Beim Teutates! Der
Titel des 38. Asterix-Albums offenbart ein lang gehütetes Geheimnis:
Vercingetorix, der
Häuptling aller gallischen Häuptlinge, hatte eine Tochter!
Am 24. Oktober 2019 kreuzen sich die Wege des
Mädchens und die unserer gallischen Helden.
DAS ALBUM
Vor 60 Jahren
lieferten Albert Uderzo und René Goscinny ihren ersten Geniestreich
ab: Asterix der Gallier! Nun, pünktlich zum Jubiläum
meldet sich der unbeugsame Held mit einem neuen Abenteuer zurück! Nach den
Strapazen ihrer letzten Reise hätten sich Asterix und Obelix gewünscht, die
Ruhe im beschaulichen Aremorica zu genießen. Doch daraus wird leider nichts!
Ein geheimnisvolles
Mädchen kommt ins Dorf, begleitet von zwei Arverner-Häuptlingen.
Die Drei sind auf
der Flucht vor Julius Cäsar und seinen Legionären, und das aus gutem Grund: Im
Dorf munkelt man, dass der Vater des jungen Mädchens kein Geringerer sei als
Vercingetorix, der große Arvernerhäuptling, der einst bei Alesia von Julius
Cäsar geschlagen wurde!
Am 24. Oktober erscheint in mehr als 20 Sprachen und mit einer Startauflage von über 5 Millionen Exemplaren das neue Abenteuer von Asterix und Obelix mit dem Titel Die Tochter des Vercingetorix. Es ist das vierte Album aus der Feder des Duos Jean-Yves Ferri und Didier Conrad.
„WESSEN TOCHTER??“
„Soweit wir wissen,
ist die junge Dame ein Teenager in der rebellischen Phase”, verraten die
Autoren.
„Als Tochter des
legendären Vercingetorix hat man es schließlich nicht leicht!”
„Wir mussten sehr
viele Nachforschungen anstellen, um herauszufinden, wie sie hieß, wie sie
aussah, was für ein Mensch sie war usw. Jeder weiß, dass Vercingetorix sich
sehr bedeckt hielt, was sein Privatleben anging. Auch die historischen Quellen
geben nicht viel her. Aber wir konnten doch so Manches ans Tageslicht bringen,
was für allerhand Überraschungen sorgen dürfte!”
Auch im April bringt das neue ZACK wieder eine
neue, bisher unbekannte Delikatesse: passend zu dem seit Jahren andauernden
Hype um Kochshows und die neue Lust am Essen startet Haute Cuisine in der
aktuellen Ausgabe 238. Die von den beiden Szenaristinnen Delphine Lehericey und Fanny
Desmarès getextete und von Luc Brahy
gezeichnete Serie startet mit dem ersten Teil, der Vorspeise. Der zweite, im
Original bereits fertig gestellte Teil wird Hauptgericht heißen, der dritte
dann Nachspeise. Im Mittelpunkt steht der Koch Samuel Lejeune, der vor Jahren
das Finale um den „Ultimate Cook“ verloren hat. Der zweite Platz ermöglichte es
ihm aber, mit zweifelhaften Veranstaltungen sein Auskommen zu verdienen, doch
der Ruhm verblasst allmählich. Mehr dann in einem Monat.
Frankobelgischer Stil der alten Schule mit einem neuen Thema; der Appetit kommt beim Essen!
Die Hauptgerichte: In Mortensens Abenteuern macht der scheinbar gestrandete Zeitreisende mit Hilfe einer taubstummen Helferin eine die Hoffnung zurückbringende Entdeckung. Obwohl im 16. Jahrhundert technische Errungenschaften wie das Fahrrad eigentlich unbekannt sein müssten, ist das Wissen bereits vorhanden. Sollte sich neben Artefakten aus der Zukunft auch eine Zeitpistole finden lassen, die eine Rückkehr ermöglichen würde? Weiterhin nett anzuschauende moderne Ligne claire von Lars Jacobsen, die sich selbst mit einer Referenz auf Tim und Struppi auf die Schippe nimmt.
Die moderner daherkommende Millenium
Saga nimmt ordentlich Fahrt auf. Rechtsradikale Mordbrenner sind auch
in Schweden ein Teil der aktuellen Geschichte. Nicht jeder möchte aber an seine
eigene Vergangenheit erinnert werden und noch weniger, dass andere davon
erfahren… Der Stil von Ortega ist
dunkel. Die Personen sind nicht schön, sondern haben ihre Macken und gleiten
manchmal ins leicht groteske, entsprechen dadurch aber der harten Geschichte
perfekt.
Empire USA verabschiedet
sich dagegen vorerst wieder. Zum Abschluss des ersten Bandes der zweiten
Staffel werden einige Fäden zusammengeführt aber noch keine Fragen beantwortet.
Immerhin wird klar, dass Illya mittlerweile eine ganz große Nummer unter
denOligarchen ist und keinesfalls zimperlich. Desberg und Reculé
beweisen, dass sie zur ersten Garde im frankobelgischen Thrillermetier gehören.
Lange hat es gedauert, bis die zweite Staffel den Weg auf diese Seiten gefunden
hat, das Warten hat sich aber gelohnt.
Auch von Sauvage müssen (oder dürfen) wir uns erstmal wieder verabschieden. In einem Clash of cultures werden die unterschiedlichen nationalen Interpretationen der Mexikaner, Franzosen und Amerikaner im Hinblick auf Ehre, Stolz und Kadavergehorsam deutlich. Storytechnisch ist Yann der Abschluss dieses Bandes sehr gelungen!
Für die schnelle Ablenkung sorgen wie gewohnt
die Zwischengänge Parker & Badger, Tizombi und der Vater der Sterne,
letztere sogar mal wieder mit einer längeren Geschichte!
Der Gruß aus der Küche ist im Übrigen sehr
traditionell: Das Treppchen mit den ersten drei ZACK-Helden des Jahres hätte so
auch gut in die Siebziger gepasst. Im vorderen Drittel haben sich aber aktuelle
Serien platzieren können. Insgesamt beweist die Rangliste, dass es den
Macher*innen des ZACK gelungen ist, eine ansprechende Komposition aus
traditionellen und modernen Zutaten zuzubereiten. Wie es vor zwnazig Jahren zu
dem Neustart gekommen ist, beschreibt Martin
Jurgeit, das (nicht unumstrittene) enfant terible der deutschen Comicszene
und gleichzeitig erster Chefredakteur des ZACK im Interview. Sehr lesenswert
sind seine Gedanken zu der versuchten Nutzung der Plattform für deutsche
Künstler*innen.
Nicht vorenthalten werden soll ein weiteres
Interview, quasi als Nachspeise: Erik
erzählt über die Entstehungsgeschichte seines fünfbändigen Werkes Deae ex machina!
Als Menubegleitung passen dazu ein leichter
Frühlingswein und Sprudelwasser sowie gute Musik, die sich aber nicht in den
Vordergrund drängt: The Nits aus den
Niederlanden.
Auch der zweite Band der neuen Werkausgabe von Luc Orient von Edouard Paape und Greg aus dem All-Verlag ist
bereits erschienen. Wie schon Teil 1 enthält die
Neuausgabe wieder 16 redaktionelle Seiten mit Informationen, Illustrationen und
Cover-Abbildungen. Natürlich fehlen auch die editorischen Notizen zu den
bisherigen Veröffentlichungen dieser Geschichte nicht.
Ein besonderes Schmankerl stellt der fortgeführte Abdruck des Werbecomics aus den 70-er Jahren über Val, den Eroberer des Weltraums dar. Dieser 17-seitige Werbecomic für Valfruit-Fruchtsäfte von Eddy Paape und Yves Duval ist ebenfalls Science-Fiction und stilistisch sehr stark an Luc Orient angelehnt. Natürlich handelt es sich dabei um eine deutsche Erstveröffentlichung. Jeder Band wird eine neue Seite enthalten.
Volker Hamann legt in seinem begleitenden Beitrag dieses Mal den Schwerpunkt auf den Zeichner von Luc Orient, das historische Vorbild Flash Gordon und die für die niederländische Magazin-Ausgabe in Pep angefertigten Cover von Hanns G. Kresse. Diese Beiträge gehen sowohl tiefer als auch mehr in die Breite als die etwas kurzen Texte in den Ehapa-Integralen.
Für die möglichst originalgetreue Widergabe hat der All-Verlag übrigens die Originalschrift von Paape digitalisiert und für das Lettering verwendet. Die Farben sind ebenfalls restauriert worden. Es hat sich gelohnt!
Inhaltlich nimmt die Story Fahrt auf. Mussten im ersten Band zunächst noch die Akteure und das generelle Setting vorgestellt werden, können Greg und Paape hier voll in die Handlung einsteigen.
Das Tal von Sher-Dahng beherbergt eine seltsame und nicht ungefährliche Vegetation, die im Gegensatz zum Liger (Kreuzung aus Löwe und Tiger) im letzten Band nicht allein mit Mutationen zu erklären ist. Als die Gefährten feststellen müssen, dass Lora scheinbar entführt wurde, machen sich Kala, Toba und Luc zusammen mit zwei Einheimischen an die Verfolgung. Nach einer dramatischen Floßfahrt können sie sich in eine Grotte retten. Hier kommt es zum Kontakt mit zwei Außerirdischen, der trotz einiger Missverständnisse nicht zur gegenseitigen Vernichtung führt. Glücklicherweise hilft die Droge (aus Band 1) universell bei der Verständigung und unsere Helden erfahren das Geheimnis von den notgelandeten Raumschiffen, die als Drei Sonnen in die Legenden eingegangen sind. Eine Besatzung liegt aber aufgrund eines technischen Versagens noch in einem katatonischen Zustand, der die langen interstellaren Reisen erst ermöglicht.
Wird Kala die fremde Technologie und Physiologie soweit verstehen, dass er sie retten kann? Und: Was machen Argos, Toro und Rowney? Argos wird definitiv nicht aufgeben und die von ihm vermuteten Erkenntnisse für seine persönliche Machtergreifung nutzen wollen.
Die Handlung ist ein spannender Plot, der auch beim wiederholten
Lesen noch Spaß macht und in keinster Weise zeitgebunden ist. Obwohl der Text
seine 50 Jahre auf dem Buckel hat, könnte er problemlos sofort in die Netflix-/Amazon-Verfilmung
gehen. Auch das Dekors von Paape ist zwar ein wenig in der damaligen Zeit
verfangen was „Moderne“ angeht, keinesfalls aber so stark, dass man ihm sein Alter
ansehen würde. Der Zeichenstil als solches ist dagegen heute nicht mehr en
vogue da nicht computerkoloriert. Für mich schadet das nicht!
Von diesem Band ist – wie übrigens auch von jedem der noch
erscheinenden Bände – eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit
nummeriertem Ex Libris erhältlich.
Dazu passen Orchestral Manoeuvres in the Dark und Singapore Sling!
Am zweiten Samstag im Mai freuen sich Comic-Liebhaber*innen
in Deutschland besonders, denn an diesem Tag gibt es Geschenke! Schon zum 10.
Mal findet der Gratis Comic Tag nun statt!
Der deutsche GCT ist eine der größten
verlagsübergreifenden Kooperationen der hiesigen Buchbranche. Zahlreiche
Verlagshäuser, von den Marktführern bis zur Independent-Schmiede, tun sich auch
2019 zusammen, um die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben: 2010: ca. 150
Standorte und 170.000 Hefte; 2015: ca. 230 Standorte und 230.000 Hefte; 2017:
ca. 320 Standorte und 380.000 Hefte; 2018: ca. 420 Standorte und 1/2 Million
Hefte. 2019 nehmen ca. 450 Standorte teil und die Gesamtauflage hat die Marke
von über 600.000 Heften geknackt.
Viele Händler planen an diesem Tag besondere Aktionen, Signierstunden oder Gewinnspiele – Schaut einfach mal wieder bei eurem Lieblingsladen vorbei. Die Liste aller teilnehmenden Locations findet ihr hier: www.gratiscomictag.de/haendlersuche
In diesem Jahr gibt es sieben Hefte speziell
für Kids und 27 Publikationen, die sich an ältere Leser*innen richten, erstmals
zum Teil sogar mit 64 Seiten! Alle Titel gibt es hier: http://www.gratiscomictag.de/comics/
In Kürze werde ich hier den einen oder anderen
Titel kurz vorstellen um euch ein paar Anregungen zu geben!
Der blonde, muskulöse Wissenschaftler und Abenteurer
Luc Orient ist zurück. Sieben Jahre nach dem Erscheinen der mittlerweile
vergriffenen Integral-Ausgabe bei Ehapa
startet der All-Verlag eine
Neuausgabe der Serie in 18 großformatigen Einzelbänden. Die
Science-Fiction-Serie von Greg und Paape war eine der Hauptsäulen des
klassischen ZACK und hat auch nach über 50 Jahren noch ihre Reize!
War der die ersten fünf Teile umfassende Zyklus noch stark von Flash Gordon beeinflusst, sollte sich die Serie im Laufe der Zeit zu einer der bekanntesten und bedeutendsten frankobelgischen Science-Fiction-Serien entwickeln und die fast schon verschwundene Gattung zu neuer Blüte führen. Sie gehörte zu den ersten Serien die Greg nach seiner Übernahme der Chefredaktion von Tintin bzw. Kuifje in der „operation voltreffer“ startete und bewirkte einen stetigen Anstieg der Verkaufszahlen des Magazins.
Die
Feuerdrachen ist erstmals 1967 im Magazin Tintin bzw. Kuifje veröffentlicht worden und begeisterte das deutsche Publikum
bereits 1973 auf den Seiten des ZACK.
Im Vergleich zu den bisherigen Ausgaben bei Bastei, Carlsen oder Ehapa ist die
aktuelle aus dem All-Verlag aber bei weitem die Schönste! Dazu tragen nicht nur
das größere Seitenformat sondern auch der handwerklich schöne Hardcovereinband
mit dem grafisch ansprechenden Reihenlayout bei. Zusätzlich hat jeder Band noch
einen ausführlichen redaktionellen Teil mit einem Text von Volker Hamann und einer großen Anzahl von zusätzlichem
Bildmaterial. Als Gimmick gibt es in deutscher Erstveröffentlichung über die
Reihe verteilt einen 17-teiligen Werbecomic von Eddy Paape aus den 70-er Jahren mit Val Sparkling.
Es ist übrigens auch eine auf 111 Exemplare limitierte
Vorzugsausgabe mit nummeriertem ExLibris erschienen.
Kurz zum Inhalt der Geschichte: in einem abgelegenen Teil des Dschungels findet einer der ausgesandten Männer endlich ein unbekanntes Metall, das die Sagen über die drei Sonnen und den Feuerdrachen zu bestätigen scheint. Der Expeditionsleiter möchte das Material sofort Hugo Kala, dem Leiter des Labors „Eurocristall“ überbringen, stirbt aber kurz nach der Landung aufgrund der radioaktiven Strahlung. Kala, sein Mitarbeiter Luc Orient und die Assistentin Lora Jordan machen sich auf in den Dschungel und werden von Kalas Widersacher, dem bösen Dr. Argos und seinem Gorilla Toro verfolgt.
Am Fundort angekommen werden sie von den dort lebenden
Ureinwohnern empfangen. Sie behandeln die Drei sowie den dazu gestoßenen Toba mit
einer chemischen Droge, die sie nicht nur gegen die Strahlung des seltsamen
Metalls immun werden lässt sondern auch bewirkt, dass sie die Sprache des
Stammes verstehen. Der Stamm möchte ihnen helfen wenn sie im Gegenzug von dem
Feuerdrachenbefreit werden. Natürlich sind Toba und Luc in der Lage, das
Untier, einen stark vergrößerten mutierten Liger, zu töten. Damit beginnt das Abenteuer
aber erst, denn sie entdecken nicht nur die Drei Sonnen aus der Legende sondern
auch zwei Außerirdische, die vor hunderten von Jahren mit ihren Raumschiffen
auf der Erde gestrandet sind…
Bei der Story von Greg
handelt es sich zunächst um eine relativ bekannte Grundidee. Neu für die frankobelgische
Comic-Welt ist, dass die Geschichte von Anfang an über mehrere Alben konzipiert
wurde und dass die Leser des Magazins nicht nur ein oder zwei Seiten pro Woche
vorgesetzt bekamen, sondern Kapitel unterschiedlicher Länge, die jeweils einen
Abschnitt aus der längeren Handlung abschließend aber mit Cliffhanger
beinhalten sollten. Dieses Konzept verfing und wurde von vielen anderen
Magazinen, nicht zuletzt dem ZACK, bis heute übernommen. Greg betätigte sich
dabei nicht nur als Chefredakteur sondern auch als Szenarist einer Vielzahl von
Serien Bruno Brazil (demnächst ebenfalls neu beim All-Verlag), Comanche (Splitter) oder Andy Morgan (Carlsen) sollten noch in
den Siebzigern Lesern in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und nicht
zuletzt Deutschland in ihren Bann ziehen.
Edouard Paape, genannt Eddy, hatte in Spirou schon die eine oder andere Kurzgeschichte oder Mithilfe an größeren Serien abgeleistet und mit Marc Dacier auch seine eigene Figur entwickelt, war aber trotzdem unzufrieden. Mit dem Wechsel zu Tintin und der Serie Luc Orient startete er seine bekannteste Arbeit der er 40 Jahre treu bleiben sollte. Sie wird in den späteren Jahren ein perfektes Beispiel für die Hochzeit der frankobelgischen Comic abgeben: interessantes Layout, detailverliebt und doch actionreich und deshalb auch immer noch lesenswert!
Wer sollte sich die Serie zulegen? Wer vor einigen
Jahren die Integralausgabe verpasst hat, sollte jetzt unbedingt zuschlagen: Das
Format und die zusätzlichen redaktionellen Seiten lohnen sich selbst dann, wenn
die Integral-Bände schon im Regal stehen.
Wer intelligente SF mag, liegt hier richtig! Ja, die
ersten Bände sind an Flash Gordon orientiert aber kein Abklatsch und die ganz
abgedrehten englischen SF-Romane haben sich in eine andere Richtung entwickelt.
Aus heutiger Sicht sind die Geschichten um Luc, Lora, Kala und Toba aber immer
noch lesenswert.
Dazu passen Space
Oddity von David Bowie und grüne Wiese !
Ost-West ist die autobiographische Geschichte des
Comicszenaristen Pierre Christin.
Mehr als drei Jahre hat der mittlerweile
80-jährige zusammen mit dem Zeichner Philippe
Aymond an dieser Graphic Novel gefeilt. Sie beginnt noch während des
zweiten Weltkrieges mit der ersten Begegnung zwischen Christin und Jean-Claude
Mézières, dem späteren kongenialen Partner der Valerian und Veronique-Reihe. Später sollten diese beiden sich in
den USA wiedertreffen und eine lange Reise zusammen unternehmen.
Reisen, nicht zu den touristischen Sehenswürdigkeiten sondern durch die weiten Landschaften und zu den kleinen Alltäglichkeiten, und sich verweigernde Transportmittel sind Konstanten in dem Leben Pierre Christins. Nach seiner Jugend in Frankreich, die durch Literatur und Liebe zu Jazz geprägt wird, nimmt er eine Stelle im Lehrkörper der Universität von Salt Lake City an. Dort lernt er einerseits viele Errungenschaften der Moderne kennen, erlebt andererseits aber auch den zugrundeliegenden Rassismus und die Verlogenheit der amerikanischen Gesellschaft aus erster Hand. Die auf den Reisen von diesem Basispunkt aus erlebten Eindrücke werden später die ersten gemeinsamen Abenteuer im Weltraum prägen. Mézières und Christin verbringen zunächst einige Zeit gemeinsam zu zweit. Später wird Pierres Familie nachkommen doch die beiden Freunde werden sich nie wieder aus den Augen verlieren.
Während dieser Zeit entwickelt sich die Erkenntnis, dass Christins Begabung weder in der Musik
noch in der Zeichnerei besteht. Ersteres wird zwar durchaus professionell als
Mitglied verschiedener Jazz-Kapellen ausgeübt, aber es langt nicht zur
Virtuosität. Letzteres wird nach einem Vergleich mit den Zeichnungen Girauds gar nicht mehr versucht.
Immerhin beschließt der Franzose aber, es als Comic-Szenarist zu versuchen. Die
ersten Gehversuche erscheinen noch unter Pseudonym um die universitäre Karriere
nicht zu gefährden und Jean-Michel
Charlier und René Goscinny leisten
Schützenhilfe indem sie ein Beispiel eines Comicszenarios zeigen, aber schon bald
entwickelt Christin seinen eigenen
Stil und die ersten Werke, umgesetzt von Tardi
und Mézières erscheinen.
Nach den Wirren der Revolte Ende der sechziger Jahre, dem Verlust des Glaubens an die Segnungen des amerikanischen Materialismus und der Erkenntnis, dass die östliche Lebenswirklichkeit nur durch eigene Erfahrung und Anschauung erkannt werden kann, bricht Christin erneut zu langen Reisen auf. Auf der anderen Seite des Vorhangs erlebt er andere Weiten, andere Begrenzungen und daraus angeleitete Wünsche, die der amerikanischen Lebenswelt einerseits total entgegengesetzt sind, andererseits in der Abstrahierung dann wieder ähnlich. Dazu kommen Pannen, die – wie Andreas C. Knigge in seinem Nachwort vermerkt – den Reisenden immer wieder aus seinen Träumen in die Wirklichkeit zurückholen.
Neben den bereits erwähnten Comicschaffenden haben auch Annie Götzinger und Enki Bilal ihren Auftritt.
Alle geschilderten Abschnitte sind immer wieder mit
Beziehungen zu den in der jeweiligen Zeit erschienenen Comics versehen, so dass
wir als Leser*innen immer wieder eigene Leseerfahrungen und Erinnerungen mit
den geschilderten Auslösern in Beziehung setzen können. Dadurch ist die
Autobiographie viel näher am eigenen Leben als typischerweise wenn maximal
äußere Begebenheiten das Leben des Akteurs und des Rezipienten verknüpfen.
Der Zeichner Philippe Aymond ist in Deutschland vor allem durch die Serie Lady S. bekannt. Nach dem Erscheinen einzelner Bände im ZACK-Magazin bzw. der ZACK-Edition wird die Serie jetzt komplett neu im ALL-Verlag erscheinen.
Aymond variiert in
seiner Seitenaufteilung zwischen ganzseitigen Illustrationen und zwei- bzw.
dreireihigem Layout. Die Erinnerungen Christins
sind als Textzeilen wiedergegeben die von Sprechblasen ergänzt werden. Der in
Frankreich spielende, die westlichen und östlichen Reisen verbindende Teil ist
teilweise in schwarz-weiß wiedergegeben. Die farbigen Panele sind mit einer
gedämpften Farbpalette gezeichnet. Nie drängt sich dadurch ein Detail in den Vordergrund, immer steht die
gesamte Komposition im Blickfeld. Dabei beherrscht Aymond die in die unendliche Weite gehende Landschaft genauso gut
wie die detaillierte fokussierte Nahaufnahme.
Abgerundet wird die durch das Hardcover sehr hochwertige
Ausgabe durch einen mehrseitigen Beitrag von Andreas C. Knigge über eine Reise mit Pierre Christin in den Süden. Die beiden haben eine lange
gemeinsame Geschichte und hatten unter anderem einen internationalen Sammelband
mit Eindrücken zum Fall der Mauer und dem Ende der Sowjetunion herausgegeben.
Dadurch werden noch einmal andere Zugänge zu Pierre Christin ermöglicht.
Dazu passen Kaffee und alter Jazz, etwa von Miles Davis, etwa das 1959 erschienene Kind of Blue.
UPDATE: Hier geht es zu der Besprechung der Ausstellung
Das Max Ernst Museum Brühl des LVR zeigt eine Ausstellung mit visionären Bildwelten des bedeutenden französischen Comiczeichners und Szenaristen Jean Giraud (1938-2012), der unter dem Namen »Mœbius« international bekannt geworden ist. Mœbius erforschte die Sphären der Träume und der Science-Fiction. Mit seiner immensen Imaginationskraft schuf er in präziser Strichführung surreale Welten im ständigen Fluss. In seinen Geschichten treffen utopische Architekturen und futuristische, menschenüberfüllte Megametropolen auf Wüstenlandschaften und schamanistische Reisen durch Raum und Zeit.
Bei Mœbius verschwimmen die Genregrenzen zwischen Comicstrip und Kunst. Seine fantastischen Erzählungen werden für den Betrachter dabei zur Seelenreise in das Ich des großen Meisters der Linie und damit in unbekannte Bereiche der Fantasie, die überraschend detailgenau und suggestiv Form annehmen.
Die Ausstellung widmet sich dem umfangreichen Werk von Mœbius und seinen komplexen Bildgeschichten: Ausgehend von seinen Notizbüchern (»Carnets«), in denen er grundlegende Ideen seiner Bildproduktion konzentriert hat, über skizzenhafte Zeichnungen, szenisch gegliederte Comicfolgen, abstrakte Gemälde bis hin zu populären Druckgrafiken wird das Spektrum seiner faszinierenden Zeichenkunst ausgebreitet.
DE: aktuelle, zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications sowie einzelne Bände bei Splitter Verlag (alt), Salleck Publications, ZACK (Mosaik)
Last updated: Juni 2023
Chinaman ist eine klassische Westernserie von
dem Szenaristen Serge Le Tendre und
dem Zeichner OlivierTaDuc. Beide kommen aus Frankreich und
haben sich für diese Reihe von der Fernsehserie „Kung Fu“ inspirieren lassen. Ihr Held, John Chinaman, ist zwar
ebenfalls als Chinese in den USA mit der fremden Kultur konfrontiert und setzt
asiatische Kampftechniken ein, er ist allerdings – zumindest anfangs – noch
sehr beeinflusst von den chinesischen Triaden und damit nicht so eindeutig
„gut“ wie Caine. Insgesamt sind zwischen 1997 und 2007 im französischen
Original neun Teile erschienen.
UPDATE: Die deutsche Veröffentlichungsgeschichte war lange Zeit lückenhaft: Neben zwei Bänden im „alten“ Splitter-Verlag und zwei weiteren bei Salleck Publications sind drei Abenteuer in den Anfangsjahren des „neuen“ ZACK in Fortsetzungen erschienen. Mittlerweile ist eine zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications erschienen. diese enthält nicht nur alle Bände, zum Teil also in Deutscher Erstveröffentlichung, sondern auch weitere Zeichnungen, eine Broschüre und ein Interview!
In den Niederlanden hat die Serie dagegen mehr Anklang gefunden: Alle Bände sind bei Dupuis teilweise sogar mehrfach erschienen und sind noch lieferbar.
Der größte Erfolg von Le Tendre ist sicherlich die Reihe Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, einer der ersten großen
Fantasy-Reihen des modernen Autorencomics und gezeichnet von Régis Loisel. Mittlerweile ist auch eine
zweite Staffel erschienen. Der Autor hatte seine Comic-Karriere eigentlich als
Zeichner beginnen wollen. Pierre Christin
konnte ihn allerdings nach dem Abschluss eines Zeichenseminars überzeugen, doch
lieber seine Stärken als Szenarist auszuleben. Weitere von ihm verfasste
Szenarien mit verschiedenen Zeichnern sind ebenfalls auf Deutsch erhältlich: Tai Dor, oder Jackie Kottwitz seinen als Beispiele genannt. Auch hier gilt, dass
auf Niederländisch erheblich mehr Werke vorliegen!
Die Serie Chinaman verfolgt einen reizvollen Ansatz inmitten all der Westernserien. Sie ist keinesfalls dem Genre „Neowestern“ zuzuschreiben, thematisiert aber neben den traditionellen Themen des Einzelkämpfers, der unwirtlichen Natur und der schweren Aufbauarbeit in teils gesetzlosen Umgebungen auch den alltäglichen Rassismus der Schmelztiegelnation und beleuchtet das Leben der eingewanderten Chinesen. Sie ist daher auch mehr als 20 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes definitiv lesenswert!
Inhalt:
John Chinaman ist der neue Name der Chen Long Anh in der neuen Welt verpasst worden ist. Der Western spielt in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts als viele Chinesen aus unterschiedlichsten Gründen ihre alte Heimat verlassen haben um in Amerika ihr Glück zu finden. Für die meisten bedeutete das schwere Arbeit bei geringem Lohn, fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und Gehorsam gegenüber den Regeln der Triaden. Obwohl Chen als ausgebildeter Kämpfer der Triaden nach Amerika kommt, verweigert er bereits im ersten Band den Gehorsam und muss sich gegen seinen Förderer durchsetzen.
Er muss daher fliehen und beginnt seine Reisen
durch den amerikanischen Kontinent, die ihn zunächst nach Oregon führen. Neben
den Härten der Wildnis und des Rassismus wird er aber immer noch von seinen
alten Mitstreitern verfolgt.
Auch der dritte Band zeigt John im Konflikt
mit seiner Umwelt. Er versucht, ein Mädchen zu beschützen, und wird
fälschlicherweise der Entführung derselben beschuldigt. Alltäglicher Rassismus
und Ablehnung aller nicht Einheimischen sind ein klassisches Westernthema.
Auch der Konflikt zwischen irischen und chinesischen Arbeitern beim Bau der großen Eisenbahnlinien ist ein altbekanntes Motiv unzähliger Erzählungen in Film oder Comic. Und wieder gerät John zwischen die Fronten. Im Gegensatz zu „typischen“ Erzählungen wird aber in Chinaman vorrangig der chinesische Blickpunkt gezeigt.
Immer wieder wird John Chinaman daran gehindert, sein Glück und Ruhe zu finden. Einerseits jagen ihn Desperados und Mitglieder der Triaden, die auf seine Spur gekommen sind, andererseits kann er es auch nicht lassen, üble Dinge geschehen zu lassen, und legt sich beispielsweise mit einem Zuhälter an.
Immer wieder wird in der Serie das Thema der Ablehnung alles Andersartigen variiert und so verwundert es auch nicht, dass eine ganze Stadtbevölkerung sich gegen die zuziehenden Chinesen wehren will. Wie immer gibt es hier aber nicht nur schwarz und weiß, so dass die Konfliktlinien quer durch alle Schichten laufen. – Vieles davon basiert auf den eigenen Migrationserfahrungen von OlivierTaDuc und ist daher auch nachvollziehbar geschildert.
Dem folgen noch eine „Road-Movie“ Geschichte in zwei Bänden um den letzten Mitwisser über das Versteck einer Beute. Beide Bände haben eine spezielle Note durch das Mitwirken von John, könnten so ähnlich aber auch in anderen Settings funktionieren.
2021 ist nach 14 Jahren Pause eine Art „Reprise“ erschienen: Der Tiger erwacht! Der frustrierte und gestörte John Chinaman wird gezwungen, sich seiner Geschichte zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Sehr gelungene Rückkehr zur ursprünglichen Serie, die Themen und Stimmung aufnimmt und in die Zukunft führt.
Grafik:
Der 1962 geborene Olivier TaDuc ist Franzose mit einem vietnamesischen Hintergrund, der auf für die Zeichnungen etwa bei XIII Mystery, Takuan oder Stille Rebellionen verantwortlich ist. Seine Zeichnungen sind detailreich und zeigen von einem gewissenhaften Quellenstudium. Seine Ansichten der alten Chinatowns sind genauso kunstfertig und genau wie die Darstellung eines Segelschiffes, der Landschaft oder der Einflüsse chinesischer Kampftechniken auf die Körperhaltung des Helden. Im Laufe der Bände werden die Zeichnungen etwas grobflächiger und detailärmer und wirken dadurch etwas weniger realistisch.
Der Aufbau der Seiten folgt generell dem klassischen vierzeiligen Muster; die Höhen der Zeilen sind aber nicht statisch und variieren häufig. Auch sind einzelne Panele über mehrere Zeilen gestreckt und nehmen häufig die gesamte Breite der Seite ein. Es ist also genügend Abwechslung vorhanden. TaDuc beherrscht dabei sowohl die ruhige Sequenz als auch die vom Film übernommenen schnellen Schnitte mit ständigem Perspektivenwechsel, wenn die Action es erfordert.
Auf jeden Fall vereint die Serie erfolgreich die typischen Bestandteile eines Western mit einem ungewöhnlichen Helden und Kampfszenen und meditative Elemente, die sonst nur in Eastern zu sehen sind.
In diesem Heft startet bereits die zweite der für 2019 angekündigten neuen Serien: Mortensens Abenteuer von Lars Jakobsen. Der dänische Autor und Zeichner ist in Deutschland möglicherweise wegen seines Strips über frustrierte Hennen bekannt; einige Folgen liefen als Zeichentrick in der Sendung mit der Maus. Zudem hat er bereits rund 250 Geschichten für Anders And, das dänische Donald Duck-Magazin verfasst. Die Geschichten um Mortensen sind Zeitreise-Abenteuer. Der Titelheld ist ein Zeitgeheimagent, der Kriminelle daran hindern will, die Vergangenheit ihrer Schätze zu berauben. Dafür benötigt er allerdings seine Zeitpistole… Graphisch startet der Comic, von dem im Original bereits 5 Bände erschienen sind, erst einmal im klassischen 4-Streifen Layout, das manchmal etwas aufgebrochen wird. Der Ankündigungstext benennt dazu Einflüsse von Herge, die teilweise auch zu entdecken sind. Ich finde aber auch Anklänge an Tabary.
Fortgesetzt wird Sauvage, der für mich den größten Widerspruch im Heft darstellt:
Der Text von Yann ist immer wieder
spannend und auch der Plot der Geschichte ist keinesfalls reizlos, die
Zeichnungen und insbesondere die Kolorierung von Felix Meynet macht aber immer alles wieder zu Nichte. Schade eigentlich.
Wesentlich stimmiger ist dagegen Jack Cool von Manini und Mangin. Die Merry Prankster sind im Haus von Tommy Neary angekommen um einer Erweckungszeremonie beizuwohnen. Während deutlich wird, dass sich Drogen und Feuer nicht unbedingt positiv ergänzen hat Jack ein Erfolgserlebnis, denn er findet die vermisste Tochter. Wie es mit dieser Story um die Mansfields weitergeht und ob sich zwischen Jack und Jesus-Grau noch etwas entwickelt, wird die Zukunft zeigen.
Der Weg des Untergangs findet dagegen leider in dieser Ausgabe sein Ende. Es bleibt zu hoffen, dass Corteggiani und Tisselli sich irgendwann einmal auf eine weitere Zusammenarbeit verabreden werden, denn der Western verknüpft spannende Thematik und grandiose Bilder äußerst gut und macht einfach Lust auf Mehr! Inhaltlich bekommt die Story auf den letzten Bildern noch einmal einen Twist, mehr sei aber nicht verraten!
In Empire USA 2.1 werden ein paar mehr Details über den mysteriösen Tod von Duanne Els bekannt und vielschichtige Verbindungen zu Russland und in die Türkei sowie zu Terroristen in Lettland spielen eine Rolle, der Leser*in fehlen aber noch entscheidende Versatzstücke. Genau so funktioniert des Konzept „Fortsetzung folgt…“ Graphisch ist Henri Reculé nicht der schlechteste Vertreter der aktuellen franko-belgischen (nicht-Fantasy-)Schule und daher definitiv sein Geld wert!
Ergänzend gibt es weitere Geschichten der gnadenlos guten Tizombi sowie die deutlich schlechteren aber immer noch bereichernden Parker & Badger, den zweiten Teil des Überblicks über Kinofilme nach franko-belgischen Comics (Asterix – Bäche und Flüsse), eine Vorstellung des Neustarts von Courtney Crumrin und lesenswerte Überlegungen von Bernd Glasstetter!
Mehr zum aktuellen Konzept des ZACK im Interview mit dem Chefredakteur.
Dazu passen das neue Album Encore von The Specials und kolumbianischer Hochlandkaffee.
Journal Din A 3 | jeweils 24 Seiten | s/w |
4,00 €
ISBN: 978-3-86869-011-8
ISBN Journale:978-3-96219-279-2 | -280-8 | -281-5 | 282-2
Der Altmeister ist wieder da und er hat nichts
verlernt; François Bourgeon meldet
sich mit dem achten Band seiner Serie „Reisende im Wind“ zurück.
Die ersten fünf Bände der Reisenden im Wind erzählten
die Geschichte der jungen Adeligen Isabeau
de Marnaye und des Bretonen Hoel; Sklavenschiffe, Flucht, Emanzipation und
Freiheit sowie das Leben in der Karibik sind die Stichworte, die diesen ersten
Zyklus umschreiben.
Heldin des
zweiten Zyklus ist die Urenkelin Isas, die von allen Zabo genannt wird. Die
zwei Bände starten in New Orleans und auf einer Plantage in Baton Rouge, aber
die Wirren des Sezessionskrieges verschlagen die Protagonistinnen auch an
andere Orte.
Der jetzt erschienene erste Teil des dritten Zyklus „Die Zeit der Blutkirschen“ spielt im Paris, Ende des 19. Jahrhunderts und damit wieder in Europa. Zabo nennt sich nun Clara und ist fest verankert in einer Gruppe aus Überlebenden der Massaker an den Kommunarden, Künstlern am Montmartre und einigen Bretonen. Gleich am Anfang während der Beerdigung von Jules Vallès, einem Anführer der Pariser Kommune, treffen Clara und ein junges bretonisches Mädchen, das sich in Paris als Hausmädchen verdingen will, aufeinander. Klervi, so ihr Name, wird Clara später wiedertreffen, bei ihr wohnen und in ihre Gesellschaft eingeführt werden. Sie ist auch die Ich-Erzählerin des Werkes. Bourgeon erzählt wie so oft nicht chronologisch, sondern inmitten von Einschüben auf verschiedenen Zeitebenen. Noch mehr als bei seinen früheren Bänden neigt er dazu, die geschichtlichen Hintergründe in Form wörtlicher Rede einzuführen, so dass die Panele teilweise etwas textlastig wirken. Es ist allerdings keine überflüssige Information, denn ohne sie wäre die Geschichte weniger verständlich. Wer noch mehr Informationen über die damalige Zeit, das Paris dieser Jahre und seine Gesellschaften, die Politik und die Karikatur sowie die Musik erfahren möchte, sei auf die vier bereits erschienenen Journale verwiesen.
In ihnen wird nicht nur der komplette Band in größerem Format (also fast im gezeichneten Entwurfsoriginal) in schwarz-weiß vorabgedruckt, es gibt zusätzlich noch ein über die vier Teile gesplittetes Interview mit Bourgeon über seine Intentionen, seine Arbeitsweise und seine Bezüge zur bretonischen und Pariser Kultur! Ergänzt werden die vier Zeitungsausgaben mit Artikeln über die Pariser Kunstszene am Montmartre, den Wert des Volksliedes, vor allem aber mit Artikeln über den Hintergrund der französischen Geschichte vor und während der Dritten Republik. Bedauert Bourgeon im Interview schon die Kenntnisse in Frankreich über diese Zeit, so dürfte dieses Wissen in Deutschland außerhalb von Geschichtsleistungskursen kaum vorhanden sein. Um es deutlich zu sagen: Für den Lesegenuss der Zeit der Blutkirschen ist kein Vorwissen erforderlich! Selbst ohne die beiden ersten Zyklen sind die Zeichnungen so grandios und die Geschichte so spannend, dass ein Kauf sich lohnen würde! Je mehr aber die Leser*in mitbringt, umso mehr ist an Tiefe zu entdecken da viele Hinweise auf Literatur, Geschichte und die früheren Bände eingearbeitet sind.
Der Vergleich
der Journale mit dem fertigen Band erlaubt ein Verständnis der Arbeitsschritte,
ist doch die Zeichnung sonst aufgrund der Kolorierung nur noch eingeschränkt
sichtbar. Seit einiger Zeit benutzt François
Bourgeon Filzstifte für seine Zeichnungen und koloriert später mit
Aquarellfarben. Seine Farbgebung hat nichts verschwommenes oder mattes, sondern
ist immer klar abgegrenzt. Wichtig ist ihm der Einfluss von Licht und Schatten.
Um dieses korrekt hinzubekommen (und auch um fehler- und widerspruchsfrei
arbeiten zu können) baut er oft Modelle von Objekten oder in diesem Fall sogar
des ganzen Stadtviertels, indem Clara und Klervi leben.
Einen großen
Teil dieser Geschichte nehmen die französischen und bretonischen Lieder ein,
die gesungen werden. Während sich im Journal die Übersetzungen auf den Seiten
finden sind sie in der Farbausgabe gesammelt am Schluss des Bandes
untergebracht. Sie sind durchaus integraler Bestandteil der Geschichte und
tragen zu dem Verständnis bei. In den Zeitungsausgaben finden sich daher auch
weiterführende Hinweise zu dem einen oder anderen Text.
Religion ist immer noch nicht die Sache von Bourgeon und so lebt er seine Kritik am Personal, dem Kirchenbau und der politischen Repräsentanz der Kirche in seinen Zeichnungen aus:
Der Künstler beherrscht weiterhin die
Darstellung menschlicher Körper sowohl in realistischer Manier als auch in
karikativer Übertreibung. Die Gesichter tragen Ausdruck wenn nötig und bieten
immer noch genügend Details und Tiefe, wenn nur „Ausschmückung“. Die
ganzseitigen Illustrationen sind perfekt komponiert und stimmig, was Licht und
Schatten angeht. Wer zum Beispiel die Szene mit dem Eifelturm bei Nacht
betrachtet, kann die Beleuchtung des Turms wirklich sehen. Die Geschichte ist
stimmig, spannend erzählt und trägt Aspekte des Gesellschaftsromans, eines
Krimis, eines Dramas und nicht zuletzt einer politischen Beschreibung. Der
Textanteil erinnert teilweise allerdings an Edgar
Jacobs.
Zum Schluss der Hinweis, dass die Geschichte weitergehen wird, denn Clara/Zabo hat sich bereit erklärt, „alles“ erzählen wollen. Der zweite Band ist allerdings noch nicht terminiert.
Klare Kaufempfehlung sowohl für die reguläre als auch für die Journal-Ausgabe, die nicht nur eine Ergänzung ist, sondern einen eigenständigen Zugang erlaubt.
Dazu passen französische Chansons und roter
französischer Landwein!