Eine Graphic Novel nicht nur für Feministinnen
Story: Lisa Frühbeis
Zeichnungen: Lisa Frühbeis
Originalausgabe
Carlsen Comics
Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-551-71086-4
Im Bereich der Carlsen Graphic Novels erscheinen immer mehr Werke, die sich mit der Unterdrückung und patriarchalen Strukturen beschäftigen. Das kann durchaus im Superheldinnenmilieu spielen wie bei MOM, kann aber auch wie zum Beispiel Chartwell Manor die Aufarbeitung eines sexuellen Missbrauchs thematisieren. Die Bestenlisten der Journalist*innen aber auch die Verkaufszahlen beweisen, dass solche Themen nicht mehr verdrängt werden können!
Mutter oder erfolgreich?
Die Heldin des Zeitraums ist alleinerziehende Mutter von zwei anspruchsvollen, also gewöhnlichen Kindern. Der leibliche Vater hat sich schon lange aus dem Staub gemacht und versucht, seine Verantwortung mit Geldzahlungen abzugeben. Trotzdem ist das Geld in der Familie ein knappes Gut. Die Wohnung ist nicht mehr bezahlbar, die Einrichtung überdauert in einer Lagerhalle und Mutter und Kinder ziehen in ein Tiny House eines Verwandten auf einer einsamen Insel.
Das bedeutet, dass die Mutter gar keinen Rückzugsraum mehr hat. Trotzdem versucht sie, ein für ihre Karriere extrem wichtiges Musikstück zu komponieren und innerhalb von sieben Tagen fertigzustellen.
Natürlich gibt es alle möglichen Situationen, Gefühle und Konflikte, die der kleinen Gruppe im Wege stehen. Könnte eine Parallelwelt einen Ausweg darstellen? Eine Welt, die den Bedürfnissen des ICH entspricht? Welcher Preis wäre dafür zu zahlen?
Ausdrucksstarke Zeichnungen!
Lisa Frühbeis hat nicht nur die Story geschrieben, sie hat sie auch zeichnerisch umgesetzt. Sie verwendet für den Alltag schwarz-weiße Bilder, oft reduziert auf das Wesentliche. Sobald die Heldin jedoch anfängt, Musik zu machen, explodieren Farben und Formen über die ganze Seite und sprengen alle Begrenzungen.
Auch die Erlebnisse im Zeitraum sind farbig wiedergegeben. Sie haben allerdings teilweise eine sehr dunkle, bedrohliche Komponente, die impliziert, dass nichts umsonst ist. Obwohl nicht belehrend, wirkt das Zusammenspiel aus Geschichte und Grafik doch sehr eindringlich!
Konsequenzen des Handelns!
Wo endet die Freiheit? Welche Konsequenzen hat unser Handeln? Und welche davon wollen wir akzeptieren? Natürlich ist die Graphic Novel aber auch eine sehr treffende, anklagende Schrift über die Ausbeutung von alleinerziehenden Frauen. Während ER sich ein neues Leben aufbaut, verzichtet SIE auf ihre Weiterentwicklung und kümmert sich um die Kinder.
Feminismus muss in gewisser Weise weh tun, ist doch das Ziel eine Veränderung der herrschenden Verhältnisse. Feminismus muss aber auch Mitstreiter (sic!) finden. Hier ist die Mischung aus meiner Sicht gelungen! Kauftipp! Der Beitrag wurde übrigens zuerst als WebComic veröffentlicht und hat als solcher den GINCO Award 2022 gewonnen.
Dazu passen die Toxic Frogs und ein Gösser Radler mit oder ohne Alkohol.
© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023