Conan der Cimmerier 2

Band 2: Nathok, der Zauberer

Story: Vincent Brugeas nach Robert E. Howard
Zeichnungen: 
Ronan Toulhoat

Originaltitel: Le Colosse Noir

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 72 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96219-203-7

Cover Conan der Cimmerier 2

Der zweite Band der europäischen Adaptionen der Geschichten von Robert Ervin Howard über den Barbaren aus Cimmerien beinhaltet das insgesamt siebte Abenteuer der Original-Reihe. Zu den Hintergründen über die Namenswahl und die Gemeinfreiheit siehe die Rezension zum ersten Band.

Im Nachwort von Patrice Louinet wird ein wenig über die Hintergründe dieser Story erzählt. Auf einen einzigen Satz heruntergebrochen: Howard hatte erkannt, dass nackte Frauen und muskelbepackte Helden in einem mit ominösen und bedrohlichen Kulten angereicherten Szenario eine gute Einnahmequelle darstellen!

Das Abenteuer beginnt mit einer packenden Erzählung über einen Meisterdieb, der es nach jahrelangen Vorbereitungen endlich schafft,die Grabkammer einer untergegangenen Zivilisation zu öffnen und damit eine Jahrtausende lang verborgene Macht befreit. Ronan Toulhoat schafft es sehr eindringlich, dieses in Bilder umzusetzen und setzt dabei Perspektivenwechsel sowie Größe und Anordnung der Panele filmreif um. Sowohl die Spannung als auch das Mysteriöse sind absolut greifbar und der Text aus dem Off ist perfekt integriert.

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Conan befindet sich mit anderen Söldnern in Khoraja, der Hauptstadt eines belagerten Königreiches, und wird von der dortigen Prinzessin als Heerführer angeworben, um dem drohenden Nachbarn entgegenzutreten. Sehenswert sind dabei die Szenen, in denen der rüpelige Conan den Adeligen des Reiches vorgesetzt wird! Natürlich haben sie keine andere Wahl, als ihn zu akzeptieren, und die Streitmacht bezieht ihre Stellung, um den zahlenmäßig überlegenen Feind zu erwarten.

Durchaus gelungen sind auch die Abschnitte, in denen sich Yasmela, die Prinzessin, mit Conan unterhält und ihre Ängste offenbart, während dieser sein Unbehagen über die ungewohnte Verantwortung und Rolle äußert.

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Brugeas nimmt sich viele Seiten um die Schlacht der Heere episch aufzubereiten: wenig Worte und lange Kampfszenen sind die Folge. Auch das ist graphisch durchaus gekonnt umgesetzt, hätte meiner bescheidenen Meinung nach aber durchaus kürzer ausfallen können. Nichts ist langweiliger als die seitenweise Darstellung des Todes.

Nach der Vernichtung eines großen Teils beider Heere schnappt sich Nathok, der Zauberer, die Prinzessin und flieht mit ihr in die Grabkammer, in der alles begann. Während die sexuelle Komponente im Verhältnis Nathoks zu Yasmela schon vorher offensichtlich war, werden jetzt auch die Gelüste der männlichen Leser der erstmals 1933 erschienenen Geschichte befriedigt: Der Held Conan besiegt den uralten Zauberer und erhält dafür die Gelegenheit zu Sex in der Grabkammer. Toulhoat schafft es dabei aber glücklicherweise, voyeuristische Interessen nur marginal zu bedienen. In der Erstveröffentlichung in den Weird Tales hatte es diese Geschichte als erste der Conan-Abenteuer auf das Titelblatt geschafft; der Held wurde allerdings zu Gunsten einer nackten Frau vor einem antiken Altar verdrängt.

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Muss man(n) diesen Comic lesen? Haben wir nicht schon genug Exemplare, die die veraltete männliche Weltsicht auf Frauen tagtäglich in den Medien verbreiten? Diese Frage betrifft allerdings nicht nur Conan sondern einen Großteil dieser Fantasygattung, insbesondere, aber bei Weitem nicht nur, der Werke vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Eskapismus und Flucht in veraltete Rollenbilder ist immer wieder zu beobachten und ist ok, wenn mann sich dessen bewusst ist, dass es sich hierum eine Literaturgattung handelt. Sollten damit allerdings Machtphantasien und der Wunsch, alte Rollenverhältnisse wiederherzustellen, verbunden sein, ist das nicht mehr zu akzeptieren. Immerhin schaffen es die Kreativen, die Frauenrolle selbstbewusst und stark darzustellen: Yasmela bestimmt, was sie zulässt. Und das unterscheidet sie immerhin von einem Großteil der Protagonistinnen des heute überall verfügbaren Hausfrauenporns die allein triebgesteuert dargestellt werden.

Von dem Autoren liegen bisher keine weiteren Werke auf Deutsch vor; der Zeichner Toulhoat ist eifrigen Splitter-Sammler*innen dagegen kein Unbekannter und hat bereits Science Fiction, Mystery und Fantasy illustriert.

Insgesamt ist diese Idee in ihrer grafischen Umsetzung dem Original deutlich näher als der erste Band und dürfte daher auch den Fans der alten Conan-Comics gefallen. Auf jeden Fall ist der Ansatz, verschiedenen Teams freie Hand zu lassen und „ihren“ Barbaren entwerfen zu dürfen, als durchaus gelungen zu beschreiben und erweckt eine Spannung auf die noch kommenden Bände!

Dazu passen ein schwerer Rotwein aus einem großen Kelch und die kehligen Klänge von Argy Bargy etwa auf „Drinks, Drugs and Football Tunes“!

© der Abbildungen 2018 Splitter Verlag

Conan der Cimmerier 1

Band 1: Die Königin der schwarzen Küste

Story: Robert E. Howard, Jean-David Morvan
Zeichnungen: Pierre Alary

Originaltitel: Conan le cimmérien – La reine de la côte noire

Splitter Verlag

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96219-202-0

Cover Conan der Cimmerier 1

Conan der Barbar ist eine der klassischen Abenteuerserien aus den Pulpmagazinen der 30-er Jahre, in diesem Fall aus den Weird Tales. Kreiert ursprünglich von Robert E. Howard und dann fortgeführt von vielen verschiedenen Autoren, insbesondere Lyon Sprague de Camp, beschreibt sie den geschichtslosen Kämpfer aus einer fiktiven Welt, der alles gewesen ist: Söldner, Pirat, Dieb und sogar König. Denjenigen, die sich heute in ihrem besten Alter befinden, ist wahrscheinlich vor allem die Verfilmung mit Arnold Schwarzenegger im Gedächtnis, die den ursprünglichen Typus aber eher nicht getroffen hat. Howard hat insgesamt 21 Abenteuer, fast alle davon als Kurzgeschichte, geschrieben.

Editions Glenat hat nun eine Reihe gestartet, die es unterschiedlichen Teams gestattet, jeweils eine Geschichte als Comic umzusetzen und Splitter bringt das Ganze auf Deutsch heraus. Die zunächst geplanten 12 Bände sind ohne bestimmte Reihenfolge zu lesen, da Conan bereits im Original keine Entwicklung durchlebt: Am Ende geht alles auf Null. Zum Reihenstart sind gleich zwei Bände erschienen. Wer sich für die Originalgeschichten interessiert, kann auf die dreibändige Taschenbuch-Ausgabe bei Heyne zurückgreifen, die nur noch für teilweise erstaunliche Summen antiquarisch zubekommen ist, oder auf die noch lieferbare sechsbändige Ausgabe bei Festa.

Bei Panini bzw. Generation Comics sind vor einigen Jahren ein paar Bände mit Marvel-Conan Comics erschienen, die durchaus lesenswert sind!

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Glenat nutzt die Situation, dass in Europa Werke 70 Jahre nach dem Tod ihres Schöpfers gemeinfrei werden. Da in den USA andere Fristen gelten werden die „neuen“ Abenteuer dort vermutlich auch nicht erscheinen. Die Trademark für Conan bzw. Conan den Barbaren ist allerdings auch weiterhin geschützt und so hofft man in Frankreich, dass Conan der Cimmerier anders genug ist. Immerhin kommen wir so in den Genuss, eine weitere amerikanische Ikone in der Interpretation europäischer Künstler*innen sehen zu können.

Der erste Splitterband „Die Königin der schwarzen Küste“ von Jean-David Morvan und Pierre Alary hat die Liebesgeschichte von Conan und der weißen Anführerin einer schwarzen Piratentruppe namens Belit zum Thema. Conan wird auf den Anfangsseiten recht treffend einführend beschrieben, als er eine Gerichtsverhandlung endgültig beendet und auf ein gerade auslaufendes Handelsschiff flieht. Auch der Übergang von eben diesem Schiff auf das jenes enternde Piratenschiff offenbart die Treulosigkeit aber auch Berechenbarkeit des Kämpfers. Emotionale Bindungen sind ihm fremd. Im weiteren Verlauf treten alle typischen Bestandteile der Conangeschichten zu Tage:  Gewalt und Kämpfe, Horrorelemente, Mystik, untergegangene Zivilisationen und die Hoffnungslosigkeit des menschlichen Lebens im Generellen in Kombination mit der Aufopferung im Speziellen. Kein Wunder, dass die Stories auch nach 80 Jahren noch ihre Leser*innen finden. Belit stellt dabei allerdings eine andere Kategorie als die typischen Gefährtinnen dar, ist sie doch selber eine starke, selbstbewusste und autonom handelnde Persönlichkeit.

Im Endeffekt bleibt Conan als einziger der Besatzung des Piratenschiffes übrig; Weder der Verlust der Beute noch der der Kameraden oder der Geliebten bedeuten dem einsamen Kämpfer aber etwas. Auch metaphysischer Trost in Gottheiten steht im nicht zur Verfügung „Ich lebe, ich brenne in der Hitze des Lebens, ich liebe, ich töte, und das ist genug für mich.“

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Die Zeichnungen von Pierre Alary sind sehr dynamisch und variieren die Seitenaufteilung sehr geschickt. Während teilweise die klassische Anordnung eine eher ruhige Geschwindigkeit andeutet, werden Action oder aber auch bedrohliche Stimmungen durch Überlappungen oder Ausfransungen unterstützt. Auch die Farbwahl gefällt mir gut.

Wer allerdings den klassischen Conan von Buscema im Hinterkopf hat wird sich auf die figürliche Gestaltung Alarys erst einlassen müssen. Conan ist zwar muskelbepackt, sieht mit seinen reduzierten Details und dem Drei-Tage-Bart aber sehr ungewohnt aus. Auch die anderen Gesichter wirken etwas karikaturesk, allerdings stört es dort weniger. Sobald man sich nach ein paar Seiten an dieses Aussehen gewöhnt hat, irritiert es aber nicht mehr so stark da es in die Umgebung eingepasst ist.

Splitter ergänzt die Ausgaben mit Bonusmaterial. In diesem Band erfolgt eine Einordnung Conans und seines Autoren in die (SF/Fantasy-)Literaturgeschichte, begleitet von einigen Skizzen und Entwürfen.

Eine Besprechung des grafisch ganz anders umgesetzten zweiten Bandes folgt in Kürze auf comix-online.

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Zu diesem Conan passt auf den ersten Blick musikalisch entweder Metal oder HardCore. Da Conan allerdings so gar keine emanzipativen Ansätze zeigt, HardCore typischerweise aber schon, bleibt tatsächlich nur die erste Kategorie übrig. Die Bildsprache dieser Umsetzung lässt Death oder Doom und vergleichbare Spielarten eher nicht zu, also Guns ´n´ Roses und dazu etwas wie Milch, die müde Männer munter macht.

© der Abbildungen 2018 Splitter Verlag

India Dreams Gesamtausgabe

Band 1: Erster Zyklus

Story: Maryse Charles
Zeichnungen: 
Jean Francois Charles

Originaltitel: India Dreams: L´Intégrale 1

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 208 Seiten | Farbe | 39,80 € |

ISBN: 978-3-96219-234-1

(Hinweis: Gleichzeitig ist auch der zweite Band der Gesamtausgabe erschienen!)

cover india Dreams Gesamtausgabe 1

Indien – Traumland für Aussteiger, Land der ungelösten Probleme der kolonialen Vergangenheit, Fest für alle Sinne – das Land ist seit jeher eine Leinwand für Projektionen aller Spielarten und ein Lieblingsfluchtort vieler Europäer*innen.

Indien – Land der Gegensätze zwischen reich und arm, des Kastensystems und der verschiedenen Religionen und ihrer Spannungen.

Indien – Kultur der „Familie“ als höchstem Gut.

England – mittlerweile abgedankte Kolonialmacht, steife Regeln, große Klassengegensätze.

Aus dem Spannungsfeld all dieser Schubladen speist sich das Epos India Dreams des belgischen Ehepaares Maryse und Jean Francois Charles über Frauen dreier Generationen auf dem indischen Subkontinent und in England selbst.

Mit dieser Ausgabe ermöglicht der Splitter-Verlag seinen Leser*innen erstmals, India Dreams auf Deutsch komplett zu lesen; bisher war nur 2009 der erste Band der Gesamtausgabe  im Splitter books-Format erschienen. Für die Einzelbände musste bisher auf das französische Original oder die niederländische Ausgabe zurückgegriffen werden.

Der erste Band bietet dabei den aus vier Bänden bestehendenersten Zyklus, der zweite Zyklus ist zeitgleich als weiterer Band erschienen.

India Dreams Gesamtausgabe page 9

Die Geschichte beginnt zunächst eher comic-untypisch als Erzählung mit begleitenden Zeichnungen. Bereits hier wird die Fähigkeit der Zeichnerin deutlich, die Stimmungen erfassen und wiedergeben zu können.

Auch im weiteren Verlauf werden immer wieder ganzseitige Abbildungen von Jean Francois Charles die Geschichte unterstützen, gleichzeitig aber zum Verweilen einladen.

Die Reihe beschreibt die Schicksale der Familie Harryson, genauer gesagt liegt der Fokus auf den weiblichen Mitgliedern.

Die Geschichte beginnt (in zeitlicher Abfolge; Im Comic vermischen sich die Zeitebenen und schaffen somit Abwechslung nicht nur der Orte, sondern auch der Zeiten und den damit verbundenen Dekors) in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Amelia folgt ihrem Mann Thomas nach Indien und verliebt sich in einen Maharadscha. Im Laufe der Geschichte erfährt der Lesende mehr über diese Zeit und den Tod von Thomas.

Die Tochter Emy, noch in England geboren, verbringt in Indien ihre ersten Jahre, wird aber später in England aufwachsen. Sie wird von ihr zunächst ungewollt wieder in ihre Vergangenheit hineingezogen als der Spielkamerad der Kindheitstage wiederauftaucht.

Ihre Tochter Kamala darf dann in den 60-er Jahren versuchen, die Familiengeschichte zu entschlüsseln und hetzt von einem Ort zum anderen.

India Dreams Gesamtausgabe page 118

Ein wenig scheint es so, dass es sich dabei tatsächlich „nur“ um eine Rahmenhandlung dreht, die den einzigen Zweck hat, verschiedene Landschaften Indiens grafisch umsetzen zu können. Da eine Familiengeschichte alleine nicht genügend Material bietet, wird zusätzlich noch Politik aus dem großen Füllhorn ausgeschüttet: Kommunistische Bestrebungen, Macht zu übernehmen; Konflikte innerhalb der englischen Kolonialverwaltung aber auch der Inder mit der richtigen Strategie der Befreiung; Kastenwesen und Rassenunwesen sowie ein wenig Popkultur in Form einer Hippie-Reisetruppe. Alles in allem wirken auch diese Momente teilweise nur als Staffage für die grandiose graphische Umsetzung in der Jean Francois Charles mit Farben und Stilen spielt.

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Ein Comic in und über Indien bedarf aber noch einer weiteren Zutat um die eingangs angesprochenen Fluchtbedürfnisse zu erfüllen, nämlich Spiritualität und damit verknüpfte Erotik. Alle drei Frauen haben Sex mit ihren jeweiligen Partnern, der allerdings nicht einfach plakativ in Szene gesetzt wird sondern sich langsam über viele Seiten andeutet und dann meistens auch noch in malerischer Umgebung stattfindet.

Splitter veröffentlicht Comics für Erwachsene und daher ist das jetzt auch nicht unerwartet zumal die Szenen weit davon entfernt sind, einer Altersbeschränkung zu unterfallen.

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Ist der Band oder besser gesagt sind die beiden Bände zu empfehlen? Aus grafischer Sicht uneingeschränkt ja! Die Zeichnungen und Aquarelle sind allemal ihr Geld wert und verleiten aufgrund ihres hohen Detailreichtums und der zu den jeweiligen Storyelementen passenden Farben zu längerem Verweilen und auch zum mehrmaligen Betrachten.

Die Story von Maryse Charles ist dagegen eher etwas herausfordernd: Durch die vielen Rückblicke, die häufig eingestreuten Finten und die Verquickung mit den politischen Ereignissen, die einiges an Hintergrundwissen erfordert, ist die Lektüre nicht einfach. Zudem erwartet der Massengeschmack heute eher mehr Action als langsame Aufklärung über hunderte von Seiten hinweg. Wer sich darauf einlässt wird aber nicht enttäuscht!

Was passt zu einem Werk dieser Länge? Bollywood-Musik ist nicht so nach meinem Geschmack und wird daher auch nicht empfohlen. Trotzdem können indische Einflüsse in der Musik beim Lesen nicht schaden, also die Beatles in ihrer entsprechenden Phase?Indischer Alternative von Agnee? John Coltrane? Irgendwie alles und auch wieder nicht. Auf jeden Fall sollten indischer Chai, ein Kingfisher und ein Curry dazu nicht fehlen.

Update: in einer früheren Version hatte der Fehlerteufel zugeschlagen und Texterin und Zeichner durcheinandergewürfelt. Zudem ist natürlich nur der hier besprochene Teil der Gesamtausgabe bereits als splitter-book erschienen. Vielen Dank an Bernd für die Hinweise!

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© der Abbildungen 2018 Splitter Verlag

Broceliande – Der Wald des Kleinen Volkes

Band 1: Die Quelle von Barenton

Story: Olivier Peru
Zeichnungen: 
Bertrand Benoit

Originaltitel: Brocéliande 01: Forêt du Petit Peuple

Splitter Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 14,80 € |

ISBN: 978-3-96219-157-3

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Nach den Elfen und den Orks verfolgt auch diese neue Splitter-Serie das Prinzip der durchgehenden bzw. sich ergänzenden Geschichten von unterschiedlichen Teams. Alle drei Monate erscheint ein neues Abenteuer über eine geschichtsträchtige, mythenbeladene und zauberhafte Gegend in dem Wald von Broceliande, also einem Gebiet, das Teile der Normandie und die Bretagne umfasst.

Im ersten Band erzählt Olivier Peru seine Interpretation der Geschichte der ersten und folgenschweren Begegnung zwischen Merlin und Viviane. Obwohl schon tausendmal gehört, beinhaltet diese Geschichte neue Elemente: Die Korrigans – übellaunige Kobolde – zwingen einen Geschichtenerzähler ein neues Abenteuer zu erfinden, in dem sie eine tragende und heldenhafte Rolle spielen. Orignace, so der Name des Schreibers, scheint nun teilweise zu berichten, teilweise scheinen seine Vorgaben aber auch die Handlung zu treiben.

In einer Nebenhandlung versuchen drei Brüder einen weißen Hirsch zu erlegen, der größer und feiner als alles bisher gesehene sein soll. Auf jeden Fall zeigt Merlin nicht nur Viviane seinen geheimen unsichtbaren Palast, auch die drei Schurken können das sagenhafte Land betreten und möglicherweise dort sogar Unheil anrichten.

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Neben all der zauberhaften Grundstimmung kommt somit auch die schnelle und gewalttätige Seite einer Abenteuergeschichte nicht zu kurz. In der Serienbeschreibung heißt es, dass einerseits dem Sehnsuchtsort Wald ein mythischer Anstrich gegeben werde, andererseits Humor und Action aber ihren Anteil hätten. Das klingt zwar etwas überhöht, ist aber als Beschreibung nicht verkehrt und wird sicherlich den entsprechenden Käuferkreis definieren.

Die Seiten von Bertrand Benoit quellen förmlich über ob all der Details und der liebevollen kleinen Geschichten innerhalb der Panele. Die Gesichter sind ausdrucksvoll wie selten gesehen und geben die Stimmung ihres Trägers lebhaft wieder.

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Benoit beherrscht allerdings nicht nur menschliche Figuren sondern auch Wölfe, Hirsche und Drachen und alle diesen großen Tiere dürfen neben kleinen Waldbewohnern ihren Auftritt genießen. Die Farben und der Stil der Kolorierung entsprechen der aktuellen französischen, hauptsächlich durch die Editon Soleil geprägten, Fantasy-Vorgabe, gehören qualitativ aber eher zum oberen Drittel.

Dieser erste Band macht definitiv Lust auf mehr und die Bretagne und die mit ihr verwobene Artussage waren schon immer einer der Lieblingsfluchtorte für Deutsche. Dem Erfolg steht also nichts entgegen. Der relativ geringe Preis und die wie immer vorzügliche Ausstattung aus Hardcover, Überformat und gutem Papier mit satten Farben sind dabei sicherlich nicht hinderlich.

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Wer auf unterhaltsame Weise mehr über diese Gegend erfahren möchte und Krimis mag sei im Übrigen auf die „Bretonischen Geheimnisse“ von 
Banalec  verwiesen, das in dieser Gegend spielt. Mehr Information gibt es dann nur noch im Reiseführer.

Dazu passen ein Glas französischer Cidre und Mike Oldfields Tubular Bells.

© der Abbildungen 2018 Splitter Verlag

Jost, Culliford / De Coninck, Diaz: Die Schlümpfe 34: Die Schlümpfe und der Flaschengeist

Die Schlümpfe 34: Die Schlümpfe und der Flaschengeist

Story: Alain Jost und Thierry Culliford
Zeichnungen: Jeroen De Coninck und Miguel Diaz

Splitter Verlag – Toonfish
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 12.95 €
ISBN: 978-3-95839-905-1

Diese Rezension wartet schon ein wenig auf ihre Veröffentlichung. Mittlerweile ist bereits das 36. Abenteuer der Schlümpfe im Splitter-Imprint toonfish erschienen. Damit bleibt die deutsche Veröffentlichung nahe am Original und der geneigte Leser kann tatsächlich alle Bände auf Deutsch in einheitlicher Ausstattung genießen.

Die Schlümpfe gehören dabei zu den bekanntesten Figuren der Welt. Neben den Comics von Peyo gab es schon sehr früh extrem viel Merchandise der blauen Wichtel, mehrere Zeichentrickserien von Dupuis bzw. dem Studio Hanna-Barbera und mittlerweile immerhin drei „Realfilme“, die zu internationalen Blockbustern geworden sind. Sie haben sich dabei seit ihrem ersten Auftritt 1958 als Nebenfiguren in Johann und Pfiffikus zu absoluten Helden gewandelt. Zudem sind sie auch musikalisch sehr erfolgreich vermarktet worden, wenn auch zugegebenermaßen nicht jeder Geschmack damit getroffen wurde. International findet man sie unter den Trademarks „Smurfs“ oder „Schtroumpfs“.

Die Comics sind glücklicherweise durch diesen ganzen Ruhm nicht wesentlich anders geworden. Noch immer stehen die Alltagsprobleme der 100 Schlümpfe samt der später dazu gestoßenen Schlumpfine mit sich selbst und vor allem mit dem bösen Zauberer Gargamel im Mittelpunkt der Geschichten. Jeder der Schlümpfe hat dabei bestimmte Eigenschaften die sein Verhalten und seine Wünsche bestimmen und die meistens schon durch den Namen ausgedrückt werden. Im Mittelpunkt dieses Abenteuers stehen neben Schlumpfine, die als Archetyp aller positiven wie negativen Klischees die Frauenrolle bedient, Hefty und Schlaubi. Während ersterer ausgestattet mit Herz-Tattoo und Muskelkraft eher für die einfachen Lösungen zuständig ist, stellt der einzige bebrillte Schlumpf den Schlauberger dar, der jede Regel kennt, aber auch nicht eine davon brechen würde.

Beide zusammen entdecken eine Amphore im Bach, bergen und öffnen sie und stellen fest, dass diese scheinbar nur Kiesel enthält. Die zurückgelassene Amphore wird dann später von Gargamel gefunden. Tatsächlich waren in ihr aber auch zwei Dschinns, die nun ihren jeweiligen Befreiern dienen müssen. Was zunächst nach einem außerordentlichen Glücksfall aussieht, entpuppt sich als deutlich komplizierter, denn sosehr sich Agenoir und Adenior, so die Namen der Dschinn-Zwillinge, auch bemühen, ein funktionierendes Ergebnis entsteht nur dann wenn sich Schlaubi, Hefty und Gargamel gleichzeitig und ernsthaft dasselbe wünschen.

Bis die Schlümpfe gemerkt haben, dass eine Kooperation der beiden Antagonisten notwendig ist, hat der Dschinn, der im Schlumpfdorf untergekommen ist, bereits ebenso viel Unruhe gestiftet wie sein Zwilling in Gargamels Hütte. Und ebenso selbstverständlich ist das Spektrum der Wünsche der Schlümpfe vollständig inkompatibel mit dem des bösen Zauberers. Aber es bleibt ihnen allen nichts anderes übrig als zu kooperieren und nebenbei zu versuchen, die jeweils andere Seite auszutricksen. Die beiden Autoren bedienen sich dabei munter der klassischen Sagenwelt so dass der erwachsene und mitteleuropäisch sozialisierte Leser das Ergebnis bereits kennt und umso mehr Freude an der Herleitung hat!

In heutigen Zeiten ist man vielleicht versucht, in die Notwendigkeit zur Kooperation völlig unterschiedlicher kultureller Ansätze etwas hinein zu interpretieren, doch dieser Comic will einfach nur gut unterhalten ohne zu belehren (Naja, vielleicht ein bisschen, denn Eigennutz zahlt sich halt nie aus) oder Statements abzugeben. Genau das entspricht aber auch der Erwartungshaltung des Publikums seit fast 60 Jahren!

In einem zweiten Handlungsstrang geht es ebenfalls um ein Dauerthema, nämlich Eifersucht! Weil Schlumpfine sich um die beiden Dschinns kümmert, befürchten sofort einige Schlümpfe nicht mehr beachtet zu werden und fühlen sich vernachlässigt. Sie schlüpft dabei fast in eine Mutterrolle und steht dadurch Papa Schlumpf in seiner Verantwortung für alle an der Seite. Die anderen geraten dadurch natürlich in eine noch stärkere Kinderrolle, die für einiges Wiedererkennen sorgt :-).

Was man der Reihe absolut zu Gute halten muss, ist, dass sie nicht wie andere ähnliche Konzepte in den 50ern und 60ern stecken geblieben ist, sondern immer wieder neu Themen für sich gefunden hat, die auch die aktuelle Kindergeneration ansprechen. Selbst die allerersten Abenteuer sind dabei so zeitlos, dass sie immer noch funktionieren und nicht wie beispielsweise Jo, Jette und Jocko nur noch dokumentarischen Reiz haben.

Klassische vier Panelreihen als Grundlayout werden immer mal wieder durchbrochen. Obwohl die Figuren und die Farbgebung moderat modernisiert worden sind, unterscheiden sich die aktuellen Schlümpfe immer noch nur wenig von den Originalen und verbreiten den gleichen Charme wie früher. Einzig das Cover ist deutlich moderner und spricht die aktuelle Käufergruppe an ohne die alten Hasen zu verschrecken.

Nebenbei sei erwähnt, dass toonfish nicht nur die Alben der Schlümpfe sondern auch die Kurzgeschichten und verschiedene thematisch orientierte Zusammenstellungen veröffentlich hat. Die ebenfalls von Peyo stammenden und später fortgesetzten „Urväter“ Johann und Pfiffikus liegen in einer vorbildlichen Gesamtausgabe vor und auch Benni Bärenstark wurde mittlerweile in 14 Alben komplett veröffentlicht.

Wie gewohnt nun die Frage, welche Musik und welches Getraänk den Lesegenuss abrundet: Dazu passt „Vader Abraham“? Nein, nicht wirklich. Eher etwas chillige Lounge-Musik und natürlich ein Sarsaparilla-Cocktail! Da dieser etwas schwierig zu bekommen sein dürfte, geht auch etwas mit Himbeeren (eisgekühlt!) und Minze.

Abbildungen © 2016 Splitter

Sergeef/Xavier: Winter 1709 – Buch 1

Winter 1709: Buch 1

Story: Nathalie Sergeef, Philippe Xavier
Zeichnungen: Philippe Xavier

Splitter Verlag
Hardcover | 54 Seiten | Farbe | 14,80 €
ISBN: 978-3-95839-330-1

Auch diese Rezension wartet schon eine gefühlte Ewigkeit! Der zweite und abschließende Band ist mittlerweile erschienen und auch unsere Nachbarn aus den Niederlanden können diesen comic nun in ihrer  Landessprache lesen.

Irgendwie passt dieser Comic nicht zur aktuellen Jahreszeit: Während draußen fast schon eine heiße Dürreperiode herrscht, bestimmen hier Schnee und Eis das Ambiente und die Zeichnungen von Phlippe Xavier bringen die Atmosphäre so eindringlich rüber, dass einem beim Lesen unweigerlich kalt wird. Es handelt sich allerdings nicht um eine Kälte, die einen an Wolldecken und ein heimeliges Kaminfeuer denken lässt: Es geht um eine mörderische Kälte! Auch der Inhalt und die teilweise sehr blutrünstigen Zeichnungen sind nicht geeignet, irgendeine Wohlfühlstimmung aufkommen zu lassen!

Schon die erste Seite bereitet das Setting: Blutspuren an denen Dexter seine helle Freude hätte mit vier darübergelegten Textfeldern stimmen auf eine gewaltige und gewalttätige Geschichte ein. Es herrscht Krieg und zwar der letzte unter der Herrschaft Ludwig XIV. Die ohnehin vom Krieg gebeutelte Bevölkerung muss einen der härtesten Winter seit langer Zeit überstehen und damit neben der Kälte auch den Hunger überleben. Neben strategischen Geländegewinnen gerät damit auch die Versorgung mit Lebensmitteln in den Mittelpunkt.

 

Sergeef und Xavier liefern aber nicht nur ein History-Abenteuer ab: Das Ganze lässt sich auch prima mit den Stereotypen eines (Italo-)Western beschreiben. Viel (lebensbedrohende) Landschaft, seitenweise nur Atmosphäre ohne Text, viel – durchaus explizite – Gewalt, ein stoischer Held und immer wieder Gehängte oder sonst zu Tode gekommene Personen, die „dekorativ in der Gegend“ platziert werden. Schon das Cover deutet diese Verbindung an: Tausche das Schwert gegen ein Rifle aus und schon ist die Verwandlung geschehen. Eine Warnung sei also definitiv ausgesprochen: Dieser Comic ist nichts für schwache Nerven oder Zartbesaitete! Dass der Comic nicht geratet ist, ist meiner Ansicht nach allerdings richtig, denn weder werden übertriebene Gewaltszenen gezeigt noch Gewaltverherrlichung betrieben. Kriege waren noch nie ästhetisch oder zu befürworten und das beginnende 18.Jahrhundert macht dort keine Ausnahme. Die Ästhetisierung der Gewalt wie etwa in 300 scheint aber auch nicht das vorrangige Ziel der beiden Künstler gewesen zu sein!

Die künstlerische Leistung von Xavier steht für mich in Winter 1709 eindeutig im Vordergrund: Die Landschaften erinnern an die ersten Bände von Girauds Blueberry, die Gesichter an Swolfs Durango, das Setting könnte auch einem Django-Western alle Ehre machen und von den Gesichtern mit ihren unterschiedlichen Ausdrücken könnte sich ein Pellerin eine Scheibe abschneiden. Dazu trägt allerdings auch die kongeniale Kolorierung durch Jean Jaques Chagnaud ihr Scherflein bei!

Der Text von Nathalie Sergeef unterstützt die Zeichnungen dabei passend. Es ist durchaus nicht üblich, dass Texter sich in Teams so sehr zurücknehmen, dass mehrere Seiten ohne Sprechblasen auskommen. Es spricht aber für die Abstimmung zwischen den Beiden, dass es hier unaufgeregt passiert. Erstaunlich ist dagegen die Direktheit, die der Comicleser aus der Vergangenheit eher männlichen Autoren zuschreibt als einer Autorin. Der Anteil der beiden am Szenario wäre also durchaus interessant. Entsprechende Aussagen dazu sind mir aber nicht bekannt.

Zur Geschichte:

Ein einsamer Reiter stürzt in unwirtlicher Natur, wird getötet und daraufhin sowohl von seinem Mörder als auch von zufällig anwesenden Kindern verzehrt. Während die Kinder für diesen Frevel auf Drängen der Geistlichkeit gehängt werden, versucht der Held der Geschichte die Papiere, die der Getötete bei sich trug, wiederzuerlangen. In ihnen geht es um eine Schiffsladun      g Weizen, die in den schrecklichen Zeiten überlebensnotwendig für beide kriegführenden Parteien ist. Dementsprechend gering sind leider auch die Skrupel der Akteure!

Im Folgenden steht die Jagd nach den Informationen über den Ort der Übergabe, die Beweggründe für oder gegen die eine oder andere Seite und natürlich die Schlechtigkeit von Profiteuren im Vordergrund. Die Szenen spielen dabei sowohl in der Natur und in Ruinen als auch in hochherrschaftlichem Umfeld wo Xavier beweisen kann, dass er sich auch in den Kostümen der damaligen Zeit perfekt auskennt. Bitte erspart mir die Details und lest selbst!

Insgesamt also ein zwiespältiger Eindruck: Fantastische Zeichnungen, spannender Seitenaufbau mit toller Kolorierung und eine gelungen erzählte Geschichte auf der positiven Seite, (zu)viel Gewalt auf der anderen. Natürlich lässt sich niemand durch Videospiele oder Comics dazu verleiten, plötzlich mordend durch die Welt zu ziehen! Auf der anderen Seite wäre gerade in heutigen Zeiten eine Abwechslung zur Tagesschau auch mal ganz schön.

Dazu passt kräftiger melodischer Metal a la Blind Guardian und ein Glas heißer und kräftig gewürzter Glühwein (ja, auch im Sommer!)!

[Sven Krantz-Knutzen]

Abbildungen © 2017 Splitter Verlag

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