Lucky Luke, der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten, wird 75 Jahre alt. Niemand hätte damit anfangs gerechnet und – seien wir ehrlich – ohne eine ständige Weiterentwicklung der Helden und des Zeichenstils wäre es auch nicht geworden. Aber: Man muss dem Glück auch eine Chance geben. Gerade der letzte Band des Gespanns Achdé und Jul hat bewiesen, dass die Serie niemals aktueller und besser war! Mehr dazu auf der Seite des deutschen Verlages www.egmont.de.
Anfangs war der Cowboy noch stark vom Trickfilm geprägt und hatte daher auch nur vier Finger. Zwei sehr frühe Western von Gestern kommen im März erstmals als Album auf den Markt. Die damaligen Stories von Morris waren eher Slapstick-geprägt, doch dann kam es zur fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Morris und Goscinny und aus einem lustigen Western wurde der wohl bekannteste europäische Western. Als Lucky Luke sich dann auch noch 1983 das Rauchen abgewöhnte, wurde er sogar noch familienkompatibler.
Natürlich hat auch der Held mit gelbem Hemd und schwarzer Weste längst die Grenzen der Buchdeckel verlassen und ist nicht nur zum Star von animierten Filmen und TV-Serien geworden; auch echte Schauspieler haben versucht, den Charme der Serie darzustellen. Morris selbst hatte darüber hinaus schon ein spin-off mit Rantanplan, dem treuen, aber etwas unterbelichteten Hund gestartet. Achdé, der Anfang dieses Jahrtausends den Zeichenstift übernommen hatte, steuerte dann Geschichten um Kid Lucky und seine Freund*innen bei.
Der andere Blickwinkel
Im Laufe der Zeit gab es immer wieder offizielle und unerlaubte Parodien, Gastauftritte und Plagiate; die bekannteste war sicherlich Rocky Luke. Was lag also näher als auch bei dieser Serie offiziell Gastautoren um ihre Interpretationen zu bitten. Matthieu Bonhomme machte den Anfang, andere folgten. Das aktuelle Jubiläumsprogramm kündigt zwei weitere Bände aus dieser Reihe an: Matthieu Bonhomme darf mit Wanted bereits sein zweites Abenteuer vorlegen, in dem ein Kopfgeld auf den Helden ausgesetzt ist.
Einen ganz anderen Zugang hat sich Ralf König gesucht. Letztes Jahr hatte er im Interview mit comix-online bereits angedeutet, dass er gerade Lucky Luke entdeckt, nun ist es offiziell: Zarter Schmelz kommt im Sommer.
Als wäre das noch nicht genug: Es erscheinen auch die ersten beiden Bände der neuen Gesamtausgabe, die Eroberung des Westens bietet alles über den Cowboy und seine Künstler und das Lexikon enthält unzählige Antworten auf immer wieder gestellt Fragen. War das? Nein, es ist auch noch ein Kochbuch geplant, um zu beweisen, dass es mehr gab als Bohnen mit Speck!
1948, also in dem Entstehungsjahr von George Orwells Dystopie „1984“, lagen noch fast vier Jahrzehnte zwischen Gegenwart und Zukunft. Heute ist das seit fast vier Jahrzehnten Vergangenheit.
1984 – Synonym für die totale Überwachung
Und obwohl nicht alle Projektionen der Zukunftsvision Realität geworden sind waren wir technologisch gesehen noch nie so nah dran am gläsernen Menschen. Bis auf wenige Ausnahmen am Rand der Gesellschaft sind wir Bewohner*innen der „Ersten Welt“ aufgrund von Handy-Bewegungsdaten, Internet-Nutzungsprofilen, freiwillig bei Amazon, in der Spiele-App oder dem Einkaufsbonusprogramm abgegebenen persönlichen Metadaten und fleißig auf allen social-media-Kanälen geteilten privaten Inhalten so bekannt wie nie. Kein Überwachungsstaat hätte sich diese Informationsfülle ausdenken können, die heute zur Verfügung steht.
Zurück zu der literarischen Vorlage: 1984 beschreibt anhand des Angestellten Winston Smith die schleichende Entfremdung des Einzelnen mit dem kollektiven Staat. Er hinterfragt den Sinn seiner Arbeit, die aus dem Anpassen der dokumentierten Vergangenheit aufgrund tagesaktueller Entscheidungen besteht. Winston erkennt, dass eine Widerstandsbewegung existiert und vor allem ist er dabei, sich in Julia zu verlieben. Intimität und Sex sind als Keimzellen von Individualität und gemeinsamen eigenen Interessen strengstens verboten.
Aufgrund von menschlichen Spitzeln und Denunziation aber auch durch technische Überwachung des gesamten öffentlichen und privaten Raumes ist Widerstand über eine längere Zeit unmöglich und wird strengstens bestraft.
Jean-Christophe Derrien ist bisher eher als Autor von Trickfilmumsetzungen verschiedener Comic-Klassiker bekannt geworden: Spirou, Blake und Mortimer oder Bob Morane wurden von ihm aufbereitet. Hier kann er eindrucksvoll beweisen, dass ihm eine Aufarbeitung eines fremden Stoffes auch für einen statischen, also gedruckten Comic gelingt! Er klebt nicht sklavisch am Original, sondern wählt aus und variiert dadurch das Tempo für das gewählte Medium. Viel Text wird dabei in Bildsprache umgesetzt und muss von uns Leser*innen aufgenommen werden: die drückende Stimmung, die durch die überall platzierten Kriegsplakate geschürte Angst, die Uniformität der Gesellschaft.
Schwarz-weiß, farbig, und wieder zurück
Die Geschichte beginnt mit schwarz-weißen Zeichnungen, teilweise auf schwarzem Seitenhintergrund. Rémi Torrregrossa legt Wert auf kleine Details im Hintergrund oder in den Gesichtern seiner Protagonist*innen. Obwohl alles einförmig gemacht wird, gibt es noch Individualität, sie äußert sich aber nicht. Erst als Winston und Julia sich näherkommen, Gefühle entwickeln und sich öffnen, wird es auch farbig. Es gibt aber noch eine weitere Emotion, die in der Lage ist, „Farbe“ zu entwickeln; welche das ist, soll hier nicht verraten werden.
Die Zeichnungen sind so realistisch, dass sie beim Lesen das Gefühl der Anwesenheit vermitteln. Wie bei einer gut gemachten Dokumentation begleiten wir Winston, nehmen an seine Gedanken und Handlungen teil und fühlen mit. Geplant ist das in vielen Graphic Novels, erreicht wird das nur selten. Hier haben wir es mit einem dieser seltenen Glücksfälle zu tun: künstlerischer Anspruch und realisierte Umsetzung entsprechen einander virtuos!
Ein Must-Have für den Bücherschrank
Die Zeichnungen zeigen nicht nur die totale Uniformität und Unterdrückung auf beeindruckende Weise, sie deuten auch bereits im emotionalen Überschwang der Individualität an, dass diese niemals bestehen kann. Sie transportieren damit dem Text ebenbürtig die Düsterkeit der Zukunftsvision und warnen eindringlich davor, diese Macht zuzulassen. Natürlich aber enthalten sie kein Rezept gegen diese Diktatur und entsprechen damit dem Gefühl der Hilflosigkeit des Autors kurz nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges.
1984 gehört in jeden Bücherschrank! Nicht nur immer noch, sondern gerade jetzt! Wer mag darf das Original von George Orwell bevorzugen. Als moderne Interpretation, die obwohl originalgetreu doch auch aktuelle Bezüge herstellen kann, ist diese Graphic Novel allerdings ebenbürtig zu sehen! Den Kampf für Individualität, Freiheit und Frieden muss jede*r einzelne selbst beginnen, die Mahnung vor den Folgen des Verlierens bleibt aktuell.
Wie immer sind die Comics aus dem Knesebeck-Verlag handwerklich schön! Das Buch sieht edel aus, die „Farben“, insbesondere das Schwarz, sind satt und das Papier so dick, dass nichts durchscheint. Ein weiteres Kleinod für die Sammlung.
Dazu passen ein Grog, denn man möchte sich an etwas Warmen festhalten, und Clockwork-Orange beeinflusste Musik von den Adicts.
Allein sein ist etwas, das niemand auf Dauer erleben möchte. Es bietet für Wortspiele Anlass, etwa zu zweit und doch allein, und es ist der Ausgangspunkt für Überlegungen, was man auf eine Inselmitnehmen würde, wenn man dort seine Tage allein zu verbringen hätte. Allein ist aber auch der Titel einer der besten aktuellen Serien aus dem frankobelgischen Raum. Mehr zu den Hintergründen hier.
Brot, Spiele und Rebellion
Natürlich haben auch Bruno Gazzotti und Fabien Vehlmann die klassische Geschichte studiert. Es gab genügend Diktatoren, die versucht haben, ihre Bevölkerung mit blutrünstigen Spielen abzulenken. Die (Stierkampf-)Arenen in Italien und Spanien erzählen noch immer davon. Auch in der Literatur (etwa Spartacus) und im Comic (etwa Mechanica Caelestium) sind entsprechende Szenarien weit verbreitet. Oft genug beziehen diese Beispiele ihren Reiz daraus, dass die Unterdrückten sich keineswegs mit ihrer Opferrolle abfinden, sondern aktiv versuchen, ihre Freiheit, zu mindestens aber ihre Würde wieder zu erlangen.
In diesem Setting bewegen sich auch die Aufständischen von Neo-Salem. Saul muss beweisen, dass er derjenige ist, auf den die Ältesten gewartet haben, denn nur dann kann er seine Herrscherrolle weiterspielen. Tatsächlich scheint er auch die notwendigen Kräfte zu besitzen, aber nicht kontrollieren zu können. Was läge also näher als das in Klassen separierte „Volk“ zunächst einmal abzulenken und einen Tabubruch dafür zu nutzen.
Dafür ändert Saul die Regeln der etablierten Spiele von Neosalem und erlaubt den Tod der Beteiligten. Bei einer eventuellen Wiedergeburt würden die eingebrannten Schandmale der 8. Klasse nicht mehr sichtbar sein und eine Wiederaufnahme in die 7. Klasse garantiert. So könnte schließlich auch weiterer Klassenaufstieg realisiert werden. Ärgerlich ist nur, dass die Wiedergeburt keinesfalls sicher ist. Und natürlich gibt es noch ein zweites, geheimes Ziel, denn Saul möchte vor allem Leyla ausschalten.
Wie der Titel schon verrät gibt es aber selbst in Neosalem eine Gruppe von Aufständischen, die nicht länger gewillt sind, die Willkürherrschaft zu erdulden. Es reift der Plan, die Spiele für einen Aufstand zu nutzen.
Brillantes Artwork
Was mir bei dieser Serie ganz besonders gefällt ist der Widerspruch zwischen den auf den ersten Blick sehr freundlichen Zeichnungen und dem teils heftigen Inhalt! Da die handelnden Figuren Kinder sind und der Stil der Marcinelle-Schule folgt, wirkt Allein oberflächlich fast wie ein Semi-Funny. Tatsächlich trachten sich die Akteur*innen aber nach dem Leben, enthält die Story viele Horror-Elemente und ist dystopisch angelegt.
Bruno Gazzotti hat schon eine andere (lesenswerte!) Serie im semi-realistischen Stil über einen Polizisten, der sich wegen der Ängste seiner Mutter als Priester verkleidet aus dem Haus schleicht, gezeichnet: Soda. Seit 2006 arbeitet er an Allein. Seine Bilder sind nicht nur Momentaufnahmen und Umgebung für die Sprechblase, sondern erzählen eigene Geschichten. Sie enthalten so viel Emotionen, Bewegung und Kontext, dass es sich lohnt, die Bände mehrfach zu lesen.
Da Fabien Vehlmann auch genügend Sub- und Parallel-Plots in den Bänden unterbringt wird das mehrfache Lesen auch in dieser Hinsicht zum Genuss! Auf eine Sache möchte ich noch hinweisen: Beiden gelingt es eindrücklich, den Horror des zu schnell erwachsen werden Müssens darzustellen. Sei es der Umgang mit Angst, das der Gefahr stellen, die falsch oder richtig verstandene Romantik oder aber echte Freundschaft. Alle diese Punkte werden ständig in unterschiedlichen Konstellationen thematisiert und tragen viel zur unterschwelligen Grundstimmung des Unbehagens bei.
Die Empfehlung
Allein ist jetzt wieder komplett lieferbar und würde sich in jeder Sammlung gut machen! Wer bisher schon reingeschnuppert hat, sollte auf jeden Fall am Ball bleiben und sich auch den aktuellen Band zulegen. Für alle anderen sei kurz erwähnt, dass es bisher drei (aufeinander aufbauende) Zyklen gibt, die sich an den unterschiedlichen Farben der Nummerierung auseinanderhalten lassen. Der aktuelle 12. Band gehört zum dritten Zyklus und lässt sich auch ohne Vorkenntnisse lesen. Deutlich mehr Spaß macht es allerdings im Zusammenhang!
Schließen möchte ich mit einem kleinen Spoiler: In Kürze erscheint ebenfalls im Piredda-Verlag ein Making-of mit Zeichnungen und Texten rund um die Serie!
Dazu passen Die Toten Hosen mit Learning English, Lesson Two und ein belgisches Sauerbier/Geuze. Beides widerspricht auf den ersten Blick allen Erwartungen, entwickelt aber eigene Qualitäten.
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
2020 war schon fast Geschichte und es stand keine Wahl zur ZACK-Serie des Jahres an. Die Frage danach von comix-online in einem Interview mit Georg F. W. Tempel war ein Auslöser dafür, dass es sie jetzt doch gibt! Wer noch nicht teilgenommen hat, sollte dieses schleunigst hier nachholen! Zu gewinnen gibt es im Übrigen das ansonsten nur für Abonnent*innen erhältliche Michel Vaillant Spezial 1 mit Werbecomics des leider gerade verstorbenen Jean Graton. Außerdem dürfen wir uns schon mal auf einen weiteren Western im Sommer von dem aus Deutschland stammenden Martin Frei freuen!
Die Rückkehrer
Die von Jean Van Hamme und Alcante verfasste Serie Rani kehrt mit dem zweiten von bisher acht Bänden zurück auf die Seiten dieses Magazins. Ursprünglich hatte die Geschichte eine TV-Serie werden sollen, aber manchmal kommt es dann doch anders. Tatsächlich war diese zweite Erzählung bereits erhältlich als die Serie dann doch noch im französischen Fernsehen zu sehen war. Glück gehabt, denn Francis Vallès war die richtige Wahl für die bebilderte Umsetzung des Skripts. Jolanne, die uneheliche Tochter des Marquis de Valcourt, war in Band 1 zu Unrecht eines Mordes bezichtigt worden und hatte erfolglos versucht, zu fliehen. Ihr Halbbruder hatte es geschafft, das eigentlich ihr zustehende Erbe an sich zu reißen und Jolanne zum Tode verurteilen zu lassen.
Band 2 – Die Räuberin – beginnt nun mit einer Verlegung der Gefangenen zum Zwecke der Hinrichtung in einem offenen Gitterwagen zusammen mit einem weiteren Mithäftling. Während einer Übernachtung versucht der Polizeiinspekteur Laroche, Jolanne zu sexuellen Gefälligkeiten zu überreden und bringt damit die weiteren Ereignisse ins Rollen. Routiniert und spannend erzählte Geschichte mit teils brillanten Zeichnungen aus dem Frankreich des Jahres 1743. Mehr zu der History-Serie im Serienkompass, aber: Achtung Spoiler!
Und noch eine Serie kehrt zurück: Stephen Desbergs Thriller Empire USA mit dem etwas unspektakulären Titel 2.3! Jared versucht den letzten Tag seines ermordeten Expartners aufzuklären. Vermutlich hatte er sterben müssen, weil er etwas herausgefunden hat, was niemand erfahren darf. Der Comic spielt im Umfeld der nach der Systemwende in der UdSSR emporgekommenen Oligarchen. Viele von ihnen haben sich mit alten Seilschaften verbandelt und nicht alle sind sich grün. Griffo setzt das kühle Jetset und das ausschweifende Leben der High-Society genauso glaubwürdig um wie die brutale Gewalt, die zum Schutz der Privilegien eingesetzt wird. Auch dieses Szenario könnte durchaus die Basis einer Verfilmung sein – Mal sehen, wann die Streamingdienste Nachschub brauchen.
Die Fortsetzung
Im Januarheft hatte eine ungewöhnliche Reihe ihren ersten Auftritt im ZACK: Das Mädchen von der Weltausstellung wird jede Pariser Weltausstellung sowie zwei Sonderschauen als Anlass für einen Band nehmen. Den Anfang macht die erste von 1855. Einerseits geht es darum, die in Bezug zum Herrscher stehenden Toten mit einer Mischung aus Fake News und Ablenkung aus der öffentlichen Diskussion heraus zu halten, andererseits scheint es aber auch jemanden zu geben, der die Ausstellung sabotieren möchte. Die kleine Julie mit ihren hellseherischen Fähigkeiten steht im Mittelpunkt dieser Mischung aus Krimi und History von Jack Manini und Étienne. Eindeutig mehr als einen Blick wert!
Irgendwie auch hierhin gehören die Onepager und Streifen, die leicht übersehen werden können. Parker & Badger von Cuadrado versuchen sich mit allerlei Jobs über Wasser zu halten, scheitern aber meistens grandios. In diesem Heft geben die beiden den Babysitter. Tizombi von Cazenove und Maury handelt von den Abenteuern einer besonderen Clique auf einem Friedhof: Ein paar Zombies und ihre menschliche Freundin, das kleine Steak, vertreiben sich die Zeit mit Kinoabenden, All-you-can-eat-Orgien und schlechter Gesellschaft. Oft ein wenig neben dem guten Geschmack, immer aber herzerfrischend! Und dann gibt es noch den Vater der Sterne von Piquet und Seb, der ständig versucht, seine eigene Welt des Kampfes und der Siegesorientierung über die romantische, verspielte und ziellose Welt seiner kleinen Tochter zu stülpen.
Der Abschied
Giant von Mikaël ist meines Erachtens eine der besten aktuellen Graphic Novels. In ihr sind mehrere Themen miteinander verwoben: Der Aufschwung New Yorks mit seinen gigantischen Hochhäusern als Symbol und seiner gleichzeitigen Begrenzung auf wenige Gewinner, die breite, teils immer noch hungerleidende Masse der Arbeiter und ihre Konflikte, und am irischen Beispiel die zur Auswanderung führende Not der Bevölkerung, die alles hinter sich lassen muss um einen ungewissen Neuanfang in Amerika zu wagen.
Giant hatte sich nicht getraut, der Frau eines Kollegen von seinem Tod zu berichten und hatte ihr stattdessen in seinem Namen Briefe und Geld geschickt. Nun aber steht sie mit den kleinen Kindern vor ihm in New York und erwartet Antworten. Solidarität, Mut und der Zwang weiter zu machen bekommen so ein ganz anderes, persönliches Bild. Die in Erdfarben gehaltenen Bilder erinnern an alte Fotos, geben aber auch die wehmütige Stimmung perfekt wieder! Mehr als ein Kleinod.
Und sonst
Friedrich Engels wird meistens nur in seiner Kombination mit Marx betrachtet. Nun aber gibt es eine Graphic Novel über den Revolutionär und Unternehmer von drei deutschen Comicschaffenden. Michael Hüster präsentiert ein Interview und eine unveröffentlichte Seite!
Bernd Hinrichs ordnet den Band von Taschen über die gefährlichsten Comics der Welt in ihren historischen Kontext ein. Während in Amerika die bahnbrechenden Hefte aus dem EC-Verlag für kurze Zeit als die innovativsten Comics des Jahrhunderts gefeiert wurden, verschafften sich dort und auch hier Lautsprecher Gehör, die „unsere Kinder“ vor „Schmutz und Schund“ und „Verrohung“ zu beschützen vorgaben. Sehr lesenswerte Besprechung eines vorzüglichen Bandes, der hier zum Sekundärwerk des Jahres gekürt worden war.
Eine sehr abwechslungsreiche Mischung aus französischer und amerikanischer Vergangenheit sowie europäischer Gegenwart, Krimi, Abenteuer und Gesellschaftskritik, abgerundet mit spannenden Beiträgen, News und Rezensionen!
Auch musikalisch dazu eine kleine Zeitreise, zurück in die beginnenden 80-er: Die erste von Madness ist immer noch zusammen mit der ersten von The Specials ein Aufbruch in neue Zeiten! Perfekte Hintergrundmusik zu diesem ZACK und einem Hellen Bio-Bier aus der Finne Brauerei.
Es gibt Krimis und Krimis. Die einen erzählen zum gefühlt millionsten Mal eine bekannte Geschichte: Ein Mann hat irgendjemand umgebracht, wird von einem Polizisten gejagt und am Ende ist nach einigen Verwirrungen der Fall erfolgreich gelöst. Je nach Zeit und Medium gibt es dazu noch ein paar familiäre Probleme, Ärger mit Kolleg*innen und mehr oder weniger Gewalt.
Und es gibt solche, die anders sind, bei denen die Spannung erhalten bleibt, weil nachvollziehbare Charaktere versuchen, ihre Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen und die möglicherweise auch gar nicht gut ausgehen. Letztere liebe ich und in diese Kategorie gehören die Abenteuer von Caroline Baldwin!
Eine Heldin, die es gar nicht geben sollte
André Taymans war Mitte der 90-er Jahre bereits ein bekannter Autor und Zeichner von Comics für Kinder, begann aber die Lust daran zu verlieren und wollte etwas anderes machen. Der genaue Verlauf der Odyssee von einer ersten Idee hin zu Moon River ist im Vorwort der gerade erschienenen Gesamtausgabe nachzulesen. Hier soll davon nur verraten werden, dass der Comic weder als Reihe geplant war, noch Caroline Baldwin die Titelheldin oder Hauptperson sein sollte. Egal, 1996 erschien Moon River als erster Teil einer neuen Serie, wurde für gut befunden und mittlerweile haben 16 weitere Teile das Licht der Verkaufsregale erblickt.
Band 1 erzählt die Geschichte eines depressiven ehemaligen Astronauten. Er verschwindet plötzlich obwohl er doch als Aushängeschild einer Firma zu einem wichtigen Vertragsabschluss hätte beitragen sollen. Da möglicherweise die Konkurrenz ihre Finger im Spiel haben könnte, beauftragt die Firma die Privatdetektivin Baldwin mit dem Auffinden und Zurückbringen des alten Helden. Die Heldin trinkt, hat wechselnde Partner und ist auch sonst manchmal eher depressiv unterwegs. Sie ist aber keineswegs bereit, klein beizugeben!
Gleich im Anschluss wird es noch politischer: in Kontrakt 48-A geht es um die Auswirkungen radioaktiver Strahlung und die nicht immer vorhandene medizinische Ethik. Taymans hat mittlerweile einen besseren Bezug zu seiner Heldin entwickelt und sie mehr in den Mittelpunkt gerückt. Sie bekommt einen sehr sympathischen Großvater, einen Erbfall und unsympathische Verwandte für den Hintergrund. Zudem hat sie über diese Linie indianisches Blut und daher auch nicht immer die Vorteile einer Weißen.
Tödliche Texte
Und dann schlugen wieder die Zufälle des Lebens zu. Während die ersten beiden Bände mit einem Umfang von 64 Seiten veröffentlicht worden waren, standen für die weiteren Folgen nur noch 48 Seiten zur Verfügung und Taymans musste das bereits begonnene neue Werk entweder stark kürzen oder ausweiten. Zum Glück für uns entschied er sich für das letztere und so entstanden die zusammengehörigen Nummern Der Tote im Pool und Showdown in Havanna.
Ein rechter Mob verbrennt erotische Romane an einer Tankstelle, kurze Zeit später schwimmt der Autor dieser Romane tot in dem Pool von Carolines Freundin. Als wäre das nicht genug, überrascht Caroline auch noch einen Einbrecher, kann ihn aber nicht überwältigen. Eine Spur führt in die Welt der Literatur mit Massenauflagen und Schreibblockaden. Die Lösung dieses Falls kann aus verschiedenen Gründen nur in Havanna liegen und so macht sich die Heldin auf in eine Stadt, die sich – zumindest hier im Comic – sehr farbig, aufgedreht und musikalisch, aber eben auch als sehr gefährlich präsentiert!
Die Zeichnungen
Caroline Baldwin ist hübsch, aber kein Model. Sie ist eigenwillig, aber nicht egozentrisch. Die Heldin ist depressiv, aber nicht unterzukriegen. Sie ermittelt selbständig, ist aber kein Mann. Und: sie ist sexuell aktiv, aber nicht gebunden. Für die damalige Zeit eine ganze Menge an Tabubrüchen und auch heute noch lange nicht selbstverständlich! Taymans hat für diese Frau und ihre Erlebnisse mit einer nur leicht modernisierten Ligne Claire das nahezu perfekte Stilmittel gefunden.
Sie ermöglicht Emotionen in der Darstellung, verlangt aber keinen Realismus. Hintergründe sind wichtig, wenn sie eine Aufgabe haben, können aber auch durchaus auf eine Farbe reduziert werden, wenn sie nicht ablenken sollen. Bewegungslinien erzeugen Dynamik und alles zusammen strömt eine nostalgische Note aus! Einige Figuren, wie etwa der Großvater, haben ihre Vorbilder in der Realität und den Zeichnungen ist anzusehen, wie der 1967 in Belgien Geborene sich langsam in die Handelnden hineinversetzen kann, sie liebgewinnt und ihnen Persönlichkeit gibt.
Natürlich gehört Caroline Baldwin mittlerweile mit einem eigenen Wandgemälde zum Stadtbild von Brüssel und wurde damit zurecht in die erste Reihe aufgenommen!
Der Tipp
Krimifreund*innen aufgepasst: Wer die Serie noch nicht kennen sollte, darf, muss vielleicht sogar einen Blick riskieren. Die Heldin wird sich noch weiter entwickeln und langweilig wird es definitiv auch weiterhin nicht. Die gleiche Empfehlung geht an alle Fans der klaren Linie, die Generation ZACK und an alle, die auch nicht Graphic Novels zusprechen, Personen entwickeln zu können.
Schreiber & Leser spendiert der Serie unter seinem Label Alles Gute eine Hardcoverausstattung mit allen Extras: durchlaufendes Rückenbild, Lesebändchen, Glanzlackapplikationen auf dem Einband und eine ausführliche redaktionelle Einleitung mit einer Unmenge an Illustrationen! Heutzutage geht der Blick oft genug zurück auf falsche Vorbilder oder Referenzen; diese Serie atmet zwar nostalgischen Charme aus, ist aber immer noch aktuell und die Freiheit fördernd!
Der Lockdown geht noch lange genug, also kontaktiert eure*n Lieblingsdealer*in und bestellt!
Dazu passt Brody Dalle, energisch und unangepasst, und Whiskey on the rocks.
Der 1923 in Nantes geborene Jean Graton ist am 21. Januar 2021 in Brüssel gestorben.
Sein bleibender Beitrag zur europäischen Comicgeschichte ist Michel Vaillant, eine in 70 Alben veröffentlichte Reihe über einen Rennfahrer und seine Erfolge, aber auch über die Familie Vaillante, die u. a. Autos und Motorräder herstellt und vertreibt, daneben aber natürlich auch einen eigenen Rennstall hat(te). Sie waren geprägt von dem enormen Insiderwissen Gratons, der mit dem Rennzirkus eng vertraut war, und der Fähigkeit, dieses spannend darzustellen.
2004 hatte Jean Graton aufgehört zu zeichnen, Michel Vaillant ist mittlerweile modernisiert worden und erscheint in einer zweiten Staffel.
In Deutschland hatte der Rennfahrer Michael Voss seine ersten Auftritt in MV-Comix bevor er unter seinem richtigen Namen das Aushängeschild des ZACK wurde. Zwischenzeitlich verantwortete Jean Graton auch einen Spin-off über eine junge Rennfahrerin Julie Wood.
Aktuell erscheinen die aktuellen Geschichten von Michel Vaillant in Deutschland im ZACK, die MV-Alben sowie ein Band mit Geschichten von Julie Wood im mosaik Steinchen für Steinchen-Verlag.
Majestätische Schiffe, unbeherrschbare Natur in ihrer ganzen Schönheit und Grausamkeit, monatelang andauerndes Eingesperrtsein auf einem sehr begrenzten Raum und die ständige Gefahr, angegriffen zu werden. Genügend Versatzstücke also, um daraus eine spannende Geschichte auf hoher See zu weben! Immer wieder erscheinen Abenteuer rund um die Seefahrt, oft aus dem Subgenre der Piratenerzählungen.
Familiengeheimnisse und weite See
Obwohl auch hier Piraten Teil der Story sind, ist die Perspektive doch eine andere. Zwar gibt es das namensgebende Kriegsschiff, die USS Constitution, nur aufgrund einer Bedrohung der amerikanischen Handelsflotte durch Piraten. Der früher gewährte Schutz durch die englische Royal Navy war nach der Unabhängigkeit Amerikas teilweise sogar durch eine gewisse Bedrohung ersetzt worden, und Amerika hatte eine eigene Kriegsflotte in Dienst zu stellen. Dabei ging es insbesondere um die Bekämpfung der Piraterie der Barbareskenstaaten im westlichen Mittelmeer. Das Schiff und seine Reise im Jahre 1803 von Boston in das Mittelmeer ist aber nur ein Hintergrundgeschehen für die Erlebnisse des jungen Fähnrichs Pierre-Mary Corbières.
Der nun 16-jährige hatte als Kind eine Ausbildung auf der Militärakademie bekommen und geht, nach dem Tod von Mutter und Großmutter, erstmals auf große Fahrt. Er stammt nicht aus einer reichen Familie ab und mag sich auch sonst nicht so recht an die Zwei-Klassen-Gesellschaft auf Deck zwischen Offizieren und Mannschaft einpassen. So freundet er sich mit einem Matrosen an und verbringt seine Freizeit lieber mit diesem als mit seinen Kollegen. Allerdings wird nicht nur seinem Freund, sondern auch seinem ärgsten Feind unter den jungen Offizieren klar, dass Pierre-Mary noch etwas anderes verbirgt.
Franck Bonnet ist für Zeichnungen und Szenario zuständig. Er kann daher optimal das Tempo variieren und sich Zeit lassen für die Darstellung der Schiffe und ihrer Aufbauten. Eine weitere Vorliebe von ihm ist, das Alltagsleben auf den Schiffen zu beschreiben: Sei es auf Wache, während der Freizeit oder unter Deck. Damit ist er sicherlich in der Tradition der alten Jugendmagazine in denen Albert Weinberg, Jean Graton oder Jean-Michel Charlier den Leser*innen Technik erklärt haben. Dazu passt auch das beigefügte Glossar mit maritimen Begriffen. Nicht zuletzt hat er auch schon eine große Erfahrung mit diesem Thema aus anderen Serien.
Die Zeichnungen – mehr als Wind und Wellen
Natürlich erwartet man bei einem Titel, der den Begriff hohe See in sich trägt, Wind und Wellen. Bonnet lässt uns auch die Weite des Meeres spüren. Verfolgungsjagden können nicht durch den Einsatz von Motoren beeinflusst werden, sondern benötigen das geschickte Ausnutzen der eigenen Stärken am Wind. Der Zeichner schafft es, einerseits die Kommandostrukturen und daraus resultierende Arbeiten zu visualisieren, andererseits auch das tägliche Gleiten und damit beide Seiten des maritimen Alltags darzustellen.
Dazu kommen die Ansichten der Segelschiffe mit oder ohne gesetzte Segel auf dem weiten Wasser oder im Hafen, die nostalgische Gefühle hervorrufen können. Nicht umsonst sind Windjammerparaden heutzutage eine riesige Touristenattraktion! Bonnet kann aber auch Personen in einem städtischen oder ländlichen Umfeld glaubhaft darstellen. Dazu bieten einerseits die Rückblicke auf die jeweiligen Vergangenheiten Möglichkeiten, andererseits gibt es auch einen ausführlichen Landgang in Tanger. Dieser spielt vielleicht etwas zu stark mit Vorurteilen.
Das Layout kommt sehr klassisch daher: rechteckige Panels mit klarem Rahmen und grid-definierter Position. Die Zeichnungen können sich aber sehen lassen: Gesichter sind gut konturiert und Hintergründe fein ausgearbeitet. Wer das ZACK mag, wird hier begeistert sein.
Die Empfehlung
Wer bei dem Titel nur an maritime Abenteuer und Schlachten denkt, greift hier sicherlich zu kurz. Bonnet verwebt ein coming-of-age-Szenario mit den Themen der Identitätsfindung und Freundschaft mit dem Leben auf See und der militärischen Organisation, die notwendig ist, um vor dem Feind bestehen zu können. Aufgrund der Überlänge ist auch genügend Zeit gegeben, die Personen und ihre Verhältnisse zueinander zu entwickeln und die Geschichte trotzdem voranzutreiben. So werden die typischen Probleme einer ersten Folge geschickt umschifft.
Splitter hat dem Ganzen einen perfekten Rahmen gegeben: Überformat mit gutem, stabilem Papier und Hardcover sind ja schon Tradition. Eine auf die geschichtlichen Hintergründe eingehende Einleitung und ein Glossar mit maritimen Begriffen erleichtern den Einstieg in die Welt der Seefahrt, stören aber alte Seebären überhaupt nicht. Gut gemacht! Eigentlich fehlt jetzt nur noch ein beigelegtes Poster mit einem der vielen tollen Panels aus dem Comic!
Beim Thema Seefahrt kommen als Getränk eigentlich nur die tägliche Portion Rum oder das widerstandsfähige India Pale Ale in Frage. Dazu passt Musik von den Bucaneers, auch wenn etwas zu Irish.
Veröffentlichungsstatus in Deutschland: Band 5 ab September 2024 im ZACK
Die Serie
Rani sollte eigentlich eine Fernsehserie werden, konnte jedoch aufgrund von Umstrukturierungen im französischen Fernsehen nicht realisiert werden. Nun ist der Autor Jean Van Hamme ja aber kein Unbekannter im Comic-Business und so wurde das Skript von Alcante (d.i. Didier Swysen) umgeschrieben, der erste Band erschien 2009. Die TV-Serie konnte 2010 doch noch gedreht werden und erschien 2011, kurz nach der Veröffentlichung des zweiten Comics. Mittlerweile liegen acht Comic-Bände im französischen Original und in niederländischer Sprache bei Lombard vor.
Der Titel der Reihe ist eine Referenz auf eine in der Zukunft liegende Episode. Näheres dazu nur für die, die es genauer wissen wollen, unter dem Abschnitt Spoiler.
Als Zeichner konnte der Franzose Francis Vallès gewonnen werden, der mit Jean Van Hamme bereits an einem anderen TV/Comic-Hybrid zusammengearbeitet hatte: Hopfen und Malz. Das Paket aus dem aktuell wohl erfolgreichsten europäischen Szenaristen und einem geübten Zeichner versprach von Anfang an gute Unterhaltung und akribische Recherchen. Wenn auch die Verfilmung nach der ersten Staffel keine Fortsetzung erfuhr, die Comics erscheinen noch immer, haben die TV-Serie aber mittlerweile eingeholt:
Eigentlich ist es unverständlich, dass eine Serie von Van Hamme nicht schon längst in Deutschland erschienen ist, verkaufen sich diese doch auch hierzulande nicht ganz schlecht. Tatsächlich hat sich aber noch niemand an Rani gewagt gehabt und so waren es Georg F. W. Tempel und das ZACK, die 2020 die Chance ergriffen haben.
Die Story
Wir schreiben das Jahr 1743. Die Geschichte beginnt im französischen Zentralmassiv. Die junge Jolanne de Valcourt ist die uneheliche Tochter des alten Marquis Charles de Valcourt, der sie als Tochter anerkennen wollte. Er wird allerdings von ihrem Halbbruder Philippe de Valcourt aus Habgier ermordet. Um seine Rivalin loszuwerden versucht Philippe, Jolanne an einen alten Lüstling zu verkaufen. Dieser infame Versuch wird begleitet von einem Akt des Landesverrats. Natürlich scheitert sowohl das eine wie auch das andere. Das hilft der jungen Heldin allerdings keineswegs denn sie wird zum Sündenbock auserkoren und muss ihr Zuhause fluchtartig verlassen.
Hier tritt nun das erste Mal ein Motiv auf, dass die Serie begleiten wird: die junge Frau ist in der Lage, sich aus einer fast ausweglosen Situation zu befreien und kann fliehen. Die Flucht ist aber selten von Dauer und führt zu einer erneuten Festnahme oder einer vergleichbaren Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Natürlich ist das dem TV-Serien-Konzept geschuldet, das noch viel mehr auf Cliffhangern basiert. Dementsprechend endet der erste und beginnt der zweite Band mit unserer Heldin in einem Gefangenentransport.
Ein weiteres, immer wiederkehrendes Motiv der Geschichte ist der Wunsch auf Rehabilitation. Immer wieder versucht Jolanne, Beweise für den Verrat ihres Halbbruders und des ich unterstützenden Polizisten Laroche zu finden und damit ihre Unschuld beweisen zu können. Doch selbst wenn einzelne Puzzlestücke in ihren Besitz gelangen müssen die äußeren Umstände eine Geltendmachung unterstützen.
Der klassische Gegensatz von Gut gegen Böse wird hier in einer Melange aus Mantel-und-Degen, Romantik, ferne Welten und Kulturen (Indien) und David gegen Goliath zelebriert. Das garantiert Spannung und Abwechslung!
Spoiler – bitte ggf. überspringen und bei DIE ZEICHNUNGEN weitermachen
Jolanne entkommt Laroche während des Transportes, trifft zunächst erneut auf den Engländer Craig Walker und wird dann Mitglied einer Bande von Gesetzlosen unter der Führung von Gabriel. Aufgrund eines Verrates aus Liebe wird sie erneut verhaftet. Sie schafft es, der Hinrichtung zu entkommen, indem sie sich unter der Identität einer anderen Gefangenen versteckt, wird allerdings nach Französisch-Indien deportiert.
Dort angekommen wird sie als Animierdame an die Besitzerin eines Bordells verkauft, hat aber einen sehr speziellen Kunden und ist daher privilegiert. Aufgrund dieser besonderen Ausgangslage schafft sie es, die Leitung zu übernehmen und für „ihre“ Mädchen bessere Verhältnisse zu schaffen. Mittlerweile haben aber auch Philippe und Laroche den Weg nach Indien gefunden und auch Gabriel ist als Galeerensklave dort eingetroffen. Seine Befreiung gelingt zwar, Jolanne muss deswegen aber ihre Stellung aufgeben.
Rettung naht in Form einer Heirat: Sie wird die (Maha)Rani, die Königin eines indischen Reiches und muss feststellen, dass das Land nicht nur an indischen Traditionen festhält, die den europäischen widersprechen, sondern auch zwischen die Fronten Englands und Frankreichs gerät. Erneut stehen Philippe und Craig auf unterschiedlichen Seiten und erneut wird ein Verrat begangen.
Cover ZACK 303 (Teil 5)
Erneut steht die Heldin vor den Trümmern ihrer Existenz und findet sich auf einem Schiff nach Europa wieder. Wird sich hier tatsächlich die drohende Hinrichtung noch einmal abwenden lassen?
Die Zeichnungen
Francis Vallès liefert grandiose Bilder ab: Landschaften und Innendekors gelingen ihm genauso gut wie die Figuren. Die Gewänder der Personen sitzen und fallen den Bewegungen entsprechend, selbst die Reitszenen sehen „richtig“ aus und die Gesichter haben Ausdruck. Wie oft denkt man beim Lesen eines Comics, dass der Zeichner die Gesichter irgendwie nur skizziert habe. Das ist bei Vallès anders! Auch der Seitenaufbau ist flexibel. Natürlich nicht wie bei einem amerikanischen Image-Titel, die Panels bleiben rechteckig, variieren aber in Breite und Höhe.
aus Rani 2
In der nun startenden zweiten Folge wird die Heldin häufiger unbekleidet zu sehen sein. Die mittellose junge Frau „ohne Herkunft“ ist einerseits immer wieder herrschsüchtigen, machtgierigen Männern ausgeliefert, die in Frauen ohnehin nur eine Ware sehen. Andererseits spielt sie aber auch immer wieder damit, dass Männer unvorsichtig werden, wenn sie glauben, dass eine Frau ihnen scheinbar freudig zu Diensten ist. So schafft sie es wenigstens teilweise, ihre Opferrolle taktisch zu wenden. Daneben gibt es aber auch eine romantische Substory, die sich über alle Bände streckt. Insofern haben alle diese Darstellungen ihre nicht voyeuristische Begründung.
Während die ersten beiden Bände in einem europäischen setting angelegt sind und die grandiosen Landschaften insofern wiedererkennbar sind werden die weiteren im Fernen Osten, in Indien spielen. Vallès schafft es aber, diese Umgebungen genauso selbstverständlich wirken zu lassen.
Die Einordnung
Die deutschen ZACK-Leser*innen können sich die nächsten Jahre auf eine tolle Serie freuen! In den Niederlanden ist das in gewisser Weise schon Vergangenheit: Die Serie liegt komplett als Softcover vor. Rani ist sicherlich nicht das beste aller Szenarien von van Hamme; die ursprüngliche Konzeption als TV-Spektakel erforderte es scheinbar manchmal, eine gewisse Unlogik einzubauen. Aber das ist schließlich bei den Drei Musketieren oder Zorro auch nicht anders und stört daher nicht wirklich.
aus Rani 2
Die Sparte Mantel-und-Degen hat nicht viele Heldinnen und schon das ist ein Argument für diese Serie. Rani ist kurzweilig, gut gezeichnet und durch das ständige Wechseln der Handlungsorte auch sehr abwechslungsreich im Dekor. Kurzum: Selbst als Albumreihe eine Empfehlung wert, als Bestandteil des ZACK durchaus eine Begründung, kein Heft zu verpassen!
Was passt zum Lesen einer in Fortsetzungen abgedruckten Geschichte? Es gibt immer mal wieder kleine Flaschen in Probiergröße, die als Set angeboten werden. Vielleicht steht ja ein solches mit Rotweinen bei euch eh auf der Liste – hier wäre eine perfekte Einsatzmöglichkeit! Dazu braucht es Musik von einer Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und immer wieder aufsteht. Amy Winehouse passt wegen ihres zu frühen Endes dann doch nicht, aber Björk!
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 € ISSN: 1438-2792
Schon wieder hat ein neues Jahr begonnen und Georg F. W. Tempel hat bereits einiges von dem mitgeteilt, was das gerade zum Comic-Magazin des Jahres gewählte ZACK in diesem Jahr bringen wird. Die erste Neuerung ist in der Nummer 259 erstmals zu begutachten: Das modernisierte Layout! Für die älteren unter uns eine etwas größere Schrift und ein aufgelockertes, gleichzeitig aber informativeres Seitenlayout. Eure Meinung dazu gerne als Kommentar!
Die Neustarts
Das Januarheft startet gleich mit einer neuen Serie: Das Mädchen von der Weltausstellung kombiniert verschiedene Elemente: Einerseits nimmt sie die sieben Weltausstellungen (und zwei Kolonialausstellungen), die in Paris stattgefunden haben, zum Anlass, eine Geschichte über eine sehr lange Zeit zu erzählen. Die Heldin Julie ist in dem ersten Band, der 1855 spielt, noch ein junges Mädchen, wird im letzten Teil aber bereits 93 Jahre alt sein. Jack Manini, der im ZACK bereits mit einigen Serien vertreten war, verbindet klassische Krimi-Aspekte mit seiner leichten Gesellschaftskritik und seiner Lust am Fabulieren und Willem Étienne darf seiner Leidenschaft frönen, Erfindungen darzustellen.
Étienne ist in Deutschland bisher nicht so bekannt, hat mit Ein Affe am Himmel aber bereits überzeugen können. Hier darf er weder Tierfiguren zeichnen noch echten Steampunk abliefern. Die Geschichte bietet aber genug Raum für große und kleine Bilder, liebevoll entworfene Personen und vor allem wechselnde Dekors!
Außerdem startet mit den Macaronis eine weitere Zusammenarbeit mit dem holländischen StripGlossy. In den 70er Jahren erschienen die Abenteuer von Dick Matena und Dino Attanasio über eine Fußballmannschaft im Mafia-Umfeld auch auf Deutsch, dann war es lange still. Nun hat Dick Matena sie wieder reaktiviert. Die erste vierseitige Folge dürfte einige Bundesligaklubs zum Nachdenken anregen. Mehr zu den Originalserien und ihren modernen Inkarnationen in StripGlossy 13.
Die Fortsetzung
Giant geht natürlich in die nächste Runde. Der gutmütige riesenhafte Ire hat erfahren, dass die Frau seines Kollegen sich mit ihren Kindern nach New York aufgemacht hat um zu ihrem Mann zu ziehen. Als sie in seiner Wohnung steht, müsste er ihr eigentlich mitteilen, dass er bereits vor Monaten gestorben ist. Doch wird er ihr tatsächlich die Wahrheit sagen? In eine spannende Story verpackte Sozialkritik und Beschreibung der Verhältnisse vor rund 100 Jahren in New York von Mikaël mit grandiosen Bildern! Eine der besten aktuellen Graphic Novels!
Die Abschiede
Gleich drei Serien enden in diesem Heft (vorerst).
Tanguy & Laverdure haben in der von Buendia und Zumbiehl verfassten Doppelepisode um das Wüstenschwert den Auftrag in der Region von Dahman und Nijaq im Nahen Osten für Stabilität zu sorgen. Die Situation ist aber eskaliert und es läuft ein offener Angriff. Während Tanguy versucht, aus der Luft einzugreifen, befindet sich Laverdure mitten in der umkämpften Hauptstadt. Dramatische Ereignisse, politisch auf der Höhe der Zeit, aber nicht belehrend und zeichnerisch von Philippe sehr gut umgesetzt. Neben all der Action schaffen es die Autoren aber auch, das psychologische Zusammenspiel der beiden Helden zu beleuchten. Gut gemacht!
Auch die Episode um die Milliarde der Emigranten aus der Serie Die Bank endet hier. Boisserie und Guillaume haben nichts weniger vor als die europäische Geschichte aus einem neuen Blickwinkel zu erzählen, dem der Finanz. Im Mittelpunkt stehen zunächst die verfeindeten Geschwister de Saint-Hubert. Während es ihm gelungen ist, das Vermögen der Familie zurück zu erlangen, muss sie sich verkaufen um zu Einfluss zu gelangen. Wer wird die Eisenbahnlinie bauen dürfen? Und dann gibt es da noch einen aus der Sippe, der lange auf seinen Auftritt warten musste. Julien Maffres Zeichnungen sind nicht immer „schön“, denn er überzeichnet Emotionen. Dafür bringt er aber auch die Gefühlswelt der handelnden Personen gut rüber und ergänzt das Ganze durch formidable Hintergründe! Wie bei einer guten Serie erfordert es die Story allerdings, am Ball zu bleiben.
Stilistisch ganz anders ist Harmony von Mathieu Reynés: Modern, digital und actiongeladen. In dem letzten Teil von Ago kommt es zum Kampf zwischen den Mutanten und es wird deutlich, dass es um viel mehr geht als den Versuch einer politischen Gruppe, menschliche Waffen zu erschaffen. Perfekter Cliffhanger des Science-Fiction-Spektakels aus dem französischen Spirou-Magazin!
Und sonst?
Parker & Badger, die beiden sympathischen Loser, versuchen gleich zweimal ihr Leben zu meistern und auch der Vater der Sterne darf doppelt daran scheitern, seine Erwachsenenwelt seiner Tochter aufzwingen zu wollen. In Tizombi stellt sich die Frage einer Priorisierung zwischen Essen und Diskussion.
Dazu kommen natürlich News und Rezensionen, ein Artikel über EVROPA, ein Comic über das Nachkriegs-Ex-Jugoslawien und einer über Grönland Odyssee.
Wie immer eine gelungene Mischung aus klassischen, aber neu interpretierten Serien und dem Besten von heute.
Dazu passen das teilweise herausfordernde break thru des New York-Ska Jazz Emsembles und ein Gin Tonic auf Wacholder, Rosamarin und Chili-Basis.
Das Jahr 2021 fängt gleich mit guten Neuigkeiten an: Im Oktober erscheint wieder ein neuer Asterix aus der Feder von Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen). Das 39. Album der Reihe verspricht ein wahrhaft spannendes Abenteuer zu werden! Und als Vorgeschmack auf das große Bankett im kommenden Oktober enthüllen Jean-Yves Ferri und Didier Conrad vorab und exklusiv einen kleinen Auszug aus ihrem neuen Werk. Wie es die Tradition verlangt (immer schön im Wechsel!) gehen unsere Freunde im neuen Album wieder auf Reisen. Das bestätigt uns auch der Druide.
Bis dahin gibt es nur ein paar erste Hinweise, ich bin aber sicher, dass im Laufe der nächsten Monate weitere folgen werden.
Als erster Vorgeschmack hier eine erste Seite:
Das ist aber nicht alles: Egmont Ehapa Media als deutscher Verlag des Galliers hat noch zwei weitere Neuigkeiten angekündigt:
Die neue Zeichentrickserie Idefix und die Unbeugsamen kommt voraussichtlich im Dezember 21 in das deutsche Fernsehen und – so COVID-19 es zulässt – wird es eine große Asterix-Ausstellung geben.
ASTERIX DER EUROPÄER soll vom 3. APRIL–28. NOVEMBER 2021 stattfinden. Die außergewöhnliche Ausstellung auf Burg Malbrouck (Departement Moselle, Frankreich) könnte einen Trip wert sein!