Seron – Die Zentauren Integral 2

Aurora & Ulysses – Band 2: 1982 – 1989

Story: Pierre Seron
Zeichnungen: 
Pierre Seron
Originaltitel:
Centauren, Aurora & Ulysses, Integraal 2

Kult Comics

Hardcover | 192 Seiten | Farbe | 35,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-357-8

Cover Zentauren Integral 2

Während Die Abenteuer der Minimenschen und auch diejenigen der Minimädchen bereits mehrfach komplett in Deutschland erschienen sind, waren Die Zentauren hierzulande nur teilweise erschienen. Zudem sind die Bände aus dem Feest-Verlag auch fast schon im Rentenalter. Die Lücke im Werk des Belgiers Pierre Seron wird durch diese zweibändige Integral-Ausgabe nun endlich geschlossen.

Spielball der Götter

Im Zentrum der Geschichten stehen die beiden jungen Zentauren Aurora & Ulysses. Während das nach der Tochter Serons benannte Mädchen Aurora die klügere und reifere ist, hat Ulysses Probleme damit, seine Emotionen zu kontrollieren. Immer wieder gerät er entweder in den Bann hübscher, teilweise aber gefährlicher Frauen oder legt sich mit Gegnern an, die er lieber friedlich stimmen sollte. Die beiden sind wegen Ungehorsams aus dem Olymp verbannt und müssen nun durch die Zeiten irren, um das richtige Zeustor zu finden, das sie wieder zurückbringen würde.

Zentauren Integral 2 page 43

Zunächst sind die beiden im antiken Griechenland und sollen in Die Odyssee Odysseus eine Sache überbringen, die er vergessen hatte. Dabei erleben sie einige der Abenteuer des Sagenhelden erneut. Mit viel Witz nimmt Seron die bekannten Inhalte auf und präsentiert sie ganz anders. Auch Die Amazonen verstecken hinter teilweise etwas plattem Humor viel tiefsinnige Kritik an der männlich dominierten Gesellschaft und laden dazu ein, Passagen zweifach zu lesen.

Sein unkontrolliertes Temperament bringt Ulysses schließlich dazu, sich mit dem Götterboten und Herold anzulegen. Natürlich gefällt diesem das nicht und so müssen die Beiden auch noch mit den Strafen des Hermes fertig werden. Den Abschluss bildet ein weiteres Cross-Over mit den Minimenschen: Kelvinhathor III. enthält ebenfalls viele Anspielungen auf andere Werke der Comic- und Filmkunst und ist spaßig zu lesen. Als Bonus ist dann auch noch der Beitrag von Pierre Seron zu den Parodien abgedruckt.

Zentauren Integral 2 page 44

Auf der Grenze zwischen Kinder- und Erwachsenencomic

Prinzipiell zeichnet Pierre Seron sehr ähnlich wie André Franquin. Wer den einen der Beiden mag, wird den anderen zumindest nicht schlecht finden. Während Seron bei den Minimenschen oft genug (fälschlich) vorgeworfen worden war, ein Kopist zu sein, markieren die Zentauren stilistisch einen Übergang zwischen den eher an kindliche Leser*innen gerichteten Stories zu den Stoffen für Erwachsene.

Das betrifft nicht nur die Inhalte, die eine gewisse Bildung voraussetzen, sondern vor allem die Darstellungen der weiblichen Nebenfiguren. War es schon schwierig gewesen, die angedeuteten weiblichen Formen von Aurora gegen die verlagsinternen Widerstände durchzusetzen, wurden die Nebenfiguren immer üppiger. Mehr zu den Hintergründen in den beiden sehr ausführlichen redaktionellen Teilen der Integrale.

Detail Zentauren Integral 2 page 45

Komplett!

Die wesentlichen Serien von Pierre Seron liegen nun komplett auf Deutsch vor (wobei Die Angler im ZACK erschienen sind) und bieten eine gute Möglichkeit, die Entwicklung des Zeichners und Szenaristen nachzuvollziehen. Enttäuschung und Depression werden dabei allerdings gut versteckt. Ein Klassiker, der sich lohnt! Der redaktionelle Teil wurde im Übrigen vom Verfasser dieser Zeilen übersetzt.

Es gibt auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover. Erwähnenswert dabei sind die drei (!) beigefügten Drucke: Neben einer drucksignierten Zeichnung von Seron gibt es zwei von Franz Gerg signierte Drucke!

Cover Zentauren Integral 2 - VZA
Cover der VZA

Dazu passen Bite Me Bambi, etwa mit „Too Many People“, und ein Mythic.

© der Abbildungen Seron, 2025 / 2025 Comic Combo, Leipzig

Lutes – Berlin

Gesamtausgabe der Berlin-Trilogie

Story: Jason Lutes

Zeichnungen: Jason Lutes

Originaltitel: Berlin

Carlsen Comics
Broschur | 608 Seiten | s/w | 34,00 €
ISBN: 
978-3-551-80586-7

Cover Lutes - Berlin GA

Wer leichte Lektüre sucht, ist hier gleich mehrfach falsch, die Gesamtausgabe der Berlin-Trilogie ist auch als Broschur deutlich größer und dicker als ein Ziegelstein und fordert den Leser*innen einiges ab. Dafür ist es aber auch eine Geschichte der deutschen Hauptstadt und zeigt viele ihrer Facetten zwischen Ende der 20-er und den Anfängen der 30-er Jahre.

Geschichte aus Geschichten

Jason Lutes erzählt Geschichten aus den Leben von vielen Bewohner*innen der Stadt, seien sie nun zugezogen und Student*in, Arbeiterin und Mutter, alleinlebend und journalistisch tätig, Familienvater und Opfer der antisemitischen Stimmung oder auf der Straße lebende Waise. Alle diese Schicksale und noch viele mehr sind ineinander verwoben. Die Personen begegnen sich in aus unterschiedlichen Perspektiven erzählten Strängen, haben ihre Vorlieben und Geheimnisse, und schaffen somit ein Mosaik aus Einzelheiten das ein sehr genau beobachtetes Bild des Ganzen erschafft.

Das Berlin dieser Zeit war einerseits geprägt von künstlerischer und sexueller Aufbruchstimmung; Dinge, die noch kurz zuvor undenkbar waren, konnten plötzlich in relativer Offenheit geschehen. Man darf allerdings nicht vergessen, dass trotzdem eine latente Gefahr drohte, waren die Handlungen doch immer noch strafbar, etwa nach dem § 175 StGB. Gleichzeitig drohte auch Massenarbeitslosigkeit, Menschen verhungerten und begehrten gewaltsam dagegen auf. Die in Deutschland gescheiterte Revolution nach dem Ersten Weltkrieg war schließlich noch nicht lange vorbei.

Lutes - Berlin GA page 10

Lutes beschreibt auch den Aufstieg der Nationalsozialisten, die sich anschickten, die Macht über die Straße zu gewinnen, das Massaker der Berliner Polizei an den Demonstrant*innen des 1. Mai und die Bestrebungen der Intellektuellen um die „Weltbühne“, die Wiederbewaffnung des Deutschen Reiches und die Verbindungen zwischen Konservativen, Nationalisten und Faschisten aufzuzeigen.

Eindrucksvolle Bildfolgen

Jason Lutes zeichnet grundsätzlich in einem realistischen Stil, lässt aber auch viel weg, um die markanten Teile hervorzuheben. Seine Bilder wirken daher gar nicht so sehr, wenn man sie einzeln betrachtet. Erst die gesamte Doppelseite bekommt eine Wirkmächtigkeit die ich bei Graphic Novels oftmals vermisse.

Lutes - Berlin GA page 11

Die dicken Panelrahmen geben Struktur; die Sequenzen bestehen teilweise aus Bildfolgen mit nur minimalen Änderungen und trotz der Fülle von teilweise fast 20 Bildern auf einer kleinen Seite ist die Lesegeschwindigkeit relativ hoch. Häufig wird der Text kursiv gesetzt. Im Vorwort werden die möglichen Bedeutungen dieses Stils erläutert. Den Sinn dahinter verstehe ich vollkommen, meine Augen sind aber nicht immer gut genug, um auch alle kursiven Passagen lesen zu wollen.

Wertvoll, lesenswert und anregend

Immer wieder wird versucht, das Aufkommen des Faschismus zu erklären. Wie konnte das passieren? Oftmals gefolgt von einem „Nie wieder ist jetzt!“. Nun ist es allerdings schwierig etwas zu verhindern, dass man nicht begreifen kann. Berlin enthält eine ganze Menge an Informationen, die sich jede*r allerdings selbst erschließen muss. Welchen Einfluss haben Familie und Gesellschaft, welchen haben Lebensentwürfe? Was macht Sexualität mit jemanden, der/die sie nicht ausleben darf? Wie kann Frustration, Gewalt und Desinformation verarbeitet werden?

Lutes - Berlin GA page 12

Alle diese Fragen stellen sich beim Lesen der handwerklich super gemachten (!!) Gesamtausgabe, sie werden aber nicht mit dem berühmten Zeigefinger präsentiert oder gar beantwortet. Berlin schließt mit ein paar Skizzen, einem Interview mit Jason Lutes, der rund zwei Jahrzehnte an diesem Werk gearbeitet hat, und ein paar grundsätzlichen Bemerkungen. Wer vor ein paar Jahren die Hardcoverausgabe verpasst hat, sollte jetzt auf jeden Fall zuschlagen.

Dazu passen Ideal und eine (grüne) Berliner Weisse.

© der Abbildungen 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Vernes/Forton – Bob Morane Classic 6

Die Spur des Elfenbeins

Story: Henri Vernes
Zeichnungen: 
Gérald Forton
Originaltitel: 
La Piste de l´ivoire

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 20,00 €

ISBN: 978-3-949987-48-9

Cover Bob Morane Classic 6

Die ersten fünf Bände der Bob Morane Classic-Reihe enthielten die von Dino Attanasio gezeichneten Abenteuer. Die Zusammenarbeit zwischen Zeichner und Romanautor/Szenarist Vernes endete abrupt, ein neuer Zeichner stand mit Gérald Forton schnell bereit. Auch dieser Teil wurde zunächst in der Frauenzeitschrift Femmes d´Aujourd´hui vorveröffentlicht, bevor er mehrere Albenausgaben in Frankreich erlebte. Auf Deutsch erscheint die Geschichte erstmals.

Eine afrikanische Tragödie

Bob Morane und sein Freund Bill Ballantine sind als Foto-Touristen in Afrika unterwegs. Schnell machen sie Bekanntschaft mit einem extrem unsympathischen weißen Großmaul, können ihn aber in seine Schranken verweisen. Auf der Suche nach passenden Motiven begegnen sie einem weißen Nashorn, geraten dabei allerdings in Lebensgefahr. Aus Achtung vor dem Tier lösen sie die Situation zwar ohne Schusswaffengebrauch, werden aber trotzdem von einer engagierten jungen Frau für „Mörder“ gehalten.

Bob Morane Classic 6 page 3

Sie entpuppt sich als Tochter eines Rangers, der gegen Wilderer kämpft und zusätzlich Probleme mit einigen Stämmen hat. Diese werden teilweise bewusst aufgehetzt, um Kräfte zu binden. Und tatsächlich ist auch das Großmaul wieder involviert.

Vernes präsentiert wieder eine spannende Story mit Gefangennahme, Flucht und erneuter auswegloser Situation. Die Helden dürfen tun, was sie immer tun: verzwickte Situationen lösen! Immerhin gibt es für die beteiligte Tochter des Rangers eine aktive Rolle! Obwohl vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, ist die Spur des Elfenbeins spannend, logisch aufgebaut und macht dementsprechend Spaß beim Lesen!

Bob Morane Classic 6 page 4

Ein „neuer“ Bob

Der Wechsel von Dino Attanasio zu Gérald Forton ist an der einen oder anderen Stelle durchaus zu merken. Der Held scheint zum Beispiel um einige Jahre jünger als zuletzt. Grundsätzlich bleibt aber alles beim Alten: die Hintergründe der Bilder sind sehr detailliert und lassen die Leser*innen dadurch an dem Geschehen teilhaben. Die Figuren sind nicht nur realistisch gezeichnet, sie bewegen sich auch entsprechend.

Ein weiterer Unterschied liegt vielleicht darin, dass Forton plakativer ist. Er stellt teilweise Gesichter in den Vordergrund eines Panels um die Aufmerksamkeit darauf zu richten, lässt aber trotzdem im Hintergrund noch Handlungen ablaufen. Für den ersten eigenen Streich eine gute gelungene Sache!

Detail Bob Morane Classic 6 page 7

Das Schließen einer Lücke!

Die späteren Werke von Vance und Coria haben durchaus Wege nach Deutschland gefunden, teilweise auch mehrfach. Die ersten Bände waren aber bisher größtenteils nicht erhältlich und insofern können die Fans des ZACK-Helden der Koralle-Zeit nun endlich seine Geschichten in einer angemessenen Form vervollständigen.

Wer sich zu einem Abo der Bob Morane Classic Bände 6 – 15 entschließt, erhält zusätzlich ein Sonderheft mit Skizzen von Forton! Reizvoll darin sind einige Seiten in ihrer Fassung von 2003 im Vergleich mit der endgültigen Fassung von 2005. Diese geben einen Einblick in die Entwicklung des Zeichners (und des erwarteten Publikums).

Cover Abonnementprämie Bob Morane Classic II

Dazu passen Social Distortion mit „So Far Away“ und ein Bremer Union Hanseat 2.0.

© der Abbildungen Vernes – Bob Morane Inc / Forton – Ed. Hibou | 2025 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Lee/Ditko, Kirby, Romita Sr. – Hulk. Vol. 1. 1962–1966

Marvel Comics Library. Hulk. Vol. 1

Story: Stan Lee
Zeichnungen: Steve Ditko, Jack Kirby, John Romita Sr.

Herausgeber: Douglas Wolk
Originalausgabe
– The Incredible Hulk 1 – 6 & Tales to Astonish 59 – 83

Taschen Verlag

Hardcover XXL | 670 Seiten | Farbe | 175,00 €

ISBN: 978-3-8365-9161-4

Cover Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Vor ein paar Jahren startete der Taschen Verlag die preisgekrönte Serie Marvel Comics Library: Im riesigen Format 28 x 39,5 cm werden die Superheld*innencomics der ersten Stunde peu a peu sorgfältig restauriert neu aufgelegt und mit einem Vorwort von Fachleuten versehen auf den Markt gebracht.  The Incredible Hulk passt natürlich in diese Reihe, ist er doch nach den Fantastic Four die zweite Schöpfung von Stan Lee und Jack Kirby. Im Gegensatz zu den anderen Bänden Avengers, X-Men, Spider-Man ist es aber keine Superheldenserie. Hier findet eine Verknüpfung der Science-Fiction-lastigen sonstigen Serien mit Motiven aus dem Horror-Genre statt!

Man or Monster or … both?

The Incredible Hulk ist die Erscheinungsform, in die Dr. Bruce Banner, einer der klügsten Menschen der Welt und seines Zeichens Wissenschaftler in einer US Army-Einrichtung, mutiert. Banner war der verantwortliche Leiter für einen Versuch mit einer experimentellen Bombe. Da er bemerkt hatte, dass ein Unbeteiligter sich auf das Gelände begeben hatte, wollte er ihn retten und wurde dabei einer sehr großen Menge an Gammastrahlung ausgesetzt. Der Junge, Rick Jones, entwickelt sich im Laufe der Zeit zu seinem Side-Kick und wird auch in anderen Serien auftauchen. Banner selbst überlebt die Bestrahlung, wird aber mit Einbruch der Nacht zum Hulk.

page 1 from the first The incredible Hulk

Das Monster ist eine der Marvel-Figuren, die eine bemerkenswerte Wandlung durchmachen mussten. Seine Hautfarbe war im ersten Heft noch grau, wurde dann aber aufgrund drucktechnischer Probleme zu grün umgewandelt. In seiner Origin-Story erfahren wir, dass sich der Mensch bei Einbruch der Nacht in ein Monster verwandelt. Diese Verwandlung wird bei Tagesanbruch rückwärts vollzogen. Später kann er sich mit Hilfe von Gammastrahlen in seine jeweils andere Inkarnation verwandeln, bevor dann starke Emotionen ebendiese auslösen. Im Laufe der Zeit kamen dann noch andere Inkarnationen hinzu die jeweils unterschiedliche Fähigkeiten und emotionale Besonderheiten besitzen.

Zudem waren sich Szenarist und Zeichner nicht immer einig: Obwohl es oftmals so aussah, als ob der Hulk fliegen könne, bestand sein Erfinder Stan Lee darauf, dass er nur zu unglaublich weiten und hohen Sprünge in der Lage sei. Davon unabhängig war der grüne Gigant somit in der Lage, sowie unerwartete Positionsveränderungen in seiner Inkarnation als Wissenschaftler als auch sichtbare in seiner Monsterform zu bewerkstelligen. Er stellt damit seine Verfolger, hauptsächlich in der Form von verbohrten, rachsüchtigen Militärs, immer wieder vor unlösbare Aufgaben.

Comic page within Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Blessing or curse?

Bei dem ambivalenten Charakter stellt sich die Frage, ob er einfach nur eine Katastrophe darstellt, die Eigentum vernichtet und Menschenleben in Gefahr bringt, oder ob sich hinter der oftmals ungelenken Gewalt eine hilfreiche Seele verbirgt.

Schon die kurzfristige Zusammenarbeit mit den Avengers lässt darauf schließen, dass die Grenzen nicht klar gezogen werden können. Aber auch in diesem Band sind widersprüchliche Aussagen verborgen. Einerseits rettet der Hulk alle Insassen eines Zuges vor einem Unglück mit schwerwiegenden Folgen und verteidigt mehrfach die Souveränität gleich der ganzen Erde gegenüber außerirdischen Invasoren, andererseits gerät er immer wieder in Situationen, in denen er, oftmals aus Wut, Verzweiflung oder Frustration, über die Stränge schlägt.

Im Zuge des Übereifers seiner Feinde beim Militär wird er sogar gleichzeitig von den amerikanischen Vertretern als Überläufer und Deserteur und von der kommunistischen Seite als Spion und Feind verfolgt. Kein Wunder, dass eine seiner Lieblingsbeschäftigungen die Zerstörung von Panzern jeder Seite ist. Da sein Hauptgegner nicht nur militärischer Kommandant, sondern auch gleichzeitig Vater seiner Angebeteten ist, wünschte sich wohl mehr als einer der pubertierenden Leser in ähnlichen Situationen gleichermaßen ausrasten zu können.

Comic page within Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Die Serie

Während es heute unvorstellbar ist, dass Pressevertriebe Einfluss auf die Anzahl der Serien hatten, war das in den 50-er und 60-er Jahren in den USA ein alltägliches Problem. Titel mussten also sehr gezielt ausgewählt und lanciert werden. The Incredible Hulk hatte dementsprechend nur eine kurze Laufzeit und kam gerade mal auf sechs Ausgaben. Schon die letzten beiden davon deuten aber daraufhin, wie es weiter gehen sollte, enthalten sie doch schon jeweils zwei halblange Stories. Und tatsächlich migrierte das Monster nach der Einstellung der eigenen Serie in eine Anthologie-Reihe, die Tales to Astonish! In diesem teilte er sich die Seiten zunächst mit dem Giant-Man, später dann mit dem Submariner.

Glücklicherweise erlaubt die perfekte chronologische Sammlung aller Solo-Abenteuer der ersten Jahre das Verfolgen der oftmals über mehrere Hefte laufenden Handlungsbögen. Das war damals nicht unbedingt üblich und verdeutlicht erneut die Sonderstellung der etwas unterschätzten Serie.

double page image from Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Wie immer erlauben die sorgfältigen Reproduktionen der Originalhefte eine Kombination aus einer den Originalen nachempfundenen Haptik und eine perfekte Abbildung der einzelnen Panel, die auf dem damaligen Papier deutlich schlechter aussahen. Das Großformat gibt den sorgfältig komponierten Seiten noch mehr Wirkung und die Bindung und die Aufmachung mit Lesebändchen und passendem Karton zeugt von Wertigkeit (und der Aufmerksamkeit des Verlages gegenüber klassischen „Schätzen“)!

Eine wachsende Sammlung

Die Taschen Marvel Comics Library (die mit der EC Comics Library gerade eine Schwester bekommen hat) wächst und wächst! Sie ist bereits eine unverzichtbare Sammlung der Anfänge der Marvel-Erfolgsgeschichte und bringt somit Meilensteine der Comic-Geschichte in unsere Regale. Da wir heutzutage immer mehr dazu neigen, Geschichte und Hintergründe zu verdrängen, ja, zu ignorieren, ist es auch wichtig, eine zeitgeschichtliche Einordnung mitzuliefern. Jeder Band enthält daher eine sehr persönliche, trotzdem aber auf alle Begleitumstände eingehende Einführung eines Experten. In diesem Fall ist es erneut Douglas Wolk, der die Innovationen und Wirkungen des Hulk verständlich darlegt.

Intro to Taschen Marvel Comics Library Hulk Vol. 1

Die Leser*innen in Deutschland und den Niederlanden müssen allerdings eine (kleine) Pille schlucken: Sowohl die Einführung als auch alle Comics sind in der Originalsprache, also in Englisch. Das XXL-Book ist zwar nicht für den Strandurlaub oder als zusätzliches Gepäckstück beim Wandern geeignet, sollte aber den Urlaub auf Balkonien zu einem Glanzstück werden lassen! Wie immer gibt es übrigens für Sammler*innen wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Metallcover.

Dazu passen Andy & Joey mit „Your Wondering Now“ aus dem Jahr 1966 und ein Negroni, der gerade ebenfalls ein „Comeback“ feiert.

© der Abbildungen 2024 Marvel / 2024 Taschen Verlag

Michel Vaillant Collector’s Edition Staffel 2 Band 2

2015 – 2017

Story:  Philippe Graton, Denis Lapière
Zeichnungen: 
Marc Bourgne, Marc Benéteau
Originaltitel: 
Michel Vaillant – Season 2 – Compilation Book 2

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 180 Seiten | Farbe | 39,00 €

ISBN: 978-3-949987-12-0

Cover Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2

Die Geschichten über die Familie Vaillant, ihren Rennstall und die Abenteuer auf und neben der Piste, die heute als Staffel 1 bezeichnet werden, waren so langweilig und vorhersagbar geworden, dass Philippe Graton, der die Szenarien der Serie von seinem Vater übernommen hatte, keinen wirklichen Spaß mehr daran hatte. Schlimmer noch, auch die potentiellen Leser*innen hatten immer weniger davon. Es war also notwendig, etwas zu verändern … Das war die Geburtsstunde der zweiten Staffel.

Ein missglückter Deal und seine Folgen

Die Beziehungen innerhalb der Familie mussten komplett durchgeschüttelt werden um aus der Routine einer reichen, saturierten Gesellschaft wieder eine bissige, kämpferische und spannende Gruppe zu machen. Gleichzeitig war Michel Vaillant trotz aller Hemmnisse ein erfolgsverwöhnter Fahrer ohne wirklich neue Herausforderungen. Philippe Graton hatte daher mit Erlaubnis seines Vaters Jean eine Storyline über sechs Bände erarbeitet, die die Marke Vaillant zwingen sollte, wieder bei null anzufangen.

Jean-Pierre, obwohl selbst früher ein erfolgreicher Fahrer, war im Laufe der Jahre gezwungen worden, sein Leben in den Dienst der Firma zu stellen, Erfolge für andere vorzubereiten und sie später zu vermarkten. Einmal wollte er selbst einen Coup landen und Leader, den Gegner so vieler Auseinandersetzungen, der Firma Vaillante einverleiben. Jeder weiß, dass was zu gut klingt, nicht gut sein kann, und so entpuppt sich der vermeintliche Deal als Falle, die Firma Vaillante geht verloren und es bleibt nur der Rennstall, allerdings ohne Geld.

Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 page 7

Aus Frust fährt der tragische Held also mit der Limousine des Leader in Kollaps in einen Abgrund und liegt während Wiedergeburt im Koma. Erst in Rebellion wird klar, dass er verstorben ist. Damit brechen innerhalb der Familie Konflikte auf, mit denen niemand gerechnet hätte. Gleichzeitig versuchen Michel, Francoise und ihr Sohn Patrick, den Rennstall auf Elektromotoren umzustellen und erste Rennen zu gewinnen. Dies erlaubt, das Renngeschehen auf eine komplett neue Weise darzustellen und unbekannte Spannungsmomente zu generieren. Dazu muss allerdings Michel erst einmal zu sich selbst zurückfinden.

Renndynamik und Tragödien

Die veränderte Storyausrichtung erforderte erstmals, einen Tod, noch dazu den eines Helden, der Jahrzehnte ein treibendes Mitglied gewesen war, darzustellen. Wie schon die Hochzeit in der ersten Staffel wird auch dieses Ereignis genutzt, um die aktuelle Bandbreite an Sportlern und Journalisten aus dem Bereich des Motorsports in den Comic integrieren zu können. Marc Bourgne und Marc Benéteau nehmen sich aber die Freiheit, die Serien-Figuren anders darzustellen: moderner, weniger idealisiert und „lebendiger“. Diese Änderungen haben logischerweise nicht allen gefallen.

ExLibris Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 VZA

Bezüglich der Rennszenen und des Ablaufs in den Boxen hat sich allerdings nichts verändert. Noch immer bilden diese Abschnitte das Gerüst der einzelnen, sich jetzt viel mehr aufeinander beziehenden Bände und faszinieren nicht nur Comic-Fans, sondern haben schon lange auch den Schritt in die Fachpublikationen vollzogen. Mehr Vernetzung kann man sich kaum vorstellen.

Gesamtausgabe PLUS

Der Band enthält nicht nur die drei Alben, sondern auch die beiden während dieser Jahre entstandenen (Werbe-)Kurzgeschichten. Wie schon unter Jean Graton ist Michel Vaillant noch immer ein perfekter Werbeträger in seinem Bereich, zumal die Werbungen auch inhaltliche Bezüge zur Serie haben. Dazu kommen redaktionelle Beiträge von Dr. Anselm Blocher, der gewohnt kenntnisreich bestimmte Details hervorhebt, auf die Strategie der Serie und ihre Vermarktung eingeht und somit das Ganze Erlebnis noch intensiver macht.

Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 page 5

Ein Album, das zum Start der 24 Stunden von Le Mans auf den Markt kommt an dem zwei Rebellion-Vaillante nicht nur teilnehmen, sondern auch noch aufs Treppchen kommen, ist schon genial. Die Mischung aus Soap und Sport funktioniert wieder und hat den Sprung in die Jetztzeit geschafft; aller Staub der vergangenen Jahrzehnte wurde abgeschüttelt! Und damit ist die Serie nicht nur für die alten Fans geeignet, sie kann auch neue Leser*innen (!) gewinnen.

Wie immer in der ZACK-Edition gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und Druck!

Variant-Cover Michel Vaillant Collector's Edition Staffel 2 Band 2 VZA

© der Abbildungen Graton Editeur 2015, 2016 & 2017 by Graton, Lapière, Bourgne, Benéteau / Dupuis | 2025 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

Rinaldi –Siegfried Gesamtausgabe

Zum Lesen und Lachen

Story: Weynstein (Rolf Kauka)
Zeichnungen: 
Riccardo Rinaldi
Originaltitel:
Siegfried (Pip 1-7 1971, 1+2 1972)

Kult Comics

Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 24,95 € | 
ISBN: 978-3-96430-460-5

Cover Rinaldi - Siegfried

Wer bei Rolf Kaukas Produktionen nur an Bussy Bär und Fix & Foxi denkt, blendet einen Teil seines verlegerischen Wirkens aus. Auch Kauka nahm Anfang der 70-er Jahre die Veränderungen war und brachte mit Lupo-modern, später PRIMA/PRIMO und Pip international Magazine für die älteren Leser*innen heraus die heute meistens nur noch in Ausstellungskatalogen Erwähnung finden. Siegfried ist dabei gemäß dem Werbetext das „Abgefahrenste, das jemals Rolf Kaukas Comicschmiede verlassen hatte“.

Auf dem Motorrad durch die Welt der Nibelungen

Der aus Italien stammende Riccardo Rinaldi kam 1965 nach München, um für Rolf Kauka zu arbeiten. Sein Stil passte nicht unbedingt zu den strengen Vorgaben für Fix & Foxi und so wurde er zunächst hauptsächlich für Tom & Biber-Geschichten eingesetzt bevor er seine eigene Serie, Die Pichelsteiner, kreieren durfte. Auch dort passte die weibliche Hauptfigur mit ihrem Aussehen schon nicht unbedingt zu der anvisierten Altersgruppe. Gänzlich zügellos wurde es dann aber mit Siegfried.

Rinaldi - Siegfried page 17

Der blonde Recke braust mit seinem Motorrad durch eine Gegend, die sehr lose durch die Nibelungensaga beschrieben wird. Es gibt dort Jungfrauen, die auf den „richtigen“ Freier warten, Drachen, gehörnte Ehemänner und vor allem Frauen, die darauf warten, endlich auf einen Helden zu stoßen. Das hier vermittelte Frauenbild passt in die späten 60-er, drückt ganz klar eine altertümliche, männliche Sichtweise aus.

Der Held wird als gut bestückt beschrieben und braust sorglos von Abenteuer zu Abenteuer. Jedes davon wird recht freizügig beschrieben. Die Szenarien sind von einem Herrn namens Weynstein verfasst worden. Man ist sich mittlerweile relativ sicher, dass sich dahinter niemand anderes als Rolf Kauka persönlich verbarg. Passen würde es: der erzkonservative Mann alter Schule, der seine Wunschvorstellungen als potenter Held zu Papier gebracht hat.

Peppige Zeichnungen

So fragwürdig die Inhalte mittlerweile zu werten sind, so unzweifelhaft sind doch die Zeichenkünste von Rinaldi. Er verbindet unterschiedliche Stilarten, zeichnet sehr dynamisch und ist definitiv auf der Höhe der Zeit. Popart fließt mit ein, die Hippie-Kultur scheint durch und auf die ersten Underground-Bestrebungen verweisen nicht nur das Thema der Freizügigkeit an sich, sondern auch die Missachtung der bisher strengen Layout-Vorgaben. Panelbegrenzungen werden ziemlich häufig ignoriert.

Rinaldi - Siegfried page 18

Die Gesamtausgabe enthält zusätzlich auch noch die weiteren Beiträge des Zeichners für Pip international. Auch hier zeigt sich der Einfluss der miefigen Altherrenkultur, die auf die Befreiung der 68-er stößt. Von heute aus betrachtet im Besten Fall komisch, damals wahrscheinlich revolutionär.

Vorbildliche Ausgabe!

Die Macher bei Kult haben sich für diese Zusammenstellung alle Mühe gegeben. Nicht nur sind alle Episoden von Siegfried zusammengestellt, auch die weiteren Beiträge von Riccardo Rinaldi wurden integriert. Dazu gibt es alle Titelbilder der Zeitschrift (in zugegebener Weise sehr kleinen Bildern) und eine Einführung zu den Künstlern und dem damaligen Verlagsangebot.

Detail Rinaldi - Siegfried page 48

Als besonderes Schmankerl sind im Anhang zudem einige, noch käuflich zu erwerbende Satzvorlagen wiedergegeben, die Zeichnungen, Korrekturen und Lettering enthalten. Für Kauka-Komplettist*innen sicherlich ein Muss, für alle anderen ein Dokument der Zeitgeschichte, dass heutzutage so wohl nicht mehr neu auf den Markt kommen dürfte, mit Sicherheit aber in den aktuellen Trend der Erotik-Comics passt.

Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und einem Riesenfaltposter.

Dazu passen The Runaways mit „School Days“ und ein Limoncello Spritz.

© der Abbildungen 2025 Rolf Kauka’s Comicosmos Establishment, Fürstentum Liechtenstein / 2025 Comic Combo, Leipzig

Sensationsjournalismus und kulturelle Mission

ZEBRA-Newsletter – Zweiter Sammelband: 2013 – 2019

Herausgeber: ZEBRA-Redaktion
ZEBRA c/o Georg K Berres oder GoGer att web.de
Din A4 geheftet | 64 Seiten | s/w | 8,00 €
ISBN/ISSN: n/a

Cover ZEBRA-Newsletter Zweiter Sammelband

Alle sechs Monate hat die in Köln ansässige ZEBRA-Redaktion einen Newsletter verschickt mit neuen Zeichnungen, Comics, Reportagen, Tratsch und Klatsch über die deutsche Independent-Comic-Szene und die Familientreffen, genannt Comic-Börsen. Dazu kommen regelmäßige Sonderbände und Hefte.

Der ZEBRA-Sonderband 27 enthält die Ausgaben 25 bis 38, endet also noch vor den Einschränkungen und Besonderheiten der Corona-Ära. Trotzdem kann man schon merken, dass die Szene sich ändert, Börsen mit Zeichner*innentischen immer seltener werden und große, offizielle Meetings wie die Frankfurter Buchmesse oder die Essener SPIEL das gehypte neue Kind wieder in die Schmuddelecke verstoßen. Wie gut, dass es wenigstens ein paar wiederkehrende Ereignisse gibt, von denen man immer wieder berichten kann.

Natürlich wird auch auf alle während dieser Jahre erschienenen ZEBRA-Publikationen hingewiesen, so dass sich das Dokument der Zeitgeschichte auch dazu eignet, eigene Lücken zu erkennen und über die Bestelladresse zu schließen. Wer die Menge an Text nicht unbedingt komplett lesen möchte, kann sich dank des hervorragenden Index direkt zu dem gewünschten Newsletter begeben. Spaß macht es aber, das Werk von vorne bis hinten zu lesen!

Dazu passen alte deutsche Fun-Punk-Bands, etwa die Goldenen Zitronen, und ein roter Tafelwein.

© der Abbildungen 2013 – 2019 bei den jeweiligen Zeichner*innen und Verlagen c/o ZEBRA-Redaktion, Köln

Dufaux/Theo, Delaby – Murena 12

Tod eines Weisen

Story: Jean Dufaux
Zeichnungen: 
Theo; Philippe Delaby

Originaltitel: Murena : 12. Mort d´un sage

Splitter Verlag

Hardcover Überformat |64 Seiten | Farbe | 18,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-496-7

Cover Murena 12

Kaum eine Serie geht einerseits so akribisch mit wissenschaftlichen Hintergründen und Erkenntnissen um und nimmt sich gleichzeitig das Recht auf dramatische Darstellungen heraus. Auch in diesem Band finden sich wieder zwei Fußnoten, die darauf hinweisen, dass der wirkliche Tod gegenüber der Story zurücktreten musste. Trotzdem (oder gerade deswegen?) ist Murena eine außergewöhnliche spannende Darstellung Roms unter der Herrschaft Neros.

Wie gewonnen, so zerronnen …

Held dieser Serie ist Lucius Murena. Gleichaltrig mit dem späteren Herrscher Nero wird Murena in das höfische Leben verwickelt. Er spielt zwar mit, versucht aber eigentlich nur, zu überleben. Wer Dufaux kennt, etwa als Szenarist der Reihe Djinn, weiß, dass er immer auch freizügige Elemente in seine Stories einbaut. Früher war Lucius der schönen Lemuria verfallen. Sie hatte ihn gerettet und zum Liebhaber genommen, doch Murena hatte sie für eine andere verlassen.

Murena 12 page 5

Jetzt ist Lemuria wieder in Rom und versucht erneut, Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig scheint ihr Bruder, das Oberhaupt der Pisonen, in eine Verschwörung verwickelt zu sein. Wird Murena das gerade wiedererlangte Vertrauen des Cäsaren wieder verlieren?

Ein weiterer Handlungsstrang entwickelt sich um Seneca, den früheren Lehrer Neros und sein Verhältnis zu Agrippina, der Mutter des Herrschers. Es geht das Gerücht, dass die Kämpferin Hydra in einer Verbindung zu den Beiden stehen könnte. Sie ist nicht nur eine ausgezeichnete Gladiatorin, sondern auch eine Auftragsmörderin. Für Spannung ist in Tod eines Weisen also gesorgt.

Murena 12 page 6

Realistische Fülle

Die ersten beiden Zyklen waren von Philippe Delaby gezeichnet worden. Dieser starb jedoch nach Band 9 und Theo hatte übernommen. Im Stil seinem Vorgänger sehr ähnlich, überträgt er das Leben aus der damaligen Megastadt in sehr anschauliche Bilder. Sowohl Dreck und Armut, Gewalt und Verruchtheit, als auch der Luxus der herrschenden Klasse werden deutlich, und die handelnden Personen, selbst als Staffage, sind glaubhaft.

Und so stehen der verstümmelte Buckelige, die Soldaten, die fetten Senatoren und die ihren Körper einsetzenden Frauen gleichberechtig nebeneinander als Abbilder ihrer Zeit. Und obwohl der Comic keinesfalls aus „hübschen Bildern“ besteht, könnte man fast auf jeder Seite eines finden, dass es Wert wäre, als Druck vertrieben zu werden.

Detail Murena 12 page 9

Eine der besten History-Serien!

Was soll ich sagen? Murena ist eine der besten Serien aus dem History-Segment und definitiv sammelwürdig! Dufaux verknüpft erotische Elemente, historische Fakten und hinzugefügte Details zu einer sehr spannenden Geschichte die Nero von einer ganz anderen Seite beleuchtet. Man sieht seinen Wandel vom Herrscher mit gut gemeinten Vorstellungen hin zu einem psychopathischen Alleinherrscher, der keine Schranken mehr akzeptiert. Gleichzeitig wird aber auch das Leben in der Stadt selbst nicht ausgeblendet!

Schließlich gibt es auch immer wieder „Einsprengsel“, die jede*n Lateinlehrer*in erfreuen dürften, haben doch immer wieder Philosophen und Künstler ihre Auftritte, die in Fußnoten eingeordnet werden. Zeitgleich mit Band 12 ist auch der sechste Teil der Gesamtausgabe erschienen. Hier werden jeweils zwei Bände mit einem anderen Cover publiziert.

Cover Murena GA 11/12

Dazu passen Bow Wow Wow mit ihrer sehr eigenwilligen Performance und ein Nero Davola!

© der Abbildungen 2024 Dargaud Benelux (Dargaud-Lombard s.a.) by Dufaux, Theo, Delaby | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2025

Dufaux/ Miralles – Djinn Sammelband 2

Zweiter Zyklus: Afrika

Story: Jean Dufaux

Zeichnungen: Ana Miralles

Originaltitel: Djinn – Integrale second cycle

Schreiber & Leser – Alles Gute!

Hardcover | 264 Seiten | Farbe | 39,80 € | 
ISBN: 978-3-96582-179-8

Cover Djinn Sammelband 2

Eine Djinn ist eine Frau, die Männer und Frauen in ihren Bann zieht. Sie kann bestimmen, wer ihr verfallen wird und dadurch Macht über die andere Person erlangen. Der Preis, den sie dafür zahlen muss, ist, nicht lieben zu können. Die junge Kim Nelson ist auf der Suche nach ihrer Großmutter, Jade, die zunächst im türkischen Orient die Fähigkeiten lernen musste, die eine Djinn braucht. Diese finden sich im ersten Sammelband.

Fieber, Urwald, Aufstände

Vor geraumer Zeit sind die fünf Alben des Afrika-Zyklus der Serie in den Einzelbänden 5 bis 9 erschienen, vor einigen Jahren dann als kleinformatige Gesamtausgabe. Die gerade auf den Markt gekommene Edition bringt die Alben in einem Hardcover in Originalgröße und erlaubt so den Bildern von Ana Miralles zu wirken. Jade hatte sich zusammen mit Lord und Lady Nelson nach Afrika aufgemacht. Von der Sinnlichkeit, die die ganze Atmosphäre während der ersten vier Teile auszuströmen schien, ist aber wenig übriggeblieben.

Afrika wird wesentlich rauer dargestellt. Dort sind Körper zwar weniger verhüllt, dieses erfolgt aber nicht mir irgendeinem Ziel. Die Lebensumstände sind gefährlich, der mit Rassismus durchsetzte Kolonialismus führt zu Aufständen und auch die einzelnen Gruppen der Einheimischen sind sich nicht immer wohlgesonnen. Wieder verschränkt Dufaux die Zeitebenen von Jade und Kim und schickt letztere auf die Suche nach den schwarzen Perlen die erstere mühsam erlangt hatte.

Djinn Sammelband 2 page 89

Fibervisionen und Träume gehen ineinander über und erlauben Kim, den Weg ihrer Verwandten zu erkennen und ihm folgen zu können. Dabei geht es – natürlich – um Machtausübung und die Skrupellosigkeit, die notwendig war, sie ergreifen zu können. Im Endeffekt verschwimmen sogar die Grenzen zwischen der Frau Jade, ihrer Eigenschaft als Djinn und ihrer Inkarnation als Göttin.

Träume, Zeremonien, Massaker

Hatte Ana Miralles im osmanischen Zyklus noch viele erotische Szenen zu zeichnen, reduzieren sich diese in den hier versammelten Bänden auf wenige Stellen. Die Stimmung erlaubt keine Gemeinsamkeit allein des Vergnügens wegen. Vereinigung hat hier ein Ziel, ist entweder Teil eines Ritus oder Machtausübung, und dementsprechend auch anders darzustellen. Die Heldin allerdings ist fast immer nur von ihren Tätowierungen und einem kurzen Kampfdress geschmückt und personifiziert mehr die Göttin als die Frau. Insofern liegt dieser Band irgendwo zwischen dem ersten Zyklus und Ava.

Djinn Sammelband 2 page 90

Davon abgesehen ist aber auch die Umgebung eine vollkommen andere: Miralles zeigt viele unterschiedliche Beispiele afrikanischer Natur, ist doch das erklärte Ziel, den Kontinent als Ganzes zu erfassen und zu symbolisieren. Dieses Ziel wird nur teilweise erreicht und beschränkt sich auf die Darstellung von Stereotypen, schafft durch diese Symbolisierung aber auch die richtige Umgebung für die Inkarnation der Göttlichkeit. In dieser Erzählung schaffen die beiden Künstler*innen es auch, die Ichbezogenheit und Brutalität der weißen Eroberer zu zeigen. Diese verachten die Afrikaner*innen, wollen sie nicht verstehen und gehen über Leichen.

Mehrschichtig!

Man könnte es sich leicht machen und die Serie wegen der häufig zu sehenden nackten Haut in eine Schublade packen. Man würde ihr damit aber nicht gerecht werden. Dufaux packt eine ganze Reihe an geschichtlichen Hintergründen und philosophischen Fragestellungen in die Erzählung. Teilweise reduziert er Männer auf stupide Idioten, er lässt aber auch Exemplare zu, die denken können. Miralles wiederum setzt seine Einfälle kongenial um. Für sie ist kein Mensch ein Objekt. Sie erlaubt ihnen noch in ihrem Untergang, Würde zu bewahren.

Jeder einzelne Band ist mit einer Einführung des Szenaristen versehen. Dazu kommt ein Anhang mit zusätzlichen Zeichnungen und weiterführenden Bemerkungen über den Zyklus. Wer die einzelnen Alben besitzt, wird außer dem Anhang nichts Neues entdecken können. Alle anderen, die Comics für Erwachsene schätzen, denen eine verzweigte Story zu Grunde liegt und die in mehreren Zeitebenen über drei Kontinente führt, sollten hier einen Blick riskieren. Wer will kann sich auch die limitierte Vorzugsausgabe mit einem signierten Druck zulegen!

Djinn Sammelband 2 - VZA - Druck

Dazu passen Descartes A Kant mit ihrer Mischung aus Crossover und Performance und ein Schirmchengetränk auf Mango-Basis.

© der Abbildungen Dargaud Benelux (Dargaud-Lombard S.A.) 2020 by Miralles, Dufaux / 2025 Verlag Schreiber & Leser

Cauvin/Berck –Sammy und Jack Integral 5

1982 – 1985

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: 
Berck (Artur Berckmans)
Originaltitel:
Sammy – Integral 5

Kult Comics

Hardcover | 264 Seiten | Farbe | 39,00 € | 
ISBN: 978-3-96430-254-0

Cover Sammy und Jack Integral 5

Halbzeit! Mit diesem Band ist die Hälfte der Strecke geschafft, fünf weitere Bände folgen noch. Die Geschichten der mehr oder weniger erfolgreichen Leibwächter aus dem Chicago der Prohibitionszeit ist für den Zeichner Berck die erfolgreichste Serie der langen Laufbahn. Nicht zuletzt aufgrund dieser Reihe wurde ihm der renommierte Stripgidspreis verliehen. Mehr dazu im wie immer ausführlichen redaktionellen Teil.

Action unterwegs und zuhause und die liebe Familie

Dieses Sammy & Jack Integral versammelt erneut vier Alben, die zwischen 1982 und 1985 erstellt worden sind. Zunächst gibt es eine Fortsetzung des Jugendelixiers. Sowohl der alte, reiche Mann als auch sein geldgieriger Neffe waren in Babys verwandelt worden. Ihr Geisteszustand ist aber wieder der Alte und erneut bekämpfen sie sich, nun als Killer-Babys! Das zweite Abenteuer schickt die Leibwächter in offiziellem Auftrag nach Italien. Sie sollen ein kleines Artefakt zurückbringen, das in einer kleinen Kirche versteckt ist. Sie sind allerdings nicht die einzigen, die auf der Suche sind. Eine irrwitzige, slapstickhafte Jagd beginnt und führt schließlich zu Panik im Vatikan.

Sammy und Jack Integral 5 page 43

Diese Geschichte scheint den überbordenden Humor der Beiden noch nicht erschöpft zu haben und so folgt gleich danach eine ähnliche Story. Die beiden sollen zum Schutz des Staates Pläne zurückbringen, die ein verstorbener Wissenschaftler scheinbar seinem Verwandten anvertraut hat. Dieser will die Pläne an eine ausländische Macht verkaufen, die Übergabe soll in einem Zirkus stattfinden. Wieder ist eine ganze Horde unterwegs und es ist fraglich ob die Gorillas in der Manege überleben werden.

Zum Abschluss kommen schließlich diverse Kurzgeschichten zum Abdruck die unter dem Titel Ma betritt die Bühne erschienen sind. Die Mutter von Jack Attaway hat ihr langweiliges Rentnerinnenleben satt und beschließt nach Chicago zu ziehen. Jack möchte seiner Mutter vorschwindeln, eine sehr erfolgreiche Agentur zu führen, und zwingt daher Sammy zu einigen Scharaden. Seine Mutter ist jedoch keineswegs eine alte, hilflose Frau und entwickelt eigene Aktivitäten.

Sammy und Jack Integral 5 page 44

Routiniert, aber mitreißend

Die Schaffenskraft von Berck war Anfang der 80-er Jahre auf dem Höhepunkt. Drei Alben in zwei Jahren war sein Standard, jede Seite hatte dabei vier Streifen! Er durfte sich zwar auf wenige Hauptfiguren konzentrieren, musste dafür aber eine große Menge an Nebendarsteller*innen erfinden und diese auch unterschiedlich gestalten. Dabei konnte er einerseits immer wieder neue Orte zeichnen und dadurch das Problem ständiger Wiederholungen vermeiden, musste dafür aber auch ständig neue Umgebungen klassifizieren und recherchieren.

Obwohl die Serie in einem Magazin für Kinder und Jugendliche erschien, sind die Zeichnungen keinesfalls ohne. Bomben explodieren, Messer werden geworfen und immer wieder rattern die Maschinengewehre. Es bleibt aber unblutig und auch gestorben wird höchst selten. Man muss den etwas brachialen Humor zwar mögen, die Qualität von Stories und Zeichnungen ist aber ohne Frage sehr hoch!

Detail Sammy und Jack Integral 5 page 50

Vorbildliches Konzept!

Bei einigen Gesamtausgaben hat man als Leser*in das Gefühl, abgezockt zu werden. Nicht so bei dieser Reihe: Der redaktionelle Teil lässt keine Wünsche übrige, noch ausführlicher kann man über Künstler, Werk und Hintergründe nicht informieren. Dazu kommen unzählige Zeichnungen, Skizzen und Fotos! Der Hinweis sei erlaubt, dass der Verfasser dieser Zeilen auch bei diesem Band wieder die redaktionellen Teile übersetzt hat.

Wie immer gibt es eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und einem drucksignierten Exlibris mit einem Strip zum 45-sten Geburtstag von Spirou. Für Fans von Cauvin und Berck ein Muss, für die Liebhaber des frankobelgischen Semi-Funnies eine perfekte Ergänzung der Sammlung!

Cover Sammy und Jack Integral 5 Vorzugsausgabe

Dazu passen Bing Crosby und Louis Armstrong mit „Now you has Jazz“ und ein Champagner.

© der Abbildungen 1983 – 1986 DUPUIS, by Cauvin, Berck / 2024 Comic Combo, Leipzig

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