Michel Vaillant von Jean Graton war eine DER Serien des Magazins Tintin/Kuifje während der Hochzeit des frankobelgischen Comics und auch in Deutschland zunächst als Michael Voss in MVComix, später als Michel Vaillant im Koralle-ZACK ein Star. Der Staffelstab wurde in mehreren Etappen an den Sohn Philippe Graton übergeben. Seit 2012 erscheint eine zweite Staffel, mittlerweile komplett ohne Beteiligung eines Gratons. Nun also kommt das erste Spinn-Off, das zu Zeiten der ersten Staffel spielt und die Helden klassische Rennen erleben lässt. UPDATE: Inzwischen ist auch die deutsche Ausgabe als ZACK Edition erschienen.
Das Jubiläumsrennen
1966 finden die 500 Meilen von Indianapolis zum 50.sten Mal statt! Natürlich wollen sich Michel Vaillant und Steve Warson die Chance nicht entgehen lassen, diesen Jubiläumsklassiker zu gewinnen. Es treten aber auch andere (echte) Champions an, einige davon sogar zum ersten Mal bei diesem Rennen. Und so besteht nach langer Zeit erstmals wieder die Chance, dass ein Rookie, also ein Rennpilot bei seinem ersten Auftritt auf diesem Kurs, das Rennen gewinnen könnte.
Denis Lapière beschreibt einerseits den Ablauf dieses Spektakels sehr genau und tritt damit in die Fußstapfen von Jean Graton. Dieser war nicht nur ein wandelndes Lexikon, sondern hatte die Fähigkeit, dieses Wissen in spannende Handlungsstränge zu integrieren. Das gelingt hier ebenfalls prächtig und die Fans der Serie können bei allen Trainingsläufen, den Qualifikationen und den unerwarteten Herausforderungen auf der Piste mitfiebern.
Es gibt zusätzlich eine Art Krimi in der Parallelhandlung. Michel und Steve müssen bei einer Schlägerei eingreifen und eine junge Frau retten. Sie hatte sich mit den falschen Kerlen eingelassen und steht nun unter Druck. Wird das die Siegchancen der Helden beeinflussen? Auf jeden Fall!
Zeichnungen im klassischen Stil
Während sich die zweite Staffel der Hauptserie um ein etwas modernes Aussehen bemüht, ist diesem Spinn-Off anzumerken, dass insbesondere die Hauptfiguren dem klassischen Look and Feel gleichen sollen. Dadurch wird natürlich die Identifikation erhöht. Die Dynamik in den Zeichnungen lässt dabei keine Wünsche offen. Sowohl die Rennszenen als auch die körperliche Action gelingen Vincent Dutreuil sehr gut. In den Gesichtspartien fehlt manchmal das letzte Quentchen.
Allerdings sieht dieser Band nur klassisch aus, ist aber nicht von Jean Graton. Es bleibt abzuwarten, ob das eher begrüßt oder als Blasphemie empfunden werden wird. Für mich ist das ok: der Band atmet Tradition aus, ohne dabei eine reine Imitation zu sein!
Auch auf Deutsch?
Bisher ist der Band nur auf Französisch und Niederländisch erhältlich, dafür aber auch jeweils als Soft- oder Hardcover. Hardcore-Fans der Serie, die der einen oder anderen Sprache mächtig sind, werden sicherlich schon zugeschlagen haben. Aber auch alle anderen können hier mehr als einen Blick riskieren, ohne etwas falsch zu machen.
Ich bin sicher, dass auch eine deutsche Übersetzung nicht untergehen würde. Mal sehen! Es sind übrigens noch weitere Spinn-Offs angekündigt. Auch hier darf man gespannt sein. Und erneut ein Grund auf unsere westlichen Nachbar*innen ein wenig neidisch zu sein.
Dazu passen Status Quo mit ihrem Motorsporttauglichen „Paper Plane“ und wahlweise ein Moet oder ein Becks.
Im
mittlerweile dreieinhalbten niederländischen Abenteuer müssen Robbedoes/Spirou und Kwabbernoot/Fantasio mal wieder eine
Reportage schreiben. Sie sind vom touristischen Dienst eingeladen um eine Oase
der Natur namens Machin, in der außer Luchsen, Füchsen, Waschbären und Hirschen
nichts den Wanderer ablenkt, in einem Artikel festzuhalten und natürlich zu
lobpreisen. Sehr zum Ärger Fantasios
sind sie allerdings nicht die einzigen, denn auch Izerlijm/Stefanie hat den gleichen Auftrag. Ihre Herberge ist
gerade im Begriff, den ursprünglichen Bezug des Namens von Wolf in Wichtel zu
ändern. Der Grund für diesen Wechsel ist der Plan eines reichen amerikanischen
Inverstors der eben dort in Machin einen Freizeitpark errichten möchte.
Während Robbedoes und Izerlijm diesen Wechsel bedauern und die Kommerzialisierung hinterfragen, versucht Kwabbernoot wie so oft einzig Izerlijm auszustechen und alles andere auszublenden. Da er ein altes Wolfskostüm findet, schmiedet er den Plan, sich als Wolf zu verkleiden und hofft, dass Robbedoes ein Foto des Wolfes schießen wird. Mit diesem glaubt er, den internen Wettkampf um die beste Reportage gewinnen zu können.
Natürlich
ist der amerikanische Investor Mr.
Richinuff nicht nur zwielichtig, sondern ein Schurke, wie er im Buche
steht. Schnell wird klar, dass hinter seinen Plänen für einen Freizeitpark mit
einem künstlich angelegten, geflutetem See etwas ganz anders steckt. Die
wirkliche Entdeckung seiner finsteren Pläne gleicht einem Krimi.
Begleitet
wird das Ganze von einer Reihe von Slapstickeinlagen Kwabbernoots und witzigen Gags von Spip/Pips, die den Comic eher für ein jugendliches Publikum
klassifizieren.
Die
beiden Künstler, die mit den mittlerweile neun Bänden um Amoras im modernisierten Suske
und Wiske-Kosmos bewiesen haben, dass sie mit der eher härteren Gangart
vorzüglich umgehen können, lassen hier ihrer Liebe zu dem klassischen Slapstick
freien Lauf. Eingebettet in das Spirouuniversum wissen sie um die Konstanten
der handelnden Personen. Marc Legendre
fügt aber neue Nuancen hinzu und reiht einerseits Gags aneinander, liefert
andererseits aber auch einen klassischen Krimiplot ab.
Zeichnerisch darf der/die Leser*in hier keine Innovationen erwarten. Das ganze Abenteuer ist aber von Charel Cambré auf hohem Funny-Niveau gezeichnet und bietet ruhige, die Natur abbildende Szenen genauso wie actionbetonte schnelle Schnitte. Grundsätzlich bestehen die Seiten aus vier Reihen wobei teilweise zwei zu einer kombiniert werden.
Die
Special-Reihe liefert alles, was man von einer klassischen
Spirou/Robbedoes-Geschichte erwartet und könnte problemlos in die „offizielle“
Serie integriert werden. Diese scheint allerdings vom (französischsprachigen)
Magazin Spirou und auf Deutsch bei Carlsen herausgegebenen Reihe
eingestellt worden zu sein. Wer das bedauert und nach Fortsetzungen sucht,
sollte nicht zögern, zu diesen Bänden zu greifen.
Wer
mag, darf sich auf die Suche nach Zitaten anderer Comics begeben: Eine ganze
Reihe klassischer frankobelgischer und niederländischer Figuren geben sich hier
ein Stelldichein.
Dazu
passen Kräuterlimonade und meine holländische Lieblingsband: Mr. Review.
DE: aktuelle, zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications sowie einzelne Bände bei Splitter Verlag (alt), Salleck Publications, ZACK (Mosaik)
Last updated: Juni 2023
Chinaman ist eine klassische Westernserie von
dem Szenaristen Serge Le Tendre und
dem Zeichner OlivierTaDuc. Beide kommen aus Frankreich und
haben sich für diese Reihe von der Fernsehserie „Kung Fu“ inspirieren lassen. Ihr Held, John Chinaman, ist zwar
ebenfalls als Chinese in den USA mit der fremden Kultur konfrontiert und setzt
asiatische Kampftechniken ein, er ist allerdings – zumindest anfangs – noch
sehr beeinflusst von den chinesischen Triaden und damit nicht so eindeutig
„gut“ wie Caine. Insgesamt sind zwischen 1997 und 2007 im französischen
Original neun Teile erschienen.
UPDATE: Die deutsche Veröffentlichungsgeschichte war lange Zeit lückenhaft: Neben zwei Bänden im „alten“ Splitter-Verlag und zwei weiteren bei Salleck Publications sind drei Abenteuer in den Anfangsjahren des „neuen“ ZACK in Fortsetzungen erschienen. Mittlerweile ist eine zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications erschienen. diese enthält nicht nur alle Bände, zum Teil also in Deutscher Erstveröffentlichung, sondern auch weitere Zeichnungen, eine Broschüre und ein Interview!
In den Niederlanden hat die Serie dagegen mehr Anklang gefunden: Alle Bände sind bei Dupuis teilweise sogar mehrfach erschienen und sind noch lieferbar.
Der größte Erfolg von Le Tendre ist sicherlich die Reihe Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, einer der ersten großen
Fantasy-Reihen des modernen Autorencomics und gezeichnet von Régis Loisel. Mittlerweile ist auch eine
zweite Staffel erschienen. Der Autor hatte seine Comic-Karriere eigentlich als
Zeichner beginnen wollen. Pierre Christin
konnte ihn allerdings nach dem Abschluss eines Zeichenseminars überzeugen, doch
lieber seine Stärken als Szenarist auszuleben. Weitere von ihm verfasste
Szenarien mit verschiedenen Zeichnern sind ebenfalls auf Deutsch erhältlich: Tai Dor, oder Jackie Kottwitz seinen als Beispiele genannt. Auch hier gilt, dass
auf Niederländisch erheblich mehr Werke vorliegen!
Die Serie Chinaman verfolgt einen reizvollen Ansatz inmitten all der Westernserien. Sie ist keinesfalls dem Genre „Neowestern“ zuzuschreiben, thematisiert aber neben den traditionellen Themen des Einzelkämpfers, der unwirtlichen Natur und der schweren Aufbauarbeit in teils gesetzlosen Umgebungen auch den alltäglichen Rassismus der Schmelztiegelnation und beleuchtet das Leben der eingewanderten Chinesen. Sie ist daher auch mehr als 20 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes definitiv lesenswert!
Inhalt:
John Chinaman ist der neue Name der Chen Long Anh in der neuen Welt verpasst worden ist. Der Western spielt in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts als viele Chinesen aus unterschiedlichsten Gründen ihre alte Heimat verlassen haben um in Amerika ihr Glück zu finden. Für die meisten bedeutete das schwere Arbeit bei geringem Lohn, fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und Gehorsam gegenüber den Regeln der Triaden. Obwohl Chen als ausgebildeter Kämpfer der Triaden nach Amerika kommt, verweigert er bereits im ersten Band den Gehorsam und muss sich gegen seinen Förderer durchsetzen.
Er muss daher fliehen und beginnt seine Reisen
durch den amerikanischen Kontinent, die ihn zunächst nach Oregon führen. Neben
den Härten der Wildnis und des Rassismus wird er aber immer noch von seinen
alten Mitstreitern verfolgt.
Auch der dritte Band zeigt John im Konflikt
mit seiner Umwelt. Er versucht, ein Mädchen zu beschützen, und wird
fälschlicherweise der Entführung derselben beschuldigt. Alltäglicher Rassismus
und Ablehnung aller nicht Einheimischen sind ein klassisches Westernthema.
Auch der Konflikt zwischen irischen und chinesischen Arbeitern beim Bau der großen Eisenbahnlinien ist ein altbekanntes Motiv unzähliger Erzählungen in Film oder Comic. Und wieder gerät John zwischen die Fronten. Im Gegensatz zu „typischen“ Erzählungen wird aber in Chinaman vorrangig der chinesische Blickpunkt gezeigt.
Immer wieder wird John Chinaman daran gehindert, sein Glück und Ruhe zu finden. Einerseits jagen ihn Desperados und Mitglieder der Triaden, die auf seine Spur gekommen sind, andererseits kann er es auch nicht lassen, üble Dinge geschehen zu lassen, und legt sich beispielsweise mit einem Zuhälter an.
Immer wieder wird in der Serie das Thema der Ablehnung alles Andersartigen variiert und so verwundert es auch nicht, dass eine ganze Stadtbevölkerung sich gegen die zuziehenden Chinesen wehren will. Wie immer gibt es hier aber nicht nur schwarz und weiß, so dass die Konfliktlinien quer durch alle Schichten laufen. – Vieles davon basiert auf den eigenen Migrationserfahrungen von OlivierTaDuc und ist daher auch nachvollziehbar geschildert.
Dem folgen noch eine „Road-Movie“ Geschichte in zwei Bänden um den letzten Mitwisser über das Versteck einer Beute. Beide Bände haben eine spezielle Note durch das Mitwirken von John, könnten so ähnlich aber auch in anderen Settings funktionieren.
2021 ist nach 14 Jahren Pause eine Art „Reprise“ erschienen: Der Tiger erwacht! Der frustrierte und gestörte John Chinaman wird gezwungen, sich seiner Geschichte zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Sehr gelungene Rückkehr zur ursprünglichen Serie, die Themen und Stimmung aufnimmt und in die Zukunft führt.
Grafik:
Der 1962 geborene Olivier TaDuc ist Franzose mit einem vietnamesischen Hintergrund, der auf für die Zeichnungen etwa bei XIII Mystery, Takuan oder Stille Rebellionen verantwortlich ist. Seine Zeichnungen sind detailreich und zeigen von einem gewissenhaften Quellenstudium. Seine Ansichten der alten Chinatowns sind genauso kunstfertig und genau wie die Darstellung eines Segelschiffes, der Landschaft oder der Einflüsse chinesischer Kampftechniken auf die Körperhaltung des Helden. Im Laufe der Bände werden die Zeichnungen etwas grobflächiger und detailärmer und wirken dadurch etwas weniger realistisch.
Der Aufbau der Seiten folgt generell dem klassischen vierzeiligen Muster; die Höhen der Zeilen sind aber nicht statisch und variieren häufig. Auch sind einzelne Panele über mehrere Zeilen gestreckt und nehmen häufig die gesamte Breite der Seite ein. Es ist also genügend Abwechslung vorhanden. TaDuc beherrscht dabei sowohl die ruhige Sequenz als auch die vom Film übernommenen schnellen Schnitte mit ständigem Perspektivenwechsel, wenn die Action es erfordert.
Auf jeden Fall vereint die Serie erfolgreich die typischen Bestandteile eines Western mit einem ungewöhnlichen Helden und Kampfszenen und meditative Elemente, die sonst nur in Eastern zu sehen sind.
Wer zu den Anfängen möchte muss erst einmal weit in die
Zukunft reisen um zu verstehen.
Dieses neueste Abenteuer aus der Reihe „Spirou par/Robbedoes door“ ist zunächst nur auf Französisch oder Niederländisch erhältlich und spielt in einer Steampunk-artigen Zukunft. Die Erde ist schon lange nicht mehr und die Geschicke der Welten werden von der Admistratie unter Z geleitet. Robbedoes/Spirou ist ein Agent eben dieser Verwaltung, Ijzerlijm/Stefanie in dieser Zukunft seine Schwester und der Graf der Opa der Beiden. Während Robbedoes versucht, im Rahmen der Vorschriften Verstöße aufzudecken, gehört seine Schwester den Rebellen an. Während einer wilden Verfolgungsjagd mit Robotern werden sie von Kwabbernoot/Fantasio gerettet der seinerseits ein Doppelagent ist und ein Faible für Siebziger-Jahre Kunst hat.
Im weiteren Verlauf bereisen die drei begleitet von Spip
mehrere Welten auf der Suche nach Material gegen das Regime, der eigene
Vergangenheit und nach Selbstbestimmung. Filippi, wahrlich kein Unbekannter in
der Comic-Welt, führt in einer sehr schnellen und spannenden Geschichte alle
bekannten Figuren des Rummelsdorf/Rommelgem-Universums zusammen. Gegen Ende
wird immer deutlicher, dass Zantafio/Wiebeling die Fäden in der Hand hält. Ob
er sich das tatsächliche Ende allerdings so vorgestellt hat darf mehr als
bezweifelt werden.
Die Zeichnungen von Fabrice
Lebeault sind ein echtes Feuerwerk! Teilweise erinnern die Bilder an
außerirdische Landschaften wie bei Valerian/Ravian, teilweise ist auch etwas
Bourgeon mit dabei. Die Figuren sind sehr modern angelegt, nehmen aber die
klassischen Bestandteile auf und haben daher einen hohen Wiedererkennungswert.
Am stärksten verfremdet wirkt für mich neben Spip/Pips, der zunächst ein
anderes Tier ist, Spirou/Robbedoes, der ein sehr weibliches Gesicht bekommen
hat. Durch die Verfremdungen unterstützen die Zeichnungen die andere Geschichte
der Hauptfiguren und erleichtern die Trennung der Identitäten.
Das Überformat erlaubt den teils ganzseitigen Illustrationen eine noch größere Wirkung und fordert ein mehrmaliges Lesen des Comics will man alle Details wenigstens wahrgenommen haben. Neben den extrem detailreichen Darstellungen gibt es aber auch kleinere Folgen mit hoher Geschwindigkeit oder Nahaufnahmen der Gesichter und ihrer Emotionen. Lebeault beweist, dass er alle Facetten seiner Kunst beherrscht. Umso erstaunlicher, dass von ihm auf Deutsch bisher kaum etwas veröffentlicht worden ist. Nur der alte Splitter-Verlag und Finix führen seinen Namen auf. In den Niederlanden ist immerhin noch De Boeman erschienen, allerdings auch schon vor über 12 Jahren.
Deutsche Leser*innen müssen sich noch etwas gedulden; „Foundation Z“ soll zwar bei Carlsen erscheinen, ein Termin ist aber
noch nicht bestimmt. Für alle, die nicht warten können oder wollen ist dieser
Band ein Muss!
Dazu passen würde ein echtes Siebziger-Jahre Getränk mit
bunter Farbe wie „Grüne Wiese“ und zeitgerechter Glam-Rock zum Beispiel von The Slade!
Schon immer gab es Abenteuer von Spirou (und Fantasio), die nicht in alle Sprachen übersetzt worden
sind. Auch die Nummerierung der regulären Reihe von Spirou und Fantasio des
deutschen Carlsen-Verlages stimmt mit der Reihenfolge im französischen und
niederländischen Raum nicht überein. Die deutsche Spezialreihe umfasst
einerseits die Bände „Une Aventure
par“/“Robbedoes door“-Veröffentlichungen, andererseits aber auch die
Werkausgabe der Bände von Rob-Vel und
Jije und klassische Abenteuer von Franquin, die woanders separat
erschienen sind. Viele Kurzgeschichten, die innerhalb des Magazins SPIROU
erschienen sind, haben nicht den Weg in eine Albenveröffentlichung geschafft
und sind in Deutschland zum Beispiel in dem JNK-Magazin COMIX oder gar nicht
erschienen.
Daneben gibt es mittlerweile aber auch rein lokale Ausgaben,
bei denen eine Übersetzung zwar möglich, nicht aber zwingend vorgesehen ist.
Gerüchteweise sollen die verschiedenen Spezialausgaben sogar die reguläre Serie
mit einem festen Team komplett ersetzen.
Das letzte Exemplar dieser lokalen Ausgaben ist das
grandiose „Spirou in Berlin“ von Flix, dem es als erstem deutschen
Künstler vergönnt war, eine Geschichte mit Spirou und Fantasio zu schreiben und
zu zeichnen. Flix, mit bürgerlichem
Namen Felix Görmann, ist einer der
bekanntesten und kreativsten Köpfe der aktuellen deutschen Comicschaffenden und
hat bereits einige Preise gewonnen und wurde mit Ausstellungen unter anderem in
Oberhausen belohnt. Seine Spirou-Interpretation schafft es trotz aller
Vorgaben, seinen eigenen Stil zu transportieren, ist aber mit hunderten von
Anspielungen an das Spirou-Universum versehen. Franquin ist fast auf jeder
Seite vertreten und somit ist dieser Comic auch ein Spiel für alle, die Zitate
suchen mögen. Viele Hinweise sind dabei nicht unbedingt graphisch umgesetzt und
selbst die Kauka-Ära kommt vor.
Die Geschichte spielt in den beiden Deutschlands im Jahre
1989 und somit in einer der spannendsten Zeiten der aktuellen Historie. Der
Graf von Rummelsdorf erhält eine Einladung zu einem Mykologenkongress in Ost-Berlin,
möchte dort aber nicht hinfahren. Fantasio steckt mal wieder in einer Krise und
muss eine Titelstory abliefern, ist also ob der Ablehnung zutiefst enttäuscht.
Der Graf wird jedoch entführt und Fantasio wittert seine Chance während Spirou
einfach nur helfen möchte. In Ost-Berlin werden alle Register einer
Agentenstory gezogen, der Widerstand gegen das Regime porträtiert und nebenbei
noch neben Pips weitere Tiere als Akteure präsentiert. In einer tour de force
gelingt es dem Grafen und seinen Freunden, einen bisher beschriebenen aber noch
nie gesichteten Pilz zu entdecken, neue Freundschaften zu schließen, die
Stasi-Überwachung ins Lächerliche zu ziehen und das Thema Flucht aus der DDR zu
beschreiben. Alles weitere wäre zuviel der Spoilerei!
Flix gelingt es,
das Layout der Seiten immer wieder zu variieren und dem Tempo der Geschichte
anzupassen. Seine Figuren sind teilweise sehr reduziert und haben zum Beispiel
keine Münder, sind andererseits wenn nötig aber sehr detailreich angelegt.
Viele Panele kommen ohne Text aus und konzentrieren den Fokus daher auf den
Bildinhalt, andere bilden eher einen Rahmen für Soundwörter. Dieser Comic ist
also definitiv einer, der ein mehrmaliges Lesen erfordert!
Der Preis von 16 € ist für deutsche Verhältnisse angemessen
da es sich um eine wertige Hardcover-Ausgabe handelt.
Mehr zu diesem Comic wäre angesichts des Presse-Hypes eine
reine Wiederholung.Flix ist im Übrigen gerade auf einer Lese- und Signiertour
durch Deutschland.
Eine andere Richtung schlägt das von den Amoras-Veröffentlichungen bekannte Team Cambré und Legendre ein. Sie bewegen sich mit ihren bisher zwei Teilen sowohl
konzeptuell als auch zeichnerisch eher im bekannten Rahmen der bisherigen
Spirou-Abenteuer und könnten auch das aktuelle Team der regulären
Veröffentlichungen darstellen. Trotzdem sind ihre Geschichten bisher nur auf
Niederländisch verfügbar. Dementsprechend heißt der titelgebende Held auch Robbedoes!
In einem fast Slapstick haften Beginn gewinnt Fantasio im bereits
2017 erschienenen ersten Band eine Puppe, die sich nicht nur bewegen, sondern
auch sprechen kann. Obwohl im Comic deutlich als künstlich zu erkennen,
scheinen die handelnden Personen sie von einem echten kleinen Mädchen nicht
unterscheiden zu können, was zu herrlichen Szenen führt.
Der Graf hat (natürlich) eine neue Erfindung gemacht, die er auf einem Kongress vorstellen möchte. Scheinbar haben allerdings dunkle Gestalten davon Wind bekommen so dass ein sicherer Transportweg für das „Ei“, also die neue Entwicklung, gefunden werden muss. Fantasio und Spirou machen sich getrennt vom Grafen auf den Weg und nutzen die Puppe als Versteck. Um die Tarnung perfekt zu machen, verkleidet sich Fantasio als Mutter und die Drei ziehen als Familie los… Wer die klassischen Geschichten liebt wird seine helle Freude an dieser Tour haben.
Auch der zweite Band sprüht vor Einfällen mit technischem
Einschlag und kommt ähnlich wild daher. Fantasios Cousin Zantafio hat mal
wieder eine tolle Idee: Mithilfe von mechanischen Fischen möchte er
Schmuggelware außer Landes bringen. Da die Geschichte zur Weihnachtszeit
spielt, gelingt es Cambré und Legendre spielend, noch jede Menge
Klischees durch den Kakao zu ziehen und auch Stefanie darf ihre bekannte Rolle
der den alten Kollegen ärgernden Reporterin spielen.
Auch in dieser Serie spielen landestypische Elemente ihre
Rolle und Verweise finden sich überall. Referenzen auf die Originalserie sind
hier nicht so direkt angebracht, sondern deuten sich eher durch das Verständnis
der Psyche und der Handlungsweisen der Akteure an; die Comics ähneln daher
nicht so einem Suchspiel wie bei Flix.
Es findet sich auch weniger Ehrfurcht vor den alten Meistern als bei der
Geschichte aus Deutschland. Vom Spaß her können es beide aber miteinander
aufnehmen!
Immer wieder erstaunlich ist der Preis der Softcoverausgaben
mit 6,95 €, der hier in Deutschland selbst für Lucky Luke und Asterix bereits
überschritten wird. Dafür gibt es solide gedruckte und haltbare Ausgaben auf
leicht glänzendem aber griffigem Papier.
Eine Erwähnung soll auch die bereits 2014 erschienene Geschichte aus dem SPIROU-Magazin 3997 finden. In dem wöchentlichen Heft erscheinen immer wieder Kurzgeschichten des Stammteams aber auch anderer Künstler die nur selten den Weg über die Landesgrenzen finden. Dabei beweist Dupuis auch durchaus sehr viel Humor wie mit der an einem 1. April veröffentlichten angeblich verschollenen Geschichte von Rob-Vel. Üblicherweise finden sich allerdings viele verschiedene Serien in einer Ausgabe. In der Nummer 3997 dreht sich aber alles um den Pagen mit der roten Uniform: Ein Autor und 71 Zeichner*innen erzählen in „Spirou a disparu“ die Geschichte eines Verschwindens und wie bei den vielen mittlerweile veröffentlichten Hommagen benutzt jeder Zeichner seinen eigenen Stil. Hier allerdings geht es um eine fortlaufende Geschichte so dass jeder nach einem vorgegebenen Skript zwar eigene Akzente setzen kann, Übergabepunkte aber beachten muss. Autor ist Pascal Jousselin dem wir auch den unglaublichen Imbattable verdanken.
Natürlich leidet darunter der
Lesespaß da man sich nicht so leicht „eingrooven“ kann. Andererseits ist das
eine perfekte Möglichkeit eben besonders auf die Zeichnungen zu achten und sie tatsächlich
im Vergleich des gleichen Kontextes genießen zu können.
Das Heft sollte auf einschlägigen Verkaufsplattformen oder
(im französischen Raum) bei Comichändlern relativ problemlos zu bekommen sein.
Fazit: Die
nationalen Ausgaben beweisen, wieviel Potential in einer so alten Serie steckt
und wie viele neue Ideen daraus und damit generiert werden können. Während
fortlaufende Serien den Vorteil bieten, dass sich Handlungsstränge und damit
auch Personen entwickeln können, Probleme vertieft werden und Epiken sich
entwickeln können, bietet das Franchise-Unternehmen mittlerweile nicht mehr nur
noch amerikanischen Superhelden die Möglichkeit ständig neuer Inkarnationen.
Dadurch können Kreative unterschiedlichen Alters und Herkunft die jeweils
eigenen Aspekte in den Vordergrund stellen und eine „Vergreisung“ vermeiden.
Der nächste Schritt der Crossover hat
bei frankobelgischen Serien allerdings abgesehen von zitatgleichen, ein
Panel dauernden Gastauftritten bisher nur im Rahmen der Memes zur
Fußballweltmeisterschaft stattgefunden als bei Frankreich gegen Belgien überall
Tintin und Asterix zu sehen waren.
Dazu passt Up-Tempo-Musik wie zum Beispiel Buster Shuffle und
ein „Schirmchen-Getränk“!