Aymond/Bollée – Bruno Brazil – Die neuen Abenteuer 1

Black Program Teil 1

Story: Lauren-Frédéric Bollée 
Zeichnungen: Philippe Aymond

Originaltitel: Les NouvellesAventures de Bruno Brazil – Tome 1 Black Program

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-946522-70-6

Der coolste Geheimagent der siebziger Jahre ist zurück mit neuen Abenteuern! Bruno Brazil hat drei Mitglieder seines Kommando Kaiman verloren, zwei weitere wurden schwer verwundet, weder Zeichner noch Texter der ursprünglichen Serie leben noch und doch geht es weiter.

Die Story

Bruno hat die Verluste in seiner Truppe, insbesondere aber den Tod seines Bruders (noch) nicht verwunden und ist in psychologischer Behandlung. Während er noch Trübsal bläst dreht die Welt sich aber weiter. Zunächst wird das Anwesen, auf dem Madison Ottoman gepflegt wird, Schauplatz eines Überfalls. Ottoman war der Kopf hinter der geheimen Sendeanlage im Dschungel, die den Startpunkt für das Kommando Kaiman gegeben hatte (siehe Bruno Brazil 2). Nur kurze Zeit später verschwindet Ottomans damalige Komplizin Rebelle aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Alles scheint mit dem geheimnisvollen Black Program in Verbindung zu stehen.

LF Bollée schafft es, die neue Serie nahtlos an die letzte Geschichte anknüpfen zu lassen. Obwohl seitdem mehr als 40 Jahre vergangen sind, wirkt das Ganze aber nicht altbacken, sondern so frisch wie ein neuer Doppelnull-Geheimagententhriller! Brazil war schon immer der bessere, glaubwürdigere Held und die damalige Zeit erlaubt einerseits bereits technische Gadgets, ist aber von der modernen Komplett-Video-Überwachung, GPS-Tracking u.ä. meilenweit entfernt.

Brazil ist aber nicht mehr nur der harte „Soldat“, er hat ein bereits in der ursprünglichen Serie angelegtes Privatleben und auch dort sind Kämpfe zu bestehen: Wie kann man einen pubertierenden Jungen erziehen, der nicht der eigene ist und demgegenüber man extreme Schuldgefühle hat? Zudem ist die Frage zu klären, ob und wann der Beruf vorgehen darf. Während es eine Zeitlang Mode war, Krimihandlungen hinter den persönlichen Problemen fast untergehen zu lassen, halten sich die Themen hier die Waage. Sie versprechen für die Zukunft nicht nur spannende Agentenplots, sondern auch Anknüpfungspunkte für ergänzende und ablenkende Konflikte.

Da sich die Geschichte über mindestens zwei Alben erstrecken wird ist Geduld gefragt! Hoffen wir, dass sich die Beiden an den Rhythmus von einem Band pro Jahr halten werden.

Die Zeichnungen

Phillipe Aymond ist kein Unbekannter; seine Kariere begann mit einer Zusammenarbeit mit Pierre Christin, dessen Autobiographie er auch zeichnen durfte. Sein bisheriges Hauptwerk ist sicherlich die Agentenserie Lady S., die von Jean van Hamme getextet wurde. In diesem Sujet kennt er sich aus: brennende Autos, Mündungsfeuer und Kampfszenen beherrscht er wirklich! Das Gesicht der von Vance übernommenen Hauptfigur und auch die der Mitstreiter*innen können dagegen nicht vollkommen überzeugen! Das mag allerdings auch daran liegen, dass sich der Stil solcher Geschichten im Laufe der letzten 40 Jahre komplett gewandelt hat. Vielleicht fehlt auch nur noch etwas Routine.

Dekors und das Gefühl der Serie sind dagegen sehr gut getroffen. Die Siebziger-Jahre, die den Hintergrund der Geschichte bilden, atmen ihren Duft aus jedem einzelnen Panel, aus jeder Tapete im Hintergrund und aus jedem Möbelstück. Wenn auch die Mundpartie nicht immer gelungen ist, die Emotionen kommen trotzdem rüber und auch die Landschaften und Häuserschluchten sind stimmig!

Die Veröffentlichung

Der All-Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, Meilensteine der Comic Geschichte in toller Ausstattung zu veröffentlichen. Dazu gehören unter anderem  die im EC-Verlag erschienenen SF und Fantasy-Geschichten von Wally Wood aber auch die beiden von Greg geschriebenen Reihen Luc Orient von Eddy Paape und Bruno Brazil von William Vance. Beide erscheinen erstmals chronologisch in einzelnen Hardcover-Bänden mit reichlich Zusatzmaterial.

In gleicher Reihenaufmachung, allerdings ohne zusätzliche Abbildungen, ist auch der erste Band der Neuen Abenteuer erschienen. Wie immer gibt es auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe, die als Draufgabe ein signiertes ExLibris enthält!

Insgesamt also eine sehr gelungene Umsetzung, die sowohl Fans der alten Serie zufriedenstellen wird als auch neue gewinnen!

Dazu passen ein leicht nach Salz schmeckender Old Pulteney und Musik aus den end-Siebzigern: Cock Sparrer!

Ausschnitt aus dem ExLibris der Vorzugsausgabe

© der Abbildungen Éditions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) 2019 by Aymond, Bollée

© der Deutschen Ausgabe All-Verlag Wipperfürth, 2019

ZACK 246

ZACK 246 (Dezember 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Mit dieser Ausgabe endet das Jubiläumsjahr mit dem das ZACK das 20-jährige Bestehen gefeiert hat. Zeit also für einen kleinen Rückblick:  Alle bisherigen Chefredakteure und ihre jeweiligen Konzepte wurden mit einem Artikel bedacht, klassische ZACK-Helden erleben ihre Abenteuer immer noch oder wieder in ihren runderneuerten Varianten auf diesen Seiten, vieles Neues und auch Experimentelles ist aber dazugekommen. Das Publikum hat sich vom Nostalgiker zum an modernem Comic Interessierten gewandelt und das ZACK ist nicht länger ein Vorpublikationsorgan, sondern oft die einzige deutsche Veröffentlichung und somit auch ein Wert für sich. Dazu kommen fein ausgewogen Informationen von sehr kurz und knapp bis zu ziemlich ausführlich, Adressen und Titellistungen sowie zwei immer anregende Meinungskolumnen am Anfang und am Ende…

Die laufenden Serien

Den Opener macht Giant von Mikaël und aus dieser Serie stammt auch das Covermotiv. Zu Beginn der 1930-er Jahre war das Leben hart, speziell für Iren in den USA und Irinnen in Irland. Nicht immer waren die Männer in der Lage, ihre zurückgebliebenen Familien zu versorgen und nicht immer wussten die Frauen, warum. Manchmal geht es aber auch nur um die Hoffnung! Ein sozialkritisches Drama in einem sehr eigenen Stil!

Tanguy & Laverdue sorgen mit dem dritten Teil der Sanddiamanten eher für die Unterhaltung der technikbegeisterten Leser. Buendia und Zumbiehl haben eine Geschichte kreiert, die sich Nahe an den aktuellen Konflikten im Nahen Osten bewegt, die Freundschaft der beiden Piloten aber trotzdem in den Vordergrund stellen kann. Zudem geben sie Sébastien Philippe die Möglichkeit, Autos und Flugzeuge in Szene zu setzen. Diese Neuinterpretation hat den Sprung aus den 60-ern geschafft!

Die Bank zeigt gleich mehrere Konflikte auf, die im Übrigen auch heute noch nicht als gelöst betrachtet werden können: Sind Frauen als Handelnde akzeptiert oder werden sie vielmehr als Staffage betrachtet? Können sich Notleidende Moral leisten? Und zuletzt: In welchem Verhältnis stehen geschäftliche Notwendigkeiten und liebesbezogene Wünsche? Guillaume & Boisserie entwerfen ein spannendes Szenario, das von Maffre perfekt umgesetzt wird. Für mich einer der besten Starts in diesem Jahr!

Dazu kommen die üblichen kürzeren Sachen: Parker & Badger, Der Vater der Sterne und Tizombi sowie der schon fünfte Teil des Abrisses von Bernd Hinrichs über Verfilmungen frankobelgischer Comics und eine Würdigung von Amazon’s The Boys von Christian Endres.

Die Abschiede

Gleich zwei Serien verabschieden sich in diesem Heft für immer! Den Anfang macht Cassio von Stephen Desberg, gezeichnet von Henri Reculé. Der Römer hatte sich über neuen Alben mit den Attacken seines Halbbruders Tessio auseinandersetzen müssen. Dabei waren die Geschichten immer wieder zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und hergesprungen und hatten grafisch und inhaltlich unterschiedliche Themen und Stile benutzt. Der Abschluss löst die offenen Fragen tatsächlich auf, liefert grafisch mit einem schrägen Layout eine gute Unterstützung des Kampfes und endet tatsächlich mit einem Happy End.

Auch die Vorkommnisse rund um Christopher Dantès sind nun Geschichte. Er hatte Gefängnis, Folter, Reichtum und tiefen Fall, Intrigen und persönliches Glück durchlebt bis ihm nun mit der Entführung seines kleinen Kindes die seelische Vernichtung drohte. Guillaume & Boisserie haben nichts ausgelassen, gleichzeitig aber auch Hintergrundwissen der aktuellen Finanzwelt, der Umweltzerstörung und der unseligen Verflechtung von Politik und Wirtschaft geliefert. Erik Juszcak hat dem Ganzen einen angemessenen, eher klassischen Rahmen gegeben. Beide Serien gibt es im Übrigen auf Deutsch in keiner anderen Form!

In der gespannten Erwartung auf die bald kommende 250. Ausgabe empfehle ich zur aktuellen Lektüre Joy Crookes, etwa „London Mine“ und eine Tasse warmen Kakao mit Berliner Luft!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Prugne – Vanikoro

Vanikoro

Story: Patrick Prugne
Zeichnungen: Patrick Prugne

Originaltitel: Vanikoro

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 104 Seiten | Farbe | 22,00 € |

ISBN:  978-3- 96219-314-0

Der Meister der Aquarelle ist wieder da! Nachdem zunächst die jüngere französische Geschichte den Hintergrund für zwei Geschichten geliefert hatte, dann die „Besiedlung der amerikanischen Ostküste“ im Kampf mit den Indianern den Stoff für vier weitere grandiose Werke gelegt hatte, zieht es Patrick Prugne jetzt noch weiter in die Welt hinaus: Das aktuelle Werk spielt im Südpazifik, im Juni 1788.

Der Hintergrund

Drei Jahre zuvor hatten zwei Fregatten den Hafen von Brest verlassen um mit 200 Mann an Bord naturkundliche Forschungen zu betreiben und Pflanzen, Insekten, Gewürze und andere Schätze einzusammeln, Küstenlinien zu beschreiben und Architektur und Landschaft bildlich festzuhalten. Das Zeitalter der Aufklärung ermöglichte den Wissensgewinn als Begründung für solch ein Unterfangen und versprach ihren Teilnehmern Ruhm und Anerkennung im Falle eines glücklichen Ausgangs.

Dieser allerdings war nicht immer zu erwarten und auch diese beiden Schiffe gerieten in einen schweren Sturm, wahrscheinlich in der Nähe der Insel Vanikoro. Und hier setzt die Geschichte des Erzählers Prugne ein, der wie gewohnt gekonnt Fakten und Fiktion zu einer spannenden Story vermengt. Vieles über die Expedition ist verbürgt, auch die beschriebenen Akteure haben tatsächlich gelebt. Über ihr Schicksal in und nach dem Sturm gibt es aber nur anthropologische Hinweise.

Bei schwerer See zerbricht zunächst eine der beiden Fregatten und nur sehr wenige Überlebende können sich auch eine nahe Insel retten. Nicht alle überleben dort allerdings, denn die Insel ist keineswegs unbewohnt. Das andere Schiff kann sich schwer beschädigt der Insel nähern und ermöglicht es fast der gesamten Besatzung überzusetzen und das Schiff auszuschlachten. Ziel dieser Gruppe ist der Bau eines seetüchtigen Fahrzeugs, das sie in die Nähe der Schifffahrtsrouten bringen soll.

Im weiteren Verlauf der Geschichte sehen wir Überfälle, Piraten, die von einem Schiff am Horizont ausgelöste Hoffnung, die Unbillen der Natur und erfahren auch etwas über den religiösen Hintergrund der Bewohner des Eilands. Prugne lässt also kein Versatzstück für eine Schiffbrüchigengeschichte aus und verwebt die bekannten Bestandteile auf angenehme, spannende Weise.

Die Umsetzung

Wer schon einmal etwas von Prugne in Händen gehabt hat, wird seinen Stil immer wieder erkennen. Seine Darstellung der wilden Natur ist perfekt; jedes Blatt hat seinen genau richtigen Platz in der Komposition und die Tier- und Menschenwelt findet sich entweder ein oder wirkt im Falle der Europäer wie ein unverständlicher Fremdkörper. Ihnen gesteht Prugne aber eine Entwicklung zu: Einige werden im Laufe der Zeit assimiliert, andere bleiben fremd.

Auch seine Kunst in der Darstellung von Uniformen, sowohl geputzt als auch derangiert findet sich in dieser Geschichte vom anderen ende der Welt wieder und erlaubt herrliche Kontraste zwischen den „Offiziellen“ und den einfachen Matrosen.

Die Landschaften laden einerseits zum Träumen ein und könnten das gemalte Abbild eines Reisekataloges mit Traumzielen sein, andererseits sind sie aber auch voll mit gefährlichen Stellen, giftigen Tieren und Pflanzen und dienen zudem als Versteck für feindliche Krieger. Diese Ambivalenz in der Schönheit ist meines Erachtens schon für sich ein Grund, Prugne zu genießen!

 Wer von den Bildern, die es in den Comic geschafft haben, noch nicht genug hat, sollte einen Blick in den Anhang werfen! Hier gibt es neben Skizzen und ganzseitigen Illustrationen auch noch ein wenig Wissen über die Theorien um das „wahre“ Schicksal der Schiffe und ihrer Besatzungen.

Wie immer eine runde Sache in der Präsentation und nebenbei bemerkt eines der Highlights der diesjährigen Produktion! 5 Sterne!

Dazu passen ein oder zwei India Pale Ale mit ihrem frischem zitronigem Geschmack nach Hopfen und eine Mischung aus traditioneller und moderner Musik, etwa von The Brothers Cazimero.

© der Abbildungen 2018 Editions & Galerie Daniel Maghen

© der Abbildungen Splitter Verlag GmbH & Co. KG ·   Bielefeld 2019

Katalog zur Moebius-Ausstellung in Brühl

Katalog MOEBIUS – Surreale Comicwelten

Hardcover Überformat | 272 Seiten | Farbe | 49,90 € |
ISBN: 978-3-944453-18-7

Wo: Im Museumsshop des Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl noch bis zum 16. Februar 2020 (montags geschlossen) – VERLÄNGERT bis zum 29. März!!

Es gibt zwei Arten von Ausstellungskatalogen

Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Thema aufnehmen, Leser*innen abholen wo auch immer sie stehen mögen und die gezeigten Exponate im Kontext des Textes präsentieren. Im comic-Bereich wären Beispiele dafür etwa die Kataloge von Dr. Alexander Braun (Going West oder die beiden Dortmunder Ausstellungen zu Carl Barks und dem Zweiten Weltkrieg im Comic) oder zur Ausstellung in Oberhausen über Rolf Kauka und sein Universum. Bei diesen handelt es sich eher um bebilderte Sekundärwerke.

Auf der anderen Seite stehen die Kataloge, die sich eher am traditionellen Kunstbetrieb orientieren. Die Ausstellung, also die ausgestellten Werke stehen im Vordergrund und sollen in möglichst farbechter, angemessener Weise die Ausstellungsbesucher*innen noch Jahre später an den Besuch erinnern. Auch hier gibt es natürlich begleitenden Text. Dieser richtet sich aber nicht an die Masse, sondern führt einen kunsthistorischen oder kunstphilosophischen Diskurs (fort).

Porträt-Jean-Giraud-2010-Foto-Isabelle-Giraud-©-2019-Mœbius-Production

Beide habe ihre Vor- und Nachteile, bedienen sie doch vollkommen unterschiedliche Segmente der Besucher*innen und schließen sich in gewisser Weise sogar aus.

Der Katalog zur Moebius-Ausstellung

gehört eher in die zweite Kategorie. Hochpreisig und auf gutem Papier präsentiert er die meisten Exponate der Ausstellung und ist in gewisser Weise selbst Kunst, keinesfalls aber ein Gebrauchsgegenstand. Natürlich enthält er die notwendigen Fakten über den Künstler Jean Giraud und ebenso natürlich ist ihm die Begründung zu entnehmen, warum die Exponate des Visionärs genau hier im Max-Brühl-Museum gezeigt werden; welche Verbindungslinien können zwischen dem als entartet beschimpften Mitbegründer der Moderne und dem Träumer und visionär gezogen werden, wo sind Grenzen? Moebius ist also einer der Comicschaffenden, der den Sprung vom Alltagsvergnügen bereitenden zum Künstler (der 9. Kunst) geschafft hat.

©-2019-Mœbius-Production

Viele dieser Verbindungen laden möglicherweise sogar zu einem zweiten, jetzt informierteren Besuch in die Ausstellungen ein!

Auch das Informationsbedürfnis des Comicfans wird aber bedient. In verschiedenen Beiträgen wird auf die Inhalte, die Motive und Inspirationen eingegangen und nicht nur analysiert, sondern auch erklärt. Insbesondere wird auf Moebius als Wanderer zwischen Innen- und Außenwelt eingegangen, seine Reisen, die die Welten ermöglicht haben und das ständige Bedürfnis, ‚aus dem Rahmen zu fallen‘.

Im Mittelpunkt aber stehen die Abbildungen: großformatig, manchmal allerdings über zwei Seiten ausgeführt, erlauben sie es, den Genuss zu verlängern.

Für Fans sicherlich kaum eine Entscheidungsfrage. Gelegenheitsbesucher*innen, die sich vertieft mit Moebius beschäftigen wollen, finden mit dem Katalog einen soliden Startpunkt! Da der Katalog zweisprachig ist (deutsch/english) kann man ihn guten Gewissens auch allen Besucher*innen empfehlen!

©-2019-Mœbius-Production

Der Katalog ist leider ausverkauft und nur noch mit Glück antiquarisch zu bekommen.

Dazu passen ein leicht temperierter Barolo und Jean Michel Jarre.

© der Abbildungen 2019 Mœbius Production.

ZACK 245

ZACK 245 (November 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Die Neustarts

Richtig gelesen: In diesem Heft fangen gleich zwei neue Serien an, die uns eine Zeit begleiten werden.

Das Titelbild gehört dieses Mal der neuen Reihe Die Bank von Philippe Guillaume & Pierre Boisserie, die damit gleich doppelt in der 245 vertreten sind, stammt doch auch das Szenario von Dantes von ihnen. Gezeichnet werden die ersten beiden Bände über die erste Generation einer Finanzdynastie von Julien Maffre, der in Deutschland am ehesten wegen seiner Serie Stern bekannt sein dürfte. In einem leicht karikaturesken Stil entwirft er ein wenig schmeichelhaftes Bild der Londoner Oberschicht des Jahres 1815. Empathielos werden mögliche Kriegsschicksale auf finanzielle Folgen hin untersucht und junge adelige Damen als Prostituierte vermittelt. Ein Auftakt, der spannendes verspricht!

Der zweite Start könnte inhaltlich kaum gegensätzlicher sein, denn in Giant geht es um einen irisch stämmigen Arbeiter im New York der großen Depression 1932. Mikael verantwortet Text und Bild der Geschichte aus dem Big Apple während des großen Baubooms, der Probleme durch eine große Migrationsbewegung hinein in die Großstadt, der Erstehung krimineller Strukturen und nicht zuletzt auch des harten Arbeitsalltags. Vielleicht fordern tatsächlich aber beide Neustarts ein wenig mehr als den leichten Genuss?

Die Fortsetzungen

Tanguy und Laverdue sind auf heikler politisch-militärischer Mission im Nahen Osten und geraten auch tatsächlich in einen Luftkampf mit feindlichen Maschinen. Während sie diesen noch gewinnen können stellt sich die Verfolgung eines kleinen Schmugglerflugzeugs als weniger erfolgreich heraus. Zwar gelingt es, das Flugzeug zu stellen, der Pilot wird aber scheinbar durch stattliche Stellen geschützt… Während die Story von Buendia & Zumbiehl scheinbar sehr nah an der möglichen Wahrheit befindet und die Konflikte darstellt (ohne europäisch allwissend daherzukommen), schafft Sébastien Philippe es in grandioser Weise, die Wüstenlandschaft zum Star vieler Seiten werden zu lassen!

Cassio nähert sich seinem Ende, es fehlt nur noch eine Teillieferung und die neun bände sind Geschichte. Nicht nur Cassios Mutter ist wieder da, auch Reptah greift in das Geschehen ein und damit kommt der Mystery-Teil noch mal voll zur Geltung.

Dantes Letzter Akt läuft dagegen noch etwas länger. Diese Serie der beiden Autoren der „Bank“ legt den Fokus auf die aktuelle Finanzwelt und seine mehr oder weniger edlen Akteure. Die Tochter von Dantes befindet sich immer noch in den Händen der Entführer aber er selbst und der leitende Capitaine haben eine Idee. Allerdings gibt es auch viele falsch Spielende… Solide Zeichenkost von Erik Juszezak.

Während im französischen Spirou 4253 gerade das fünfte Abenteuer von Harmony begonnen hat, geht hier das zweite zu Ende. Mathieu Reynès beschreibt die Schwierigkeiten einer Gruppe von kindlichen oder jugendlichen Mutanten, die von einer Regierungstruppe gefangen gehalten wird. Was als wissenschaftliches Experiment begonnen hatte ist mittlerweile eine rein militärisch getriebene Aktion und dient einzig und allein dem Zweck, die Kinder zu Waffen zu machen. Allerdings gibt es Widerstand. Während die Manga-beeinflussten Zeichnungen teilweise aussehen, als wären sie zu niedlich, ist der Inhalt an einigen Stellen knallhart. Ein modern erzählter Plot, grafisch sehr modern umgesetzt. Kein Wunder, dass diese Serie in Frankreich zu den Rennern gehört.

zum Schluss noch mal die Bank…

Und sonst?

Die Kurzgeschichten treten in dieser Ausgabe etwas zurück und so gibt es nur eine Seite mit Tizombi und den Ausklang mit dem Vater der Sterne, der zu Halloween passend mit Puppen spielt.

Allerdings gibt es dazu auch noch zwei Interviews: mit Garth Ennis über seine neuen Serien und den Schrecken der Realität und mit Andreas Eickenroth über sein Woyzeck Projekt. Dazu natürlich wieder viele Rezensionen, News und Meinungen!

Dazu passen The Valkyrians und Fanta Black!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Schauraum Dortmund – Der Zweite Weltkrieg im Comic

Nimm das, Adolf! – Ausstellung und Katalog

Wann: 13. Oktober bis 15. März 2020 (Montags
geschlossen)

Wo: schauraum: comic + cartoon, Max-von-der-Grün-Platz
7, 44137 Dortmund

Eintritt: frei

Im schauraum: comic + cartoon in Dortmund läuft bereits die zweite Ausstellung unter der Leitung von Dr. Alexander Braun, dem aktuell wohl profiliertesten Kurator in diesem Bereich. Unter dem Titel „Nimm das, Adolf!“ wird in dem kleinen, rund 160 m² großen Raum gegenüber vom Dortmunder Hauptbahnhof der Zweite Weltkrieg im Comic thematisiert. 80 Jahre nach Beginn des Krieges werden fast 100 seltene, zumeist erstmals ausgestellte Originalzeichnungen und Dokumente gezeigt.

Superhelden gegen Adolf

Die USA waren zunächst nicht bereit, in das (europäische) Kriegsgeschehen einzugreifen. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und der daraufhin erfolgten Kriegserklärung Nazi-Deutschlands an die USA änderte sich die Situation grundlegend. Nun begannen auch die sich gerade in ihrer ersten Blüte befindenden Superhelden den Kampf gegen die faschistischen Staaten Deutschland und Italien sowie gegen Japan aufzunehmen. Auch der Zeitungsstrip konnte und wollte das Thema nicht länger ignorieren. – Im schauraum sind viele Beispiele zu sehen, der aktuelle Katalog gibt allerdings noch einen viel tieferen Einblick und ist unbedingt zu empfehlen!

Es wird aber nicht nur die amerikanische Seite gezeigt, denn auch in Deutschland nahmen sich Zeichner und Journalisten des Themas an. Eine noch heute nicht ganz überwundene Folge des Ganzen ist die Verfemung der Sprechblase als dekadent, kulturlos und „entartet“.

Spirou und Tintin – zwei Strategien

Der Situation in dem von den Deutschen besetzten Belgien sind gleich zwei Themenblöcke gewidmet: Während sich die Zeitschrift Spirou in zivilem Ungehorsam übte und verboten wurde, wechselte Hergé mit Tintin zur deutsch kontrollierten Le Soir, verdoppelte deren Auflage und sorgte damit für eine bessere Verbreitung der deutschen Ideologie. Die Diskussion ist in dem beschränkten Raum der Ausstellung sicherlich nicht zu führen, auch hier sei aber der Hinweis auf die vertieften Inhalte im Katalog erlaubt.

Von den 70-ern bis heute

Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Enthistorisierung des Themas: Nazi-Zombies, Pornos und Satire verwenden den Hintergrund nur noch als einen Bestandteil der Pop-Kultur. Andere Wege gehen graphic novels wie etwa Maus oder aber Wannsee, die sich bemühen, historisch korrekt Aufarbeitung in einer besonderen Kunstform, dem Comic, zu ermöglichen. Auch hier werden Originale und Werke aus Italien gezeigt wie auch zwei Originale von Fabrice Le Hénanff.

© Fabrice Le Hénanff © Editions Casterman 2019

Gerade in heutigen Zeiten in denen Populisten weltweiten Zulauf haben und die jüngere deutsche Geschichte massiv umgedeutet wird kann es nicht schaden, sich diesem Thema zu widmen. Es muss ja nicht gleich ein 1000-Seiten Wälzer sein.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. März 2020 täglich außer Montags ab 11:00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der bereits mehrfach erwähnte Katalog von Alexander Braun (ISBN: 978-3-9820732-1-7) ist nur im schauraum erhältlich und ist jeden Cent seiner 20 EURO wert! Er umfasst 224 Seiten und enthält rund 340 Abbildungen.

Zum Katalog passen eine Kanne fair gehandelter Biokaffee und Banda Bassotti aus Italien.

© der Abbildungen Kulturbetriebe der Stadt Dortmund 2019

© Fotos Sven Krantz-Knutzen 2019

Ferri/Conrad – Asterix 38

Die Tochter des Vercingetorix


Story: 
Jean-Yves Ferri
Zeichnungen: 
Didier Conrad
Originaltitel: 
Asterix 38 – La fille de Vercingétorix

Egmont EHAPA Media
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 €  | Hardcover 12,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-3638-5

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Nun ist also der vierte Versuch von Ferri und Conrad alle Asterix-Nostalgiker zufriedenzustellen erschienen und wieder gibt es die Kritik, dass es sich nicht um einen „echten“ Asterix handeln würde. Naja, er ist nicht von dem gnadenlos guten Duo Goscinny/Uderzo und somit „latürnich“ kein ursprünglicher Asterix. Wer das erwartet hat, wird seit dem zu frühen Tod des Texters enttäuscht und hat diese Haltung wahrscheinlich längst verinnerlicht. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Geschichte, die neue Figuren in das etwas altbacken gewordenen Dorf einführt, quasi „The Next Generation“, die politische Themen aufnimmt (Fridays for future), die den Generationenkonflikt auf die Schippe nimmt und die dann auch noch Zeit für kleine Sidestories mit Idefix hat.

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Geschichte

Vercingetorix hatte eine Tochter, die auf dem Schlachtfeld von ihrem Vater ein Insignium erhalten hat, um später den Widerstand erneut anzuführen. Dazu muss sie aber zunächst vor „dem Verräter“ beschützt werden. Nachdem ihre beiden Bodyguards das jahrelang hinbekommen haben, brauchen sie nun kurzfristig eine Übergangslösung um ein Schiff nach Londinum zu besorgen. Was läge also näher als das Dorf der Unbeugsamen. Tatsächlich geht es dabei um die gesamte Gemeinschaft, die die junge Adrenaline, so der Name der  berühmten Tochter, schützen soll und nicht nur um die beiden Standardhelden. Das lässt Raum für altbekannte Gallier*innen, aber vor allem auch für neue andere Jugendliche. Selfix und Aspix, Söhne von Automatix und Verleihnix, nehmen dabei die größten Rollen ein, aber auch andere werden nicht nur mit Namen versehen, sondern tragen auch die Handlung. Alle sind leicht frustriert, lehnen nicht nur Wildschweinjagd sondern auch Römerkloppe ab und suchen die Gesellschaft von Troubadix, weil den auch keiner mag.

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Adrenaline wird eingeführt mit dem Hinweis, dass sie gerne ausbüxe und das tut sie auch. Auf der Suche nach dem sagenumwobenen Thule trifft sie auf die Piraten, Epidemais, Römer und auch auf einen Hippie namens Letitbix. Natürlich macht ihr der Verräter Miesetrix zu schaffen und am Ende wird alles gut… – Wirklich? Irgendwie wird nicht einfach alles gut, sondern für viele erst mal anders und sicherlich auch komplizierter.

Ferri hat sich damit erstmals wirklich etwas emanzipiert von dem großem Vorbild Uderzo, der das Dorf eigentlich immer nur um Asterix und Obelix sowie Majestix und Miraculix konzentriert hatte. Alle anderen waren Beiwerk oder „Fremde“. So sind z. B. die Kampfszenen mit den Römern auch eher Zitate als Handlung,

Die Übersetzung von Klaus Jöken ist dabei gut gelungen! Es findet keine Anbiederung an „Jugendsprache“ statt und doch reden die Heranwachsenden anders. Die Zahnlücke des Surimix ist zu „hören“ und auch der Gote sticht wieder heraus.

Die Zeichnungen

Natürlich ist auch der 38. Band ein typischer Asterix. Die Streifen von Obelix Hose sind immer noch sehr dick, alles andere sieht aber bekannt aus. Alles? Nein, denn ein kleiner Charakter beginnt ein Eigenleben zu führen: Idefix klettert, fällt, strampelt und freut sich genauso, wie es ein Hund dieser Größe eben tut! Eine schöne Entwicklung, die beweist, dass Conrad sich mit den Figuren nicht mehr so schwer tut. Auch die Piraten bieten die eine oder andere Überraschung!

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die pubertäre Adrenaline ist einerseits sehr treffend geraten: Genervt, im nächsten Moment erfreut und wieder zurück. Auch ihre Weigerung, ein Kleid zu tragen, drückt sie körperlich aus und diese Posen gelingen Conrad gut. Die Pferde haben alle unterschiedliche Charaktere und sind damit fast schon Figuren anstelle von Statisten. Auch hier also sehr positive Ansätze.

Fazit

Wie bewertet man einen Comic, der so stark von Erwartungen belastet ist, der eine Startauflage hat, die die von Harry Potter übersteigt und der wahrscheinlich auch in diesem Jahr die Buchverkaufszahlen retten wird? Ich wurde nach dem ersten Lesen gefragt, was ich über den neuen Band erzählen könne und zum ersten Mal seit vielen Folgen fielen mir Passagen ein, Bilder, kongenial übersetzte Texte und Gags. Mehr kann man eigentlich nicht erwarten, oder?

Es ist kein Comic aus den Siebziger Jahren (IMHO: zum Glück!) sondern eine modernisierte Adaption. Auch Band 38 bietet einen Asterix für Kinder, der gleichzeitig auch einer für Erwachsene ist. Beide werden unterschiedliche Sachen wahrnehmen. Sowohl Texter als auch Zeichner haben sich freigeschwommen und setzten eigene, neue Akzente und die Story ist deutlich besser als in den letzten Abenteuern! Für mich ein gelungener Wurf!

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Dazu passen bretonischer Cidre und genau die Musik, die ihr als erste LP, CD oder Download hattet und die euren Geschmack im Gegensatz zu dem eurer Eltern geformt hat. Bei mir war das „Can the Can“!

© der Abbildungen Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Headline/Cabanes – Nada

Nada – Nach einem Roman von Jean-Patrick Manchette

Story: Doug Headline
Zeichnungen: Max Cabanes

Originaltitel: Nada

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 192 Seiten | Farbe | 35,00 € |

ISBN:  978-3-96219-296-9

Nada ist zuallererst der Name einer nihilistischen, linken Splittergruppe aus Überlebenden verschiedenster Kämpfe und Milieus in Frankreich. Diese Gruppe aus mehr oder weniger gescheiterten Existenzen entwickelt einen gewagten Plan zur Verwirklichung ihres Manifestes: Der US-amerikanische Botschafter soll entführt werden.

Nada ist aber auch die Bezeichnung all dessen, was übrigbleibt, wenn ideologische Feierabend-Terroristen und ideologische Vertreter der bewaffneten Kräfte eines Staates aufeinandertreffen!

Nada ist vielleicht sogar das, was den Unterschied zwischen den Seiten ausmacht.

Nada ist aber auch der Titel eines Romans von Jean-Patrick Manchette von 1972 der bereits 1974 von Claude Chabrol verfilmt worden ist und nun seine Wiederentdeckung als Comic feiern darf.

Die Story

Zunächst einmal werden sehr langsam und ausführlich die handelnden Personen vorgestellt. Der Alkoholiker, der Philosoph, die kleine Hure und andere. Insbesondere in diesem ersten Drittel wird deutlich, dass ein Roman der Story zugrunde lag, denn die meisten Comicautoren nehmen sich diese Gelassenheit und Tiefe am Anfang nicht. Die Motive der Beteiligten sind unterschiedlich, alle eint aber die Ablehnung des Frankreichs der End-60er Jahre. Die Schlachten um Algerien sind geschlagen (und verloren), die Anarchisten haben in Spanien gleich zweimal verloren, gegen die Kommunisten zuerst und dann gegen die Faschisten und die alte Gesellschaft hat bisher alle Bedrohungen überstanden. Die Bevölkerung ist aber nicht mehr bereit alles hinzunehmen und so wird erneut eine Aktion geplant.

Die Handelnden kennen sich untereinander nur zum Teil und so dauert es etwas, Motivation auszutauschen und zu verstehen und vor allem, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Bis auf einen machen aber alle mit. Der Plan lautet, den Botschafter bei seinem regelmäßigen Bordellbesuch zu entführen und auf einem ländlichen Unterschlupf zu verstecken. Schon der Überfall läuft aber nicht reibungslos und die Staatsmacht reagiert auf einen getöteten Polizisten mit Schaum vor dem Mund und Mordphantasien.

Natürlich ist dieser Teil extrem pointiert dargestellt aber die Wortwahl des Chefs und das Verständnis des Kettenhundes deuten schon an, dass ersterer nichts gesagt haben wird, sollte der Einsatz schief gehen. Im weiteren Verlauf kommt es dann zu einem brutalen Einsatz gegen die Entführer und zu einem Showdown zwischen einem aus der Gruppe und dem Einsatzleiter.

Spannender sind aber die Reflektionen über die Entführung, denn Sinn des Terrors und Gegenterrors und die Frage der Nutznießer solcher Aktionen, die von einem der Entführer für die Nachwelt festgehalten werden. Doug Headline hat die Vorlage gut in ein Szenario umgesetzt, das mit verschiedenen Tempi spielt und Raum für bildliche Elemente lässt.

Wer jetzt noch auf ein Happy End spekuliert sollte die Finger von diesem Comic lassen!

Die Zeichnungen

Max Cabanes ist kein Unbekannter und auch kein Freund von seichter Unterhaltung. Selbst seine erotischen Geschichten sind nicht voyeuristisch, sondern eher verstörend und für seine anderen Werke gilt das erst recht. Die Darstellung der eigentlich schon kaputten, gescheiterten Männer und der an sich selbst zweifelnden Frau sind auch ohne Text schon so ausdrucksstark, dass ihre spätere Handlung vorhersehbar wird. Der zähe Bärtige und der weiche Verheiratete zeigen ihre Belastbarkeit von Anfang an und auch die „Flics“ zeigen deutlich ihre Geisteshaltung in den Gesichtern.

Die Orte, sowohl verrauchte Kneipen als auch weite Landschaften, Häuserschluchten als auch die ärmlichen Räume des Unterschlupfes gelingen gut und die Farbwahl reflektiert die melancholische Stimmung. Dabei ist der Aufbau streng geregelt: fast immer drei Reihen, keine Ausbrüche aus ihren Kästen zulassend aber oft mit einem Maschinengetippten Text aus dem Off der über den Rahmen steht. Die tuscheartige Kolorierung verwischt dabei die Konturen, hebt sie aber gleichzeitig auch hervor.

Fazit

192 Seiten Noir-Thriller mit Tiefgang, was will man als Leser*in mehr? Natürlich ist das Unterhaltung! Sie wirft aber auch die eine oder andere Frage auf, die das übliche Schubladendenken in Frage stellt und aufzeigt, dass die Welt vielleicht doch nicht so schwarz-weiß, auf jeden Fall aber kein Ponyhof oder gar moralisch. Der Zynismus trieft teilweise kübelweise aus den Seiten und legt über das Ganze noch eine schräge weitere Ebene.

Dazu passen Ton, Steine, Scherben und Calvados.

© der Abbildungen 2018 Dupuis by Manchette, Doug Headline, Cabanes

© der Abbildungen Splitter Verlag GmbH & Co. KG ·   Bielefeld 2019

Jérémy/Mika – Layla

Die Legende der blutroten Sümpfe

Story: Jérémy
Zeichnungen: Mika

Originaltitel: Layla

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 96 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN:  978-3- 96219-301-0

In Layla begegnen wir echter Liebe, Aufopferung, kalter Machtgier, enttäuschter Liebe, einem Fluch, einem Zauber, einem Lindwurm und mehreren Schlachten, kurzum allem, was wir von einer guten Fantasygeschichte erwarten können! In einer mittelalterlichen Stadt lebt ein heranwachsender Jüngling alleine mit seiner Mutter. Auf einem seiner Ausflüge in den Sumpf begegnet er Layla, einer wunderschönen Frau die gleichzeitig eine Schlange zu sein scheint. Er wird ihr bis an sein Lebensende verfallen sein.

Der Inhalt

In der Stadt gibt es eine Gruppe von sieben alten Frauen, lästermaulig und übellaunig, die die Mutter des jungen Grenoy pflegen und ihr Häuschen erben. Grenoy befürchtet bereits in die Katakomben zu müssen doch Edith, die den Jungen liebt, nimmt ihn zu sich, heiratet ihn sogar und gebiert ihr Kind.

Währenddessen stirbt der König durch Laylas Hand und seine gefühlskalte Tochter übernimmt die Macht. Grenoy wird der Koch des Hofes, muss ihr allerdings zum Frühstück rohes Fleisch servieren. Die Königin, von Alpträumen geplagt, beschließt, Königin aller Länder werden zu wollen und zieht gegen den Norden in den Krieg.

Grenoy hatte bereits anfangs Layla nach dem Königsmord zur Flucht verholfen und ist immer noch mit ihr verbunden. Die Königin möchte Layla töten und stellt ihr eine Falle.

Jérémy hat eine stimmige Geschichte entworfen, die geschickt die magischen Elemente der Story mit den menschlichen Aspekten verbindet. Der Held ist ein klassischer Underdog, einerseits seiner Ehefrau treu ergeben, andererseits dem Vamp verfallen und unfähig, klar zu denken. Er ist den Sieben Alten Frauen und der Königin hilflos gegenüber, schafft es aber trotzdem, Mensch zu bleiben und Ehre zu behalten.

Die Königin ist so kalt und machtgierig wie es nur in den Eislanden geht, gleichzeitig aber nicht so brutal wie z. B. Cersei und Layla ist einerseits extrem erotisch und männervernichtend, andererseits aber auch angetan von der Reinheit des jungen Grenoy. Gleichzeitig hegt auch Layla Muttergefühle und ist im Grunde von den äußeren Zwängen zu der bösen Kreatur gemacht worden.

Die Zeichnungen

Mika darf alles zeigen: sumpfige Landschaften, Eiswüsten, Katakomben und Bankettsääle. Ihm gelingt alles sehr gut! Die Menschen und im speziellen die Gesichter sind stimmig, proportioniert und ausdrucksstark, die Hintergründe – wenn nötig – sehr detailreich und das Layout abwechslungsreich. Das Ganze erinnert ein wenig an den großartigen Bourgeon und viel mehr an Lob geht eigentlich nicht! Insofern ist es sehr erstaunlich, dass noch nichts von ihm auf Deutsch vorliegt. Ich vermute aber, dass wir noch das eine oder andere von dem jungen Mann erwarten dürfen.

Die Umsetzung

Splitter hat aus dem langen Abenteuer ein 92-seitiges Hardcover gemacht – Danke! Wir müssen keine Wartezeit verbringen und dürfen die Geschichte am Stück lesen.

Das Papier und die Aufmachung sind wie immer spitzenmäßig und lassen kaum Wünsche übrig. Ein paar Skizzen hätten das Ganze abgerundet, den Preis wegen der dann ungeschickten Seitenzahl aber auch in die Höhe getrieben und so sei dem bisher unbekannten Zeichner Mika ein großer Erfolg gewünscht. Für 19,80 € ein echtes Glücksgriff!

Dazu passen roter Wein und Messer Banzani!

© der Abbildungen DARGAUD BENELUX (DARGAUD-LOMBARD S.A.) 2018, by Jérémy, Mika  

Besuch der Moebius-Ausstellung in Brühl

MOEBIUS – Surreale Comicwelten

Wann: 15. September 2019 bis 16. Februar 2020 (montags
geschlossen) – VERLÄNGERT bis zum 29. März!!

Wo: Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl

Eintritt: 10,50 €, ermäßigt 6,50 €; Kinder und Jugendliche sowie am letzten Donnerstag jeden Monats Eintritt frei

Porträt Jean Giraud, 2010, Foto: Isabelle Giraud © 2019 Mœbius Production

Moebius, so das Pseudonym des Zeichners und Szenaristen Jean Henri Gaston Giraud für die Science-Fiction orientierte Hälfte seines Schaffens, wird in einer großen Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR gewürdigt. Moebius ist Wegbereiter, Pionier und Meister des modernen französischen Erwachsenencomics zugleich und hat Psychologie, Architektur, (Natur-)Religionen und Avantgarde in den Comic gebracht als der große Bruch erfolgte zwischen den klassischen, religiös geprägten Magazinen Tintin und Spirou auf der einen und Pilote und Metal Hurlant auf der anderen Seite.

Die Location ist durchaus passend gewählt, war doch Max Ernst als Expressionist, Dadaist und Surrealist ebenfalls immer auf der Suche nach neuen, noch besseren Ausdrucksmöglichkeiten. Für 10,50€ können beide Ausstellungen besucht werden. Der Keller ist dabei dem jüngeren gewidmet: Eine große, etwas unterteilte Fläche ermöglicht die Präsentation von verschiedenen Aspekten des Schaffens in Originalen oder vergrößerten Abbildungen der Zeichnungen.

Die Exponate

Besonders heraus stechen die großformatigen Bilder, die mit Hilfe eines kostenlosen WLANs und einer ebenfalls kostenlosen App namens Artivive animiert werden. Diese Augmented Reality passt zu dem Science-Fiction Sujet perfekt und macht zudem Spaß. Überall stehen Betrachter*innen, die auf ihr Smartphone starren… Da sich die Sequenzen teilen lassen, haben auch die zuhause gebliebenen Freunde und Verwandten etwas von der Ausstellung – ein großes Plus!

Dabei ist die Aufteilung der einzelnen Räume sehr durchdacht; acht Themenbereiche bieten einen Einblick in die verschiedenen Themenspektren, die jeweils von einem oder zwei Zitaten begleitet werden. Sie zeigen etwa in den Bereichen „Spiritualität und Alchemie“ oder „Abstraktionen“ das Moebius mehr ist als „nur“ ein Comiczeichner und nicht nur der Subgattung der Neunten Kunst, sondern der gesamten Kunst neue Aspekte hinzugefügt hat.

In „Der doppelte Mensch“ setzt sich Giraud mit der Schizophrenie auseinander. Seiner Meinung nach ist sie ein sehr menschlicher, positiver Zustand, der hilft zu überleben. Sie werde allerdings erst dann als Schizophrenie benannt, wenn sie beginne zu entgleisen. Diese Haltung wird in den gezeigten Werken, insbesondere in der Kampfszene deutlich. Aber auch hier gilt: Ohne Katalog oder Vorwissen eigentlich unverständlich. Trotzdem ist dieser Teil für mich der beeindruckendste, vielleicht weil er soviel persönliches beinhaltet und für jede*n Betrachter*in nachvollziehbar ist.

Die Präsentation

Wie so oft in Deutschland ist die Präsentation ansonsten aber nur etwas für Profis. Wer sich mit dem Thema und dem Künstler auskennt, wird den Besuch genießen: Viele Originale hängen an den Wänden und sind auch tatsächlich aus geringer Distanz betrachtbar. Informationen oder gar eine Erklärung, warum eben dieser Moebius so berühmt geworden ist, welche Techniken, Themen oder Gedanken er in den modernen französischen/europäischen Comic eingebracht hat (oder gar, wie der Comic vorher ausgesehen hat), fehlen vollkommen und auch das eine Bild mit der Abbildung von Mike S. Blueberry erklärt nicht wirklich den Unterschied zwischen Gir und Moebius

Dazu kommt die Tatsache, dass Max Ernst zwar in Brühl geboren worden ist, wesentliche Teile seines Lebens aber in den USA und Frankreich verbracht hat. Dementsprechend sind die Texte zu seiner Ausstellung auch dreisprachig. Solche Übersetzungen der Texte des französischen Künstlers aus dem Original der Abbildungen ins Deutsche oder aber der deutschen Zitate in Englische/Französische vermisst man leider im Keller bei der Moebius gewidmeten. Auch wenn Europa immer mehr zusammenwächst, der gegenseitige Museumsbesuch außerhalb von Großstädten scheint weiterhin nicht vorgesehen zu sein.

Es werden aber einige Veranstaltungen und Führungen angeboten; das Programm ist unter der Seite des Museums abrufbar.

Das Drumherum

Wer übrigens vor oder nach dem Kunstgenuss ein Getränk oder eine Speise zu sich nehmen möchte sollte tunlichst auch bei Starkregen ein paar Schritte in Richtung Bahnhof gehen und dort einkehren! Dort ist man in der Lage, auch bei größerem Andrang schnell und freundlich qualitativ hochwertige Produkte feilzubieten.

Fazit: Die Moebius-Schau sollte man als Fan von modernem europäischem Comic auf jeden Fall gesehen haben. Die Mitnahme eines/einer Gelegenheitskonsument*in erfordert aber eine eigene hohe Erklärungs- und Vermittlungsbereitschaft oder die Investition in einen Katalog (vor dem Verlassen). Dieser ist mit fast 50€ aber nicht billig. Eine Besprechung erfolgt in Kürze.

Mœbius, Trait de génie: Giraud-Moebius, 2000, Tusche und Aquarell auf Papier, 24 x 32 cm © 2019 Mœbius Production

Dazu passen ein aktuell im Ausschank befindliches Oktoberfestbier (s.o.) und Musik von Charles Mingus.

© der Abbildungen 2019 Mœbius Production.

Fotos der Ausstellung: © 2019 Sven Krantz-Knutzen

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