Die Schweinebucht
Story: Christophe Lemoine
Zeichnungen: Elric Dufau, Baril
Originaltitel: La Baie Des Cohones
Carlsen Comics
Softcover | 64 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 978-3-551-80470-9
Auch bei Spirou haben sich die Zeiten geändert, die tatsächliche und die erdachte Welt nähern sich immer mehr an und tatsächliche Figuren aus Politik und Zeitgeschichte dürfen oder vielmehr müssen unter ihrem wahren Namen Rollen übernehmen. Ob das jede*r gut finden wird? Wahrscheinlich nicht! Aber Kritik ist die Serie ja gerade gewöhnt, die in Deutschland als Band 42 erschienene Geschichte von Yann und Dany wurde in Frankreich sogar zurückgezogen.
Abenteuer in Kuba …
Tatsächlich wagen sich die Macher der Serie an zwei Ikonen der lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen: Fidel Castro und Che Guevara! Während ersterer nicht nur die kubanische Mafia aus Kuba vertrieben, sondern dadurch gleichzeitig auch den amerikanischen Einfluss dramatisch reduziert hatte, war letzterer sowohl vorher als auch nachher in anderen lateinamerikanischen Revolutionen aktiv. Das Portrait von Che auf rotem Hintergrund hat sich zu einem die Jahrzehnte überdauernden popkulturellen Postermotiv entwickelt dessen Entstehungsgeschichte hier karikiert wird.
Überhaupt sie die realen Akteure, gleich ob kubanischen oder amerikanischen Ursprungs nicht wirklich nett und vertrauenswürdig. Während die CIA-Agenten eher als dusselig geschildert werden, ist bei den kubanischen der Machismo überdeutlich prominent. Auf jeden Fall wird in die Schweinebucht deutlich, dass beide Seiten für das Erlangen ihrer Ziele über Leichen gehen würden und keine Rücksicht auf irgendjemand anders nehmen werden!
Spirou wird verhaftet, Fantasio möchte ihn befreien, versucht aber gleichzeitig Steffani in Bezug auf eine Reportage über Kuba austzustechen. Das Marsupilami stiftet Chaos und zerstört dabei die eine oder andere Dekoration oder Auslage und Agent Longplaying darf nach langer Zeit (Franquins Tal der Budhhas) wieder einmal auftreten. Und auch der GAG spielt eine tragende (oder besser schwebende) Rolle. Die Geschichte von Christophe Lemoine schwankt zwischen Real-Satire, Anklage und Splapstick-Spannung und versucht so, den klassischen Esprit der Serie wieder einzufangen.
… in klassischer Manier!
Die Zeichnungen von Elric Dufau und Baril versuchen, den klassischen Vorbildern zu folgen. Natürlich sind die Hintergründe, die Klamotten und auch die technischen Geräte wie Autos im Jahre 1961 nicht viel anders als diejenigen, die Andre Franquin inspiriert haben. Es gelingt daher auch relativ einfach, den Charme dieser Zeit einzufangen. Trotzdem bewegen sich die Figuren darin anders, moderner und von dem aktuellen Erwartungshorizont beeinflusst. Das betrifft nicht nur die Witze (niemand würde heute noch Gottschalk als Textgeber für aktuelle Produktionen haben wollen), sondern auch die Slapstickeinlagen.
Den beiden Zeichnern gelingt diese schwierige Spagatlage ziemlich gut. Zudem schaffen sie es, den kritisierten Persönlichkeiten ein wenig Würde zu lassen. Sie machen somit den Widerspruch zwischen einigen Revolutionserrungenschaften und der Missachtung der Interessen der Einzelnen deutlich und nachvollziehbar. Und auch das Thema der Emanzipation taucht unterschwellig immer wieder auf.
Eine Annäherung!
Grundsätzlich ist der Band eine gelungene Hommage an die wohl erfolgreichste Periode der Serie. Der kleine präpubertäre Giftzwerg ist nicht ganz mein Geschmack und erinnert zu sehr an die andere große belgische Serie. Ansonsten wird der Band den Fans sicherlich gefallen. Ob man damit neue Fans gewinnen kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Dafür ist das Thema heutzutage zu unbekannt und von aktuellen Krisen (und Popkultur-Heroen) bereits lange verdrängt.
Das Backcover gefällt mir dagegen sehr gut, stellt es doch einen Zusammenhang des aktuellen Bandes mit Vorläufern und mit anderen Bänden der beteiligten Künstler her. Zudem wird endlich klar, wie groß der Kosmos um die miteinander verbundenen Serien bereits geworden ist!
Dazu passen „Viva la revolución“ in der Version von den Toten Hosen und ein kubanischer Rum.
© der Abbildungen DUPUIS, 2024 / 2024 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg