sind dabei sowohl als Interview als auch als Artikel gestaltet
und daher wiederum sehr abwechslungsreich. Durch diese ergibt sich ein gutes
Bild des Wahlbelgiers. In den meisten Magazinen gibt es oft entweder nur das
Eine oder das Andere und das alleine ist schon ein Grund, diese Ausgabe zu
kaufen (auch für diejenigen Leser*innen ernst gemeint, die des Niederländischen
nicht soo mächtig sind).
Die Comics
Wie gehabt enthält das StripGlossy aber auch eine ganze Reihe an anderen Comics. Das Spektrum reicht dabei von Ein-Bild-Karikaturen über klassische Strips wie Gilles de Geus, der großartige de Generaal oder Tom Poes und aktuelle Helden wie Beterman (von vanO, dessen Serie Rhonda in ZACK publiziert worden ist) über die regelmäßigen Serien wie FFlint (eine Detektivgeschichte von Ger Apeldoorn und Fred de Heij), Saul (eine Storm-ähnliche Serie von Willem Ritstier und Apri Kusbiantoro), den Noir-Krimi Nick Name von Alex van Koten und die Kreuzfahrergeschichte Jelmer von Josse Pietersma und Roelof Wijtsma.
Dazu kommen noch kürzere, von Artikeln begleitete Comic-Seiten etwa von den WiRoJas, Claire oder sogar einer Disney-Geschichte. Wer einen Überblick über die Entwicklung der Neunten Kunst in unserem Nachbarland abseits der Standaard Uitgeverij gewinnen möchte, kommt eigentlich an StripGlossy nicht herum.
Insgesamt also wieder 132 Seiten prall gefüllt
mit aktuellen und klassischen Comics aus dem Niederländisch-sprachigen Raum (bzw.
in der entsprechenden Übersetzung), Artikeln, Interviews und News über das
aktuelle Geschehen, ein paar weiterführenden Anzeigen die mehrere Stunden
lesevergnügen bereiten sollten und sich zudem auch noch für das Archiv eignen!
In Kürze erfahrt ihr mehr über das StripGlossy und das neue Albenprogramm der
Herausgeber auf comix-online – stay tuned!
Dazu passen ein eisgekühltes Peroni und italienischer Ska von Banda Bassotti.
Die Gesamtausgabe der vier Bände von Africa Dreams fällt ein wenig aus dem Rahmen: Sie ist keine nette Abenteuergeschichte und auch wenn sie in gewisser Weise ein Happy End hat, konnten Millionen von zu dem Zeitpunkt bereits getöteten davon nicht mehr profitieren. Maryse und Jean-François Charles beschreiben in diesem von Frédéric Bihel umgesetzten Werk die „Befreiung“ des Kongo aus dem persönlichen Eigentums König Leopold II. von Belgien und den dazu nötigen Kampf um die veröffentlichte Meinung.
Besonders hervorzuheben ist dabei, dass es sich bei dem Ehepaar Charles um zwei Belgier handelt, sie also tief in die Geschichte ihres eigenen Landes abtauchen müssen. Das Bild des Königs ist dabei gar nicht so einfach zu fassen. Einerseits steht seine Grausamkeit in Bezug auf die Bewohner*innen des Kongo außer Frage, andererseits setzte er sich durchaus etwa für die Abschaffung der Sklaverei ein und wird im Kongo selbst immer noch respektiert für seine Rolle in der Schaffung und Konstituierung des Gebildes „Kongo“ an sich. Und trotz aller deutlichen Kritik am „Kongogräuel“ ist diese Geschichte kein Hass-Dokument.
So beginnt die Geschichte denn auch 1960
während eines Museumsbesuches mit einer sehr lobenden Erklärung, dass König Leopold II. Belgien den Kongo
geschenkt, die Wilden zivilisiert und der Welt damit Gutes getan habe.
Natürlich werden diese Aussagen auf den folgenden fast 200 Seiten dekonstruiert
und mit der heutigen Kenntnis auch reflektiert. Der Vorwurf der Nestbeschmutzung
wird von traditioneller Seite trotzdem erhoben werden.
Worum geht es?
Leopold
II., einer der reichsten Männer Europas zu seiner Zeit,
hatte den Forscher Dr. Stanley beauftragt, Forschungsstützpunkte im Inneren Afrikas
zu gründen und dann das darum liegende Land gekauft und Freistaat Kongo
genannt. Er selbst war nicht nur König von Belgien, sondern auch Herrscher über
dieses 80-mal größere afrikanische Gebiet und wollte seinen nicht unerheblichen
Einsatz zurück.
Der Freistaat Kongo lieferte im Wesentlichen Kautschuk und Elfenbein. Um den maximalen Profit zu erzielen (und weil er Sklavenhandel wirklich nicht mochte) setzte Leopold, der den Kongo selbst nie betreten hat, Zwangsarbeiter ein und sorgte mit einem blutigen und auf Horror basierendem System dafür, dass möglichst billig möglichst viel produziert werden konnte.
Katholische Priester, die zu Missionszwecken
im Land tätig waren, waren offiziell nicht in Gegnerschaft zu diesem Verhalten
des gläubigen Herrschers und wiesen ihre Priester vor Ort an, keine Kritik zu
äußern oder zu unterstützen. Die evangelischen Missionare waren dagegen eher
bereit, über Missstände zu berichten oder für Verbesserungen zu sorgen.
Paul
Delisle ist einer der Belgier, die während ihrer Zeit
in Afrika erkannt haben, dass es sich bei den Eingeborenen keineswegs um Wilde
handelt, die den Status der Ware nur knapp verlassen haben, sondern um Menschen
mit den gleichen Rechten und findet zunächst sich selbst, dann seinen Frieden
und sein Glück.
Edmund
Morel entwickelt sich vom passiv beobachtenden
Beschreiber zum aktiven Schreiber für die Rechte der Schwarzen und gegen die
Unterdrückung.
Henry Morton Stanley ist nicht nur Forscher, sondern auch immer mehr in die Schachzüge seines Gönners König Leopold eingespannt und gibt kein gutes Bild ab.
König
Leopold II. schließlich wird über die mehr als
20-jährige Periode seiner Herrschaft über den Kongo dargestellt. War er zunächst
noch fasziniert von den Wundern des Kongo, standen später ehr seine amourösen Interessen
im Vordergrund um schließlich vom Kampf um die Deutungshoheit abgelöst zu
werden. Ganz zum Schluss steht dann tatsächlich die Befriedigung über einen
Deal mit Belgien über den Verkauf des Gebietes an sein Königreich in seinen Augen.
Die Umsetzung
Mir persönlich gefallen die Zeichnungen von Frédéric Bihel nicht ganz so gut wie die von Jean Francois Charles in India Dreams. Sie gehören gleichwohl zur Oberklasse. Gerade durch die wasserfarbenartige Kolorierung gewinnen die Figuren und das Dekors etwas Altertümliches, das fast zu perfekt zu dieser Geschichte passt. Es lässt sowohl Landschaften wie auch Gesichter plastisch wirken, erinnert an alte Kunst und ist trotzdem realistisch. Die Schrecken werden dadurch aber auch etwas abgemildert. Der Seitenaufbau ist dabei äußerst flexibel; er verlässt das klassische tabellenartige Schema zwar so gut wie nie, hat aber viel Varianz in der Höhe und Breite und wird dadurch nicht langweilig. Im Verlauf werden immer wieder Zeitdokumente wie Fotos oder Zeitungen eingestreut, die eine größere Schärfe besitzen und sich dadurch deutlich abheben. Auch dieses ist sehr gelungen!
Hinweisen möchte ich darauf, dass die Gräuel wie abgeschlagene Hände oder niedergebrannte Dörfer durchaus gezeigt werden, Massenvergewaltigungen oder -tötungen dagegen nicht. Der Splatter steht hier also keinesfalls im Vordergrund. Trotzdem handelt es sich bei dieser Auseiandersetzung keinesfalls um etwas für jedes Kind geeignetes.
Abgerundet wird diese Gesamtausgabe durch Zeitdokumente und Skizzen im Anhang, ergänzt durch einen Essay von Colette Braeckman, Expertin für Zentralafrika unter anderem für die Le Monde Diplomatique. Dadurch wird dem/der Leser*in noch mehr Möglichkeit gegeben, ein eigenes Bild zu entwickeln oder tiefer in die Materie einzusteigen.
Das Thema „Kongo“ war in diesem noch jungen
Jahr schon mehrfach Thema der Nachrichtensendungen und auch auf Netflix
präsent. Diese Graphic Novel bietet Hintergrundwissen ohne dabei zu belehren
oder vorzugeben. Nebenbei ist das Ganze auch noch – und das ist schließlich für
einen Comic besonders wichtig – eingebettet in spannende Handlungsstränge:
Liebe für das Land, Selbstfindung, Liebe und Familiengründung, beruflicher
Kampf für die Wahrheit und politische Intrigen. Alle diese Themen zusammen sind
von dem Ehepaar Charles so raffiniert miteinander verwoben, dass schon dadurch
das Lesen und Genießen zu einem Genuss wird.
Da auch Dr. Stanley nicht nur seine hier
gezeigten Schattenseiten aufwies und der Popwelt durch einen ihm
zugeschriebenen Satz erhalten bleiben wird, soll das auch die musikalische
Referenz sein: „Dr. Livingstone, I presume“ in der Originalversion der Moody Blues! Dazu passen dann gesamtausgabenangemessene
Getränke mit viel afrikatypischem Heilmittel, Chinin, das ebenfalls von Leopold II. in seiner Wirkung erkannt
worden war: Tonic! Wer mag darf zusätzliche Spirits hinzufügen. Generell sollte
aber nicht überdosiert werden!
Schon immer gab es Abenteuer von Spirou (und Fantasio), die nicht in alle Sprachen übersetzt worden
sind. Auch die Nummerierung der regulären Reihe von Spirou und Fantasio des
deutschen Carlsen-Verlages stimmt mit der Reihenfolge im französischen und
niederländischen Raum nicht überein. Die deutsche Spezialreihe umfasst
einerseits die Bände „Une Aventure
par“/“Robbedoes door“-Veröffentlichungen, andererseits aber auch die
Werkausgabe der Bände von Rob-Vel und
Jije und klassische Abenteuer von Franquin, die woanders separat
erschienen sind. Viele Kurzgeschichten, die innerhalb des Magazins SPIROU
erschienen sind, haben nicht den Weg in eine Albenveröffentlichung geschafft
und sind in Deutschland zum Beispiel in dem JNK-Magazin COMIX oder gar nicht
erschienen.
Daneben gibt es mittlerweile aber auch rein lokale Ausgaben,
bei denen eine Übersetzung zwar möglich, nicht aber zwingend vorgesehen ist.
Gerüchteweise sollen die verschiedenen Spezialausgaben sogar die reguläre Serie
mit einem festen Team komplett ersetzen.
Das letzte Exemplar dieser lokalen Ausgaben ist das
grandiose „Spirou in Berlin“ von Flix, dem es als erstem deutschen
Künstler vergönnt war, eine Geschichte mit Spirou und Fantasio zu schreiben und
zu zeichnen. Flix, mit bürgerlichem
Namen Felix Görmann, ist einer der
bekanntesten und kreativsten Köpfe der aktuellen deutschen Comicschaffenden und
hat bereits einige Preise gewonnen und wurde mit Ausstellungen unter anderem in
Oberhausen belohnt. Seine Spirou-Interpretation schafft es trotz aller
Vorgaben, seinen eigenen Stil zu transportieren, ist aber mit hunderten von
Anspielungen an das Spirou-Universum versehen. Franquin ist fast auf jeder
Seite vertreten und somit ist dieser Comic auch ein Spiel für alle, die Zitate
suchen mögen. Viele Hinweise sind dabei nicht unbedingt graphisch umgesetzt und
selbst die Kauka-Ära kommt vor.
Die Geschichte spielt in den beiden Deutschlands im Jahre
1989 und somit in einer der spannendsten Zeiten der aktuellen Historie. Der
Graf von Rummelsdorf erhält eine Einladung zu einem Mykologenkongress in Ost-Berlin,
möchte dort aber nicht hinfahren. Fantasio steckt mal wieder in einer Krise und
muss eine Titelstory abliefern, ist also ob der Ablehnung zutiefst enttäuscht.
Der Graf wird jedoch entführt und Fantasio wittert seine Chance während Spirou
einfach nur helfen möchte. In Ost-Berlin werden alle Register einer
Agentenstory gezogen, der Widerstand gegen das Regime porträtiert und nebenbei
noch neben Pips weitere Tiere als Akteure präsentiert. In einer tour de force
gelingt es dem Grafen und seinen Freunden, einen bisher beschriebenen aber noch
nie gesichteten Pilz zu entdecken, neue Freundschaften zu schließen, die
Stasi-Überwachung ins Lächerliche zu ziehen und das Thema Flucht aus der DDR zu
beschreiben. Alles weitere wäre zuviel der Spoilerei!
Flix gelingt es,
das Layout der Seiten immer wieder zu variieren und dem Tempo der Geschichte
anzupassen. Seine Figuren sind teilweise sehr reduziert und haben zum Beispiel
keine Münder, sind andererseits wenn nötig aber sehr detailreich angelegt.
Viele Panele kommen ohne Text aus und konzentrieren den Fokus daher auf den
Bildinhalt, andere bilden eher einen Rahmen für Soundwörter. Dieser Comic ist
also definitiv einer, der ein mehrmaliges Lesen erfordert!
Der Preis von 16 € ist für deutsche Verhältnisse angemessen
da es sich um eine wertige Hardcover-Ausgabe handelt.
Mehr zu diesem Comic wäre angesichts des Presse-Hypes eine
reine Wiederholung.Flix ist im Übrigen gerade auf einer Lese- und Signiertour
durch Deutschland.
Eine andere Richtung schlägt das von den Amoras-Veröffentlichungen bekannte Team Cambré und Legendre ein. Sie bewegen sich mit ihren bisher zwei Teilen sowohl
konzeptuell als auch zeichnerisch eher im bekannten Rahmen der bisherigen
Spirou-Abenteuer und könnten auch das aktuelle Team der regulären
Veröffentlichungen darstellen. Trotzdem sind ihre Geschichten bisher nur auf
Niederländisch verfügbar. Dementsprechend heißt der titelgebende Held auch Robbedoes!
In einem fast Slapstick haften Beginn gewinnt Fantasio im bereits
2017 erschienenen ersten Band eine Puppe, die sich nicht nur bewegen, sondern
auch sprechen kann. Obwohl im Comic deutlich als künstlich zu erkennen,
scheinen die handelnden Personen sie von einem echten kleinen Mädchen nicht
unterscheiden zu können, was zu herrlichen Szenen führt.
Der Graf hat (natürlich) eine neue Erfindung gemacht, die er auf einem Kongress vorstellen möchte. Scheinbar haben allerdings dunkle Gestalten davon Wind bekommen so dass ein sicherer Transportweg für das „Ei“, also die neue Entwicklung, gefunden werden muss. Fantasio und Spirou machen sich getrennt vom Grafen auf den Weg und nutzen die Puppe als Versteck. Um die Tarnung perfekt zu machen, verkleidet sich Fantasio als Mutter und die Drei ziehen als Familie los… Wer die klassischen Geschichten liebt wird seine helle Freude an dieser Tour haben.
Auch der zweite Band sprüht vor Einfällen mit technischem
Einschlag und kommt ähnlich wild daher. Fantasios Cousin Zantafio hat mal
wieder eine tolle Idee: Mithilfe von mechanischen Fischen möchte er
Schmuggelware außer Landes bringen. Da die Geschichte zur Weihnachtszeit
spielt, gelingt es Cambré und Legendre spielend, noch jede Menge
Klischees durch den Kakao zu ziehen und auch Stefanie darf ihre bekannte Rolle
der den alten Kollegen ärgernden Reporterin spielen.
Auch in dieser Serie spielen landestypische Elemente ihre
Rolle und Verweise finden sich überall. Referenzen auf die Originalserie sind
hier nicht so direkt angebracht, sondern deuten sich eher durch das Verständnis
der Psyche und der Handlungsweisen der Akteure an; die Comics ähneln daher
nicht so einem Suchspiel wie bei Flix.
Es findet sich auch weniger Ehrfurcht vor den alten Meistern als bei der
Geschichte aus Deutschland. Vom Spaß her können es beide aber miteinander
aufnehmen!
Immer wieder erstaunlich ist der Preis der Softcoverausgaben
mit 6,95 €, der hier in Deutschland selbst für Lucky Luke und Asterix bereits
überschritten wird. Dafür gibt es solide gedruckte und haltbare Ausgaben auf
leicht glänzendem aber griffigem Papier.
Eine Erwähnung soll auch die bereits 2014 erschienene Geschichte aus dem SPIROU-Magazin 3997 finden. In dem wöchentlichen Heft erscheinen immer wieder Kurzgeschichten des Stammteams aber auch anderer Künstler die nur selten den Weg über die Landesgrenzen finden. Dabei beweist Dupuis auch durchaus sehr viel Humor wie mit der an einem 1. April veröffentlichten angeblich verschollenen Geschichte von Rob-Vel. Üblicherweise finden sich allerdings viele verschiedene Serien in einer Ausgabe. In der Nummer 3997 dreht sich aber alles um den Pagen mit der roten Uniform: Ein Autor und 71 Zeichner*innen erzählen in „Spirou a disparu“ die Geschichte eines Verschwindens und wie bei den vielen mittlerweile veröffentlichten Hommagen benutzt jeder Zeichner seinen eigenen Stil. Hier allerdings geht es um eine fortlaufende Geschichte so dass jeder nach einem vorgegebenen Skript zwar eigene Akzente setzen kann, Übergabepunkte aber beachten muss. Autor ist Pascal Jousselin dem wir auch den unglaublichen Imbattable verdanken.
Natürlich leidet darunter der
Lesespaß da man sich nicht so leicht „eingrooven“ kann. Andererseits ist das
eine perfekte Möglichkeit eben besonders auf die Zeichnungen zu achten und sie tatsächlich
im Vergleich des gleichen Kontextes genießen zu können.
Das Heft sollte auf einschlägigen Verkaufsplattformen oder
(im französischen Raum) bei Comichändlern relativ problemlos zu bekommen sein.
Fazit: Die
nationalen Ausgaben beweisen, wieviel Potential in einer so alten Serie steckt
und wie viele neue Ideen daraus und damit generiert werden können. Während
fortlaufende Serien den Vorteil bieten, dass sich Handlungsstränge und damit
auch Personen entwickeln können, Probleme vertieft werden und Epiken sich
entwickeln können, bietet das Franchise-Unternehmen mittlerweile nicht mehr nur
noch amerikanischen Superhelden die Möglichkeit ständig neuer Inkarnationen.
Dadurch können Kreative unterschiedlichen Alters und Herkunft die jeweils
eigenen Aspekte in den Vordergrund stellen und eine „Vergreisung“ vermeiden.
Der nächste Schritt der Crossover hat
bei frankobelgischen Serien allerdings abgesehen von zitatgleichen, ein
Panel dauernden Gastauftritten bisher nur im Rahmen der Memes zur
Fußballweltmeisterschaft stattgefunden als bei Frankreich gegen Belgien überall
Tintin und Asterix zu sehen waren.
Dazu passt Up-Tempo-Musik wie zum Beispiel Buster Shuffle und
ein „Schirmchen-Getränk“!
Wer hat noch mal welchen Preis gewonnen? Manchmal ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten. Als Service für euch daher nach Jahren gegliedert hier eine – ständig aktualisierte – Übersicht der wichtigsten Comic-Preise. Wenn ihr der Meinung seid, dass ein Preis fehlt, ergänzt ihn bitte über die Kommentarfunktion.
45° Festival International De La Bande Dessinée Angoulême