Aymond, Bollée/Aymond – Lady S Gesamtausgabe 4

2019 – 2024

Text: Philippe Aymond (15 + 16), Laurent-Frédéric Bollée (17 + 18)

Zeichnungen: Philippe Aymond

Originaltitel: Lady S – Integrale 4 (T 15 – 17)

All Verlag

Hardcover |208 Seiten | Farbe | 39,80 € |

ISBN: 978-3-96804-328-9

Cover Lady S Gesamtausgabe 4

Lady S – Shania Rivkas – war ursprünglich eine Idee von Jean Van Hamme. Sie vereinte verschiedene Rollen: Spionin, Geheimagentin, zur Mitarbeit gezwungenes Opfer, Femme Fatale und Söldnerin. Damit ist die Heldin viel mehr als eine weibliche James Bond, wird sie doch allzu oft zum Ausführen bestimmte Aufgaben gezwungen. Der erste Teil lief im Mosaik-ZACK, weitere Alben folgten in der ZACK-Edition, die Gesamtausgabe erscheint regelmäßig im All Verlag.

Zwischen allen Fronten

Eigentlich könnte für die Heldin alles ganz einfach sein. Sie erfährt, dass sie eine noch lebende Verwandte, eine Tante, in ihrer Heimat Estland hat und bricht dorthin auf, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Kaum angekommen, betritt sie einen falschen Raum im Krankenhaus und ist mittendrin in einem Konflikt zwischen der NATO und Russland. Erstere haben eine neue Unterwasserdrohne entwickelt, letzteres Land will sie haben – Codename Vampiir ist eine spannende Geschichte mit starken Anlehnungen an aktuelle Politik. In Im Rachen des Tigers wollen Shania und ihre demente Tante Urlaub in Indonesien machen. Dabei sind nicht nur die Schwierigkeiten, die durch das krankhafte Verhalten der älteren Frau ausgelöst werde zu überwinden, natürlich werden sie beide auch in einen Konflikt zwischen Geheimdiensten verwickelt.

Lady S Gesamtausgabe 4 page 37

Die beiden weiteren Geschichten stammen nicht mehr von Philippe Aymond, der mit Band 10 von Van Hamme übernommen hatte, sondern von Laurent-Frédéric Bollée. Beide haben auch schon bei Bruno Brazil zusammengearbeitet. Der Zweiteiler Selbstmordkommandos und Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Samariums könnte ebenfalls den Nachrichten entnommen sein.

In einem afrikanischen Land gibt es ein neuentdecktes Vorkommen einer Seltenen Erde. Mehrere Staaten wollen sich dieses sichern und schrecken dabei auch vor Massenmord nicht zurück. Ein interner Konflikt in der Herrscherfamilie entfacht einen sogenannten heiligen Krieg und mehrere alte Bekannte haben ihren mehr oder weniger langen Auftritt. Während Shania versucht, dringend benötigte Medikamente an eine entlegene Stelle zu befördern, öffnet sich fast das Tor zur Hölle.

Lady S Gesamtausgabe 4 page 38

Solider Realismus

Philippe Aymond bleibt der Zeichner der Serie. Dadurch, dass er einige Jahre auch für das Szenario verantwortlich war, hat er die Figuren so entwickelt, dass sie genau seinen Vorstellungen entsprechen. Daher ist es fast selbstverständlich, dass sie ihm auch liegen. Daher hat es auf die Qualität keinen Einfluss, ob die Geschichte sich im Jet Set, dem urbanen Dschungel oder in der Wüste abspielt. Einzig die Gesichter und vor allem die Mundpartien leiden an der heute fast schon üblichen leichten Schwäche.

Die Hintergründe sind stimmig und enthalten die richtige Mischung aus Detail und Abstraktion, um die jeweilige Situation zu unterstützen. Wenn nötig, ist auch Dynamik zu finden, grundsätzlich gibt es aber mehr ruhende Szenen. Insgesamt betrachtet gehobener Durchschnitt des aktuellen frankobelgischen Action-Comics.

Detail Lady S Gesamtausgabe 4 page 46

Spannung mit einer toughen Heldin

Noch immer gibt es nicht allzu viele Serien, in denen eine Titelheldin ihre Geschicke selbst in die Hand nimmt. Neben den typischen (männlichen) Role-Models (James Bond, Mission Impossible, …) hat bei Lady S sicherlich auch Modesty Blaise ein wenig Inspiration geliefert. Obwohl die Heldin immer wieder zum Spielball fremder Mächte wird und nicht immer entscheiden kann, ob sie einen Auftrag annehmen möchte, oder nicht, ist sie doch die Handelnde.

Die Themen sind sehr nah an der aktuellen politischen Diskussion und beide Autoren sparen nicht an Kritik der jenseits von Gesetz und Kontrolle stehenden Geheimdienstaktivitäten auch der demokratischen Länder. Trotzdem meine ich, immer ein „aber es geht doch nicht anders“ zu hören. Wer möchte, kann zur limitierten Vorzugsausgabe mit Variantcover und beigelegtem Druck greifen!

ExLibris Lady S Gesamtausgabe 4 VZA

Dazu passen Ozzy Osbourne (R.I.P.!) mit „Dreamer” und ein Pimm’s.

© der Abbildungen DUPUIS, 2025, by Aymond, Bollée / 2025 All Verlag

Oesterheld/Pratt – Sgt. Kirk 1

Erste Epoche

Story: Héctor Oesterheld

Zeichnungen: Hugo Pratt
Originaltitel:
 Sargento Kirk; Misterix 225 – 227, 228 – 239, 241 – 242, 244 – 254, 257 – 260, 261 – 265

schreiber & leser

Hardcover | 208 Seiten | s/w | 32,80 €
ISBN: 
978-3-96582-204-7

Cover Sgt. Kirk 1

Das vielfältige Werk von Hugo Pratt wird erst langsam auch auf dem deutschen Markt verfügbar gemacht. Während es lang Zeit nur um seine wohl bekannteste Serie Corto Maltese ging, verlegt sein deutscher Stammverlag mittlerweile auch andere Werke. Teilweise – wie etwa Cato Zulu – waren diese schon mal erschienen, teilweise handelt es sich um Erstveröffentlichungen. Sgt. Kirk umfasst rund 10.000 Panel und erscheint komplett in 5 Sammelbänden.

Ein Offizier als Renegat

Sgt. Kirk ist ein klassischer Western; der Titelheld ist Offizier bei der 7. US-Kavallerie, also der Truppe, die am häufigsten in Kämpfe mit den First Nations, den amerikanischen Ureinwohner*innen, verstrickt war. Zunächst ist er auch ein normaler Vertreter dieser Klasse und befehligt einen Einsatz, der zu der Vernichtung einer ganzen indianischen Siedlung führt. Dabei wurden sowohl Männer als auch Frauen und Kinder bestialisch ermordet. Im Folgenden führt diese Aktion dazu, dass Kirk beginnt, sich Fragen zu stellen.

Bei einem Einsatz nimmt Kirk einen Häuptling gefangen und liefert ihn im Fort ab. Als er jedoch in der Folge von seinen Vorgesetzten von weiteren Strafexpeditionen und Vernichtungsfantasien hört, beschließt er zu desertieren. Im weiteren Verlauf schließt er sich dem Stamm der Tchatooga an und muss mehrfach seine Tapferkeit und Loyalität unter Beweis stellen. Während es zunächst um Konflikte zwischen unterschiedlichen Stämmen geht, kommt alsbald das verdammte Gold hinzu. Aufgrund ihrer Gier beschließen Weiße, die gültigen Verträge zu ignorieren und wollen die Stämme von ihrem Gebiet vertreiben oder besser gleich alle töten. Nun muss Kirk auch gegen sein altes Volk kämpfen.

Sgt. Kirk 1 page 25

Die von Héctor Oesterheld geschriebenen Szenarien sind zwar beeinflusst von den bekannten Westernfilmen und Settings, nehmen aber schon zu Beginn der 50-er Jahre eine sich im Allgemeinen erst viel später durchsetzende Sichtweise ein: Das Leben der First Nations wird nicht überhöht (Stichwort: der „edle Wilde“) sondern vorurteilsfrei beschrieben und die Gier der weißen Verbrecher mit und ohne Uniform ist ebenfalls eine persönliche Eigenschaft, die nicht rassistisch begründet wird. Vielmehr sind hier philosophische Kategorien entscheidend.

Von Cannif beeinflusste Zeichnungen

Hugo Pratt musste für diese Serie teilweise mehr als 100 Panel pro Tag zeichnen! Sie waren ursprünglich für ein Querformat angelegt und wurden erst später für die Veröffentlichung in dem italienischen Magazin Sgt. Kirk auf das hier verwendete Hochformat ummontiert. Trotz des immensen Outputs an Bildern sind die einzelnen Zeichnungen alle durchdacht und von überdurchschnittlicher Qualität.

Sgt. Kirk 1 page 26

Man merkt, dass sich Pratt ursprünglich an Milton Cannif orientiert hat. Seine Zeichnungen können aber über eine längere Strecke erzählen, da sie nicht als Zeitungsstrips in extrem kleinen Häppchen funktionieren müssen. Und so sind nicht nur einzelne Handlungselemente Filmen sehr ähnlich, auch ihre Darstellung ist davon beeinflusst.

Endlich!

Es gibt eine ganze Reihe an hochkarätigen europäischen Western, die versuchen ein differenzierteres Bild der Armee (Blueberry) oder der First Nations (Ahnen der Mescaleros, Buddy Longway, Jerry Spring) zu zeichnen. Sgt. Kirk sieht das Ganze noch mal mit einem ganz anderen, argentinischen Blick. Der Autor, Héctor Oesterheld, ist einer der von der rechtsgerichteten Diktatur aufgrund seines Einflusses Ermordeten. Umso wichtiger ist es zu verstehen, welche freiheitlichen Ideen hier verarbeitet worden sind.

Logo Sgt. Kirk

Die Serie startet mit einem Einzelkämpfer doch am Ende dieses ersten Bandes hat sich ein Quartett für die weiteren Abenteuer gefunden. Band zwei ist bereits für Februar 2026 angekündigt. Meiner Meinung nach sollte die Serie in keiner ernstzunehmenden Western-Sammlung fehlen! Zudem wird im Anhang auf einige historische Details näher eingegangen.

Dazu Johnny Cash & Joe Strummer mit “Redemption Song“und ein Frontier Whiskey.

© der Abbildungen 1953, Cong S.A., Schweiz | 1953 Hoirie Oesterheld | 2025 Verlag Schreiber & Leser, Hamburg

Reding – Section R 1

Die Agentur

Text: Raymond Reding

Zeichnungen: Raymond Reding

Originaltitel: Section R

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 17,80 € |

ISBN: 978-3-96804-274-9

Cover Section R 1

1972 – das Jahr des Aufbruchs im deutschen Comic-Markt, denn am 13. April erschien die erste Ausgabe (#17) des neuen ZACK-Magazins. Von nun an kamen zunächst wöchentlich die besten frankobelgischen Serien auf den deutschen Markt. Zwar waren schon früher einige Serien in anderen Publikationen erschienen, teilweise allerdings unter eingedeutschten Namen wie ein gewisser Michael Voss, der richtige Funke aber zündete erst jetzt. Bereits in der Nummer 18 tauchte das erste Mal ein Duo auf, das sich Section R nannte.

Sport und Verbrechen

Die damaligen Leser*innen von Harter Job für Doppelgänger waren allerdings nicht wirklich zu beneiden, handelte es sich doch keinesfalls um die erste der teilweise aufeinander aufbauenden Folgen. Zwar lief die Serie erfolgreich genug, um auch weiterhin im Heft aufzutauchen, eine Chronologie war anfangs nicht zu erkennen. Umso besser ist es, dass die nun gestartete neunbändige Gesamtausgabe die Geschichten basierend auf der logischen und zeitlichen Abfolge präsentiert!

Und somit beginnt alles mit Warum geht Sophie tauchen?, der Origin-Story für die Section. Verantwortungsvoller Journalismus darf nichts erfinden, muss aber auch nicht immer alles publizieren. Und so steht am Ende einer Betrugsgeschichte die Gründung einer Agentur für Rätselhaftes im Sport. Gleich danach kommt mit Am 25? Auf keinen Fall! die erste deutsche Erstveröffentlichung in der es um einen abergläubischen Basketballer geht.

Section R 1 page 4

Der Sophie-Taifun ist ein echter Krimi und die Raserei über 400 Meter die bereits oben erwähnte erste ZACK-Veröffentlichung, die ihre Fortsetzung in Die Erpressung findet. Reding verknüpft hier weltpolitische Ereignisse mit sportlichen Wettkämpfen und findigen Erpressern. Abschließend ist mit Aubado sogar eine Welterstveröffentlichung (der kolorierten Fassung) im Band. Hier treffen sich die Welten des Sports und der Mode.

70-ies Flair

Raymond Reding war bereits ein sehr erfolgreicher Zeichner und Autor von Sport-Comics, etwa von Jari. Er hatte aber etwas Neues schaffen wollen, das die Möglichkeit bot, längere, aufeinander aufbauende Geschichten zu erzählen, ohne dabei auf eine Sportart festgelegt zu sein. Die Idee des auf Rätselhaftes ausgelegten Duos erlaubte ihm, seine Stärken und Interessen mit ein wenig Suspens, Krimi und Drama zu verknüpfen.

Section R 1 page 5

Die Dekors sind dabei 70-er Jahre pur. Klamotten, Autos, Gegenstände sind (für damalige Verhältnisse) extrem modern und tragen keinerlei Reminiszenz mehr an die Dunklen 60-er. Die Sportszenen sind sehr dynamisch und zeigen die Routine und das Können des Zeichners, die Gesichtspartien, insbesondere der Mund, gelingen dagegen wie so häufig nicht immer. Dieses kleine Manko wird durch das innovative, abwechslungsreiche Layout aber vollkommen ausgeglichen!

ZACK-Nostalgie pur!

Section R ist eine der wenigen ZACK-Serien, die es noch nicht geschafft hat, mehrfach verwertet auf Deutsch vorzuliegen. Im Gegenteil, gleich der erste Band der Gesamtausgabe enthält zwei Erstveröffentlichungen (und erzählt erstmals die Geschichten in der richtigen Reihenfolge). Für Fans von damals also nun die Gelegenheit, der Nostalgie zu frönen und gleichzeitig Lücken zu schließen!

Detail Section R 1 page 9

Dazu passen Dropkick Murphys mit „Chesterfields and Aftershave” und eine Kirsch-Cola.

© der Abbildungen Dream Team Management SAS / 2024 All Verlag

Vernes/Vance – Bob Morane 5

Der Archipel des Schreckens

Autor: Henri Vernes

Zeichnungen: William Vance

Originaltitel: Bob Morane – Tome 15 – L´archipel de la terreur

All Verlag

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 17,80 € |

Cover Vernes/Vance Bob Morane 5

Bob Morane ist eine derjenigen Serien, die Bibliothekar*innen und Sammler*innen zur Verzweiflung treiben kann. Nicht nur, dass die veröffentlichenden Verlage in der Vergangenheit häufig laufende Projekte vorzeitig abgebrochen haben und es viele Überlappungen zwischen den einzelnen Reihen gibt, mittlerweile gibt es auch Serien, die nicht mehr auf den Werken des eigentlichen Schöpfers beruhen und die auf Deutsch im ZACK und bei Splitter erscheinen. Was solls, Fans können sich freuen, dass aktuell zumindest die Werke von Dino Attanasio, Gerald Forton und William Vance in vorzüglichen Ausgaben kommen.

Monstrositäten und Magnetstrahlen

Alles beginnt wie so oft in einem Flugzeug. Während Bill sich freut, seinen Freund Bob Morane bald mit der Anwesenheit von Sophia überraschen zu können, weicht die Maschine signifikant vom Kurs ab und steuert eine kleine unbewohnte Inselgruppe an. Die Piloten können sich den Kurswechsel nicht erklären und verlieren dann auch noch den Kontakt zum Flughafen. Die Maschine landet auf dem Wasser, ihre Flügel werden von Rumpf abgetrennt und sie wird von einem unbekannten Strahl in das Innere einer Höhle gezogen.

Vernes/Vance Bob Morane 5 page 7

Als Bob Morane erfahren muss, dass bereits mehrere Maschinen in dieser Gegend vermisst werden, macht er sich mit einem kleinen Boot auf zu dem Archipel des Schreckens. Auch er wird von einer unbekannten Kraft angezogen und kann von Glück sagen, dass nur der Mast seines Bootes von einem unsichtbaren Feld gekappt wird. Kaum gelandet, muss er sich monströs großer Krabben und fliegender Bälle erwehren.

Natürlich har Henri Vernes auch mit diesem Abenteuer eine Tour de Force durch gleich mehrere Standardszenarien abgeliefert: die einsame Insel mit einem schrecklichen Bewohner, technologische Übermacht (Science-Fiction), Mummenschanz  von suspekten Elementen und biologische Mutationen ungeahnter Qualität. Wie Bill, Bob und Sophia sich da durchwurschteln ist schon lesenswert!

Vernes/Vance Bob Morane 5 page 8

Ein typischer Vance

Die von William Vance gezeichneten Morane-Bände erinnern in ihren Gesichtern und dem ganzen Strich stark an Bruno Brazil-Geschichten. Vance hat eine Eigenart, seinen Figuren einen Ausdruck zu geben der unverwechselbar ist. Natürlich gilt das nicht für die jeweiligen Held*innen, die ganz klar der einen oder anderen Serie zuzuordnen sind, die Nebendarsteller*innen könnten aber durchaus (wie auch sonst Komparsen im echten Leben) in beiden mitspielen.

Das Layout ist noch relativ klassisch, nur selten einmal fehlt eine Panelumrandung. Der Anhang zeigt an einigen Beispielen die Entwicklung von der ursprünglichen Magazinveröffentlichung zum Album und ist allein deswegen schon empfehlenswert. Zudem weist er für die etwas später Geborenen darauf hin, welche Zitate zu damals aktuellen Filmen ihren Eingang in die Comicadaption gefunden haben (könnten).

Detail Vernes/Vance Bob Morane 5 page 11

Ein ZACK-Kleinod als Hardcover

Die Geschichte lief 1977 bereits im ZACK und war Bestandteil der beim Epsilon-Verlag später abgebrochenen Gesamtausgabe. Trotzdem ist für Sammler wahrscheinlich die aktuell laufende Gesamtausgabe der Vance-Morans im All Verlag das Maß der Dinge. Insgesamt 18 Bände sind zu erwarten. Kombiniert mit den in der ZACK-Edition erscheinenden Titeln von Attanasio und Forton läge dann schon mal ein gehöriger Teil der Serie vor.

Wie immer gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit drucksignierter Grafik!

Beilage Vernes/Vance Bob Morane 5 VZA

Dazu passen Buster Shuffle, etwa mit „Together“, und eine Flugzeug-Bierdose.  

© der Abbildungen Éditions du Lombard (Dargaud-Lombad S.A.) 1972 by Vernes, Vance / 2025 All Verlag

Seron – Die Zentauren Integral 2

Aurora & Ulysses – Band 2: 1982 – 1989

Story: Pierre Seron
Zeichnungen: 
Pierre Seron
Originaltitel:
Centauren, Aurora & Ulysses, Integraal 2

Kult Comics

Hardcover | 192 Seiten | Farbe | 35,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-357-8

Cover Zentauren Integral 2

Während Die Abenteuer der Minimenschen und auch diejenigen der Minimädchen bereits mehrfach komplett in Deutschland erschienen sind, waren Die Zentauren hierzulande nur teilweise erschienen. Zudem sind die Bände aus dem Feest-Verlag auch fast schon im Rentenalter. Die Lücke im Werk des Belgiers Pierre Seron wird durch diese zweibändige Integral-Ausgabe nun endlich geschlossen.

Spielball der Götter

Im Zentrum der Geschichten stehen die beiden jungen Zentauren Aurora & Ulysses. Während das nach der Tochter Serons benannte Mädchen Aurora die klügere und reifere ist, hat Ulysses Probleme damit, seine Emotionen zu kontrollieren. Immer wieder gerät er entweder in den Bann hübscher, teilweise aber gefährlicher Frauen oder legt sich mit Gegnern an, die er lieber friedlich stimmen sollte. Die beiden sind wegen Ungehorsams aus dem Olymp verbannt und müssen nun durch die Zeiten irren, um das richtige Zeustor zu finden, das sie wieder zurückbringen würde.

Zentauren Integral 2 page 43

Zunächst sind die beiden im antiken Griechenland und sollen in Die Odyssee Odysseus eine Sache überbringen, die er vergessen hatte. Dabei erleben sie einige der Abenteuer des Sagenhelden erneut. Mit viel Witz nimmt Seron die bekannten Inhalte auf und präsentiert sie ganz anders. Auch Die Amazonen verstecken hinter teilweise etwas plattem Humor viel tiefsinnige Kritik an der männlich dominierten Gesellschaft und laden dazu ein, Passagen zweifach zu lesen.

Sein unkontrolliertes Temperament bringt Ulysses schließlich dazu, sich mit dem Götterboten und Herold anzulegen. Natürlich gefällt diesem das nicht und so müssen die Beiden auch noch mit den Strafen des Hermes fertig werden. Den Abschluss bildet ein weiteres Cross-Over mit den Minimenschen: Kelvinhathor III. enthält ebenfalls viele Anspielungen auf andere Werke der Comic- und Filmkunst und ist spaßig zu lesen. Als Bonus ist dann auch noch der Beitrag von Pierre Seron zu den Parodien abgedruckt.

Zentauren Integral 2 page 44

Auf der Grenze zwischen Kinder- und Erwachsenencomic

Prinzipiell zeichnet Pierre Seron sehr ähnlich wie André Franquin. Wer den einen der Beiden mag, wird den anderen zumindest nicht schlecht finden. Während Seron bei den Minimenschen oft genug (fälschlich) vorgeworfen worden war, ein Kopist zu sein, markieren die Zentauren stilistisch einen Übergang zwischen den eher an kindliche Leser*innen gerichteten Stories zu den Stoffen für Erwachsene.

Das betrifft nicht nur die Inhalte, die eine gewisse Bildung voraussetzen, sondern vor allem die Darstellungen der weiblichen Nebenfiguren. War es schon schwierig gewesen, die angedeuteten weiblichen Formen von Aurora gegen die verlagsinternen Widerstände durchzusetzen, wurden die Nebenfiguren immer üppiger. Mehr zu den Hintergründen in den beiden sehr ausführlichen redaktionellen Teilen der Integrale.

Detail Zentauren Integral 2 page 45

Komplett!

Die wesentlichen Serien von Pierre Seron liegen nun komplett auf Deutsch vor (wobei Die Angler im ZACK erschienen sind) und bieten eine gute Möglichkeit, die Entwicklung des Zeichners und Szenaristen nachzuvollziehen. Enttäuschung und Depression werden dabei allerdings gut versteckt. Ein Klassiker, der sich lohnt! Der redaktionelle Teil wurde im Übrigen vom Verfasser dieser Zeilen übersetzt.

Es gibt auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover. Erwähnenswert dabei sind die drei (!) beigefügten Drucke: Neben einer drucksignierten Zeichnung von Seron gibt es zwei von Franz Gerg signierte Drucke!

Cover Zentauren Integral 2 - VZA
Cover der VZA

Dazu passen Bite Me Bambi, etwa mit „Too Many People“, und ein Mythic.

© der Abbildungen Seron, 2025 / 2025 Comic Combo, Leipzig

Lutes – Berlin

Gesamtausgabe der Berlin-Trilogie

Story: Jason Lutes

Zeichnungen: Jason Lutes

Originaltitel: Berlin

Carlsen Comics
Broschur | 608 Seiten | s/w | 34,00 €
ISBN: 
978-3-551-80586-7

Cover Lutes - Berlin GA

Wer leichte Lektüre sucht, ist hier gleich mehrfach falsch, die Gesamtausgabe der Berlin-Trilogie ist auch als Broschur deutlich größer und dicker als ein Ziegelstein und fordert den Leser*innen einiges ab. Dafür ist es aber auch eine Geschichte der deutschen Hauptstadt und zeigt viele ihrer Facetten zwischen Ende der 20-er und den Anfängen der 30-er Jahre.

Geschichte aus Geschichten

Jason Lutes erzählt Geschichten aus den Leben von vielen Bewohner*innen der Stadt, seien sie nun zugezogen und Student*in, Arbeiterin und Mutter, alleinlebend und journalistisch tätig, Familienvater und Opfer der antisemitischen Stimmung oder auf der Straße lebende Waise. Alle diese Schicksale und noch viele mehr sind ineinander verwoben. Die Personen begegnen sich in aus unterschiedlichen Perspektiven erzählten Strängen, haben ihre Vorlieben und Geheimnisse, und schaffen somit ein Mosaik aus Einzelheiten das ein sehr genau beobachtetes Bild des Ganzen erschafft.

Das Berlin dieser Zeit war einerseits geprägt von künstlerischer und sexueller Aufbruchstimmung; Dinge, die noch kurz zuvor undenkbar waren, konnten plötzlich in relativer Offenheit geschehen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass trotzdem eine latente Gefahr drohte, waren die Handlungen doch immer noch strafbar, etwa nach dem § 175 StGB. Gleichzeitig drohte auch Massenarbeitslosigkeit, Menschen verhungerten und begehrten gewaltsam dagegen auf. Die in Deutschland gescheiterte Revolution nach dem Ersten Weltkrieg war schließlich noch nicht lange vorbei.

Lutes - Berlin GA page 10

Lutes beschreibt auch den Aufstieg der Nationalsozialisten, die sich anschickten, die Macht über die Straße zu gewinnen, das Massaker der Berliner Polizei an den Demonstrant*innen des 1. Mai und die Bestrebungen der Intellektuellen um die „Weltbühne“, die Wiederbewaffnung des Deutschen Reiches und die Verbindungen zwischen Konservativen, Nationalisten und Faschisten aufzuzeigen.

Eindrucksvolle Bildfolgen

Jason Lutes zeichnet grundsätzlich in einem realistischen Stil, lässt aber auch viel weg, um die markanten Teile hervorzuheben. Seine Bilder wirken daher gar nicht so sehr, wenn man sie einzeln betrachtet. Erst die gesamte Doppelseite bekommt eine Wirkmächtigkeit die ich bei Graphic Novels oftmals vermisse.

Lutes - Berlin GA page 11

Die dicken Panelrahmen geben Struktur; die Sequenzen bestehen teilweise aus Bildfolgen mit nur minimalen Änderungen und trotz der Fülle von teilweise fast 20 Bildern auf einer kleinen Seite ist die Lesegeschwindigkeit relativ hoch. Häufig wird der Text kursiv gesetzt. Im Vorwort werden die möglichen Bedeutungen dieses Stils erläutert. Den Sinn dahinter verstehe ich vollkommen, meine Augen sind aber nicht immer gut genug, um auch alle kursiven Passagen lesen zu wollen.

Wertvoll, lesenswert und anregend

Immer wieder wird versucht, das Aufkommen des Faschismus zu erklären. Wie konnte das passieren? Oftmals gefolgt von einem „Nie wieder ist jetzt!“. Nun ist es allerdings schwierig etwas zu verhindern, dass man nicht begreifen kann. Berlin enthält eine ganze Menge an Informationen, die sich jede*r allerdings selbst erschließen muss. Welchen Einfluss haben Familie und Gesellschaft, welchen haben Lebensentwürfe? Was macht Sexualität mit jemanden, der/die sie nicht ausleben darf? Wie kann Frustration, Gewalt und Desinformation verarbeitet werden?

Lutes - Berlin GA page 12

Alle diese Fragen stellen sich beim Lesen der handwerklich super gemachten (!!) Gesamtausgabe, sie werden aber nicht mit dem berühmten Zeigefinger präsentiert oder gar beantwortet. Berlin schließt mit ein paar Skizzen, einem Interview mit Jason Lutes, der rund zwei Jahrzehnte an diesem Werk gearbeitet hat, und ein paar grundsätzlichen Bemerkungen. Wer vor ein paar Jahren die Hardcoverausgabe verpasst hat, sollte jetzt auf jeden Fall zuschlagen.

Dazu passen Ideal und eine (grüne) Berliner Weisse.

© der Abbildungen 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Vernes/Forton – Bob Morane Classic 6

Die Spur des Elfenbeins

Story: Henri Vernes
Zeichnungen: 
Gérald Forton
Originaltitel: 
La Piste de l´ivoire

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 20,00 €

ISBN: 978-3-949987-48-9

Cover Bob Morane Classic 6

Die ersten fünf Bände der Bob Morane Classic-Reihe enthielten die von Dino Attanasio gezeichneten Abenteuer. Die Zusammenarbeit zwischen Zeichner und Romanautor/Szenarist Vernes endete abrupt, ein neuer Zeichner stand mit Gérald Forton schnell bereit. Auch dieser Teil wurde zunächst in der Frauenzeitschrift Femmes d´Aujourd´hui vorveröffentlicht, bevor er mehrere Albenausgaben in Frankreich erlebte. Auf Deutsch erscheint die Geschichte erstmals.

Eine afrikanische Tragödie

Bob Morane und sein Freund Bill Ballantine sind als Foto-Touristen in Afrika unterwegs. Schnell machen sie Bekanntschaft mit einem extrem unsympathischen weißen Großmaul, können ihn aber in seine Schranken verweisen. Auf der Suche nach passenden Motiven begegnen sie einem weißen Nashorn, geraten dabei allerdings in Lebensgefahr. Aus Achtung vor dem Tier lösen sie die Situation zwar ohne Schusswaffengebrauch, werden aber trotzdem von einer engagierten jungen Frau für „Mörder“ gehalten.

Bob Morane Classic 6 page 3

Sie entpuppt sich als Tochter eines Rangers, der gegen Wilderer kämpft und zusätzlich Probleme mit einigen Stämmen hat. Diese werden teilweise bewusst aufgehetzt, um Kräfte zu binden. Und tatsächlich ist auch das Großmaul wieder involviert.

Vernes präsentiert wieder eine spannende Story mit Gefangennahme, Flucht und erneuter auswegloser Situation. Die Helden dürfen tun, was sie immer tun: verzwickte Situationen lösen! Immerhin gibt es für die beteiligte Tochter des Rangers eine aktive Rolle! Obwohl vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, ist die Spur des Elfenbeins spannend, logisch aufgebaut und macht dementsprechend Spaß beim Lesen!

Bob Morane Classic 6 page 4

Ein „neuer“ Bob

Der Wechsel von Dino Attanasio zu Gérald Forton ist an der einen oder anderen Stelle durchaus zu merken. Der Held scheint zum Beispiel um einige Jahre jünger als zuletzt. Grundsätzlich bleibt aber alles beim Alten: die Hintergründe der Bilder sind sehr detailliert und lassen die Leser*innen dadurch an dem Geschehen teilhaben. Die Figuren sind nicht nur realistisch gezeichnet, sie bewegen sich auch entsprechend.

Ein weiterer Unterschied liegt vielleicht darin, dass Forton plakativer ist. Er stellt teilweise Gesichter in den Vordergrund eines Panels um die Aufmerksamkeit darauf zu richten, lässt aber trotzdem im Hintergrund noch Handlungen ablaufen. Für den ersten eigenen Streich eine gute gelungene Sache!

Detail Bob Morane Classic 6 page 7

Das Schließen einer Lücke!

Die späteren Werke von Vance und Coria haben durchaus Wege nach Deutschland gefunden, teilweise auch mehrfach. Die ersten Bände waren aber bisher größtenteils nicht erhältlich und insofern können die Fans des ZACK-Helden der Koralle-Zeit nun endlich seine Geschichten in einer angemessenen Form vervollständigen.

Wer sich zu einem Abo der Bob Morane Classic Bände 6 – 15 entschließt, erhält zusätzlich ein Sonderheft mit Skizzen von Forton! Reizvoll darin sind einige Seiten in ihrer Fassung von 2003 im Vergleich mit der endgültigen Fassung von 2005. Diese geben einen Einblick in die Entwicklung des Zeichners (und des erwarteten Publikums).

Cover Abonnementprämie Bob Morane Classic II

Dazu passen Social Distortion mit „So Far Away“ und ein Bremer Union Hanseat 2.0.

© der Abbildungen Vernes – Bob Morane Inc / Forton – Ed. Hibou | 2025 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Lee/Ditko, Kirby, Romita Sr. – Hulk. Vol. 1. 1962–1966

Marvel Comics Library. Hulk. Vol. 1

Story: Stan Lee
Zeichnungen: Steve Ditko, Jack Kirby, John Romita Sr.

Herausgeber: Douglas Wolk
Originalausgabe
– The Incredible Hulk 1 – 6 & Tales to Astonish 59 – 83

Taschen Verlag

Hardcover XXL | 670 Seiten | Farbe | 175,00 €

ISBN: 978-3-8365-9161-4

Cover Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Vor ein paar Jahren startete der Taschen Verlag die preisgekrönte Serie Marvel Comics Library: Im riesigen Format 28 x 39,5 cm werden die Superheld*innencomics der ersten Stunde peu a peu sorgfältig restauriert neu aufgelegt und mit einem Vorwort von Fachleuten versehen auf den Markt gebracht.  The Incredible Hulk passt natürlich in diese Reihe, ist er doch nach den Fantastic Four die zweite Schöpfung von Stan Lee und Jack Kirby. Im Gegensatz zu den anderen Bänden Avengers, X-Men, Spider-Man ist es aber keine Superheldenserie. Hier findet eine Verknüpfung der Science-Fiction-lastigen sonstigen Serien mit Motiven aus dem Horror-Genre statt!

Man or Monster or … both?

The Incredible Hulk ist die Erscheinungsform, in die Dr. Bruce Banner, einer der klügsten Menschen der Welt und seines Zeichens Wissenschaftler in einer US Army-Einrichtung, mutiert. Banner war der verantwortliche Leiter für einen Versuch mit einer experimentellen Bombe. Da er bemerkt hatte, dass ein Unbeteiligter sich auf das Gelände begeben hatte, wollte er ihn retten und wurde dabei einer sehr großen Menge an Gammastrahlung ausgesetzt. Der Junge, Rick Jones, entwickelt sich im Laufe der Zeit zu seinem Side-Kick und wird auch in anderen Serien auftauchen. Banner selbst überlebt die Bestrahlung, wird aber mit Einbruch der Nacht zum Hulk.

page 1 from the first The incredible Hulk

Das Monster ist eine der Marvel-Figuren, die eine bemerkenswerte Wandlung durchmachen mussten. Seine Hautfarbe war im ersten Heft noch grau, wurde dann aber aufgrund drucktechnischer Probleme zu grün umgewandelt. In seiner Origin-Story erfahren wir, dass sich der Mensch bei Einbruch der Nacht in ein Monster verwandelt. Diese Verwandlung wird bei Tagesanbruch rückwärts vollzogen. Später kann er sich mit Hilfe von Gammastrahlen in seine jeweils andere Inkarnation verwandeln, bevor dann starke Emotionen ebendiese auslösen. Im Laufe der Zeit kamen dann noch andere Inkarnationen hinzu die jeweils unterschiedliche Fähigkeiten und emotionale Besonderheiten besitzen.

Zudem waren sich Szenarist und Zeichner nicht immer einig: Obwohl es oftmals so aussah, als ob der Hulk fliegen könne, bestand sein Erfinder Stan Lee darauf, dass er nur zu unglaublich weiten und hohen Sprünge in der Lage sei. Davon unabhängig war der grüne Gigant somit in der Lage, sowie unerwartete Positionsveränderungen in seiner Inkarnation als Wissenschaftler als auch sichtbare in seiner Monsterform zu bewerkstelligen. Er stellt damit seine Verfolger, hauptsächlich in der Form von verbohrten, rachsüchtigen Militärs, immer wieder vor unlösbare Aufgaben.

Comic page within Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Blessing or curse?

Bei dem ambivalenten Charakter stellt sich die Frage, ob er einfach nur eine Katastrophe darstellt, die Eigentum vernichtet und Menschenleben in Gefahr bringt, oder ob sich hinter der oftmals ungelenken Gewalt eine hilfreiche Seele verbirgt.

Schon die kurzfristige Zusammenarbeit mit den Avengers lässt darauf schließen, dass die Grenzen nicht klar gezogen werden können. Aber auch in diesem Band sind widersprüchliche Aussagen verborgen. Einerseits rettet der Hulk alle Insassen eines Zuges vor einem Unglück mit schwerwiegenden Folgen und verteidigt mehrfach die Souveränität gleich der ganzen Erde gegenüber außerirdischen Invasoren, andererseits gerät er immer wieder in Situationen, in denen er, oftmals aus Wut, Verzweiflung oder Frustration, über die Stränge schlägt.

Im Zuge des Übereifers seiner Feinde beim Militär wird er sogar gleichzeitig von den amerikanischen Vertretern als Überläufer und Deserteur und von der kommunistischen Seite als Spion und Feind verfolgt. Kein Wunder, dass eine seiner Lieblingsbeschäftigungen die Zerstörung von Panzern jeder Seite ist. Da sein Hauptgegner nicht nur militärischer Kommandant, sondern auch gleichzeitig Vater seiner Angebeteten ist, wünschte sich wohl mehr als einer der pubertierenden Leser in ähnlichen Situationen gleichermaßen ausrasten zu können.

Comic page within Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Die Serie

Während es heute unvorstellbar ist, dass Pressevertriebe Einfluss auf die Anzahl der Serien hatten, war das in den 50-er und 60-er Jahren in den USA ein alltägliches Problem. Titel mussten also sehr gezielt ausgewählt und lanciert werden. The Incredible Hulk hatte dementsprechend nur eine kurze Laufzeit und kam gerade mal auf sechs Ausgaben. Schon die letzten beiden davon deuten aber daraufhin, wie es weiter gehen sollte, enthalten sie doch schon jeweils zwei halblange Stories. Und tatsächlich migrierte das Monster nach der Einstellung der eigenen Serie in eine Anthologie-Reihe, die Tales to Astonish! In diesem teilte er sich die Seiten zunächst mit dem Giant-Man, später dann mit dem Submariner.

Glücklicherweise erlaubt die perfekte chronologische Sammlung aller Solo-Abenteuer der ersten Jahre das Verfolgen der oftmals über mehrere Hefte laufenden Handlungsbögen. Das war damals nicht unbedingt üblich und verdeutlicht erneut die Sonderstellung der etwas unterschätzten Serie.

double page image from Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Wie immer erlauben die sorgfältigen Reproduktionen der Originalhefte eine Kombination aus einer den Originalen nachempfundenen Haptik und eine perfekte Abbildung der einzelnen Panel, die auf dem damaligen Papier deutlich schlechter aussahen. Das Großformat gibt den sorgfältig komponierten Seiten noch mehr Wirkung und die Bindung und die Aufmachung mit Lesebändchen und passendem Karton zeugt von Wertigkeit (und der Aufmerksamkeit des Verlages gegenüber klassischen „Schätzen“)!

Eine wachsende Sammlung

Die Taschen Marvel Comics Library (die mit der EC Comics Library gerade eine Schwester bekommen hat) wächst und wächst! Sie ist bereits eine unverzichtbare Sammlung der Anfänge der Marvel-Erfolgsgeschichte und bringt somit Meilensteine der Comic-Geschichte in unsere Regale. Da wir heutzutage immer mehr dazu neigen, Geschichte und Hintergründe zu verdrängen, ja, zu ignorieren, ist es auch wichtig, eine zeitgeschichtliche Einordnung mitzuliefern. Jeder Band enthält daher eine sehr persönliche, trotzdem aber auf alle Begleitumstände eingehende Einführung eines Experten. In diesem Fall ist es erneut Douglas Wolk, der die Innovationen und Wirkungen des Hulk verständlich darlegt.

Intro to Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Die Leser*innen in Deutschland und den Niederlanden müssen allerdings eine (kleine) Pille schlucken: Sowohl die Einführung als auch alle Comics sind in der Originalsprache, also in Englisch. Das XXL-Book ist zwar nicht für den Strandurlaub oder als zusätzliches Gepäckstück beim Wandern geeignet, sollte aber den Urlaub auf Balkonien zu einem Glanzstück werden lassen! Wie immer gibt es übrigens für Sammler*innen wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Metallcover.

Dazu passen Andy & Joey mit „Your Wondering Now“ aus dem Jahr 1966 und ein Negroni, der gerade ebenfalls ein „Comeback“ feiert.

© der Abbildungen 2024 Marvel / 2024 Taschen Verlag

Michel Vaillant Collector’s Edition Staffel 2 Band 2

2015 – 2017

Story:  Philippe Graton, Denis Lapière
Zeichnungen: 
Marc Bourgne, Marc Benéteau
Originaltitel: 
Michel Vaillant – Season 2 – Compilation Book 2

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 180 Seiten | Farbe | 39,00 €

ISBN: 978-3-949987-12-0

Cover Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2

Die Geschichten über die Familie Vaillant, ihren Rennstall und die Abenteuer auf und neben der Piste, die heute als Staffel 1 bezeichnet werden, waren so langweilig und vorhersagbar geworden, dass Philippe Graton, der die Szenarien der Serie von seinem Vater übernommen hatte, keinen wirklichen Spaß mehr daran hatte. Schlimmer noch, auch die potentiellen Leser*innen hatten immer weniger davon. Es war also notwendig, etwas zu verändern … Das war die Geburtsstunde der zweiten Staffel.

Ein missglückter Deal und seine Folgen

Die Beziehungen innerhalb der Familie mussten komplett durchgeschüttelt werden um aus der Routine einer reichen, saturierten Gesellschaft wieder eine bissige, kämpferische und spannende Gruppe zu machen. Gleichzeitig war Michel Vaillant trotz aller Hemmnisse ein erfolgsverwöhnter Fahrer ohne wirklich neue Herausforderungen. Philippe Graton hatte daher mit Erlaubnis seines Vaters Jean eine Storyline über sechs Bände erarbeitet, die die Marke Vaillant zwingen sollte, wieder bei null anzufangen.

Jean-Pierre, obwohl selbst früher ein erfolgreicher Fahrer, war im Laufe der Jahre gezwungen worden, sein Leben in den Dienst der Firma zu stellen, Erfolge für andere vorzubereiten und sie später zu vermarkten. Einmal wollte er selbst einen Coup landen und Leader, den Gegner so vieler Auseinandersetzungen, der Firma Vaillante einverleiben. Jeder weiß, dass was zu gut klingt, nicht gut sein kann, und so entpuppt sich der vermeintliche Deal als Falle, die Firma Vaillante geht verloren und es bleibt nur der Rennstall, allerdings ohne Geld.

Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 page 7

Aus Frust fährt der tragische Held also mit der Limousine des Leader in Kollaps in einen Abgrund und liegt während Wiedergeburt im Koma. Erst in Rebellion wird klar, dass er verstorben ist. Damit brechen innerhalb der Familie Konflikte auf, mit denen niemand gerechnet hätte. Gleichzeitig versuchen Michel, Francoise und ihr Sohn Patrick, den Rennstall auf Elektromotoren umzustellen und erste Rennen zu gewinnen. Dies erlaubt, das Renngeschehen auf eine komplett neue Weise darzustellen und unbekannte Spannungsmomente zu generieren. Dazu muss allerdings Michel erst einmal zu sich selbst zurückfinden.

Renndynamik und Tragödien

Die veränderte Storyausrichtung erforderte erstmals, einen Tod, noch dazu den eines Helden, der Jahrzehnte ein treibendes Mitglied gewesen war, darzustellen. Wie schon die Hochzeit in der ersten Staffel wird auch dieses Ereignis genutzt, um die aktuelle Bandbreite an Sportlern und Journalisten aus dem Bereich des Motorsports in den Comic integrieren zu können. Marc Bourgne und Marc Benéteau nehmen sich aber die Freiheit, die Serien-Figuren anders darzustellen: moderner, weniger idealisiert und „lebendiger“. Diese Änderungen haben logischerweise nicht allen gefallen.

ExLibris Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 VZA

Bezüglich der Rennszenen und des Ablaufs in den Boxen hat sich allerdings nichts verändert. Noch immer bilden diese Abschnitte das Gerüst der einzelnen, sich jetzt viel mehr aufeinander beziehenden Bände und faszinieren nicht nur Comic-Fans, sondern haben schon lange auch den Schritt in die Fachpublikationen vollzogen. Mehr Vernetzung kann man sich kaum vorstellen.

Gesamtausgabe PLUS

Der Band enthält nicht nur die drei Alben, sondern auch die beiden während dieser Jahre entstandenen (Werbe-)Kurzgeschichten. Wie schon unter Jean Graton ist Michel Vaillant noch immer ein perfekter Werbeträger in seinem Bereich, zumal die Werbungen auch inhaltliche Bezüge zur Serie haben. Dazu kommen redaktionelle Beiträge von Dr. Anselm Blocher, der gewohnt kenntnisreich bestimmte Details hervorhebt, auf die Strategie der Serie und ihre Vermarktung eingeht und somit das Ganze Erlebnis noch intensiver macht.

Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 page 5

Ein Album, das zum Start der 24 Stunden von Le Mans auf den Markt kommt an dem zwei Rebellion-Vaillante nicht nur teilnehmen, sondern auch noch aufs Treppchen kommen, ist schon genial. Die Mischung aus Soap und Sport funktioniert wieder und hat den Sprung in die Jetztzeit geschafft; aller Staub der vergangenen Jahrzehnte wurde abgeschüttelt! Und damit ist die Serie nicht nur für die alten Fans geeignet, sie kann auch neue Leser*innen (!) gewinnen.

Wie immer in der ZACK-Edition gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und Druck!

Variant-Cover Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 VZA

© der Abbildungen Graton Editeur 2015, 2016 & 2017 by Graton, Lapière, Bourgne, Benéteau / Dupuis | 2025 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Rinaldi –Siegfried Gesamtausgabe

Zum Lesen und Lachen

Story: Weynstein (Rolf Kauka)
Zeichnungen: 
Riccardo Rinaldi
Originaltitel:
Siegfried (Pip 1-7 1971, 1+2 1972)

Kult Comics

Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 24,95 € | 
ISBN: 978-3-96430-460-5

Cover Rinaldi - Siegfried

Wer bei Rolf Kaukas Produktionen nur an Bussy Bär und Fix & Foxi denkt, blendet einen Teil seines verlegerischen Wirkens aus. Auch Kauka nahm Anfang der 70-er Jahre die Veränderungen war und brachte mit Lupo-modern, später PRIMA/PRIMO und Pip international Magazine für die älteren Leser*innen heraus die heute meistens nur noch in Ausstellungskatalogen Erwähnung finden. Siegfried ist dabei gemäß dem Werbetext das „Abgefahrenste, das jemals Rolf Kaukas Comicschmiede verlassen hatte“.

Auf dem Motorrad durch die Welt der Nibelungen

Der aus Italien stammende Riccardo Rinaldi kam 1965 nach München, um für Rolf Kauka zu arbeiten. Sein Stil passte nicht unbedingt zu den strengen Vorgaben für Fix & Foxi und so wurde er zunächst hauptsächlich für Tom & Biber-Geschichten eingesetzt bevor er seine eigene Serie, Die Pichelsteiner, kreieren durfte. Auch dort passte die weibliche Hauptfigur mit ihrem Aussehen schon nicht unbedingt zu der anvisierten Altersgruppe. Gänzlich zügellos wurde es dann aber mit Siegfried.

Rinaldi - Siegfried page 17

Der blonde Recke braust mit seinem Motorrad durch eine Gegend, die sehr lose durch die Nibelungensaga beschrieben wird. Es gibt dort Jungfrauen, die auf den „richtigen“ Freier warten, Drachen, gehörnte Ehemänner und vor allem Frauen, die darauf warten, endlich auf einen Helden zu stoßen. Das hier vermittelte Frauenbild passt in die späten 60-er, drückt ganz klar eine altertümliche, männliche Sichtweise aus.

Der Held wird als gut bestückt beschrieben und braust sorglos von Abenteuer zu Abenteuer. Jedes davon wird recht freizügig beschrieben. Die Szenarien sind von einem Herrn namens Weynstein verfasst worden. Man ist sich mittlerweile relativ sicher, dass sich dahinter niemand anderes als Rolf Kauka persönlich verbarg. Passen würde es: der erzkonservative Mann alter Schule, der seine Wunschvorstellungen als potenter Held zu Papier gebracht hat.

Peppige Zeichnungen

So fragwürdig die Inhalte mittlerweile zu werten sind, so unzweifelhaft sind doch die Zeichenkünste von Rinaldi. Er verbindet unterschiedliche Stilarten, zeichnet sehr dynamisch und ist definitiv auf der Höhe der Zeit. Popart fließt mit ein, die Hippie-Kultur scheint durch und auf die ersten Underground-Bestrebungen verweisen nicht nur das Thema der Freizügigkeit an sich, sondern auch die Missachtung der bisher strengen Layout-Vorgaben. Panelbegrenzungen werden ziemlich häufig ignoriert.

Rinaldi - Siegfried page 18

Die Gesamtausgabe enthält zusätzlich auch noch die weiteren Beiträge des Zeichners für Pip international. Auch hier zeigt sich der Einfluss der miefigen Altherrenkultur, die auf die Befreiung der 68-er stößt. Von heute aus betrachtet im Besten Fall komisch, damals wahrscheinlich revolutionär.

Vorbildliche Ausgabe!

Die Macher bei Kult haben sich für diese Zusammenstellung alle Mühe gegeben. Nicht nur sind alle Episoden von Siegfried zusammengestellt, auch die weiteren Beiträge von Riccardo Rinaldi wurden integriert. Dazu gibt es alle Titelbilder der Zeitschrift (in zugegebener Weise sehr kleinen Bildern) und eine Einführung zu den Künstlern und dem damaligen Verlagsangebot.

Detail Rinaldi - Siegfried page 48

Als besonderes Schmankerl sind im Anhang zudem einige, noch käuflich zu erwerbende Satzvorlagen wiedergegeben, die Zeichnungen, Korrekturen und Lettering enthalten. Für Kauka-Komplettist*innen sicherlich ein Muss, für alle anderen ein Dokument der Zeitgeschichte, dass heutzutage so wohl nicht mehr neu auf den Markt kommen dürfte, mit Sicherheit aber in den aktuellen Trend der Erotik-Comics passt.

Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und einem Riesenfaltposter.

Dazu passen The Runaways mit „School Days“ und ein Limoncello Spritz.

© der Abbildungen 2025 Rolf Kauka’s Comicosmos Establishment, Fürstentum Liechtenstein / 2025 Comic Combo, Leipzig

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