Chefredaktion: Georg F. W. Tempel Verlag MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
In diesem Heft müssen wir uns leider von Rick Master und seiner Nadine verabschieden. Der Kriminalfall um die so erfolgreiche Anleitung <wie man einen Mord begeht> wird mit einer klassischen Gegenüberstellung aller in Frage kommenden Personen gelöst und hat doch noch ein kleines Bonmot am Ende. Zidrou und van Liemt ist es gelungen, einem doch etwas faden Klassiker neues Leben einzuhauchen und trotzdem den alten Charme beizubehalten. Im mittlerweile dritten Album der neuen Fälle haben sie ihren eigenen Weg gefunden – weiter so! Mic Mac Adam, der Titelheld diesen Monats darf ein amouröses Abenteuer erleben. Die ganze Situation erweist sich aber als Honigtopf, denn eigentlich ist die scheinbar so schutzbedürftige Eleonar alles andere als das. Über einen Antiquitätenhändler wird immerhin etwas deutlicher, worum es überhaupt gehen könnte. Magie ist wie auch schon bei den anderen Abenteuern im Spiel.
In einer neuen Kurzgeschichte darf der einzige Zombie der als Zombie geboren wurde seine Liebe zur Poesie entdecken. Das „kleine Steak“ wird verschont wenn es denn seine Lebensgeschichte aufbereitet. In dieser ersten Folge von Tizombi werden zunächst einmal die Figuren vorgestellt. Vielversprechend!
Dantès und Harmony kommen in ihren jeweiligen Geschichten ihrer eigenen Geschichte näher; Dantès versucht, die Fehler seines Vaters auszubügeln, das blonde Mädchen beginnt zu erkennen, dass sie besondere Kräfte kontrollieren kann und akzeptiert den Namen Harmony für sich.
Solo, die Geschichte über eine Ratte auf der Suche nach seiner von Menschen entführten Frau in einer post-apokalyptischen Welt, in der jeder jeden zu fressen sucht, von Oscar Martin ist bereits in ihrem achten Teil. Obwohl auf den ersten Blick vielleicht (zu) brutal zeigt Martin immer wieder, dass er gerade die leisen Töne mag und Gewalt und Macht verachtet.
Dazu gib es wieder jede Menge an Rezensionen und News. Die längeren Artikel drehen sich in diesem Monat um die Gesamtausgabe von Durango und die Fähigkeit seines Autoren Swolfes, seine Schwäche der Charakterentwicklung in diesem Fall zu einer Stärke gemacht zu haben sowie um die Karikaturen von Tom Gaud.
In Deutschland die kompakteste Möglichkeit, im franko-belgischen Bereich auf dem Laufenden zu bleiben.
Dazu passt wettergemäß ein heißer Tee (mit oder ohne Rum) und ein Sampler zum Beispiel aus dem neuen OX.
Nach
Disney und Marvel erlaubt nun auch DC einem europäischen Künstler seine eigene
Version eines Markennamens: Enrico Marini
durfte sich einen lang gehegten Traum erfüllen und seine eigene Interpretation
eines der bekanntesten Comic-Helden erschaffen. Batman – der dunkle Prinz
erschien zunächst in zwei großformatigen Bänden bei Dargaud auf Französisch und Niederländisch und kurze Zeit später
auf Deutsch bei Panini Comics. Zum
internationalen Batman-Tag ist nun ein Sammelband mit beiden Teilen im
Batman-typischen Prestige-Format erschienen. Natürlich gibt es dieses Werk ebenfalls
als limitiertes Hardcover zu einem Preis von 23 €.
Lohnt
sich das? – Klare Antwort: Ja, denn das andere, kleinere Format und das glänzendere
Papier entlocken der Geschichte noch mal neue Eindrücke und erlauben eine
bessere Vergleichbarkeit mit den anderen Batman-Titeln. Wer bisher noch nicht
zugegriffen hat sollte es jetzt auf jeden Fall tun, denn diese Story bringt die
ganze Erfahrung Marinis im Erzählen guter und spannender Geschichten zur
Geltung. Er nimmt alle erwarteten Züge des Jokers und Harley Quinn auf der
einen Seite, Batmans und Alfreds auf der anderen und Catwoman irgendwo
dazwischen auf, setzt aber eigene Akzente bei der Handlung.
Bruce
Wayne erfährt, dass er (mal wieder) Vater geworden ist. Bevor er sich mit
dieser neuen Situation abgefunden hat wird seine mittlerweile bereits neun
Jahre alte Tochter allerdings von Joker entführt, die Mutter lebensgefährlich
verletzt. Marini gelingt es brillant,
die abstruse und brutale Verrücktheit des teuflischen Jokers und gleichzeitig die
verletzliche Liebesgeschichte zwischen ihm und Harley darzustellen.
Genauso
abgedreht ist definitiv der verzweifelte Versuch des dunklen Ritters, den Ort
herauszufinden, an dem das Mädchen versteckt wird. War Batman schon oft nah an
der Grenze zum „Bösen“ so kommt er ihr in diesem Band noch einmal näher und
überschreitet sie sogar teilweise. Der Konflikt mit sich selbst und seinen
Peers aufgrund seiner Verzweiflung wird allerdings durchaus entwickelt und es
geht nicht um Rache oder Vergeltung, da die Rettung immer im Vordergrund steht.
Beim
Artwork beweist Enrico Marini, dass
er zurecht einer der erfolgreichsten aktuellen Comicschaffenden im europäischen
Raum ist. Auf Deutsch sind von ihm unter anderem Gipsy, Die Adler Roms, Raubtiere und der Stern der Wüste erschienen. Sein frankobelgischer Stil mit
dicken schwarzen Linien und handkolorierter Tusche erlauben insbesondere bei
den Gesichtern viele Details und stimmungsvolle Atmosphäre. Seine Seiten
quellen teilweise vor Action nur so über da die einzelnen Bilder sich
überlappen, spiegeln oder ineinander übergehen. Marini hat sich viel von aktuellen Filmproduktionen abgeschaut. Es
gibt aber auch seitenfüllende Zeichnungen in der er sein Verständnis der
Anatomie des Menschen unter Beweis stellen kann. Durch das kleinere Format wird
die gefühlte Geschwindigkeit dabei noch einmal erhöht.
Dankenswerter
Weise befinden sich in diesem Sammelband zusätzlich zu den beiden Einzelbänden
die Anmerkungen des Künstlers, wie es überhaupt zu dieser Möglichkeit einen
europäischen Batman zeichnen zu dürfen gekommen ist, und ein Interview speziell
für die deutsche Ausgabe. Ein paar Skizzen sind ebenfalls enthalten.
Aufgrund
des Tempos passt dazu am besten eisgekühlte Cola eures jeweiligen
Lieblingsbrands und dunkler Urban Sound zum Beispiel von den Beastie Boys.
Bier ist seit einigen Jahren wieder in aller Munde,
insbesondere, wenn es sich um neue Geschmäcker oder alte Sorten handelt. Um
Bier, seinen Brauprozess im Wandel der Zeiten und natürlich auch um die
persönlichen Schicksale der handelnden Personen geht es in dem 8-bändigen
Zyklus „Hopfen und Malz“, der ursprünglich zwischen 1992 und 1999 bei Glenat erschienen ist.
Der Autor Jean van
Hamme aus Brüssel ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten
europäischen Comic-Szenaristen und dem deutschen Publikum eher von XIII oder Thorgal bekannt obwohl fast alle Serien von ihm in deutscher
Übersetzung vorliegen bzw. veröffentlicht werden. Ältere Einzelwerke wie Epoxy oder Western sind nur noch antiquarisch zu bekommen.
Von dem Zeichner Francis
Vallès, der in den letzten Jahren hauptsächlich mit Stephan Desberg und eben van
Hamme zusammengearbeitet hat, liegt nur wenig vor.
Hopfen und Malz ist eine Serie über die Brauerfamilie Steenfort; den prägenden Personen einer Epoche ist
jeweils eines von insgesamt sieben Album gewidmet – von Charles, 1854 bis zu
Frank, 1997. Comicplus + hat in seiner limitierten Gesamtausgabe von 2016/2017
den abschließenden achten Band mit Kurzgeschichten in den zeitlichen Ablauf
integriert, so dass sich eine sehr lesbare Handlung über eineinhalb
Jahrhunderte ergibt. Es sei dazu gesagt, dass die gesamte Story zwar auf
historischen Fakten beruht, sich aber als reine Fiktion hinsichtlich der
Personen und Unternehmen präsentiert.
Die Story beginnt 1854 in dem belgischen Dorp und dem
Bierbrauer Alfred de Ruiter. Da er seine Angestellten allerdings nicht gerade vernünftig
behandelt und er Moderne auch nicht so aufgeschlossen ist, schafft es einer
seiner ehemaligen Arbeiter – Charles Steenfort – dem Alteingesessenen mit
eigenem Bier Konkurrenz zu machen. Schon hier wird deutlich, dass es um Macht
gehen wird, um Ränkespiele und um psychologische Profile der Akteure. Anders
als sonst bei van Hamme üblich gibt es aber keine wiederkehrenden positiven
Charaktere mit Identifikationspotential. Wen das an aktuelle TV-Serien erinnert
liegt im Übrigen nicht falsch, denn das Skript war ursprünglich als Drehbuch
geplant und wurde erst 10 Jahre später als Comic realisiert. Die
Fernsehadaption erfolgte dann aber doch noch.
Der Comic führt beispielhaft durch die Geschichte des
Brauens und die notwendigen Anpassungen der jahrhundertealten Tradition an
moderne Errungenschaften.
Das Thema der Marktkonzentration, das Ende des letzten
Jahrtausends bereits sehr deutlich zu spüren war, wird ebenfalls nicht
ausgespart. Alleine der Hype des keinen Craft-Brauereien wurde nicht
vorhergesehen.
Daneben gibt es aber auch deutliche zeitgeschichtliche und
politische Themen von Feindschaft, Kollaboration oder „Sünde“ die reflektiert
werden. Hier zeigt sich die Limitierung des Ansatzes: Aufgrund der Beschränkung
auf 48 Seiten pro Epoche und der Notwendigkeit, auch noch die Story und die
Bier-bezogenen Aspekte voranzubringen, sind die Positionen viel zu
oberflächlich und schwarz-weiß dargestellt um wirklich zu überzeugen. Immerhin
beweist das aber, dass Fragestellungen dieser Art auch in nicht-graphic-novel-Formaten
auftauchen können.
Auch wenn die Deutschen in dem 1917 spielenden dritten Band
fast nur karikaturenhaft beschrieben werden, die Auseinandersetzung mit dem
Faschismus in den eigenen (belgischen) Reihen ist in Band 4 schon wesentlich
ehrlicher und verzichtet auf moralisch eindeutige Schuldzuweisungen.
Die Darstellung des jeweiligen Ambientes und der Kleidung
stehen der inhaltlichen Genauigkeit der Story in nichts nach. Vallès schafft es mit seinem
realistischen Stil fast in jedem Bild, einen visuell stimmigen Eindruck zu hinterlassen
und seine Gesichter (für mich immer ein erstes Kriterium der Qualität) sind
nicht nur detailreich, sondern transportieren auch zum Text und der Geschichte
passende Emotionen.
Das Layout der Geschichten ist dagegen eher klassisch: nur
selten wird von der drei- oder vierreihigen Aufteilung abgewichen. Wenn, dann
ist es meistens um einen schnellen Kameraschnitt zu simulieren und Emotion oder
Geschwindigkeit zu transportieren.
Comicplus + integriert in die Gesamtausgabe nicht nur die
Cover der einzelnen Ausgaben sondern ergänzt das Ganze mit viel
Hintergrundmaterial über die TV-Serie, einzelnen Zeichnungen und Abbildungen
von (imaginären) Werbematerialien für Steenfort-Biere.
Die im Original „Meister
der Gerste“ genannte Serie ist nicht nur allen Freund*innen der Braukunst
an Herz zu legen, sondern stellt auch einen spannenden und lesenswerten Versuch
dar, einen so langen Zeitraum exemplarisch darzustellen. Niemand erwarte
allerdings, dass hier objektive Fakten im Sinne eines aufgeklärten Schulunterrichts
präsentiert würden denn dafür stehen viel zu viele Klischees im Vordergrund.
Der erste und zweite Band enthalten jeweils 2 Alben und die
dazugehörigen, ergänzenden Überleitungen, der dritte versammelt die letzten
drei Abenteuer. Alle Bände sind als Hardcover mit Glanzapplikationen auf dem
Titelbild erschienen, auf jeweils 1000 Exemplare limitiert und noch lieferbar.
Die Serie bietet solides Handwerk mit einem nicht
alltäglichen Setting. Van Hamme
beweist einmal mehr seine Fähigkeit, lange Handlungsbögen zu spinnen, darf sich
hier aber sogar Generationenübergreifend betätigen. Vallès ist in Deutschland eher unterschätzt. Neben dieser Serie
liegt nur noch die Gesamtausgabe von Tosca
vor. Die Serie selbst ist nicht nur ein tolles Geschenk für Bierliebhaber mit
Comicleidenschaft oder Comicliebhaber, die gerne Bier trinken sondern auch für
sich selbst eine nette Abwechslung zu der 25-sten Geschichte im gleichen
Ambiente!
Dazu passt natürlich nichts Anderes als belgisches Bier! Wer
mag, kann ein klassisches Lambiek
probieren und mit einem Abtei-Bier
weitermachen. Für alle anderen tut es aber auch ein Belgian Blonde! Im Hintergrund darf die Musik in diesem Falle nicht
ablenken – Wie wäre es mit den australischen The Triffids?
Ein paar
abschließende Worte zu dieser Rubrik: Neue Comics erscheinen mit einer hohen
Frequenz Monat für Monat. Auch wenn sich der klassische Buchhandel vieler Orten
mit einer Comic-Ecke schmückt, zeigt sich, dass der knappe Platz oft für
Dauerseller und Neuerscheinungen gebraucht wird. Es gibt aber viele
Veröffentlichungen der letzten Jahre die es nicht verdient haben, unterzugehen
und dem Vergessen anheimzufallen.
Wenn jemand von euch einen bestimmten Titel hier gerne sehen würde oder gar selbst ein paar Worte darüber verlieren möchte: Dafür ist die Kommentarspalte dar 🙂
Schon immer gab es Abenteuer von Spirou (und Fantasio), die nicht in alle Sprachen übersetzt worden
sind. Auch die Nummerierung der regulären Reihe von Spirou und Fantasio des
deutschen Carlsen-Verlages stimmt mit der Reihenfolge im französischen und
niederländischen Raum nicht überein. Die deutsche Spezialreihe umfasst
einerseits die Bände „Une Aventure
par“/“Robbedoes door“-Veröffentlichungen, andererseits aber auch die
Werkausgabe der Bände von Rob-Vel und
Jije und klassische Abenteuer von Franquin, die woanders separat
erschienen sind. Viele Kurzgeschichten, die innerhalb des Magazins SPIROU
erschienen sind, haben nicht den Weg in eine Albenveröffentlichung geschafft
und sind in Deutschland zum Beispiel in dem JNK-Magazin COMIX oder gar nicht
erschienen.
Daneben gibt es mittlerweile aber auch rein lokale Ausgaben,
bei denen eine Übersetzung zwar möglich, nicht aber zwingend vorgesehen ist.
Gerüchteweise sollen die verschiedenen Spezialausgaben sogar die reguläre Serie
mit einem festen Team komplett ersetzen.
Das letzte Exemplar dieser lokalen Ausgaben ist das
grandiose „Spirou in Berlin“ von Flix, dem es als erstem deutschen
Künstler vergönnt war, eine Geschichte mit Spirou und Fantasio zu schreiben und
zu zeichnen. Flix, mit bürgerlichem
Namen Felix Görmann, ist einer der
bekanntesten und kreativsten Köpfe der aktuellen deutschen Comicschaffenden und
hat bereits einige Preise gewonnen und wurde mit Ausstellungen unter anderem in
Oberhausen belohnt. Seine Spirou-Interpretation schafft es trotz aller
Vorgaben, seinen eigenen Stil zu transportieren, ist aber mit hunderten von
Anspielungen an das Spirou-Universum versehen. Franquin ist fast auf jeder
Seite vertreten und somit ist dieser Comic auch ein Spiel für alle, die Zitate
suchen mögen. Viele Hinweise sind dabei nicht unbedingt graphisch umgesetzt und
selbst die Kauka-Ära kommt vor.
Die Geschichte spielt in den beiden Deutschlands im Jahre
1989 und somit in einer der spannendsten Zeiten der aktuellen Historie. Der
Graf von Rummelsdorf erhält eine Einladung zu einem Mykologenkongress in Ost-Berlin,
möchte dort aber nicht hinfahren. Fantasio steckt mal wieder in einer Krise und
muss eine Titelstory abliefern, ist also ob der Ablehnung zutiefst enttäuscht.
Der Graf wird jedoch entführt und Fantasio wittert seine Chance während Spirou
einfach nur helfen möchte. In Ost-Berlin werden alle Register einer
Agentenstory gezogen, der Widerstand gegen das Regime porträtiert und nebenbei
noch neben Pips weitere Tiere als Akteure präsentiert. In einer tour de force
gelingt es dem Grafen und seinen Freunden, einen bisher beschriebenen aber noch
nie gesichteten Pilz zu entdecken, neue Freundschaften zu schließen, die
Stasi-Überwachung ins Lächerliche zu ziehen und das Thema Flucht aus der DDR zu
beschreiben. Alles weitere wäre zuviel der Spoilerei!
Flix gelingt es,
das Layout der Seiten immer wieder zu variieren und dem Tempo der Geschichte
anzupassen. Seine Figuren sind teilweise sehr reduziert und haben zum Beispiel
keine Münder, sind andererseits wenn nötig aber sehr detailreich angelegt.
Viele Panele kommen ohne Text aus und konzentrieren den Fokus daher auf den
Bildinhalt, andere bilden eher einen Rahmen für Soundwörter. Dieser Comic ist
also definitiv einer, der ein mehrmaliges Lesen erfordert!
Der Preis von 16 € ist für deutsche Verhältnisse angemessen
da es sich um eine wertige Hardcover-Ausgabe handelt.
Mehr zu diesem Comic wäre angesichts des Presse-Hypes eine
reine Wiederholung.Flix ist im Übrigen gerade auf einer Lese- und Signiertour
durch Deutschland.
Eine andere Richtung schlägt das von den Amoras-Veröffentlichungen bekannte Team Cambré und Legendre ein. Sie bewegen sich mit ihren bisher zwei Teilen sowohl
konzeptuell als auch zeichnerisch eher im bekannten Rahmen der bisherigen
Spirou-Abenteuer und könnten auch das aktuelle Team der regulären
Veröffentlichungen darstellen. Trotzdem sind ihre Geschichten bisher nur auf
Niederländisch verfügbar. Dementsprechend heißt der titelgebende Held auch Robbedoes!
In einem fast Slapstick haften Beginn gewinnt Fantasio im bereits
2017 erschienenen ersten Band eine Puppe, die sich nicht nur bewegen, sondern
auch sprechen kann. Obwohl im Comic deutlich als künstlich zu erkennen,
scheinen die handelnden Personen sie von einem echten kleinen Mädchen nicht
unterscheiden zu können, was zu herrlichen Szenen führt.
Der Graf hat (natürlich) eine neue Erfindung gemacht, die er auf einem Kongress vorstellen möchte. Scheinbar haben allerdings dunkle Gestalten davon Wind bekommen so dass ein sicherer Transportweg für das „Ei“, also die neue Entwicklung, gefunden werden muss. Fantasio und Spirou machen sich getrennt vom Grafen auf den Weg und nutzen die Puppe als Versteck. Um die Tarnung perfekt zu machen, verkleidet sich Fantasio als Mutter und die Drei ziehen als Familie los… Wer die klassischen Geschichten liebt wird seine helle Freude an dieser Tour haben.
Auch der zweite Band sprüht vor Einfällen mit technischem
Einschlag und kommt ähnlich wild daher. Fantasios Cousin Zantafio hat mal
wieder eine tolle Idee: Mithilfe von mechanischen Fischen möchte er
Schmuggelware außer Landes bringen. Da die Geschichte zur Weihnachtszeit
spielt, gelingt es Cambré und Legendre spielend, noch jede Menge
Klischees durch den Kakao zu ziehen und auch Stefanie darf ihre bekannte Rolle
der den alten Kollegen ärgernden Reporterin spielen.
Auch in dieser Serie spielen landestypische Elemente ihre
Rolle und Verweise finden sich überall. Referenzen auf die Originalserie sind
hier nicht so direkt angebracht, sondern deuten sich eher durch das Verständnis
der Psyche und der Handlungsweisen der Akteure an; die Comics ähneln daher
nicht so einem Suchspiel wie bei Flix.
Es findet sich auch weniger Ehrfurcht vor den alten Meistern als bei der
Geschichte aus Deutschland. Vom Spaß her können es beide aber miteinander
aufnehmen!
Immer wieder erstaunlich ist der Preis der Softcoverausgaben
mit 6,95 €, der hier in Deutschland selbst für Lucky Luke und Asterix bereits
überschritten wird. Dafür gibt es solide gedruckte und haltbare Ausgaben auf
leicht glänzendem aber griffigem Papier.
Eine Erwähnung soll auch die bereits 2014 erschienene Geschichte aus dem SPIROU-Magazin 3997 finden. In dem wöchentlichen Heft erscheinen immer wieder Kurzgeschichten des Stammteams aber auch anderer Künstler die nur selten den Weg über die Landesgrenzen finden. Dabei beweist Dupuis auch durchaus sehr viel Humor wie mit der an einem 1. April veröffentlichten angeblich verschollenen Geschichte von Rob-Vel. Üblicherweise finden sich allerdings viele verschiedene Serien in einer Ausgabe. In der Nummer 3997 dreht sich aber alles um den Pagen mit der roten Uniform: Ein Autor und 71 Zeichner*innen erzählen in „Spirou a disparu“ die Geschichte eines Verschwindens und wie bei den vielen mittlerweile veröffentlichten Hommagen benutzt jeder Zeichner seinen eigenen Stil. Hier allerdings geht es um eine fortlaufende Geschichte so dass jeder nach einem vorgegebenen Skript zwar eigene Akzente setzen kann, Übergabepunkte aber beachten muss. Autor ist Pascal Jousselin dem wir auch den unglaublichen Imbattable verdanken.
Natürlich leidet darunter der
Lesespaß da man sich nicht so leicht „eingrooven“ kann. Andererseits ist das
eine perfekte Möglichkeit eben besonders auf die Zeichnungen zu achten und sie tatsächlich
im Vergleich des gleichen Kontextes genießen zu können.
Das Heft sollte auf einschlägigen Verkaufsplattformen oder
(im französischen Raum) bei Comichändlern relativ problemlos zu bekommen sein.
Fazit: Die
nationalen Ausgaben beweisen, wieviel Potential in einer so alten Serie steckt
und wie viele neue Ideen daraus und damit generiert werden können. Während
fortlaufende Serien den Vorteil bieten, dass sich Handlungsstränge und damit
auch Personen entwickeln können, Probleme vertieft werden und Epiken sich
entwickeln können, bietet das Franchise-Unternehmen mittlerweile nicht mehr nur
noch amerikanischen Superhelden die Möglichkeit ständig neuer Inkarnationen.
Dadurch können Kreative unterschiedlichen Alters und Herkunft die jeweils
eigenen Aspekte in den Vordergrund stellen und eine „Vergreisung“ vermeiden.
Der nächste Schritt der Crossover hat
bei frankobelgischen Serien allerdings abgesehen von zitatgleichen, ein
Panel dauernden Gastauftritten bisher nur im Rahmen der Memes zur
Fußballweltmeisterschaft stattgefunden als bei Frankreich gegen Belgien überall
Tintin und Asterix zu sehen waren.
Dazu passt Up-Tempo-Musik wie zum Beispiel Buster Shuffle und
ein „Schirmchen-Getränk“!
Originaltitel: Rivers of London: Body Work
Prestige | 128 Seiten | Farbe | 17 €
ISBN: 978-3-7416-0915-2
Die Flüsse
von London sind als Buchausgabe schon seit langer Zeit fester Bestandteil
der Bestsellerlisten. Seit 2016 gibt es bei Titan
Comics in England auch eine Comicversion die es im August dieses Jahres auch
nach Deutschland geschafft hat. Es handelt sich bei der Comic-Adaption übrigens
um neue Abenteuer die die Printreihe ergänzen. Im Original ist gerade der
fünfte Band erschienen, um schnellen Nachschub muss man sich also im
Erfolgsfall keine Sorgen machen.
Held der Geschichte ist der Londoner Polizist Peter Grant, der einer besonderen
Spezialeinheit, dem Falcon, angehört,
die sich um die Fälle kümmert, in denen Magie involviert ist. Während Peter
noch ein Teilzeitmagier ist, der zwar in Verbindung zu den Göttinnen der Flüsse
steht, spielt sein Chef, Inspector Nightingale
in einer ganz anderen Liga.
Die Geschichte beginnt klassisch mit einem
Autounfall: Ein Auto fährt in die Themse und die Insassen können es nicht mehr
verlassen. Peter Grant erfährt, dass es sich nicht um einen normalen Unfall
handelt, und bringt sich in die Ermittlungen der Londoner Polizei ein. Er
bildet dabei ein Team mit Detective Constable Sahra Guleed, einer toughen
Muslima. Schon am ersten Ort der Untersuchung versucht ein Auto die Ermittler
zu überfahren. So weit, so gut, es hat allerdings keinen Fahrer!
Die Geschichte spielt in mehreren Zeitsträngen,
die grafisch unterschiedlich dargestellt werden. Langsam stellt sich heraus,
dass es um Rache geht und dass Alkohol eine Rolle spielt. Die Lösung des Falles
ist dabei logisch begründet, liegt aber nicht von Anfang an auf der Hand, so
dass genügend Spannung für den Leser aufgebaut wird. Wer mit aktuellen
Fernsehserien oder den Romanen vertraut ist, wird sich hier sehr schnell
heimisch fühlen. Beide Autoren haben bereits das eine oder andere Drehbuch für
verschiedene Serien verfasst und kennen daher ihr Handwerk.
Das Kreativteam ist im (britischen) Dr. Who-Universum heimisch. Es war also
zu erwarten, dass sie routiniert mit diesen Themen umgehen können. Das Artwork
bietet daher auch kaum Überraschungen, sondern absolut solide Kost. Die Story
ist ursprünglich in 5 Teilen erschienen so dass im Laufe der Geschichte immer
wieder kleine cliff-hanger zu erkennen sind die auf das nächste Heft neugierig
machen sollen. In diesem Fall stört das die Gesamtausgabe aber nicht.
Panini druckt neben den Covern der Hefte noch
ein paar Kurzgeschichten mit Geschichten
aus dem Folly ab, die die Hauptpersonen aus einer anderen Perspektive
zeigen – Gute Idee für den Serienstart und natürlich super, da dadurch mehr als
die Hauptgeschichte geboten wird.
Die Zeichnungen sind im Regelfall auf drei
oder vier Panelreihen verteilt. Daneben gibt es einige ganzseitige Illustrationen
und größere Panels. Die Gesichter sind größtenteils ausdrucksstark und
detailreich und heben sich dadurch durchaus ab. Wie es sich für eine
Mystery-Reihe gehört fehlen die hellen Farben.
Im Vergleich zum Popcornkino fehlen die
Piff-puff-bäng-Szenen. Mir gefällt das! Für alle, die es auch gerne etwas inhaltlicher
und etwas weniger Kampf-orientiert haben ist diese Reihe daher durchaus ein
Tipp im Superhelden Einheitsbrei!
Dazu passt als Reminiszenz an den Zeichner Roxy Music (Sullivan spielt in einer entsprechenden Coverband) und ein Gin
Tonic!
Am 6. September verstarb mit Edouard Aidans einer der letzten großen Akteure der Hochzeit des TinTin-Magazins.
In Deutschland war Aidans hauptsächlich den Leser*innen des alten ZACK-Magazins ein Begriff in dem sowohl Tunga als auch Sven Janssen abgedruckt worden war.
Aktuell sind auf Deutsch die ersten Bände der Tunga-Gesamtausgabe sowie der erste Teil einer vertiefenden Story über den Künstler in der Sprechblase 238 (Rezension) erhältlich.
Der am 13. August 1930 geborene Belgier begann als Photolaborant und hatte seine Höhepunkte in den 50er und 60er Jahren für das Magazin TinTin, arbeitete aber auch für Spirou, Super-As (den ZACK-Ableger) und andere Verlage. Einige seiner Arbeiten entstanden für die Rooie Oortjes-Serie unter Pseudonym.
In den USA ist es schon eine ganze Weile üblich, die Kund*innen mit speziellen Werbeevents in die Läden zu locken. In Deutschland feiert man ebenfalls schon lange den Gratis-Comic-Tag und den Record-Shop-Day. Auch bereits in der Etablierungsphase ist der Batman-Tag, der dieses Jahr am Samstag, dem 15. September begangen werden wird.
In teilnehmenden Comic-Shops erwarten Euch viele spezielle Aktionen von Cos-play bis Batman-Kuchen in Eigenregie der Shops sowie ein Gratis-Comic und Postkarten von Panini. Natürlich gibt es auch ein „Verlobungs-Variant“ von Batman 18, das nur in teilnehmenden Shops erhältlich sein wird.
Die wohl bekannteste Maus der Welt wird 90 Jahre alt und das
muss gefeiert werden. Der deutsche Hausverlag des Disney-Imperiums bringt daher
ein wohlfeiles Hardcover mit Glückwünschen und Stories heraus.
Da Egmont ja schon einige Erfahrung mit Jubiläumsbänden hat
ist auch dieser eine Genuss für Leser*innen, die noch nicht alles haben. Die
abgedruckten Stories bieten einen guten Querschnitt da sie aus den Jahren 1936,
1945, 1956, 1968, 1996, 1998, und 2004 stammen. Natürlich sind Floyd Gottfredson/Al Taliaferro und Carl Barks vertreten, auch Romano Scarpa darf nicht fehlen! Über
die Auswahl der anderen Zeichner/Autoren kann man streiten. Mit Ulrich Schröder
ist immerhin auch ein deutscher (Co-)Zeichner aufgenommen worden. Italien und
Skandinavien sind dagegen jeweils zwei Mal vertreten.
Gleich die erste Geschichte ist ein Abenteuer, dass es nur
im Comic geben kann: Micky versucht sich als Gärtner und probiert ein Mittelchen
aus um seine Pflanzen wachsen zu lassen. Da der Erfolg leider etwas zu gewaltig
ist, muss er die Pflanze wieder schrumpfen und verkleinert sich selbst gleich
mit. Nach einer netten Interaktion mit einer Wespe gerät Micky in ein Buch mit
den Abenteuern von Robin Hood und muss sich in diesem Setting beweisen.
Natürlich bleibt Micky der unschlagbare Held und nimmt es sogar mit Richard
Löwenherz auf. Pikanterweise trifft er dabei auf Minerva die seiner Minnie wie
aus dem Gesicht geschnitten ist…
Der Hinweis auf Autoren und Zeichner erfolgt leider erst
ganz am Ende in dem Quellenverzeichnis. Immerhin enthält es Egmont-typisch auch
die Informationen zur Erstveröffentlichung sowohl überhaupt als auch in
Deutschland. Immerhin gibt es direkt im Anschluss einen Artikel zu Gottfredson.
Die zweite Geschichte zeigt eine ganz andere Maus. Zu der
damaligen Zeit war die Standardisierung der Figuren im Disney-Kosmos noch nicht
weit fortgeschritten und so sind zum Beispiel die Ohren deutlich kleiner. Paul
Murry zeichnet einen draufgängerischen Micky, der mit weniger Details auskommt,
nicht ganz so chaotisch ist, aber auch noch nicht dem Vorstadtbewohner
entspricht, der aus Abgrenzung zu Donald aus dem Charakter geworden ist. Auch
hier erfolgt ein Beitrag über die Zeit und den Künstler, der eine Einordnung
erlaubt.
Die folgende Episode um den roten Hut zeigt schon den heute
bekannten Micky während Minnie noch etwas anders als gewohnt daherkommt.
Natürlich sind alle bekannten Story-Elemente bereits vorhanden: Minnie ist
schon etwas zickig und Micky stellt sich teilweise als Opfer dar. Im
Wesentlichen ist das Setting der klassischen Detektivgeschichte aber nicht zu
verkennen. Die Geschichte ist aber ein Unikum und daher wert, in diesem
Jubiläumsband abgedruckt zu werden, handelt es sich doch um DAS Micky-Abenteuer
von Carl Barks. Der folgende Artikel
bezieht sich auch auf die begnadete Übersetzerin Dr.Erika Fuchs. Ihr
Beitrag zum Erfolg der Geschichten in Deutschland kann sicherlich nicht hoch
genug angesetzt werden.
Die folgenden Geschichten sind sicherlich repräsentativ für
die „moderne“ Darstellung der Maus im Comic und für sich allemal lesenswert. Sie
stellen aber keine Highlights dar und repräsentieren somit ein wenig das Schattendasein,
dass die Maus im Vergleich zu ihrem cholerischen und liebenswetten Kollegen
Donald führen muss. Trotzdem enthalten auch die Geschichten um den etwas
tragischen Charakter immer wieder auch Innovationen wie die Traumsequenzen aus
der Geschichte „Der Traumklau“ von den McGreals
und Pelaez.
Die „Monstermaus“ von Cochet,
Schröder und Rodriguez ist sogar extrem modern und ein Lesetipp!
Insgesamt ist der Band eine gelungene Darstellung der Entwicklung
der Maus von einem chaotischen Slapstick-Charakter über einen Vorstadt-Spießer
hin zu einem immer noch Innovationen aufgeschlossenen und liebenswerten
Charakter.
Wer wirklich das Potential der Ikone Micky Maus ausloten
will, muss auch (!) zu den Hommagen der franko-belgischen Zeichner greifen. Wer
wirklich etwas über die Künstler wissen will, muss zu Sekundärliteratur über
die Zeichner greifen (wie dem gerade neu aufgelegten Bändchen über die Zeichner
hinter der Signatur Walt Disney. Wer aber einfach nur Geschichten über die
letzten 90 Jahre von Micky Maus in Deutschland genießen möchte ist mit diesem
Band bestens bedient!
Was passt zu einem Band mit über 190 Seiten? Definitiv
etwas, das lange Zeit benötigt um zu reifen: Setzt also einen Cold Brew Coffee
an, genießt ein wenig von dem Comic, füllt ab und um, lest weiter und trinkt
das leckere Resultat bei den letzten Geschichten! Hören könnt ihr dabei alles,
was nicht ablenkt – Easy Listening oder Lounge würden sich anbieten.
Chefredaktion: Georg F. W. Tempel Verlag MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
In der Septemberausgabe des ZACK starten gleich zwei neue Serien, die Abschiede einläuten:
Mit der letzten Episode von Mic Mac Adam sind dann leider alle längeren Abenteuer aus der Feder von Stephen Desberg und André Benn veröffentlicht. Hier dürfen die beiden aber noch mal zeigen, welche Brillanz sie im Laufe der Zeit entwickelt haben. Der Schotte gerät an eine sehr zwielichtige junge Frau deren Vater keinen besseren Eindruck macht. Schon auf den ersten Seiten versucht ein Mann zwei Mal mit einem Messer bewaffnet auf die junge Frau los zu gehen, stirbt aber wenig später durch ein anderes Messer. Zeichnerisch auf hohem Niveau und weit entfernt von Detailarmut!
Ebenfalls neu ist der erste Teil des letzten Zweiteilers über Christopher Dantès dem keine Ruhe vergönnt ist. Nachdem scheinbare Ruhe eingekehrt ist, taucht sein Vater auf und droht, alte Geheimnisse zu verraten, wenn ihm nicht geholfen würde. Auch hier scheint die Straße ein gefährliches Pflaster zu sein, denn Dantès und sein Vater entgehen nur knapp einem Anschlag. Zeichnerisch lassen die Gesichter, insbesondere aber die Mundpartien, manchmal etwas zu wünschen übrig. Im Gegensatz dazu sind andere Partien und Interieur mit großem Detailreichtum versehen!
Fortgesetzt werden Solo mit der Farbausgabe des schon vor Jahren nur als Hardcover erschienenen Abenteuers und Harmony. Letztere kann sich an nichts erinnern, beginnt aber langsam zu merken, dass sie etwas besonderes ist. Flächige Zeichnungen und rasantes Tempo lassen an eine Mischung aus Manga und Netflix denken. Mit dieser neuen Serie von Mathieu Reynès deren erst zweiter Teil in diesem Heft zu lesen ist, ist den Planern bei ZACK ein guter Wurf gelungen.
Highlight auch dieser Ausgabe ist aber der 4. Teil des aktuellen Vorabdrucks von Rick Master. Reminiszenzen en masse an klassische Comics und zugrunde liegende Romane, freche und von Ehrfurcht ungetrübte neue Darstellungen aller handelnden Personen, ein flotter Strich (und gekonnte Mundpartien) von Simon Van Liemt lassen die 12 Seiten viel zu schnell konsumiert sein. Zidrou muss so einen Spaß beim Schreiben gehabt haben! Hoffentlich bleibt das noch ein Weilchen so.
Dazu kommen wie üblich verschiedene Serviceteile, zwei Parker und Badger one-pager, ein neuer Vater der Sterne, der in diesem Monat wohl notwendige Artikel über den „deutschen Spirou“ von Flix, aber auch ein Lust auf mehr machender Hinweis auf die in Deutschland über Netflix erhältliche Comicverfilmung Happy! in der ein abgehalfteter Ex-Bulle und ein kleines blaues Einhorn ein Mädchen retten müssen!
Dazu passen 70-er Jahre Soul-Klassiker (natürlich nur Northern!) und Southern Comfort on ice.
Mit den „Kronieken van Amoras“ wird der nach sechs Bänden abgeschlossenen Zyklus über die Neufassung von Suske en Wiske fortgesetzt. Der erste dreibändige Zyklus über „De zaak Krimson“ ist nun abgeschlossen.
Suske en Wiske ist eine klassische Serie von dem in Belgien geborenen und 1990 verstorbenen Willy Vandersteen und ein Dauerbrenner auf dem niederländisch-sprachigen Comicmarkt. Die mittlerweile vom Studio Vandersteen erstellte Serie hat es seit 1945 auf über 344 Bände gebracht. Im Original handelt es sich dabei um eine familienfreundliche Geschichte über zwei Jugendliche und verschiedene erwachsene Begleitfiguren. Der Handlungsrahmen wird dabei durch eine Zeitmaschine erweitert. Auch in Deutschland sind immer mal wieder Versuche gestartet worden, die Geschichten hier zu einem Erfolg zu führen – aktuell erscheinen die Originalabenteuer von Suske und Wiske bei Salleck Publications. Am bekanntesten waren allerdings die Abenteuer des Spin-Offs Wastl (Jerom im Original) bei Bastei.
Um die Serie an die Lesegewohnheiten der aktuellen Comicleser*innen anzupassen und den doch stark altbackenen Charakter abzuschütteln wurde versucht, sowohl Jerom als auch Suske und Wiske zu modernisieren. 2013 erschien der erste Band einer neuen, realistischer gezeichneten und actiongeladenen Serie mit Titel „Amoras“, die 2047, also 100 Jahre nach der ersten Originalgeschichte über die Insel Amoras von 1947, spielt. Es handelt sich um eine Dystopie; auf Amoras stehen sich die Fetten und die Mageren gegenüber und das Szenario könnte aus der „Klapperschlange“ übernommen worden sein. Neben der Personage der ursprünglichen Serie wird Jerusalem, eine junge und starke Frau, neu eingeführt. Die Serie endete 2015 mit dem sechsten Band und war ein so großer Erfolg, dass beschlossen wurde, Stories über einzelne Aspekte und Figuren nachzuliefern. Zu Amoras ist bereits ein Artikel von mir erschienen, der hier zu finden ist.
Der nun abgeschlossene Zyklus über Krimson und vor allem über die Beteiligung von Lambik an dessen Werdegang beantwortet viele Fragen über die altbekannten Figuren. Im Mittelpunkt steht der Psychopath Krimson und seine Entwicklung. In mehreren Rückblicken wird die erste Begegnung von dem schon immer etwas undurchsichtigen und in der Bewertung uneindeutigen Lambik mit eben jenem inzwischen superreichen und drogenabhängigen Schurken beleuchtet. Zwar wird die Frage nach Prägung oder Prädisposition nicht geklärt, Lambik und auch Professor Barabas scheinen aber durchaus eigenen Anteil am Werdegang zu haben. Die Rolle des Butlers Achiel lässt dagegen viel Raum für weitere Kronieken!
Ohne zu viel vom Inhalt zu verraten: Während in der aktuellen Zeitlinie islamistischer Terror, Armut und heftige Wirtschaftskrisen herrschen geht es in der Vergangenheit um einen verlassenen und unter einer Kapelle versteckten Zug mit Nazigold. Außerdem spielt ein Koffer eine große Rolle! In verschiedenen Handlungssträngen agieren die Akteure in eigenen Settings, kommen aber zum finale furioso im dritten Band zusammen.
Die Serie wirft viele Fragen über eine zukünftige Weltordnung auf. Wird Gewalt und Terrorismus tatsächlich tagtäglicher Bestandteil unserer Zukunft, vor allem, wenn sie nicht nur von Randgruppen oder religiös verbrämten Einzeltätern, sondern auch von Wirtschaftsunternehmen eingesetzt wird? Werden sich innerhalb der kommenden 30 Jahre Androiden und Künstliche Intelligenzen tatsächlich so menschenähnlich weiterentwickeln wie hier beschrieben? Problematisch ist sicherlich auch heute schon anzumerken, dass die Forschung in diesem Bereich zu einem nicht unerheblichen Teil von militärischen Interessen befördert wird und dass die wesentlichen Entwicklungen in den USA und China stattfinden.
Stilistisch handelt es sich um eine moderne Serie mit ausgearbeiteten Details, klaren Figuren und einem TV-Serien orientierten Schnitt. Eine Netflix-Adaption wäre durchaus möglich. Die handelnden Charaktere durchleben alle Emotionen und die Autoren scheuen nicht davor zurück, Fehlschläge und Verzweiflung zu zeigen. Nichts könnte weiter entfernt sein von der heilen Welt der Originalserie. Trotzdem verzichten die Autoren auf Splatter oder übertriebene Gewaltszenen wie sie oft in den amerikanischen vom Erfolg der image-Reihen geprägten Comic zu finden sind. Auch von den belgisch/französischen Fantasy-Titeln sind sie leicht zu unterscheiden, da die weiblichen Akteurinnen „echte“ Kleidung tragen und keine überdimensionierten Körbchengrößen benötigen. Der Seitenaufbau folgt grundsätzlich einem drei- oder vierreihigen Aufbau, ist aber trotzdem sehr flexibel. Seitenfüllende Abbildungen finden sich nicht, Tempo wird aber durch überlappende oder integrierte Panels statt.
Etwas unverständlich für mich ist die Tatsache, dass sich bisher kein deutscher Verlag für eine Veröffentlichung gefunden hat. Natürlich ist in Deutschland der positive Bezug auf die Kindheitserfahrungen mit dieser Serie nicht gegeben und dementsprechend wird auch keine Neugier auf eine Neuinterpretation geweckt. Die Serie(n) ist/sind aber so gut, spannend und anregend, dass ein Vergleich mit vielen hierzulande veröffentlichten Titeln problemlos gewonnen werden könnte. Da schon 9 Bände im Original vorliegen und die Veröffentlichungspraxis gezeigt hat, dass im Schnitt mehr als ein neuer Band pro Jahr erstellt wird, sollte einer Vermarktung hier eigentlich nichts im Wege stehen! Für alle, die nicht warten können, lohnt sich ein Kauf der Bände im Original auf jeden Fall – unbedingte Empfehlung!