Schmidt – Nick Knatterton

Die Bibliothek der Comic-Klassiker 7: Nick Knatterton

Story und Zeichnungen: Manfred Schmidt

Originalausgabe

Carlsen Comics
Hardcover Querformat | 440 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 
978-3-551-02918-8

Cover Bibliothek der Klassiker 7 - Nick Knatterton

In der Bibliothek der Comic-Klassiker erscheinen in unregelmäßiger Folge nationale wie internationale Must-Haves. Sie ist damit quasi die aktuelle Version der Reihen, die vor Jahren von der Bild und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verlegt worden waren. Die Aufmachung wirkt aber etwas gediegener und präsentiert die Stoffe in lesbarerer Form! Die Gesamtausgabe enthält alle 18 Geschichten des deutschen Meisterdetektivs.

Kombiniere …

Deutschland im Jahre 1950. Es geht wieder aufwärts, das Wirtschaftswunder nimmt seinen Lauf und neben der Sorge um das nackte Überleben ist wieder Zeit für Zerstreuung. Bestandteil dieses Paketes ist die Illustrierte QUICK mit schnell konsumierbaren News aus aller Welt. Stars und Sternchen bildeten dabei eine Säule, schon ab dem zweiten Jahr aber auch die Geschichten um Nick Knatterton! Bis 1959 sollten die Comics im Magazin bleiben, Lizenzen wurden auch in das Ausland verkauft.

Detail Nick Knatterton GA page 22

Manfred Schmidt, Erfinder, Texter und Zeichner der Serie, hatte die erste Geschichte als Parodie auf die aus Amerika kommende Kunstform der Comics, speziell Superman, geplant. Für einen deutschen Bildungsbürger waren Bildgeschichten bestenfalls etwas für Kinder, keinesfalls aber wertvoll. Überrascht vom Erfolg und Zuspruch der Leser*innen entstanden dann aber doch insgesamt 18 Episoden mit dem superschlauen Helden in markanter Kleidung mit Pfeife und spitzem Kinn.

Die Geschichten sind voll von Anspielungen auf die damalige politische Großwetterlage und präsentieren ein zeitgemäßes, krudes Frauenbild (giftiger Vamp oder naive Sekretärin) samt üppiger Kurven. Vor allem anfangs fühlt man sich an die wilden, Slapstick getriebenen Abenteuer von Tim bei den Sowjets erinnert. In den späteren Folgen wird die Handlung etwas systematischer entwickelt.

Detailreiche Zeichnungen mit Erklärungen

Ein wesentliches Merkmal der Zeichnungen von Schmidt sind die Kästchen, die Details aus den Bildern erklären. Manchmal wirken diese Texte, als ob der Zeichner seinen Leser*innen nicht zutrauen würde, die Bildsprache zu verstehen. Meistens sind sie aber ironische Anmerkungen, die den Fokus auf bestimmte Details legen. Die Zeichnungen sind schwarz-weiß, haben teilweise mit Wasserfarben gemalte Anteile, und nutzen ein Raster für die Kleidung der Hauptperson.

Detail Nick Knatterton GA page 23

Schmidt setzt häufig auf Speedlines und Wölkchen, um Bewegung zu visualisieren und pflegt ansonsten einen karikaturesken Stil. Damit ist er mit seinen wöchentlichen zwei Streifen in der Tradition der Zeitungscomics ohne wirklich dazuzugehören. Nick Knatterton ist ein Produkt seiner Zeit und würde so heutzutage niemals ein Publikum finden. Der dahinterstehende rasante Slapstick, die Überhöhung der natürlichen menschlichen Eigenschaften in der Person des Helden und die teils bissigen Kommentare auf das Zeitgeschehen sind aber ein wertvoller Bestandteil der Geschichte des deutschen Comics und damit ein notwendiger Teil einer Comic-Bibliothek in unseren Landen!

Ansprechende Darbietung

Der Hamburger Verlag hat sich erfolgreich bemüht, Nick Knatterton in einer wertigen Form zu präsentieren! Das gut gebundene Hardcover im Querformat steckt in einem hochformatigem Schuber und passt daher in jedes Regal. Damit ähnelt dieser Band auch den anderen Teilen der Reihe. Die jeweiligen Wochenlieferungen wirken durch den großzügigen Weißraum ohne jede Ablenkung und jede der Geschichten bekommt eine kurze Einführung.

Detail Nick Knatterton GA page 426

Sicherlich gibt es antiquarisch noch die eine oder andere Ausgabe der Geschichten für weniger Geld. Der Preis dieser Ausgabe ist aber für die Ausstattung angemessen und ein neues Buch hat, nicht nur für Sammler*innen, seine Vorteile! Vielleicht auch ein Geschenktipp für Weihnachten für die Opas!

Dazu passen ein klassischer Weinbrand sowie Bill Ramsey mit “Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett”, auch wenn dieser Schlager erst ein paar Jährchen nach der Einstellung der Comics aufgenommen wurde!

© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Flix – Das Humboldt-Tier

Ein Marsupilami-Abenteuer

Story und Zeichnungen: Flix

Originalausgabe

Carlsen Comics
Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 16,00 €
ISBN: 
978-3-551-78168-0

Cover Humboldt-Tier

Seit einiger Zeit öffnet Dupuis seine Tresore und erlaubt Szenarist*innen und Zeichner*innen, selbst die bekanntesten Figuren für eigene Interpretationen zu verwenden. Herausgekommen sind nicht nur einige vorzügliche Sammelbände mit Kurzgeschichten wie etwa zu Gaston oder den Blauwbloezen (auf Deutsch leider nicht erhältlich). Auch Spirou und Fantasio wurden z.B. in den Niederlanden durch Legendre und Cambré oder in Deutschland durch Flix umgesetzt. Lucky Luke durch Ralf König gehört ebenfalls in diese Kategorie. Mittlerweile sind die zunächst national gedachten Bände sogar in Frankreich in Übersetzung erschienen.

Das Wundertier

Das Abenteuer von Spirou in Berlin zeigte die große Verehrung, die der in Berlin lebende Zeichner Flix für André Franquin empfindet. Nicht nur der lebendige Zeichenstil und die Bildkomposition erinnerten an den Meister, es waren auch Unmengen an mehr oder weniger versteckten Hinweisen auf Franquin’sche Geschichten enthalten. Flix hat nun den Kolleg*innen der Comixene in Nummer 139 erklärt, dass er gerne schon damals das Marsupilami eingebaut hätte. Als es in einem Gespräch um ein neues Projekt ging, hatte er nach einem Marsupilami-Projekt anfragen lassen und erstaunlicherweise die Erlaubnis erhalten.

Flix Humboldt-Tier page 3

Das Humbodt-Tier ist das Ergebnis dieser Absprache. Der wohl berühmteste deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt hat auf seinen Reisen so viele Artefakte gesammelt, dass immer noch unausgepackte Sendungen in einem Lager stehen. Was wäre, wenn in einer dieser Kisten ein Exemplar des Wundertieres aus Palumbien gewesen wäre? Flix zeichnet die Entdeckung durch den Forscher auf eine sehr liebenswürdige, karikierende Weise und erklärt auch, wie es passieren konnte, dass das Tier so lange in einer Art Tiefschlag gelegen hat.

Schließlich wird es 1931 aber doch von Mimmi, der unerschrockenen Tochter einer alleinerziehenden Mutter, befreit. Das Tier und das Mädchen freunden sich an und erleben aufregende Abenteuer im Dschungel der Großstadt. Die Rolle des immer wieder scheiternden Jaguars nehmen hier ein paar Nazis ein und auch der Großwildjäger Bring M. Backalive findet eine Entsprechung. Mehr sei hier nicht verraten.

Flix Humboldt-Tier page 4

Eigenständiger Stil mit hohem Hommage-Faktor

Flix ist einer der wenigen Zeichner in Deutschland, die damit auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Er kann sowohl Klassiker wie Faust aufarbeiten als auch Tagescomics mit autobiographischen Inhalten zeichnen und dabei eigenständige Merkmale unterbringen. Auch das Marsupilami verweist wieder auf viele Elemente von Franquin und ist grundsätzlich an den lebendigen Marcinelle-Stil angelehnt. Gleichzeitig haben die Figuren aber auch die Flix-Nasen!

Im Layout orientiert sich Flix am klassischen Spirou-Layout, geht aber mit gewagten ganzseitigen Darstellungen darüber hinaus. Im Wesentlichen vermittelt er eine sehr warmherzige, kindgerechte Atmosphäre. Es gibt einige gruselige Szenen, auch bei diesen muss aber kein Elternteil befürchten, dass Kinder etwa ab 8 Jahren beim eigenständigen Lesen überfordert wären. Insofern ist dieser Band tatsächlich auch ein Comic für die ganze Familie. Da genügend Aufhänger mit Diskussionspotential (Nationalsozialismus, Gier, „Raubkunst“, gesellschaftliche Vorurteile) vorhanden sind, kann die Auseinandersetzung je nach Alter aber auch viel tiefer gehen.

Flix Marsupilami page 5

Klassiker-Potential

Einige Bestseller sind vorprogrammiert. Auch hier erwarte ich zumindest in Deutschland einen großen Verkaufserfolg, da die Mischung aus Bekanntheit von Flix, Liebe zur Figur des Marsupilami und Nostalgie-Faktor mit Franquin-Reminiszenzen stimmt. Wegen seiner Vielschichtigkeit hat das Humboldt-Tier aber sogar das Potential, zu einem künftigen Klassiker zu werden. Flix ergeht sich nicht in Romantik, sondern erzählt eine moderne, stimmige und lebendige Geschichte, die unter vielen verschiedenen Aspekten genossen werden kann. Nicht, dass das immer erforderlich wäre, etwas kann auch auf einem kleinen Gebiet große Klasse haben.

Hier aber wird es etwas geboten, an dem Großeltern, Eltern und Kinder gemeinsam Spaß haben können und jede*r eigene Aspekte mag. Wann gibt es so etwas schon mal? Insofern ein klarer Tipp! Und für diejenigen, die auch etwas für die Sammlung haben wollen: Im Oktober erscheint eine Luxusausgabe mit Bonusteil und signierter Grafik!

Dazu passen eine familiengerechte Limonade sowie Lily Allen mit “LDN”!

© der Abbildungen DUPUIS 2021 / Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022; Marsupilami trademark of and © Dargaud-Lombard

Rivière /Wurm – Edgar P. Jacobs

Träume und Apokalypsen

Story: François Rivière
Zeichnungen: 
Philippe Wurm
Originaltitel: 
Edgar P. Jacobs: Le Rêveur d´apocalypses

Carlsen Comics

Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-551-71755-9

Cover Riviere/Wurm - Edgar P. Jacobs

Biopics werden häufig als Beschreibung von filmischen Annäherungen an ein Leben benutzt. Tatsächlich trifft die Kategorie aber auch auf Comics zu. Ein Leben in Bildern einzufangen ist nicht leicht, allzu oft gibt es entweder eine Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten, eine Fokussierung auf Teile oder schlimmstenfalls sogar eine völlig falsche Inszenierung zum Guten oder Bösen. Mit Edgar P. Jacobs steht ein Mitarbeiter Hergés im Mittelpunkt, der es geschafft hat, sich aus diesem Schatten zu befreien: seine Serie Blake und Mortimer wird auch nach seinem Tod fortgesetzt und erfreut sich großer Beliebtheit, zuletzt mit Band 25.

Edgar P. Jacobs - Träume page 7

Vom Bariton zum Comiczeichner

Es gibt immer wieder Karrieren, die auf den ersten Blick unwahrscheinlich klingen. Oftmals liegen ihnen multiple Begabungen zu Grunde. Auch Edgar P. Jacobs ist so ein Multitalent. Anfangs ist der junge Mann ein begeisterter Fan von antiken Skulpturen und widmet sich der Zeichnerei. Sein Traum aber ist es, Opernsänger zu werden, und für ein Engagement zieht der Belgier sogar mitsamt Frau nach Lille um. Die Ehe steht aber unter keinem glücklichen Stern und ein von den Deutschen verhängtes Beschäftigungsverbot für Ausländer zwingt zur Rückkehr nach Belgien.

Dort lernt der junge Künstler Hergé kennen und wird schnell sein Assistent. Obwohl Jacobs nicht nur bei der Überführung der alten Abenteuer in albengeeignetes Material hilft, sondern auch an neuen Abenteuern von Tim und Struppi beteiligt ist, weigert sich der Star, den „Zuträger“ namentlich zu erwähnen. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass der immer noch relativ junge Mann überlegt, seine eigenen Geschichten zu entwerfen und zu zeichnen. Nach den Zweiten Weltkrieg währte die Freude über dessen Ende nur kurz und wurde schnell von dem Kalten Krieg und der Furcht vor einer noch schlimmeren neuen Auseinandersetzung abgelöst. Die Grundstimmung für eine Serie war damit gefunden.

Edgar P. Jacobs - Träume page 8

François Rivière beschreibt im Weiteren den Prozess des Künstlers, sich von seinem Meister abzunabeln, Plots zu entwickeln und sich mit seiner neuen Liebe auf Dokumentationsreisen zu begeben. Zwar ist Jacobs schnell sehr erfolgreich, sein Arbeitstempo und seine akribischen Vorbereitungen bringen aber Leser*innen wie Verleger an den Rand der Verzweiflung. Schön gelöst sind die Momente, in denen der Künstler das direkte Feedback mitbekommt.

Die Geschichte erwähnt viele Details nur am Rande und es bleibt oft den Leser*innen überlassen, die Hinweise mit ihrem Wissen über die Serie zu verstehen. Für Fans also ein echter Genuss. Für alle anderen aber nicht tragisch. Auch wenn viele Details möglicherweise gar nicht entdeckt werden, ist die Geschichte doch auch ohne sie schon spannend und definitiv verständlich. Wer mehr wissen will, sollte einen Blick in die Reddition zu Blake und Mortimer werfen.

Zeichnungen als Hommage

Edgar P. Jacobs - Träume page 9

Seine Zeichnungen hat Philippe Wurm dem Stil von Jacobs nachempfunden. Zwar sind sie nicht so textlastig wie die des Porträtierten, Linienführung und Dekors atmen aber die Verehrung. Dabei nimmt er Zitate aus dem Werk von Hergé als auch von Jacobs auf und zeigt etwa Ausschnitte aus Zeichenblättern oder als Grundlage dienende Motive. Seine klare Linie hätte auf jeden Fall genügt, um Eingang in das Tintin-Magazin gefunden zu haben.

Ansonsten entbehren Geschichten dieser Art natürlich etwas der Action. Ein fahrender Zug, ein Komet sind schon seltene Beispiele für Rasanz. Und auch die Figuren sind selten in Zuständen höchster emotionaler Erregung abgebildet. Auch das kommt natürlich vor, die Schwierigkeit aber liegt darin, den Alltag zu porträtieren. Und das hat Wurm meines Erachtens gut hinbekommen. Die Entwicklung ist nachvollziehbar, die Figuren glaubwürdig und die Posen natürlich.

Ein Stück Comic-Geschichte

Mir macht es Spaß, Werke über Comics zu lesen. Warum hat sich jemand Geschichten ausgedacht, welche persönlichen Erfahrungen sind dabei eingeflossen? Je nach Fähigkeit der Autor*innen kann das eine sehr kurzweilige oder aber auch staubtrockene Angelegenheit werden. Biopics vereinen die Vorzüge der grafischen Literatur mit der Befriedigung des Informationsbedürfnisses und stellen daher eine fast natürliche Symbiose dar. Zumal es dann auch noch ein wenig O-Ton sowie eine Zeittafel und eine Liste der Hauptpersonen gibt.

Edgar P. Jacobs - Träume page 10

Insofern ist diese Graphic Novel natürlich fast schon ein Must Have für alle Fans der Serie Blake und Mortimer, aber auch eine sehr zu empfehlende, kurzweilige Reise in die Anfänge des Tintin-Magazins, und die Transformation der Serie von Zeitschriftenseiten in moderne Alben. Dazu gibt es viele Einblicke in die Arbeitsweise von Edgar P. Jacobs hinsichtlich Motive, Umsetzung und Einfluss auf das tägliche Leben.

Dazu passen ein Macallan sowie Orchestral Manoeuvres In The Dark mit “Talking Loud And Clear”!

© der Abbildungen Glenat 2021 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Kresse  – Die Ahnen der Mescaleros 1

Gesamtausgabe – Band 1: Das Böse

Story: Hans G. Kresse

Zeichnungen: Hans G. Kresse

Carlsen Comics

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 32,00 €
ISBN: 
978-3-551-78173-4

Cover Kresse - Die Ahnen der Mescaleros 1

Hans G. Kresse ist einer der bekanntesten niederländischen Comic-Zeichner und Texter. Während seine große Vorliebe und Leidenschaft den indigenen nordamerikanischen Völkern galt, ist seine wohl bekannteste Serie aus einem anderen Sujet: Erik, der Normanne. Nun erscheint sein opus major in einer dreibändigen Gesamtausgabe (wieder) in Deutschland. Die einzelnen Bände wurden in den 70-ern im YPS vorveröffentlicht und später bei Carlsen als Album publiziert. Man hat sich dabei nun entschieden, als Titel anstelle von Die Indianer-Reihe den moderneren Claim Die Ahnen der Mescaleros zu wählen.

Das multiple Böse

Der Titel der Gesamtausgabe ist durchaus doppeldeutig: Kresse erzählt das Leben der verschiedenen Stämme in den Plains und beschreibt mehrere Friktionen. Einerseits gibt es traditionelle Feindschaften zwischen den Stämmen aufgrund unterschiedlicher Konzepte (sesshafte Landwirtschaft vs. nomadische Jagdgesellschaft), aber auch „böse“ Stämme, die andere unterjochen wollen. Zusätzlich spielt die Rivalität zwischen zwei Häuptlingssöhnen eine große Rolle: Während der Ältere sehr traditionell ist, hat der Jüngere sehr eigene Vorstellungen von der Zukunft. Und dann sind da noch die Spanier, Die Herren des Donners.

Der gleichnamige erste Band führt in die Geschichte ein, beschreibt die künftigen Hauptpersonen und bereitet das Setting. Kresse ist dabei nicht zimperlich und die Vernichtung eines ganzen Stammes wird als übliches Szenario beschrieben. Sehr geschickt führt er das Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne aus. Natürlich sind die Spanier Invasoren, die nur eigene Interessen im Blick haben. Ihre Wundertiere, die bis dahin in Amerika unbekannten Pferde, könnten aber durchaus von Nutzen sein.

Detail aus Kresse Ahnen der Mescaleros 1
Illustration von Kresse

Die Erben des Windes und noch stärker Die Gefährten des Bösen führen diese Stränge fort. Kresse kombiniert persönliches Drama innerhalb der Stämme mit Geschichten von einzelnen Weißen oder Mischlingen, die eigene, differenzierte Rollen zugewiesen bekommen. Durch die sorgfältige Komposition haben diese Teile eigenständigen Reiz und tragen die Handlung voran. Nicht immer selbstverständlich! Es gibt allerdings auch den Vorwurf, dass Kresse sich mit seinem Plan, eine 20-bändige Chronik der indigenen Völker Nordamerikas vom ersten Kontakt mit den spanischen Eroberern bis zu ihrem Untergang zu verfassen, übernommen habe. Da letztlich nur 10 Teile erschienen sind, ist es müßig, darüber zu spekulieren und viel besser, die Reihe zu genießen.

Naturalistische Zeichnungen

Anfang der 70-er Jahre war es noch nicht ganz unüblich, Zeitungsstrips zu verfassen. Kresse selbst hatte jahrelang seinen Erik für die Zeitungen verfasst und auch sein Stil für die Indianerreihe ist noch davon geprägt. Obwohl die Zeichnungen sehr sorgfältig koloriert worden sind, könnten sie auch ohne diesen Schritt bestehen. Es wäre sogar sehr spannend, diese im Original mit denen von Serpieri (aktuell bei schreiber & leser) oder Jijé (Jerry Spring bei Egmont) zu vergleichen.

Ansonsten legt Kresse viel Wert auf den Hintergrund, geht dabei aber nicht so sehr in die Totale wie beispielsweise Giraud. Obwohl es Überspannungen gibt, bleibt das Layout sehr traditionell mit meistens vier, selten auch nur drei Reihen. Die Gesichter sind stark konturiert und tragen viele Emotionen und Körperbau sowie -haltung sind anatomisch korrekt. Auch bezüglich der Kleidung und der Lebensweise kann davon ausgegangen werden, dass Kresse so detailgetreu wie nur irgend möglich gearbeitet hat.

Beispiel Kresse - Maho-Tonga
eine Vorläufer-Serie

Ein Klassiker für die (Western-) Sammlung

Für Fans des Western-Comics sicherlich ein Muss. Im Yps belegte diese Serie den Westernplatz in den ersten Ausgaben, bis sie von Buddy Longway abgelöst wurde. Beide Serien gehören sicherlich ohne Zweifel zu den Must Haves in diesem Bereich, gerade weil sie nicht dem damals üblichen TV/Kino-Blickwinkel folgen. Die First Nations werden hier als Kulturnationen vorgestellt, die letztendlich keine Chance gegen die Eindringlinge hatten.

Ergänzt wird der Band durch zwei inhaltliche Teile. Zunächst stellt Rob van Eijck den Künstler vor, seinen Werdegang und die Leidenschaft für die nordamerikanischen Indigenen. Martin Jurgeit beleuchtet anschließend die Rezeption in Deutschland. Auch wenn (oder weil?) die Zeichnungen nicht dem aktuellen Modetrend entsprechen und weder Computerkolorierung noch Manga-Anleihen aufweisen, eine klare Empfehlung für Leser*innen auch jenseits der Westernfans mit einem Faible für gut erzählte Geschichten über mehrere Bände hinweg.

Dazu passen ein Mezcal sowie Dropkick Murphys mit „Two 6’s upside down“!

© der Abbildungen Erven Hans G. Kresse/Arboris BV 2018 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Krapp/Verne  – 20.000 Meilen unter dem Meer

Story: Thilo Krapp nach Jules Verne

Zeichnungen: Thilo Krapp

Originalausgabe

Carlsen Comics

Cover 20.000 Meilen unter dem Meer

Klassische Science-Fiction begeistert augenscheinlich auch Thilo Krapp, den in Berlin lebenden Autor und Zeichner unter anderem von dem Krieg der Welten. Diejenigen, die der Generation Zack angehören, werden sich wahrscheinlich noch an die weiß-gelben Einbände der 20-bändigen Jules Verne-Ausgabe im Fischer Taschenbuch Verlag erinnern. Besonders beeindruckend fand ich die Illustrationen, die den Charme des schon vor 50 Jahren etwas Veralteten und doch Visionären gut wiedergegeben haben.

Innencover 20.000 Meilen unter dem Meer

Flucht und Hass

Krapp hält sich in seiner Adaption stark an die literarische Vorgabe und so beginnt die graphische Umsetzung mit einem Trauma aus Kinderaugensicht. Ein indischer Jugendlicher muss mit ansehen, wie das Haus seiner Eltern gestürmt wird. Die Erwachsenen werden getötet, der Sohn kann gerade noch ein Familienporträt greifen und fliehen.

Einen Zeitsprung später werden immer wieder Schiffe auf hoher See Opfer eines unbekannten Phänomens, das schnell als „Seeungeheuer“ bezeichnet wird. Professor Arronax soll zusammen mit seinem Diener Conseil bei der Aufklärung dieses Falles helfen und tatsächlich findet eine Begegnung statt. Dieser fällt jedoch das Schiff mit fast der kompletten Besatzung zum Opfer bis auf Arronax, Conseil und den Harpunier Ned Land. Sie lernen die Ursache der Unglücke kennen, das Unterseeboot Nautilus des Kapitän Nemo!

Detail Krapp/Verne 20.000 3

In einer Reise über 20.000 Meilen unter dem Meer lernen die Drei die wissenschaftlichen Entdeckungen von Nemo kennen, die Leistungsfähigkeit der Nautilus aber auch den Hass des Kapitäns auf alles andere auf der Welt. Und immer wieder versuchen sie zu fliehen …

Jugendstilanleihen und Aquarell

Die Geschichte von Jules Verne ist schon so oft graphisch aufbereitet bzw. verfilmt worden, dass es schwierig ist, noch eigene Akzente zu setzen. Krapp erklärt daher zunächst, wie wichtig es ist, das Haupterkennungsmerkmal einer Umsetzung, die Nautilus, zu designen und zeigt seine Vorstellung in mehreren Ansichten. Zudem nutzt er bei der Innenausstattung viele dem Jugendstil entlehnte Elemente und verbindet damit in der Darstellung Nostalgie und Technische Innovation.

Detail Krapp/Verne 20.000 2

Seine Seiten sind sehr abwechslungsreich aufgebaut. Neben dem klassischen Reihen mit Panel-Aufbau gibt es splash-pages, Überlappungen und Schrägen. Die vielen Seiten werden daher nicht langweilig, auch wenn die Geschichte an sich natürlich bekannt ist. Als Extra gibt es auch noch einen kleinen Teil mit Skizzen der die Entwicklung des Interieurs und der Figuren nachvollziehbar macht.

Klassiker in modernem Gewand

Ein Vorteil der oben bereits angesprochenen Fischer-Ausgabe war die Kürzung der Originale um nicht mehr zeitgemäße Passagen. Es gibt klassische Literatur, die auch im Original heute noch super zu lesen ist. Oft hat sich aber der Stil und die Art der Kommunikation so stark geändert, dass eine genussvolle Rezeption besser mit einer bearbeiteten Version funktioniert. Das Gleiche trifft auch hier zu: Krapp ist sehr nah am Original, reduziert aber auf eine sehr spannend zu lesende (und mit dem Auge zu genießende) Strecke!

Detail Krapp/Verne 20.000 1

Für Freund*innen der klassischen Science-Fiction eine sehr gelungene Adaption. Wegen der leichten Modernisierung und Übernahme der heutigen Trigger (wie zum Beispiel Jugendstil-Technik) ist das Ganze aber auch für jüngere, Netflix-gewohnte Leser*innen gut geeignet! Und nicht zuletzt ist die Frage natürlich immer noch aktuell, zu was Leid berechtigt!

Dazu passen ein Citronella-gehopftes IPA sowie Drive by Cinema mit „Summer Sonnet“!

© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022, Thilo Krapp

Will Eisner  – Das Komplott

Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion

Story: Will Eisner mit einer Einführung von Umberto Eco

Zeichnungen: Will Eisner

Originaltitel: The Plot: The Secret Story of The Protocols of the Elders of Zion

Carlsen Comics
Softcover | 152 Seiten | s/w | 15,00 €
ISBN: 
978-3-551-72696-4

Cover Eisner - Das Komplott

Will Eisner gilt als der Vater der Graphic Novel. Seinen ersten Mega-Erfolg hatte er mit der wöchentlichen Beilage THE SPIRIT, einem kompletten Comic-Supplement, das von vielen Zeitungen lizenziert war. Schon hier hatte er Grenzen des Mediums neu gesetzt. Nach einer jahrelangen Pause hatte er dann erneut Neuland betreten: der amerikanische Markt war von Heftchen dominiert, Eisner dagegen wollte Geschichten erzählen. Die Graphic Novel war geboren. Mehr dazu in dem lesenswerten Band von Alexander Braun. Das Komplott ist das letzte abgeschlossene Werk des Meisters und war ihm eine Herzensangelegenheit.

Wie kämpft man gegen Verleumdung?

Antisemitismus ist zwar leider immer noch ein aktuelles Problem, hat aber eine lange Geschichte. Es gibt und gab viele Ursachen für diese Geisteshaltung: Neid, übersteigerter Nationalismus, Raffgier aber auch das Bedürfnis, einen Sündenbock nutzen zu können. Eines der perfidesten Mittel zur angeblichen Begründung dieses Hasses auf Menschen mit jüdischen Vorfahren sind die angeblichen Protokolle der Weisen von Zion. Man weiß seit mehr als 100 Jahren, dass dieses Machwerk eine plumpe Fälschung ist und genauso lange wird es immer wieder veröffentlicht, benutzt und – vor allem – geglaubt.

detail out of Eisner - Das Komplott 3

Will Eisner hatte die Hoffnung, dass wenn er mit seiner Reputation eine Graphic Novel über das Thema schreiben würde, mehr Menschen damit erreicht werden könnten, als mit noch einem wissenschaftlichen Artikel. Er hat alle seine Kunstfertigkeit aufgeboten, das Thema darzustellen. Er fängt dabei mit der Vorgeschichte an: Während der Herrschaft Napoleon III. war eine direkte Kritik an ihm nicht möglich. Maurice Joly verfasste daher 1864 „die Gespräche in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montesquieu“ um verklausuliert die Diktatur an den Pranger zu stellen. Dieses Werk wurde später ziemlich dreist kopiert mit den sogenannten Weisen von Zion in der Rolle der Bösen.

Es sollte 1898 zunächst dazu dienen, den Zaren Nikolaus II. davon abzubringen, zu liberale Ideen zu unterstützen, diente nach der russischen Revolution dann den konterrevolutionären „weißen“ Truppen in der Propaganda gegen die sog. „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“ und Hitler als Quelle bei der Verfassung von „Mein Kampf“. Unzählige politische Strömungen haben seitdem und immer noch die „Protokolle“ neu veröffentlicht.

Eisner, amerikanischer Jude mit österreichischen Wurzeln, beschreibt aber auch den Kampf um die Wahrheit. Spätestens 1920 war nach einem Artikel in der Times klar, dass die Protokolle eine Fälschung waren. Das Original war bekannt, der Name des Fälschers und seine Auftraggeber. Auch in der Graphic Novel werden die Originaltexte und die Kopien gegenübergestellt, um den Leserinnen zu erlauben, die Behauptungen nachzuvollziehen. Leider haben aber Hass und eigene Überhöhung eine sehr große Widerstandsfähigkeit gegenüber der Wahrheit.

detail out of Eisner - Das Komplott 2

Informationsvermittlung anhand von Zeichnungen

Das Komplott ist schon fast ein „Sachcomic“. Es geht darum, Wissen zu vermitteln, Quellen nachvollziehbar auszulegen und Lügen als solche kenntlich zu machen. Das ist intellektuell schon eine Herausforderung, wird hier aber noch verschärft durch die Notwendigkeit, alles grafisch darzustellen. Eisner gelingt es, seine Figuren „leben“ zu lassen. Ihre Emotionen sind deutlich und Theorie wird dadurch erlebbarer.

Natürlich muss auch viel Information dargestellt werden: viele Zeitschriftenartikel sind wiedergegeben und die Gegenüberstellungen der Originaltete mit den Kopien nehmen viele Seiten in Anspruch. Selbst hier schafft es der Künstler aber, die Information spannend und passend einzurahmen und Leser*innen bei der Stange zu halten. 2005 war dieses Buch erstmals auf Deutsch erschienen, jetzt liegt es endlich wieder vor, zudem als preiswertes Paperback!

detail out of Eisner - Das Komplott 1

Gegen Fake News hilft nur Bildung

Eine kurze Recherche führt zu Tage, dass auch heute die sog. Protokolle leicht bestellbar sind. Umso wichtiger ist es daher, der Hasspropaganda etwas entgegenzusetzen. Für mich gehört diese Graphic Novel von Will Eisner in den Pflichtkanon jede*s Comicleser*in: Nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch als Beispiel, wie man Informationsvermittlung und Kunst kombinieren kann.

Das Komplott eignet sich in dieser Ausgabe aber auch als Schullektüre: Der Preis ist angemessen, Taschengeldtauglich und die beigefügten Texte von Umberto Eco und anderen erlauben eine noch bessere Einordnung. Wer sich bei dem Band über Beate und Serge Klarsfeld gefragt hat, wie Nazis eine solch menschenverachtende Ideologie definieren konnten, findet hier einen Teil der Begründung. Must have!

Dazu passen ein starker Kaffee sowie Esther Bejarano & Coincidence mit „Mir lebn ejbig“!

© der Abbildungen 2005 by the Estate of Will Eisner / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Gratis Comic Tag 2022 – Superheld*innen

GCT 2022 zum Zweiten – Comics über Superheld*innen – eine Übersicht

Endlich! Am Samstag, dem 14. Mai findet er wieder statt, der Gratis Comic Tag. Diese Händler machen mit und veranstalten zusätzlich teilweise noch Aktionen! Damit ihr euch bei der Vielzahl der angebotenen Comics ein wenig orientieren könnt, stellt comix-online einige der Titel etwas ausführlicher vor. Dieser zweite Teil beschäftigt sich mit Superheld*innen, Teil 1 stellte Fantasy-Titel vor.

Vehlmann/Yoann – Superpage (Carlsen)

Den Anfang macht ein Held, der vom Alter her mit Supermann vergleichbar ist: Seit 1938 ist Spirou in seiner roten Pagenuniform das Maskottchen des gleichnamigen Wochenmagazins und erlebt seine Abenteuer mittlerweile in mehreren Reihen: Einer fortlaufenden Serie, einer Sammlung von One-Shots von unterschiedlichen Künstler*innen und mehreren lokalen Ablegern. Dazu gibt es auch noch die Jugendabenteuer. Die Superheldenverkleidung als Werbemaßnahme zur Ankurbelung des Absatzes der Umsätze war eigentlich nur als kleine Kurzgeschichte geplant.

Cover GCT 2022 Superpage

Mittlerweile ist das zweite Album mit Stories über Superpage erschienen. Das Heft zum GCT präsentiert eine überraschend erschreckende Begegnung mit dem Batguy und zwei Versuche, die eigene Identität der Presse preiszugeben. Plötzlich sind gleich zwei Superpagen unterwegs. Europäische, zudem frankobelgische Versuche mit Superheld*innen sind nicht einfach und in der Vergangenheit bereits oft gescheitert. Dieser konnte beim Publikum durchaus punkten.

Russel/Benjamin – Batman: Entbehrlich (Panini Comics)

Natürlich darf die Fledermaus auch als Original nicht fehlen! Wie üblich präsentiert Panini gleich eine ansprechende Mischung: Neben einer kompletten Story aus Gotham Nights mit dem Titel Entbehrlich werden zwei Mega-Events angeteasert, die das DC-Universum mal wieder umkrempeln werden: In Fear State – Stadt der Angst geht es darum, ob Gotham sich zum Polizeistaat entwickelt. Infinite Frontier dreht sich um das neue Verhältnis der Realitäten im Multiversum.

Cover GCT 2022 Batman

In den drei Geschichten/Leseproben erlebt Batman zunächst das Ende von Killer Moth, um dann in eine Auseinandersetzung mit Scarecrow und Mr. Saint zu geraten. Schließlich landet noch ein fremder Batman auf Erde 23. Die Justice Incarnation ist aufgerufen, das Rätsel zu lösen. Für alle Fans der Multispektakel!

Diverse – Dr. Strange (Panini Comics)

Marvel lässt sich schon seit längerer Zeit nicht mehr allein auf Comics reduzieren, das MCU (Marvel Cinematic Universum) mit allen offiziellen und inoffiziellen Serien und Filmen spielt mittlerweile eine mindestens ebenbürtige Rolle. So ist es fast schon logisch, dass die Marvel-Portion am diesjährigen GCT den Helden des aktuellen Blockbusters, Dr. Strange, präsentiert.

Cover GCT 2022 Dr. Strange

Das erste Abenteuer von 2016, Der Zauberlehrling, führt uns zurück zu den Anfängen der Ausbildung zum Magier. Dr. Stephen Strange muss lernen, sein altes Leben loszulassen, um Fortschritte machen zu können. Der Kreis wird geschlossen durch das erste Kapitel der Miniserie, die der Tod des Dr. Strange betitelt ist. Dazu kommt dann noch eine Kurzgeschichte aus der Origins-Abteilung: Venom. Für Einsteiger*innen gut geeignet.

Hartnell/Noto – Danger Girl: Viva Las Danger (Dani Books)

Dieser Comic passt nicht lupenrein in die Kategorie Superheld*innen, hat aber neben dem toughe-Girls-erledigen-unmögliche-Aufträge-Szenario eine magische Komponente und passt dadurch wieder ein wenig. Bei einem Danger Girl-Einsatz gelingt es Abbey Chase einen uralten Diamanten in ihren Besitz zu bekommen. Dieser wurde angeblich Prinz Akoo gestohlen und soll nun in Las Vegas zurückübereignet werden. Es scheint aber eine Verbindung zu altägyptischer Magie zu geben und schon stecken alle in großen Schwierigkeiten. Ein kompletter One-Shot für Fans von 3 Engel für Charlie!

Cover GCT 2022 Danger Girl

Dazu empfehle ich Billie Eilish mit „Bad Guy“ und einen Energydrink alter Schule: Orangensaft gemischt mit Grapefruit!

© der Abbildungen 2022 Gratis Comic Tag und den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen

Van Hamme/Berserik, van Dongen  – Blake & Mortimer 25

Der letzte Tigerhai

Story: Jean Van Hamme
Zeichnungen: 
Teun Berserik & Peter van Dongen
Originaltitel: 
Le Dernier Espadon

Carlsen Comics

Softcover | 64 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 
978-3-551-02345-2

Cover Blake & Mortimer 25

Die Abenteuer von Blake und Mortimer sind eine der am längsten noch laufenden Serien aus dem frankobelgischen Raum. Die ersten Seiten aus der Feder und gezeichnet von Edgar P. Jacobs erschienen bereits 1946 im französischsprachigen Magazin Tintin. Über lange Jahre hinweg war die Serie eine der beliebtesten im Wochenheft und darüber hinaus. Nach Jacobs Tod war zunächst Bob de Moor mit der Fortsetzung betraut worden, das jetzt erschienene Album ist von der insgesamt 10. Kombination aus Szenarist und Zeichner*in. Mehr zu den Hintergründen in der Reddition 75.

Der Tigerhai – eine schreckliche Waffe

Die Ursprünge dieser Serie liegen in den gerade überstandenen Schrecken des Zweiten Weltkrieges und dem sich daraus fast unmittelbar entwickelndem Gegensatz von demokratischen und autoritären Staatensystemen. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki hatten gezeigt, wozu die Kriegstechnologie mittlerweile fähig war und nahezu jede*r Überlebende wusste, dass das Schicksal einzelner nichts zählte. Aus dieser Gemengelage heraus war damals die Idee zum „Tigerhai“ entstanden, ein Flugobjekt, dass – mit Atomwaffen bestückt – geeignet war, sich sowohl in sehr großer Höhe als auch unter Wasser fortzubewegen. Bis auf fünf letzte Exemplare waren aber im Laufe der Geschichte alle Exemplare zerstört worden.

Blake & Mortimer 25 page 3

Während des Zweiten Weltkrieges hatte die IRA weiterhin versucht, die Unabhängigkeit des ganzen Irlands von der britischen Herrschaft zu erreichen und dabei unter anderem geplant, zusammen mit den Deutschen den Buckingham Palast zu sprengen. Wir alles wissen, dass dieser Plan scheiterte. Was aber wäre, wenn nach Kriegsende versprengte Nazis und irische Freischärler versuchen sollten, einen zweiten Versuch zu starten. Das ist der Ausgangspunkt für diesen Band und es geht um nichts anderes, als den letzten Tigerhai dafür zu verwenden.

Jean Van Hamme ist einer der besten aktuellen Szenaristen für realistische Comics. Sein Repertoire reicht dabei von Thriller über die Geschichte einer Brauereidynastie bis hin zu einer französischen Adligen, die an ein Bordell in Indien als Sklavin verkauft worden ist. Mit dem Thema Blake und Mortimer ist er seit Jahren vertraut. Daher gelingt es ihm mühelos, einerseits an die Geschehnisse früherer Bände nahtlos anzuknüpfen, als auch Helden und Schurken aus dem Repertoire einzubinden. Fans der Serie werden sich hier unendlich wohl fühlen, aber selbst für Einsteiger*innen bleibt der Band lesbar und verständlich!

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Klare Linie in Reinkultur

Vor allem in den Anfangstagen galt, dass alles in Tintin auch den Vorgaben von Hergé entsprechen musste. Der Belgier hatte sehr klare Vorstellungen von der sogenannten Klaren Linie und Jacobs war einer seiner Musterschüler. Auch Teun Berserik und Peter van Dongen folgen rund 75 Jahre später dieser Vorgabe. Sie müssen aber im Gegensatz zu Jacobs weniger Text in Erklärungskästen in die Panels integrieren. Da auch die beiden schon zwei Bände der Serie für einen anderen Szenaristen gezeichnet haben, sind sie mit dem Zeitdekors, den Figuren und ihren Eigenschaften bereits sehr vertraut.

Und so schauen das britische Understatement aber auch der britische Glaube an sich selbst und das Schicksal nicht nur den beiden Protagonisten beinahe aus jedem Knopfloch und jeder Pfeife. Man mag kaum glauben, dass kein Brite an dieser Produktion beteiligt war. Wer Hochglanz-PiffPuffBäng erwartet, wird hier nicht glücklich werden. Die Geschwindigkeit ist hier (noch) eine andere und obwohl es genügend Tote und Verletzte gibt, ja, sogar gefoltert wird, sind Details der Aktionen nicht zu finden. Insofern ist Blake und Mortimer eine zutiefst konservative Serie.

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Geheimagenten ohne Blockbusterallüren

Auch hier geht es unter anderem um den Einsatz von Doppelnull-Agenten, um die Rettung einer Vielzahl von Menschen (und – of course – um die Rettung der Königsfamilie). Alles ist eingebettet in das Netzwerk einer Serie, in der die einzelnen Bände nicht einer Chronologie folgen, sondern hin- und herspringen. Dementsprechend sind die Aktionen der Helden fast so wichtig wie ihre Motivationen und alles hat Auswirkungen in alle zeitlichen Dimensionen. Wer mehr über die Originalserie erfahren möchte, sei auf die aktuell erscheinende B&M-Bibliothek verwiesen, die jeweils einen ausführlichen redaktionellen Teil enthält.

Für alle, die klassische britische Krimiserien, Verschwörungen und Geheimagent*innen mögen und sich nicht daran stören, dass die politischen Hintergründe wie etwa auch bei „Indiana Jones“ auf der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg basieren. „Die Deutschen“ in Form von übriggebliebenen Nazis taugen noch als Feindbilder und es gibt hier Kategorien wie Gut und Böse. In der modernen Welt mag das aktuell eine gute Form der Fluchtlektüre sein. Aber: obwohl der Comic „Überlänge“ hat, das Blockbuster-Spektakel von 1000 Tonnen Pyrotechnik ist hier nicht von Nöten!

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Dazu passen ein Tee und ein Highland-Whisky sowie Madness mit „Lovestruck“!

© der Abbildungen 2021 Éditions Blake & Mortimer / Studio Jacobs (Dargaud-Lombard S.A.) / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Daniel  – Das Gutachten

Ein Blick auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft

Story: Jennifer Daniel

Zeichnungen: Jennifer Daniel

Originalausgabe

Carlsen Comics
Hardcover | 208 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 
978-3-551-78170-3

Cover Jennifer Daniel - Das Gutachten

Ende der Siebziger Jahre in Deutschland. Während ein Teil der sogenannten 68-er sich mehr und mehr auf die Gefangenen-Frage fokussiert und Themen wie Sexismus, Machtstrukturen und den Alltag immer mehr aus den Augen verliert, feiert die konservativ-patriarchalische Gesellschaft fröhlich Rückeroberungserfolge in Vorbereitung der geistig-moralischen Wende. In diese Zeit, die später teilweise die „bleierne“ genannt werden wird, fällt die hier erzählte Geschichte.

Ein Rädchen wacht auf

Herr Martin ist der Protagonist dieser Erzählung. Er ist ein typischer Angestellter, der immer vorbildlich arbeitet, immer zu Sonderaufgaben bereit ist, der „Obrigkeit“ nichts abschlagen kann und ziemlich klare Vorstellungen davon hat, was „nicht“ sein sollte. Dazu zählen etwa die langen Haare seines Sohnes und seine Überlegungen, den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Er folgt einem ganz klassischen Muster und funktioniert.

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Irgendwann aber kommt für jede*n der Punkt, an dem eine Entscheidung gefragt ist. Schon sich selbst die Frage zu stellen, ob der Alltagstrott hier immer noch richtig ist, nur weil er von allen so hingenommen wird, ist der erste Schritt. Für Herrn Martin ist die ausschlaggebende Situation ein Autounfall, bei dem eine junge Frau und ihr dreijähriger Sohn getötet werden. Im Endeffekt wird es das Gutachten geben in dem versucht wird, das Geschehen zu verstehen.

Dazu bringt Jennifer Daniel noch weitere Handlungsstränge unter: Versuche der Antiimperialisten, die RAF zu unterstützen, Alkoholmissbrauch und seine Folgen im Straßenverkehr, den Krieg und die dadurch ausgelösten Traumata, und die Probleme alleinerziehender Mütter. Alle diese Themen werden sehr stimmig integriert und sorgen daher für eine aus heutiger Sicht sehr beklemmende Atmosphäre.

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Auf das Wesentliche reduzierte Malerei

Die einzelnen Panels haben teilweise einen sehr hohen Weißraum-Anteil. Hintergründe verwendet Jennifer Daniel wirklich nur dann, wenn sie das Geschehnis voranbringen. Ihre Figuren sind nicht bis ins Feinste mit Wasserfarben ausgearbeitet, sondern auf die Kernpunkte konzentriert: markige Linien im Gesicht, Betonfrisuren und steife Klamotten. Besonders auffällig sind die oft aus langen Rechtecken bestehenden, wie aufgeklebt wirkenden Nasen.

Die Künstlerin verschwendet keine Zeit drauf, eine Szene „schön“ zu gestalten. Ihr kommt es darauf an, den Gesamteindruck zu erzeugen, der heutige Leser*innen daran erinnert, wie es früher war. Keine Diskussionen gegenüber Autoritäten als Standard aber auch die einfache Abgrenzung (etwa durch lange Haare oder den fehlenden Schlips) in einer Gesellschaft, die weder hier noch dort auf neue Ideen gesetzt hat.

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Eine mutmachende Geschichte

Im Endeffekt ist Herr Martin ein Verwandter von so vielen Menschen, die irgendwann ihre Eigenschaft als Rädchen erkennen und mehr oder weniger erfolgreich auszubrechen versuchen. Und jede einzelne davon beweist, dass es geht! Wer etwa 1984 gut fand, sollte hier reinschauen.

Hinzu kommen der sehr spannende, krimiartige Aufbau der Graphic Novel und das durchgezogene stimmige Konzept: ein echtes Highlight des Frühjahrprogramms! Die im Hardcover präsentierte Geschichte beweist die auch in Deutschland zu findende hohe Qualität einzelner und verdient Aufmerksamkeit!

Dazu passen ein kleines Pils mit Korn und Dropkick Murphys mit „We Shall Overcome!“!

© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Legendre/Cambré  – Spirou und Fantasio Spezial 35

Happy Family

Story: Marc Legendre

Zeichnungen: Charel Cambré

Originaltitel: Robbedoes: Happy Family

Carlsen Comics
Softcover |48 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 
978-3-551-78046-1

Cover Spirou und Fantasio Spezial 35

Das französischsprachige Magazin Spirou erscheint mit sehr geringen Ausnahmen Woche für Woche seit 1938. Früher enthielten die Ausgaben immer auch eine Geschichte mit dem Hauspagen Spirou. Dieser Standard wurde allerdings schon zu den Zeiten des großartigen André Franquin aufgegeben. Mittlerweile erscheinen von dem Pagen nur noch Sub-Reihen. Immerhin ist es dadurch möglich geworden, dass Künstler*innen anderer Länder die Möglichkeit bekamen, ihre Interpretation zu erstellen und (zunächst) nur in ihrem eigenen Land zu testen. So sind wir etwa zu Spirou in Berlin von Flix gekommen. Auch im flämischen Teil von Belgien und den Niederlanden gab es eine dreibändige Eigenkreation, die jetzt den Weg zu uns gefunden hat.

Eine Fahrt mit Hindernissen

Spirou und Fantasio müssen bei einem Besuch in Rummelsdorf erleben, dass zwielichtige Gestalten dabei sind, dem Grafen eine neue Erfindung stehlen zu wollen. Die Erfindung besteht aus einem Ei-großen Supercomputer der selbstverständlich in falschen Händen eine schreckliche Gefahr darstellen würde. Sie soll in Kürze auf einem Kongress vorgestellt werden, doch angesichts der Spione scheint es fraglich, ob der Graf sie sicher transportieren könnte.

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Fantasio hat auf dem Rummel gerade eine lebensecht wirkende Puppe gewonnen. Stracks wird dem scheinbaren kleinen Mädchen die KI eingesetzt und ein Plan ausgeheckt: Fantasio soll die Mutter spielen, Spirou den Vater um als Happy Family nicht aufzufallen. Der Graf selber stellt sich als Ablenkung zur Verfügung.

Auf der Fahrt gelangen die Helden von einen Slapsticksituation in die nächste Katastrophe. Ein genretypisch etwas unfähiger Gangster und ein Bus mit arabischen Touristen spielen dabei die weiteren Hauptrollen. Marc Legendre brennt ein wahres Feuerwerk an witzigen Ideen ab und spielt dabei mit allen möglichen Klischees. Dabei tauchen immer wieder Reminiszenzen an die klassische Zeit des frankobelgischen Comics auf!

Ein echter Funny

Charel Cambré setzt das Ganze in eigenem, gleichzeitig aber an die großen Zeiten der Serie erinnernden Stil um. Er hat immer gerade genug moderne Einstellungen (etwa beim sich über die Kleidung aufregenden Fantasio) um als eigenständig wahrgenommen zu werden, lässt aber doch mit jedem Panel die Zugehörigkeit zur Familie der regulären Abenteuer erkennen. Und so könnte dieses Team seine Geschichte – wie auch die beiden noch folgenden Teile – genauso gut als reguläres Team der Serie gestaltet haben.

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Anders als bei der für Erwachsene geschriebenen und gezeichneten Version von Suske en Wiske – Amoras (auf Deutsch im ZACK) – gibt es hier keine Einschränkungen bezüglich des Alters. Man merkt den beiden an, wieviel Spaß ihnen diese Möglichkeit gemacht hat. Sie hatten aber ihre Gründe um nach dem dritten Band aufzuhören.

Ein Muss für Fans

Fans der Serie können, ja müssen vielleicht sogar zugreifen! Waren die „richtigen“ Abenteuer für viele Fans teilweise zu ernst geworden und hatten damit den Geist der Reihe angeblich nicht mehr getroffen, findet sich hier ein rasantes, spannendes Abenteuer, das Gesellschaftskritik, Technik und Humor verbindet und sich vor allem nicht so ernst nimmt! Die ganz alten werden sich vielleicht ein wenig an eine Mischung aus Billy Wilder und Jerry Lewis erinnert fühlen.

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Schön, dass diese Robbedoes-Erzählung nun den Weg nach Deutschland gefunden hat. Keinesfalls möchte ich die One-Shots herabsetzen! Viele von ihnen bieten einen ganz eigenen und besonderen Blick auf die Figuren und bereichern dadurch das Spirou-Universum. Verzweifelte Versuche, den Zeitgeist zu erwischen und Superhelden-Leser*innen zu gewinnen, haben aber schon bei Uderzo nicht wirklich funktioniert.

Dazu passen ein leicht gekühlter Pinot Grigio und The Cardigans!

© der Abbildungen Dupuis 2017 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

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