2018 ist gerade vergangen, Zeit also um einen kleinen und
sehr persönlichen Rückblick zu wagen:
Relaunch
Comix-online ist mittlerweile 18 Jahre alt, es war also Zeit
für ein weiteres Face-lifting. Im Juli habe ich die schon oft erwähnte
Neufassung der Datenschutzbestimmungen zum Anlass genommen, die Seite komplett
neu aufzusetzen, Design, Kategorien und Inhalte zu überarbeiten und endlich –
wie schon lange geplant – auch den niederländisch-sprachigen Bereich mit dazu zu
nehmen. Ich hoffe, dass ihr mit der Entwicklung zufrieden seid. Ebenfalls im Juli
habe ich einen Facebook-Auftritt als @comixonline gestartet. Wenn ich mir die
Leser*innen, die sich zu erkennen geben, anschaue, glaube ich nicht, dass ein
Instagram-Account Sinn machen würde. Falls doch, postet den Wunsch bitte als Kommentar.
Es gibt im Übrigen von dieser Web-Seite keine Verbindung zu Facebook, es wird
also niemand getrackt.
Neu sind auch die Rubriken mit dem „Klassiker des Monats“ und die Interviews.
Top 5 aus 2018
Da momentan jede*r seine/ihre top-Liste postet, möchte auch
ich nicht zurückstehen. Die Auswahl ist rein subjektiv und folgt keinen Algorithmen!
Die Besprechung wurde am letzten Tag des Jahres online
gestellt, hat es also gerade noch geschafft. Die Gesamtausgabe der klassischen Science
Fiction- und Fantasy-Stories des viel zu früh gestorbenen Ausnahmekünstlers aus
den 50-er Jahren im All-Verlag steht gleichzeitig als Vertreter für viele
lesenswerte Gesamtausgaben in diesem Jahr!
Die Reihe der Interpretationen der klassischen Serie durch wechselnde Künstler*innen läuft bereits seit einigen Jahren und hat bereits viele Höhepunkte hervorgebracht. Dieser Band, der auf Deutsch erst für das kommende Jahr angekündigt ist, erzählt eine mögliche Vorgeschichte zu dem allerersten Auftritt!
Zum 90. Geburtstag der wohl berühmtesten Maus der Welt hat
der Taschen-Verlag eine 6,5 Kilo starke Zusammenstellung aller Filmauftritte
und sich daraus entwickelnder Merchandise und Comic-Produkte auf den Markt
gebracht. Für mich das Sekundärwerk des Jahres!
Und noch ein Spirou-Titel unter den ersten 5! Die Interpretation
von Flix ist nicht nur besonders weil sie von einem Deutschen kommt. Sie ist
auch inhaltlich super gelungen und spielt zu Endzeiten der DDR, enthält
politische Anspielungen und bietet trotzdem Erwachsenen und Kindern ein
Lesevergnügen. Zudem dürften alle Fans von Franquin das heitere
Zitate-finden-Spiel genießen.
Auf Platz 1 und damit mein Favorit des letzten Jahres ein Titel, der auf Deutsch noch nicht einmal angedacht, geschweige denn angekündigt oder erschienen wäre: Der Abschlussband der Kronieken van Amoras erzählt die Geschichte von Krimson, einem sehr undurchsichtigen Charakter aus der Welt von Willy Vandersteen’s Suske en Wiske in einer modernen Neuinterpretation. Legendre und Cambré haben es geschafft, den etwas angestaubten Figuren ein neues Leben einzuhauchen und sie zu Helden in einer Endzeitwelt zu machen! Absolut lesenswert!
R.I.P.
Viele bekannte und weniger bekannte Comickünstler*innen
haben uns dieses Jahr verlassen. Einige davon sollen hier noch einmal erwähnt
werden:
F’murr am 10. April, William Vance am 14.Mai, Frank Giroud am 13. Juli und Edouard Aidans
am 6. September aus dem europäischen Raum sowie
Steve Ditko im Juni, Norm Breyfogle am 24. September und
Stan Lee am 12. November aus dem amerikanischen Umfeld.
Sie alle werden uns fehlen.
Dank
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei euch, den
Leser*innen dieser Seite! Ich hoffe auf ein weiteres, gemeinsames Jahr,
Reaktionen, Vorschläge (und ja, auch Hinweise auf TippfehlerJ).
Ebenfalls ein Dank an einige Verlage, die die Arbeit durch
die Zusendung von Rezensionsexemplaren oder aber wenigstens Lese-PDF unterstützen,
Verlosungsmaterial bereitstellen oder Interviews vermitteln!
EC-Comics war der Verlag in dem zwei der bekanntesten klassischen Science-Fiction Comicreihen erschienen sind: Weird Science und Weird Fantasy und Wallace Wood ist derjenige, der am häufigsten als bester Zeichner dieser Reihen genannt wird. Lange Zeit war es sehr schwierig, überhaupt an Geschichten von Wally Wood auf Deutsch zu kommen, nun bringt der All-Verlag eine dreibändige Gesamtausgabe aller Wood-Geschichten aus diesen beiden Comics in chronologischer Reihenfolge heraus.
Neben dem regulären Band ist auch eine auf 111
Exemplare limitierte Vorzugsausgabe
mit nummeriertem Ex-Libris und Variantcover zum Preis von 49,80 € erschienen.
Die erste Geschichte wurde im Mai 1950 veröffentlicht und von den damaligen Studiokollegen Wood und Harry Harrison gezeichnet. Beide hatten bereits andere Arbeiten vornehmlich im Romance- und Western-Bereich veröffentlicht, sahen aber ihre Zukunft im Bereich Science Fiction. Glücklicherweise konnten sie den EC-Herausgeber Bill Gaines von dieser Idee überzeugen und durften loslegen. Harrison sollte allerdings nur noch für vier Geschichten zur Verfügung stehen und sich dann komplett auf SF-Stories verlegen. Er wurde später zu einem Hauptvertreter der „neuen“ SF, vor allem mit seinen Romanen über die „stainless steel rat“. Wood dagegen konnte sein Talent in der graphischen Umsetzung der „klassischen“ SF perfekt umsetzen.
Die 50-er Jahre waren einerseits noch geprägt von den
Schrecken des Zweiten Weltkrieges und den weiter andauernden kriegerischen
Verstrickungen der US-Streitkräfte und damit sehr empfänglich für Geschichten
über böse Invasoren und „fremde“ Fieslinge. Andererseits war der Glaube in die
Technologie noch ungebrochen; die Folgen der atomaren Strahlung und der
chemischen Verseuchung waren unbekannt und jeder ging davon aus, dass überall,
also auch in Raumschiffen, selbstverständlich geraucht werden würde. An den
Kiosken gab es eine unzählbare Anzahl von Comic-Magazinen und die Selbstzensur
durch den Comics Code war noch nicht abzusehen. In den Pulp-Magazinen waren SF,
Fantasy und Mistery/Horror weit verbreitet und Frauen waren zwar nicht mehr nur
schmückendes Beiwerk sondern hatten während der Kriegsjahre beweisen können, dass
auch sie fähig und kompetent waren, hatten aber immer noch dem Schönheitsideal
zu entsprechen.
Dieser erste Band bringt 19 Geschichten aus den Jahren 1950 und 51; sie thematisieren Tierversuche, Angst vor dem Fremden, Kolonialisierung des Weltraums und Zeitreisen. Die Stärken von Wally Wood liegen in den Dekors der Raumschiffe und den Landschaften, seien es natürliche oder kosmische. Seine Frauen sind groß, langbeinig und vollbusig, dabei aber handelnde Personen und kein Beiwerk. Seine Außerirdischen sind Monster, oft zu schrecklich anzusehen um einen gesunden Verstand behalten zu können und deshalb in der Wiedergabe entschärft. Trotzdem ist der größte Horror teilweise der einheimische Umgang mit dem Fremden. Wood ist kein Optimist und so holt er aus den Stories von Gaines und Feldstein alles heraus, was positiv und zukunftsgewandt beginnt und im Schrecken endet.
Das Monster muss dabei nicht einmal außerirdisch sein, denn durch den außerirdischen Einfluss von Schimmel oder Sporen mögen sich auch Menschen in fremd aussehende aber ungefährliche bzw. in bekannt aussehende aber gefährliche Wesen verwandeln.
Die Story „Gerettet“ aus Weird Fantasy 6/51 ist auf den Seiten des All-Verlages als Leseprobe zugänglich. Mein absoluter Favorit aber ist die Geschichte „die Ausserirdischen“ aus Weird Science 7/51 da Wood hier meisterhaft mit Ängsten spielt und Taktik über Herz entscheiden lässt.
Der All-Verlag hat sich dankenswerterweise der Aufgabe verschrieben, das EC-Archiv mit den Werken von Wallace Wood in drei Bänden wieder zugänglich zu machen. Zu jeder Geschichte gibt es neben den editorischen Notizen den Abdruck des entsprechenden Covers der Ausgabe, meistens von Feldstein gezeichnet, und oft ein paar Bemerkungen von Jörg Winner der auch den Artikel über die ersten Jahre von Wood mit ergänzendem Bildmaterial sowie die Comic-Zeit von Harrison geschrieben hat.
Das Papier ist den Comics angemessen: Das Hardcover
umschließt dickeres, etwas mattes Papier, das den Eindruck der Pulps
unterstützt, trotzdem aber ein sehr gutes Druckergebnis ermöglicht.
Der erste Band der SF- und Fantasy-Geschichten von Wood ist gleichzeitig auch der Klassiker des Monats Dezember. Mehr
Klassik als diese Gesamtausgabe geht nicht!
Dazu passen Tom
Collins oder Pink Squirrel als
typische Cocktails dieser Zeit und Elvis Presley!
Edouard Aidans ist einer der ganz großen Comicschaffenden aus der „Generation ZACK“ bzw. „Tintin/Kuifje“ der 60-er und 70-er Jahre. Neben den in der Jetzt-Zeit spielenden Geschichten um Tony Stark (Gesamtausgabe ebenfalls bei Kult Comics) und Sven Janssen kennen ihn viele der Älteren insbesondere wegen Tunga, dem Ghmour, der seine Abenteuer vor 100.000 Jahren inmitten von Mammuts, Berglöwen und anderen steinzeitlichen Horden erlebt hat. Im Original firmierte die Serie als Tounga.
Aidans wurde 1930 in Andenne in Belgien geboren und ist am 6. September dieses Jahres verstorben. Seine Karriere begann in Spirou, doch schon 1956 wechselte er zu Tintin. Später sollte auch er wie so viele seiner Kollegen direkt für das ZACK und seine internationalen Ableger arbeiten. Mehr zu Aidans in der Sprechblase 238 (zur Rezension) und 239 sowie natürlich in dem von Volker Hamann verfassten Essay in den Integral-Bänden selbst. Die Abenteuer von Tunga erscheinen auf Deutsch jetzt erstmals komplett und chronologisch in Albenform. Neben den Magazinveröffentlichungen im alten und neuen ZACK sowie den Begleitprodukten waren früher bereits einmal (nur) drei Alben bei Feest erschienen.
Der jetzt erschienene dritte Band der Gesamtausgabe von Tunga umfasst die Jahre 1974 bis 1977. Er beinhaltet die Veröffentlichungen 19 bis 21, die jeweils in den siebzigern in verschiedenen ZACK-Paraden bzw. im ZACK selbst zu lesen waren sowie den Roman „Die große Wut der Geister“ von Jacques Acar mit Illustrationen von Aidans in deutscher Erstveröffentlichung. Dieser war wie auch die einzelnen Teile der „Rettung der Uru“ in Tintin Selection /Kuifje pocket erschienen, einer dreimonatlichen Taschenbuchergänzung zum eigentlichen Comic-Heft. Anfangs wurden dort noch hauptsächlich speziell angefertigte Originalgeschichten als Comic für das kleine Format hergestellt, später dann immer öfter durch illustrierte Erzählungen ergänzt. Diese sind allerdings nur selten ins Deutsche übersetzt worden. Umso größer ist das Verdienst von Kult Comics, diese in die deutsche Ausgabe integriert zu haben.
Die letzten fünf Teile der aus insgesamt acht Teilen bestehenden Saga über die Rettung der Uru, einer überalterten Kleingruppe, die von den Kwin-Khom bedroht werden, zeigen einen Tunga, der ohne die Begleitung seiner Side-Kicks mit wilden Tieren kämpfen muss, Gefangene befreien darf und auch noch durch ein „Bündnis“ mit einem Zebra eine siegreiche Schlacht gegen die Verfolger führt. Obwohl ursprünglich für das Taschenbuch-Format konzipiert, hat Aidans alle Seiten so angelegt, dass sie zu einer doppelt so großen Albumseite verlustfrei ummontiert werden können. Das Seitenlayout ist trotzdem variabel und bietet Raum für größere und kleinere Panele.
Die im Original sechzig Taschenbuchseiten umfassende Erzählung von Acar ist keine große Literatur; sie besteht dafür aus zu vielen kurzen Sätzen und richtet sich eindeutig an ein jüngeres, männliches Lesepublikum. Wer also etwas im Stil von E. R. Burroughs oder R. E. Howard erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein. Zu beachten ist dabei aber das im Untertitel des Comic-Magazins angesprochene Publikum von sieben bis siebundsiebzig. Da der Fokus der Herausgeber eher auf der unteren Grenze denn auf der oberen lag, passt das Ganze dann wieder. Die ergänzenden schwarz-weißen Zeichnungen bieten einen anderen Einblick auf die Fertigkeiten des Zeichners und beweisen, dass er seinem Vorbild Burne Hogartherfolgreich nacheifert.
„Die große Furcht“ ist dagegen eine als Album konzipierte Geschichte über die Flucht der Ghmour vor einem Vulkanausbruch mit begleitenden Erdbeben durch eine winterliche und unwirtliche Gebirgslandschaft. Aidans gelingt es, nicht nur Actionszenen und innere Entwicklung der Helden aufgrund der äußeren Bedrohungen deutlich zu machen, er versucht auch, theologische Fragestellungen auf Basis einer Naturreligion zu beantworten. Der Seitenaufbau ist dabei um vieles komplexer und spannender als in der ersten Geschichte und verlässt oft das klassische Schema.
Die letzte Geschichte dieser Ausgabe schließt direkt daran an: „Jenseits der kalten Länder“ sieht die Ghmour weiterhin auf der Flucht aus der lebensfeindlichen Gebirgswelt mit dem dicken weißen Regen und vertieft die Krise des Helden Tunga. Er zweifelt an seiner Kraft, seinem Urteilsvermögen und seinem Nutzen für den Stamm und zieht sich immer mehr in eine aggressive, selbstbemitleidende Haltung zurück. Als er erneut versagt, beschließt er, den Stamm zu verlassen und auf eigene Faust Jagd auf die zurückgekehrten Gegner vom Stamm der Tolk zu machen. Ohne spoilern zu wollen bringt diese Geschichte am Ende nicht nur neue Bündnisse und ein Happy-End sondern auch Charaktere zurück in die Geschichte, die seit einiger Zeit verloren geglaubt waren…
Teilweise atemraubendes Layout mit wirklich guten Zeichnungen, einer spannenden Geschichte und sehr gut eingefügtem Lettering machen diesen Comic zu einem echten Lesevergnügen! Auch wer die Geschichten in seiner Jugend im ZACK verschlungen hat wird an dieser Neuausgabe sein Vergnügen finden, war doch gerade das Lettering nicht die Stärke der alten Präsentation. Als Zugabe finden sich die eine oder andere Zeichnung und ein paar Cover der belgischen Originale.
Natürlich drängen sich die Vergleiche mit Tarzan als dem Archetypus des Helden im Dschungel im Kampf gegen böse Mächte, wilde Bestien und für das „Gute“ auf. Beide spielen in einer nicht vom Menschen geformten Umwelt in der neben der physischen Kraft des Helden seine Intelligenz, Empathie und Teamfähigkeit, insbesondere auch mit den nichtmenschlichen Lebewesen, überlebensnotwendig sind. In den siebziger Jahren gab es nicht mehr genügend „weiße Flecken“ auf der Karte, ein Rückgriff auf die Frühzeit des Menschen bot da eine spannende und glaubwürdigere Alternative. Aidans gibt als eines seiner Vorbilder denn auch den wohl besten Tarzan-Zeichner Burne Hogarth an, der die Abenteuer von 1937 bis 1950 gezeichnet hatte. Wer einmal die Gelegenheit hatte, ein Original von Hogarth zu sehen, wird feststellen, dass seine Klasse von Aidans nicht ganz erreicht wird. Die Distanz ist aber gerade zu seinen besten Zeiten nicht überwältigend groß! Die Publikationsfähigkeiten der moderneren Zeiten mit besserem Papier, schärferem Druckbild und ganz anderen Möglichkeiten der Kolorierung unterstützen das natürlich ebenfalls.
Da es noch ein paar andere Serien von Aidans zu entdecken gibt bleibt die Hoffnung, dass die Leipziger nach Tony Stark und Tunga weitermachen! Zunächst erwarten uns aber noch zwei weitere Bände mit dem steinzeitlichen Helden.
Das Hauptgetränk der damaligen Zeit wird wohl Wasser gewesen sein, je nach Jahreszeit ergänzt durch Früchte. Ob es damals schon Musik im heutigen Sinne gegeben hat ist meines Wissens nach unbeantwortet. Etwas Vergleichbares ist daher definitiv nicht vorhanden. Ich würde daher empfehlen, das Fenster aufzumachen oder einen Ort unter freiem Himmel aufzusuchen und den Klängen der Natur zu lauschen.
9 Monate stellen den Beginn und den Schluss dieser Geschichte dar. Tod und Geburt, Alter und Jugend, Verzweiflung und neuer Lebensmut sind die Gegensatzpaare, die ihr den Inhalt verleihen.
Um es vorwegzunehmen: Wer für Weihnachten noch ein Geschenk sucht, sollte sich diese Graphic Novel unbedingt anschauen und sie in die engere Wahl nehmen!
Mediterranee ist eine alleinstehende ältere Frau, die gerade ihre Mutter bis zu ihrem Tod gepflegt hat. Nun steht sie wieder nur noch in dem vom Vater übernommenen Käseladen und pflegt ihre Laibe.
Ulysses ist Witwer. Seine Tochter hat er im Alter von 16 Jahren verloren, sein Sohn ist verheiratet und lebt sein eigenes Leben. Als er seinen Job als Möbelpacker im Alter von 59 Jahren wegen einer „Verschlankung“ verliert, steht er ganz alleine dar und muss versuchen, mit seinem Leben klar zu kommen.
Beide treffen sich zufällig im Wartezimmer von Ulysses‘ Sohn, der als Arzt arbeitet. Im Vorfeld wurden beide Figuren näher vorgestellt und dabei sowohl die Geschichte als auch der Alltag beleuchtet. Zidrou gelingt es, die Situationen eindringlich zu beschreiben, sich den beiden Akteuren aber behutsam und wertschätzend zu nähern. De Jongh unterstützt diesen Ansatz und lässt sie in vielen kleinen Szenen leben, lächeln, verzweifeln oder auch einfach nur da sein. Überhaupt zeichnet die Ruhe und Gelassenheit die ganze Graphic Novel aus. Nie geht es darum, etwas einfach nur abzuhaken.
Beide kommen sich näher, ermöglichen sich gegen- und miteinander die Rückkehr von Spaß, Genuss, Freude und so langsam erblüht eine Liebe zwischen den Beiden. Der Comic spart das Thema Sex im Alter nicht aus, im Gegenteil, er zeigt in den Körperhaltungen der Beiden, wie wichtig und verjüngend die Liebe des jeweils anderen für das Selbstverständnis über den eigenen, als alt und verschrumpelt angesehen, Körper sein kann.
Die zarte Liebesgeschichte, die von Ulysses‘ Sohn und dessen Frau her als lächerlich betrachtet wird, entwickelt sich nicht zu einer Katastrophe! Im Gegenteil, Mediteranee und Ulysses entschließen sich, den Rest ihrer Tage zusammen zu verbringen und dabei noch einmal einen kompletten und waghalsigen Neuanfang zu wagen.
Die Seiten bieten grundsätzlich einen in drei Reihen geteilten Aufbau wobei die Höhe durchaus der Situation angemessen variiert. Teilweise kommen aber auch andere Aufteilungen oder sogar ganzseitige Illustrationen zum Einsatz. Die Farben sind immer etwas gedämpft und unterstützen damit die liebevolle Betrachtung, die Grelles nicht vertragen würde. Die vereinzelt eingesetzte Nahaufnahme erlaubt dabei trotzdem eine Ehrlichkeit, die jede Lüge oder Beschönigung sofort unmöglich macht.
Die in insgesamt sieben Kapitel unterteilte Geschichte ist eine persönliche, liebevoll erzählte, Mut machende! Wenn sie vielleicht auch nicht den persönlichen Hintergrund von Selbsterfahrungs-Novels hat, da fiktiv, so ist sie doch ausgesprochen gut komponiert und auf sehr hohem Niveau umgesetzt. Ihr ist daher zu gönnen, dass sie nicht nur den Zuspruch des Feuilletons bekommt, sondern auch eine hohe Anzahl an Leserinnen und Lesern erreicht!
Zidrou (d. i. Benoît Drouise) ist ein alter Bekannter und unter anderem für Szenarien für Percy Pickwick, den neuen Rick Master, Leonardo oder Die Kannibalen verantwortlich. Am besten fand ich persönlich allerdings Das Licht von Borneo aus der Spirou und Fantasio Spezial Reihe.
Aimée de Jongh aus Rotterdam ist in Deutschland dagegen noch nicht veröffentlicht; In den Niederlanden kennt sie fast jede*r, hat sie doch 6 Jahre lang in der kostenlos verteilten Zeitung Metro ihre Serie Snippers veröffentlicht. Da sie erst 40 Jahre alt ist werden wir hoffentlich noch das eine oder andere zu sehen bekommen.
In diesem Comic wird so viel Käse genussvoll gegessen und Wein dazu getrunken, dass einem der Appetit dabei von alleine kommt. Also korsischer Wein und französische, ruhige Musik, die sich nicht in den Vordergrund drängt, als Unterstützung des Lesevergnügens!
UPDATE: Dieser Titel hat als niederländische Ausgabe Bloesems in de Herfst den Stripschapprijs für das Album des Jahres 2018 gewonnen. – Herzlichen Glückwunsch!
Der zweite Band der europäischen Adaptionen der Geschichten von Robert Ervin Howard über den Barbaren aus Cimmerien beinhaltet das insgesamt siebte Abenteuer der Original-Reihe. Zu den Hintergründen über die Namenswahl und die Gemeinfreiheit siehe die Rezension zum ersten Band.
Im Nachwort von Patrice Louinet wird ein wenig über die Hintergründe dieser Story erzählt. Auf einen einzigen Satz heruntergebrochen: Howard hatte erkannt, dass nackte Frauen und muskelbepackte Helden in einem mit ominösen und bedrohlichen Kulten angereicherten Szenario eine gute Einnahmequelle darstellen!
Das Abenteuer beginnt mit einer packenden Erzählung über einen Meisterdieb, der es nach jahrelangen Vorbereitungen endlich schafft,die Grabkammer einer untergegangenen Zivilisation zu öffnen und damit eine Jahrtausende lang verborgene Macht befreit. Ronan Toulhoat schafft es sehr eindringlich, dieses in Bilder umzusetzen und setzt dabei Perspektivenwechsel sowie Größe und Anordnung der Panele filmreif um. Sowohl die Spannung als auch das Mysteriöse sind absolut greifbar und der Text aus dem Off ist perfekt integriert.
Conan befindet sich mit anderen Söldnern in Khoraja, der Hauptstadt eines belagerten Königreiches, und wird von der dortigen Prinzessin als Heerführer angeworben, um dem drohenden Nachbarn entgegenzutreten. Sehenswert sind dabei die Szenen, in denen der rüpelige Conan den Adeligen des Reiches vorgesetzt wird! Natürlich haben sie keine andere Wahl, als ihn zu akzeptieren, und die Streitmacht bezieht ihre Stellung, um den zahlenmäßig überlegenen Feind zu erwarten.
Durchaus gelungen sind auch die Abschnitte, in denen sich Yasmela, die Prinzessin, mit Conan unterhält und ihre Ängste offenbart, während dieser sein Unbehagen über die ungewohnte Verantwortung und Rolle äußert.
Brugeas nimmt sich viele Seiten um die Schlacht der Heere episch aufzubereiten: wenig Worte und lange Kampfszenen sind die Folge. Auch das ist graphisch durchaus gekonnt umgesetzt, hätte meiner bescheidenen Meinung nach aber durchaus kürzer ausfallen können. Nichts ist langweiliger als die seitenweise Darstellung des Todes.
Nach der Vernichtung eines großen Teils beider Heere schnappt sich Nathok, der Zauberer, die Prinzessin und flieht mit ihr in die Grabkammer, in der alles begann. Während die sexuelle Komponente im Verhältnis Nathoks zu Yasmela schon vorher offensichtlich war, werden jetzt auch die Gelüste der männlichen Leser der erstmals 1933 erschienenen Geschichte befriedigt: Der Held Conan besiegt den uralten Zauberer und erhält dafür die Gelegenheit zu Sex in der Grabkammer. Toulhoat schafft es dabei aber glücklicherweise, voyeuristische Interessen nur marginal zu bedienen. In der Erstveröffentlichung in den Weird Tales hatte es diese Geschichte als erste der Conan-Abenteuer auf das Titelblatt geschafft; der Held wurde allerdings zu Gunsten einer nackten Frau vor einem antiken Altar verdrängt.
Muss man(n) diesen Comic lesen? Haben wir nicht schon genug Exemplare, die die veraltete männliche Weltsicht auf Frauen tagtäglich in den Medien verbreiten? Diese Frage betrifft allerdings nicht nur Conan sondern einen Großteil dieser Fantasygattung, insbesondere, aber bei Weitem nicht nur, der Werke vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Eskapismus und Flucht in veraltete Rollenbilder ist immer wieder zu beobachten und ist ok, wenn mann sich dessen bewusst ist, dass es sich hierum eine Literaturgattung handelt. Sollten damit allerdings Machtphantasien und der Wunsch, alte Rollenverhältnisse wiederherzustellen, verbunden sein, ist das nicht mehr zu akzeptieren. Immerhin schaffen es die Kreativen, die Frauenrolle selbstbewusst und stark darzustellen: Yasmela bestimmt, was sie zulässt. Und das unterscheidet sie immerhin von einem Großteil der Protagonistinnen des heute überall verfügbaren Hausfrauenporns die allein triebgesteuert dargestellt werden.
Von dem Autoren liegen bisher keine weiteren Werke auf Deutsch vor; der Zeichner Toulhoat ist eifrigen Splitter-Sammler*innen dagegen kein Unbekannter und hat bereits Science Fiction, Mystery und Fantasy illustriert.
Insgesamt ist diese Idee in ihrer grafischen Umsetzung dem Original deutlich näher als der erste Band und dürfte daher auch den Fans der alten Conan-Comics gefallen. Auf jeden Fall ist der Ansatz, verschiedenen Teams freie Hand zu lassen und „ihren“ Barbaren entwerfen zu dürfen, als durchaus gelungen zu beschreiben und erweckt eine Spannung auf die noch kommenden Bände!
Dazu passen ein schwerer Rotwein aus einem großen Kelch und die kehligen Klänge von Argy Bargy etwa auf „Drinks, Drugs and Football Tunes“!
Jack Cool,der Privatdetektiv, der auf der Suche nach der Tochter von Jayne Mansfield ist, und die Merry Prankster mit dem Aussteiger Jesus-Grau sind zurück! Gleich zu Beginn zeigt eine Begegnung der Prankster und ihrem bunten Gefährt mit der Ordnungsmacht in welch unterschiedlichen Welten sich das Durchschnittsamerika und die revoltierende Jugend in den 60-er Jahren befinden. Jack Manini beweist, dass er nicht nur japanische Historien wie Tomoe schreiben kann, sondern auch in der westlichen Welt zu Hause ist und Olivier Mangin darf sich farbengewaltig austoben – Auch der zweite Band beginnt mit einem irrwitzigen Tempo.
Mic Mac Adam dagegen verabschiedet sich mit diesem Heft – eventuell sogar für immer, da die Serie nicht mehr fortgeführt wird. Zum Abschluss darf der Schotte der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen. Das Abenteuer um die Spiegel, die Personen in sich gefangen halten können, endet nicht ganz unblutig. Auch der erste Teil der Geschichte um Dantès und seinen Vater sowie um gefälschte Kunstwerke wird in dieser Ausgabe beendet. Spannende franko-belgische Kost, erdacht von Pierre Boisserie und Phillipe Guillaume und von Erik Juszezak in Szene gesetzt, die zwar auch von einem Megareichen handelt, der sich mit wirtschaftlichen Herausforderungen herumschlagen muss, im Gegensatz zu den Serien insbesondere von van Hamme aber nicht primär actionorientiert ist. Bei beiden Geschichten ist die Konsequenz Georg F. W. Tempels zu loben: Einmal angefangen, werden die Serien auch im ZACK weiterveröffentlicht!
Das wird hoffentlich für Harmony ebenfalls gelten, denn auch ihr erster Band geht in diesem ZACK mit dem fünften Teilabdruck zu Ende. In einer ersten großen Kraftprobe muss die junge Frau ihre Kräfte zur Verteidigung einsetzen.Wer ihre Gegner sind, bleibt fürs Erste aber weiterhin offen! Zwei weitere Bände sind im Original schon erschienen.
Definitiv ein Einzelfall wird dagegen Der Weg des Untergangs, die Geschichte über die Flucht des Anführers der Metis vor seinen Verfolgern bleiben. Die in Aquarellen von Sergio Tisselli illustrierte Story Francois Corteggiani‘s erzählt im zweiten Teil von der Zusammenstellung des Suchtrupps und der ersten Begegnung mit den Rebellen.
Abgerundet wird das aktuelle ZACK wie immer von Kurzgeschichten, unter anderem mit einer Einführung in aktuellen Modeschmuck in Tizombi,die wohl eher keine Modewelle auslösen wird, und mehreren Kurzrezensionen. Einer der beiden Artikel stellt die Gesamtausgabe von Agent Alpha vor, einer Serie,die gut in das klassische Profil der ZACK-Leser*innen passt.
Typischerweise hat jedes Comic-Magazin auch eine Rubrik mit Comicverfilmungen, die allerdings meistens von amerikanischen Superheldenuniversen oder TV-Serien dominiert werden. Bernd Hinrichs startet hier eine Reihe von Artikeln über verfilmte franko-belgische Serien oder Einzelausgaben. Da die einzige Bedingung für die Aufnahme die Veröffentlichung der Vorlage in Deutschland ist, darf man gespannt sein, wie viele Schätzchen dabei zu Tage treten werden!
Dazu passen heiße Schokolade (mit oder ohne Amaretto) und warme Beats für kalte Tage: Ngobo Ngobo aus Hemsbach!
Die Serie Tomoe beschreibt eine Episode im Japan des Jahres 1461. Nach einem Überfall auf ein Fischerdorf wird ein junges Mädchen von den Piraten unter ihrem Anführer Yoshinaka entführt und in Tomoe umbenannt. Sie ist die Nachfahrin der Göttin des Wassers und soll ihren Entführer heiraten um ein Paar aus der Vergangenheit zu reinkarnieren und Yoshinaka auf dem Weg zum Herrscher von Japan zu unterstützen.
Natürlich ist das alles nicht so einfach, denn Tomoe verliebt sich in den Sohn des Piraten, Oda, und Ränkeschmiede zwischen den verschiedenen Clans gehören zu einem Eastern wie das Salz in die Butter!
Dieser zweite Band der Geschichte beginnt sofort actiongeladen: Tomoe versucht ihren gefangenen Liebhaber zu befreien und mit ihm zu fliehen, doch ihr Lehrmeister erklärt den Beiden die Aussichtslosigkeit dieses Plans. Die Liebenden hätten keine Chance zu entkommen und ihr Leben wäre zerstört. Stattdessen solle Tomoe zunächst auf die Pläne Yoshinakas eingehen und ihm die Machtergreifung in Kyoto ermöglichen.
Auf den folgenden Seiten darf Tieko zeigen, dass er nicht nur ein Meister des Dekors ist – die Darstellung der Gewänder und der Architektur ist grandios! – sondern auch Kämpfe rasant und mit Detailfreude darstellen kann. Viele Szenen kommen ohne Worte aus und könnten als Exlibris einzeln veröffentlicht werden. Das einzige kleine Manko sind die Schneeflocken, die etwas generalisiert wirken, den positiven Eindruck aber nicht trüben können.
Handlungstreibendes Element ist der göttliche Spiegel, ein Symbol der Macht, das – den Tod des alten Herrschers vorausgesetzt– den neuen Machthaber auszeichnen soll. Dieser Spiegel ist jedoch nicht nur gut bewacht, sondern auch selbst nicht ungefährlich.
Am Ende wird sich zeigen müssen, ob der Plan aufgeht und Tomoe und Oda eine gemeinsame Zukunft haben, Yoshinaka Herrscher von Kyoto und über Japan wird oder gar eine andere der kämpfenden Parteien obsiegt…
Die Story ist von Manini gradlinig erzählt und bietet Raum für verschiedenste Kampfszenen aber auch für mythologische Elemente. Ihm gelingt es immer wieder, Tieko genügend Raum zu geben, wortlos weiter zu erzählen. Das Artwork ist detailreich, gut koloriert und im Seitenaufbau sehr variabel. Die Menschen und insbesondere die Gesichter sind meistens ausdrucksstark, ja, man kann die handelnden Personen schreien hören.
Für Fans dieser Gattung, aber auch für
Liebhaber*innen eines Italo-Westerns oder eines Actionfilms eine Empfehlung!
Die Gewalt in diesem Comic ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Sie übersteigt zwar nicht das von Serien wie Game of Thrones oder Vikings gewohnte Maß, wäre vor 10 Jahren aber noch nicht möglich gewesen. Eastern sind von jeher auf Kampfszenen aufgebaut und daher überrascht diese zeitgemäße Darstellung nicht wirklich. Als Weihnachtsgabe für Kinder ist dieser Titel aber eher nicht zu empfehlen.
Abgerundet wird der Band durch eine Art Gallery mit Skizzen und Abbildungen, die den im Vergleich zu anderen Comics etwas höheren Preis rechtfertigen.
Dazu passen Dallax, ein sehr feiner und sehr japanischer Ska, und heißer Sake.
Hardcover mit Leseband | 496 Seiten | 29 x 39,5 cm, in Kartonverpackung mit Tragegriff | 150 €
ISBN: 978-3-8365-5283-7
Der neunzigste Geburtstag der berühmtesten Maus der Welt hat seinen Höhepunkt erreicht und beschert uns einen Prachtband: das mehr als sechs Kilo schwere und überformatige Werk aus dem Taschen Verlag ist das ultimative Weihnachtsgeschenk für alle Mickey Mouse Enthusiasten!
Die Chronik von Gerstein und Kaufmann beinhaltet eine Auflistung sämtlicher Kinoauftritte von Micky Maus, seine Entwicklung in anderen Medien und seine Vermarktung durch Walt Disney bzw. den Disney Konzern. In Anlehnung an die Superhelden-Zeitalter wird auch in diesem Werk zwischen dem Golden (1928-1940), dem Silver (1941 – 1959) und dem Modern-Age (ab 1960) unterschieden. Die einzelnen Teile werden durch Model-Sheets und festeren Karton unterteilt. Ein weiteres Gimmick ist das Lesebändchen, das mit einem Micky-Kopf versehen ist. Die ultimative Chronik führt zunächst durch die ersten drei Jahre der Maus, erklärt ihren Hintergrund in den Problemen des Walt Disney Studios mit den Rechten an der Vorgängerserie und den Herausforderungen, eine Zeichentrickfolge, noch dazu mit Ton, in allen US-Bundesstaaten gleichzeitig zu starten. Alle diese Voraussetzungen zusammen ergaben eine einmalige Melange, die es ermöglichte, eine unverbrauchte und eigene Kreatur zu entwickeln, anarchistische und slapstickhafte Inhalte zu starten und im monatlichen Rhythmus neue Sachen auszuprobieren. Im Vordergrund stand dabei die Verbindung aus Film und Ton in einer bisher nie gesehenen Weise: Mickey und Minnie schienen selber zu sprechen und zu singen! Neben einer Vielzahl von Bildern, Fotos, Drehbuchauszügen und Werbematerialabbildungen glänzt das Werk dabei mit einer Mischung aus Überblick und detaillierter Information über jeden einzelnen Trickfilm.
Bereits ein Jahr nach dem berühmten und heute als Geburtsstunde zählenden Auftritt in Steamboat Willie 1928 wurden die ersten Comic-Beispielseiten an King Features versendet. Auch hierzu gibt es wieder zahlreiche Abbildungen. 1930 erschienen die ersten Mickey-Comics in England und Italien in Lizenz und somit waren schon nach zwei Jahren die Grundlagen für die unvergleichliche weltweite Karriere in verschiedenen Medienformen gelegt.
Schon damals benötigte man zu der kreativen Idee und der gefälligen Umsetzung aber ein weiteres Merkmal um den Erfolg dauerhaft zu sichern: Das Marketing und damit einhergehend ein gutes Merchandising. Nur dadurch konnte der Name (oder in Neudeutsch: der Brand) dauerhaft im Alltag verankert werden: Puppen und anderes Spielzeug, Uhren, Kleidung und schließlich Werbeauftritte mit Mickey und Co für andere Produkte! Und auch hier zeigt sich, wieviel Material die Autoren in jahrelanger Arbeit zusammengetragen haben und wie gut sie diese Bruchstücke in einen lesbaren und lesenswerten Text übertragen konnten!
Im zarten Alter von sieben Jahren entwickelte sich die chaotische und bisweilen boshafte Maus zu einem freundlichen, fröhlichen und bescheidenen Charakter weiter. Das cholerische Element durfte nun im Wesentlichen von Donald Duck verkörpert werden. Parallel wurde Mickeys Filmen neben dem Ton eine weitere Neuerung spendiert: Farbe! Und auch in der Beschreibung dieser Ära punktet die vorliegende Chronik wieder mit einer vortrefflichen Mischung aus detaillierten Infos, Überblickseinordnungen und einer unglaublichen Menge an Illustrationen. Die Größe der Abbildungen schwanken dabei zwischen 45 cm² und 4582 cm², also fast einem halben Quadratmeter!
Insbesondere die parallelen Vorbereitungen für den ersten abendfüllenden Spielfilm, der später Fantasia heißen sollte, werden ausführlich und in all ihren Irrungen und Wirrungen beschrieben.
Neben der Entwicklung im Film machte Mickey auch im Bereich des Comics enorme Weiterentwicklungen durch: Zusätzlich zu den Zeitungsstrips gab es immer mehr Magazine und schließlich sogar mit Walt Disney’s Comics and Stories das erste echte Comic-Heft und auch die Anzahl der internationalen Lizenzen stieg ständig und führte 1937 mit der Micky Maus Zeitung aus der Schweiz auch zu einem ersten deutschsprachigen Produkt.
War bisher alles mehr oder weniger bekannt und konnte aus vielen unterschiedlichen Quellen zusammengesucht werden, bietet die chronologisch aufgebaute Zusammenstellung ein erstes Unikat, nämlich eine Sammlung unveröffentlichter oder nicht realisierter Ideen mit einer unglaublichen Menge an Cells, Storyboards und einzelner Zeichnungen. Dieser unbekannte Mickey bietet noch einmal neue Einsichten.
In den 30-er und 40-er Jahren wurden die USA immer mehr durch das sich ausbreitende und immer erschwinglicher werdende Radio geprägt. Folgerichtig entwickelte sich auch der Hauscharakter des Disney-Konzerns in diesem Medium weiter und auch dieses lässt sich detailliert nachvollziehen.
Der zweite Teil über das sogenannte Silver-Age beginnt mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und dem erstaunlich geringen Einfluss dieses Ereignisses auf die Mickey-Filme. Einiges war bereits vorproduziert und konnte nicht mehr geändert werden. Vielleicht war Mickey auch schon zu „nett“ geworden, die Filme aus dem Universum von Mickey und Minnie liefen eher ohne das Kriegsthema weiter. Andere Helden wie Donald hatten hier eine deutlich andere Entwicklung. Im Comic spielte der Krieg dagegen sehr wohl eine Rolle und Mickey durfte als Geheimagent seinen Beitrag leisten. Nach dem Krieg waren Mickey und Minnie etabliert aber langweilig und die notwendige Modernisierung fand nicht mehr im Film sondern in den Comics statt. Wichtig ist dabei vor allem der italienische Einfluss, denn die Italiener durften schon von Anfang an eigene Geschichten entwerfen und taten das auch mit erstaunlicher Qualität.
Der Bereich des Merchandising fand in diesem „Zwischenzeitalter“ seine Vollendung mit Disneyland, der Verknüpfung von Ferien und Mickey! Auch der Bereich der kommerziellen Werbung wurde noch einmal vergrößert.
Trotzdem begann die Karriereentwicklung erstmals nach unten zu zeigen. Erstausstrahlungen wurden immer mehr von Wiederholungen verdrängt, Mickey selbst war ein Langweiler geworden und mit dem Tod von Walt Disney schien das Schicksal besiegelt. Es gelang dem Konzern aber schließlich, Mickey zu modernisieren und auch wieder innovative Ideen zu entwickeln. Die Mischung aus Real- und Trickfilm, die in den 30-ern noch gefloppt war, war jetzt aufgrund der technischen Entwicklung realisierbar und erschuf wieder neue Märkte und Konsumentengruppen. Und so ist es nur folgerichtig, dass sich mit Mickey alsDesign auf der Apple-Watch ein Kreislauf schließt.
Ist Mickey damit für die nächsten 10 Jahre gerüstet? Nein! Der Disney-Konzern wird auch weiterhin nicht nachlassen dürfen, die Figur weiter und immer wieder neu zu entwickeln, Modeentwicklungen zu erkennen und zu adaptieren und die Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben.
Für die letzten 90 Jahre gilt aber, dass es keinen Filmstar gibt, der oder die über diese lange Zeit so unangefochten eine Starrolle ausüben und sich dabei immer wieder modernisieren konnte. Das typische Gesicht und die Posen werden überall auf der Welt erkannt und damit stellt Mickey den vielleicht universellsten Charakter der Welt dar. Natürlich spielt auch der Zufall immer eine Rolle. Wie viel Aufwand und Planung aber hinter dieser Erfolgsgeschichte gestanden haben und wie viele Details punktgenau stimmen mussten, wird erstmals in dieser Fülle durch diesen Band deutlich.
Wer auch immer sich mit der Entwicklung beschäftigen möchte und alle Facetten mit Beispielen illustriert im Detail aber auch als Entwicklung verfolgen möchte, ist mit diesem opulenten Band richtig bedient! Auch für Sammler*innen, die schon das eine oder andere Buch über die Mäuse oder den dahinterstehenden Konzern zu Hause haben, bietet der Band Neues und das nicht nur aufgrund der wunderschönen Präsentation. Der Preis mag auf den ersten Blick hoch erscheinen. Wenn aber schon Konzertkarten dreistellige Beträge kosten, sind 150 Euro für dieses Nachschlagewerk nicht zuviel und der Kilopreis liegt unter dem für ein gutes Steak!
Meine Top-Empfehlung als Weihnachtsgeschenk für Comic-Fans!
Neben der regulären Ausgabe ist übrigens auch eine auf 995 Exemplare limitierte Art Edition mit einem Faksimile eines Mickey-Mouse-Merchandise-Katalogs von 1936 und einem Portfolio mit fünf Drucken erhältlich.
Conan der Barbar ist eine der klassischen Abenteuerserien aus den Pulpmagazinen der 30-er Jahre, in diesem Fall aus den Weird Tales. Kreiert ursprünglich von Robert E. Howard und dann fortgeführt von vielen verschiedenen Autoren, insbesondere Lyon Sprague de Camp, beschreibt sie den geschichtslosen Kämpfer aus einer fiktiven Welt, der alles gewesen ist: Söldner, Pirat, Dieb und sogar König. Denjenigen, die sich heute in ihrem besten Alter befinden, ist wahrscheinlich vor allem die Verfilmung mit Arnold Schwarzenegger im Gedächtnis, die den ursprünglichen Typus aber eher nicht getroffen hat. Howard hat insgesamt 21 Abenteuer, fast alle davon als Kurzgeschichte, geschrieben.
Editions Glenat hat nun eine Reihe gestartet, die es unterschiedlichen Teams gestattet, jeweils eine Geschichte als Comic umzusetzen und Splitter bringt das Ganze auf Deutsch heraus. Die zunächst geplanten 12 Bände sind ohne bestimmte Reihenfolge zu lesen, da Conan bereits im Original keine Entwicklung durchlebt: Am Ende geht alles auf Null. Zum Reihenstart sind gleich zwei Bände erschienen. Wer sich für die Originalgeschichten interessiert, kann auf die dreibändige Taschenbuch-Ausgabe bei Heyne zurückgreifen, die nur noch für teilweise erstaunliche Summen antiquarisch zubekommen ist, oder auf die noch lieferbare sechsbändige Ausgabe bei Festa.
Bei Panini bzw. Generation Comics sind vor einigen Jahren ein paar Bände mit Marvel-Conan Comics erschienen, die durchaus lesenswert sind!
Glenat nutzt die Situation, dass in Europa Werke 70 Jahre nach dem Tod ihres Schöpfers gemeinfrei werden. Da in den USA andere Fristen gelten werden die „neuen“ Abenteuer dort vermutlich auch nicht erscheinen. Die Trademark für Conan bzw. Conan den Barbaren ist allerdings auch weiterhin geschützt und so hofft man in Frankreich, dass Conan der Cimmerier anders genug ist. Immerhin kommen wir so in den Genuss, eine weitere amerikanische Ikone in der Interpretation europäischer Künstler*innen sehen zu können.
Der erste Splitterband „Die Königin der schwarzen Küste“ von Jean-David Morvan und Pierre Alary hat die Liebesgeschichte von Conan und der weißen Anführerin einer schwarzen Piratentruppe namens Belit zum Thema. Conan wird auf den Anfangsseiten recht treffend einführend beschrieben, als er eine Gerichtsverhandlung endgültig beendet und auf ein gerade auslaufendes Handelsschiff flieht. Auch der Übergang von eben diesem Schiff auf das jenes enternde Piratenschiff offenbart die Treulosigkeit aber auch Berechenbarkeit des Kämpfers. Emotionale Bindungen sind ihm fremd. Im weiteren Verlauf treten alle typischen Bestandteile der Conangeschichten zu Tage: Gewalt und Kämpfe, Horrorelemente, Mystik, untergegangene Zivilisationen und die Hoffnungslosigkeit des menschlichen Lebens im Generellen in Kombination mit der Aufopferung im Speziellen. Kein Wunder, dass die Stories auch nach 80 Jahren noch ihre Leser*innen finden. Belit stellt dabei allerdings eine andere Kategorie als die typischen Gefährtinnen dar, ist sie doch selber eine starke, selbstbewusste und autonom handelnde Persönlichkeit.
Im Endeffekt bleibt Conan als einziger der Besatzung des Piratenschiffes übrig; Weder der Verlust der Beute noch der der Kameraden oder der Geliebten bedeuten dem einsamen Kämpfer aber etwas. Auch metaphysischer Trost in Gottheiten steht im nicht zur Verfügung „Ich lebe, ich brenne in der Hitze des Lebens, ich liebe, ich töte, und das ist genug für mich.“
Die Zeichnungen von Pierre Alary sind sehr dynamisch und variieren die Seitenaufteilung sehr geschickt. Während teilweise die klassische Anordnung eine eher ruhige Geschwindigkeit andeutet, werden Action oder aber auch bedrohliche Stimmungen durch Überlappungen oder Ausfransungen unterstützt. Auch die Farbwahl gefällt mir gut.
Wer allerdings den klassischen Conan von Buscema im Hinterkopf hat wird sich auf die figürliche Gestaltung Alarys erst einlassen müssen. Conan ist zwar muskelbepackt, sieht mit seinen reduzierten Details und dem Drei-Tage-Bart aber sehr ungewohnt aus. Auch die anderen Gesichter wirken etwas karikaturesk, allerdings stört es dort weniger. Sobald man sich nach ein paar Seiten an dieses Aussehen gewöhnt hat, irritiert es aber nicht mehr so stark da es in die Umgebung eingepasst ist.
Splitter ergänzt die Ausgaben mit Bonusmaterial. In diesem Band erfolgt eine Einordnung Conans und seines Autoren in die (SF/Fantasy-)Literaturgeschichte, begleitet von einigen Skizzen und Entwürfen.
Eine Besprechung des grafisch ganz anders umgesetzten zweiten Bandes folgt in Kürze auf comix-online.
Zu diesem Conan passt auf den ersten Blick musikalisch entweder Metal oder HardCore. Da Conan allerdings so gar keine emanzipativen Ansätze zeigt, HardCore typischerweise aber schon, bleibt tatsächlich nur die erste Kategorie übrig. Die Bildsprache dieser Umsetzung lässt Death oder Doom und vergleichbare Spielarten eher nicht zu, also Guns ´n´ Roses und dazu etwas wie Milch, die müde Männer munter macht.