Weyland – Aria Integral 5

Aria Integral 5 (1994 – 1997)

Text: Michel Weyland 
Zeichnungen: Michel Weyland

Originaltitel: Aria Integral 5– Ove | La Vestale de Satan | Vénus en colère | Sacristar

Kult Comics

Hardcover | 224 Seiten | Farbe | 35,00 € 
ISBN: 978-3-96430-055-3

Der nun schon fünfte Band der Geschichten um die weißhaarige Kriegerin Aria markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Die bisherigen Abenteuer waren bei Lombard erschienen und in Tinitin/Kuifje vorabgedruckt worden. Sie richteten sich daher auch an Kinder und Jugendliche. Bei Dupuis wurden die Geschichten nun sofort als Album publiziert und konnten daher eher an Erwachsenen gerichtet werden.

Von Anfang an hatte Michel Weyland die Serie sich entwickeln lassen. Seine Heldin war stark, mutig und selbstbewusst. Sie engagierte sich auf der Seite der Unterdrückten und Schwachen und damit oft genug auf der Seite der Frauen, ohne aber explizit feministisch zu sein. Oft genug waren aber patriarchalische Strukturen das Setting die Folter und Unterdrückung beinhalteten. Diese Szenen werden nun etwas deutlicher, gehen aber keinesfalls in eine Richtung, die sie für eine Veröffentlichung in der Schwermetall klassifiziert hätten.

Die Fantasy-Stories um Aria enthalten als weiteres verbindendes Element oft genug auch magische Bestandteile. Hier geht es aber nicht um Schlangengötter oder Dämonen, sondern um die leise Magie, die eher mit Romantik und der Verzauberung verknüpft ist. Genau diese Mischung macht die Serie so einzigartig! Mehr dazu in den Besprechungen zu Band 2 und 4.

Die Stories in diesem Band

Ove erzählt die Geschichte einer Frau, die wiedergeboren worden zu sein scheint. Sie lebt in einer Kultur, in der Frauen zwangsverheiratet werden. In der Hochzeitsnacht fällt sie in Ohnmacht und erwacht mit den Erinnerungen an eine glückliche Vergangenheit in der Frauen frei und anerkannt waren. Ihr Mann erlaubt ihr tatsächlich, Nachforschungen anzustellen. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass die klerikale Oberschicht dieses nicht dulden wird. Auch Aria, die gerade auf der Durchreise ist, muss feststellen, dass allein reisende Frauen dort nicht willkommen sind und macht sich mit Ove zusammen auf die Suche nach ihrem ehemaligen Ehemann, der nach hunderten von Jahren noch zu leben scheint.

Tatsächlich lebt dieser noch und in Satans Garten erfahren wir auch das Geheimnis seines langen Lebens. Sein letzter Sohn fühlt sich nicht akzeptiert und stellt sich selber eine (neudeutsch) Challenge! Er will einen verfluchten, tödlichen Wald durchqueren, in dem sich eine alte Siedlung befinden soll und als Beweis einen goldenen Dachziegel zurückbringen. Zusammen mit Aria macht er sich auf den Weg. Sie hilft ihm zu erkennen, dass der Wald auf Stimmungen reagiert und alles Aggressive tötet. Wer aber in sich ruht wird die Passage schaffen. – Ein sehr spannender Zweiteiler, der das Thema des ewigen Lebens mal ganz anders angeht. Natürlich geht das nicht ohne Kosten, denn nichts ist umsonst, und es hat auch Nebenwirkungen. Parallel dazu beweist gerade die hier notwendige Friedfertigkeit wie anders Aria im Vergleich zu den typischen Fantasy-Comics ist. Schwertkampffähigkeiten sind notwendig, aber nicht immer richtig.

Originalband 18 führt uns zurück in die Vergangenheit von Aria – Die wütende Venus erzählt wie die kleine Aria, als Waise bei ihrem Onkel lebend, geraubt und versklavt worden ist. Mit einem Trick waren ihr sein Tod vorgegaukelt, ihm die Besitzrechte an dem Mädchen abgeschwindelt worden. Bei ihrem neuen Herrn wurden die Jungen zu Dieben, die Mädchen zu Prostituierten ausgebildet und mussten lernen, sich durchzusetzen. In Rückblicken erinnert sich Aria an die Demütigungen, aber auch an ihr Training mit dem Schwert und ihre Flucht aus dieser Hölle. Weyland schafft es, den Schrecken nicht auszusparen oder gar kleinzureden und doch auf Effekthascherei zu verzichten!

Den Abschluss bildet Sacristar, ebenfalls eine Geschichte über ein in der Jugend erlebtes Trauma. Ein Junge wird gezwungen, sich aktiv an der Steinigung seiner Mutter wegen Ehebruches zu beteiligen und schwört Rache. 40 Jahre später ist er in der Position dazu. Von den damals Beteiligten und ihren Nachkommen sind nur noch die Frauen am Leben, die gelernt haben, sich zu verteidigen. Nun beauftragen diese Aria, das Problem zu lösen. Eine Geschichte mit hohem Blutzoll und doch gelingt es Weyland, die Gewalt in Frage zu stellen.

Die Zeichnungen

Verglichen mit den vorherigen Bänden hat sich die Zeichenkunst Michel Weylands schon wieder weiterentwickelt. Wie gehabt gibt er sich große Mühe, auch die Nebenfiguren auf der Straße zum Leben zu erwecken und ihnen Individualität zu geben. Anfangs hatte man das Gefühl, dass bestimmte Nebendarsteller*innen immer wieder auftreten würde. Hier ist die Varianz viel breiter geworden! Auch die „Sprechrollen“ sind noch einmal detaillierter ausgefallen und haben viel mehr Bewegungsspielraum.

Aria (und auch andere weibliche Rollen) zeigen noch etwas mehr Körper, gehen auch öfter baden als früher. Natürlich ist Erotik ein Bestandteil der Serie und bezogen auf die Coverdarstellungen auch ein Verkaufsargument. Es geht aber gerade nicht um entwürdigende Darstellungen oder Machtmissbrauch, sondern um freie, eigenständige und solidarische Frauen und sollte daher auch noch mit heutigen Augen ok sein. Zudem hat die Heldin ständig die freie Entscheidung etwas zu tun bzw. den Willen, Fremdbestimmung nicht hinzunehmen.

Das Layout bewegt sich weiterhin in sehr klassischen Schemata und erlaubt nur wenig Freiheiten. Trotzdem schafft es Weyland, damit Emotionen, Geschwindigkeitsveränderungen und Spannung zu erzeugen! Natürlich trägt die Kolorierung seiner Frau Nadine dazu nicht nur unwesentlich bei!

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Die Ausgabe

Wie schon gewohnt enthält auch Band 5 wieder eine Menge an zusätzlichen Illustrationen da jede einzelne Geschichte von ein paar Vorzeichnungen und Überlegungen des Autors zum Hintergrund eingeleitet wird. Jeder Band hat auch sein Originalcover und für die beiden mittleren wird auch das ehemalige deutsche Epsilon-Cover mit abgedruckt. Die Bände 16 und 19 sind Deutsche Erstveröffentlichungen.

Dazu gibt es ein Interview mit Michel Weyland und zwei Kurzgeschichten aus dem Jahr 1980, die nicht im Zusammenhang der Serie stehen, die zeichnerische Entwicklung aber sehr schön verdeutlichen.

Detail Ex Libris der limitierten Vorzugsausgabe

Natürlich existiert auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit einem anderen Cover und einem sehr schönen signierten ExLibris. Wer also noch ein Weihnachtsgeschenk sucht für jemand, der oder die Fantasy abseits von Conan und Game of Thrones mag, liegt hier wahrscheinlich richtig!

Dazu passen The Corrs, weiblich, folkig, mainstream und doch eigensinnig und dazu ein Aperol mit Orange und Pro Secco.

© der Abbildungen 2020 Comic Combo, Leipzig / 1994, 1995, 1996, 1997 DUPUIS by Weiland (Michael)

ZACK 257

ZACK 257 (November 2020)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Die Ausgabe für den Monat des neuen Teil-Lockdowns enthält genügend virtuelle Reisemöglichkeiten, um den eigenen vier Wänden ein wenig entfliehen zu können. Außerdem erlaubt sie ein wenig Vorfreude: Einerseits wird das letzte, in Deutschland bisher noch unveröffentlichte Jerry Spring-Album im kommenden Sommer seinen Weg in das ZACK finden, vor allem aber die aktuell beste Serie aus dem niederländischen Sprachraum: Amoras! Freut euch auf eine sehr moderne Version eines Klassikers! Und noch eine Vorbemerkung: Nur Abonnenten haben die Möglichkeit, das limitierte Michel Vaillant Spezial 1 zu erwerben. Ein ganz spannender Versuch, Sammler- und Verlagsumsatzinteressen zu vereinen, oder? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentarfelder! Und eine entschuldigung vorweg: Der Scanner ist leider auch in den Lockdown gegangen und deshalb musste ich auf Fotos zurückgreifen.

Der Neustart

Giant ist zurück! Die von Mikaël allein verantwortete Serie erzählt vom Kampf der irischen Arbeiter im New York des Jahres 1932 gegen Arbeitsbedingungen, Armut und andere Migranten, insbesondere die Italiener. Jede Nationalität hat sich ihr eigenes Revier geschaffen und verteidigt es. Giant hatte das am eigenen Leib erfahren müssen und wird jetzt von Arbeitskollegen in seine Wohnung geschleppt und dort von einem Tierarzt behandelt. Gleichzeitig haben Mary Ann und ihre Kinder Staaten Island erreicht und versuchen, in die USA einreisen zu dürfen. Mary Ann war die Frau von Giants Arbeitskollegen Ryan. Der große Ire hatte es aber nicht über sein Herz gebracht, ihr vom Tod ihres Mannes zu schreiben, sondern hatte sogar in seinem Namen geschrieben und Geld geschickt. – Eindrucksvolle Bilder, die die damalige Armut und Arbeitsbedingungen gut wiedergeben und einen Blick auf europäische Wirtschaftsflüchtlinge werfen. So lange ist das noch gar nicht her. History Graphic Novel.

Die Fortsetzungen

Schon in die zweite Runde geht Das Wüstenschwert aus der Reihe Tanguy & Laverdure. Die beiden Kampfpiloten der französischen Armee sind auf einem Einsatz im Nahen Osten und versuchen, einen Krieg zu verhindern. Laverdure war mit seiner Maschine angestürzt und auf Umwegen auf einem Minengelände im Grenzgebiet gelandet. Dort muss er feststellen, dass in dem schwerbewachten Areal illegal Bodenschätze abgebaut werden. Die islamistischen Rebellen scheinen darin verwickelt zu sein! Spannende Geschichte von Buendia und Zumbiehl die etwas erzählen, was durchaus passieren könnte, und so sehr aktuell sind. Philippe bekommt dadurch die Möglichkeit neben Fluggeräten und Luftkämpfen auch Wüsten und vor allem viele menschliche Aktionen zu zeichnen und bewältigt beide Aufgaben grandios. Politischer (aber nicht nationaler) Fliegercomic.

Auch Die Bank war im letzten Heft gestartet, bekommt aber erst jetzt das Titelbild. Boisserie & Guillaume zeichnen ein Sittengemälde über das Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Prostitution oder vielleicht besser Mätressentum ist gerade auch in den höheren Schichten gang und gäbe und verspricht noch immer Einfluss. Da Charlotte de Saint-Hubert so zwar viele Informationen bekommt, ihren Bruder aber trotzdem nicht besiegen kann, ist sie gezwungen, noch einen Schritt weiterzugehen. Maffre setzt die Texte mit eigenwilligem Strich um. Dabei legt er keinen Wert auf Schönheit, sondern auf Emotionen und schafft so eine eindringliche Stimmung! History-Thriller aus der Hochfinanz.

Weiter geht es mit Harmony. Im dritten Teil von Ago versuchen die mutierten Kinder aus ihrem Gefängnis zu entkommen. Harmony gelingt es dabei, Kontakt zu den verbündeten Erwachsenen aufzunehmen. Richards Reaktionen werden immer gewalttätiger und die ersten Toten sind bereits zu beklagen. Die Mutantenstory von Mathieu Reynés nimmt immer mehr Fahrt auf, die am Computer entstandenen Zeichnungen und vor allem ihr Layout sind sehr abwechslungsreich und unterstützen die Dynamik. Da Harmony ursprünglich für eine Magazinveröffentlichung konzipiert worden war (Spirou) sitzen die Cliffhanger natürlich perfekt! Mutanten-Science Fiction aus der Jetztzeit.

Den Abschluss (und keinesfalls das Schlusslicht) bildet Michel Vaillant. Er hatte 13 Tage Zeit, sich auf sein erstes Formel 1-Rennen seit Jahren vorzubereiten und nun ist es endlich soweit! Als er das erste Mal am Steuer des Boliden sitzt und sich zu qualifizieren versucht, kommt ihm natürlich seine große Erfahrung zu Hilfe aber wird das für eine gute Platzierung reichen? Aber es gibt ja auch noch die gute Nase des Champions. Philippe Graton und Denis Lapière sind auf den Pisten dieser Welt zuhause und können daher sehr detailliert die Abläufe beschreiben und sie in eine spannende Geschichte einbauen. Benéteau und Dutreuil sind mit ihren Zeichnungen auf gleichem Niveau! Modernisierte Form des Motorsportklassikers!

Und sonst?

Natürlich sind der Vater der Sterne und Tizombi wieder dabei aber auch mit gleich zwei neuen Auftritten der rasende Spaghetti. Wie gut, dass er seinen Weg aus dem StripGlossy in das ZACK geschafft hat. Dazu kommen News, Rezensionen, ein Artikel über die aktuelle L. Frank-Gesamtausgabe und eine tiefergehende Besprechung von Prinz Gigahertz. Wie immer also eine runde Sache. Für 4 Wochen Corona-bedingte Entschleunigung wird das natürlich nicht reichen, es ist aber zumindest schon mal ein sehr guter Anfang!

Dazu passen der vor kurzem verstorbene Soul-Interpret Johnny Nash und angesichts der viel zu warmen Temperaturen ein gekühlter moderner Riesling!

© der Abbildungen 2020 bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Jul/Achdé- Lucky Luke 99

Lucky Luke 99 – Fackeln im Baumwollfeld

Story: Jul nach Morris
Zeichnungen: 
Achdé nach Morris
Originaltitel: 
Un cow-boy dans le cotton

Egmont EHAPA Media
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 € | Hardcover 12,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-4127-3

(c) 2020 Lucky comics

In der Westernserie Lucky Luke gab es schon immer „Gastauftritte“ von berühmten Persönlichkeiten aus der Zeit des Wilden Westens, die mit dem Helden und seinem Pferd Jolly Jumper zusammen agiert haben. Dabei waren Outlaws wie Billy the Kid oder Jesse James genauso willkommen wie Richter Roy Bean oder zuletzt Gustave Eiffel. Ihnen allen war aber eines gemeinsam: Noch nie gab es eine Berühmtheit mit schwarzer Hautfarbe!

Die Geschichte – Black Lives Matter!

Fackeln im Baumwollfeld präsentiert schon auf dem Titelbild Baas Reeves der, noch als Sklave geboren, der erste farbige US-Marshall werden sollte und in seiner Karriere mehr als 3000 Gesuchte festgenommen hat. Er wird eingeführt als er die mal wieder ausgebrochenen Daltons in ihr Gefängnis zurückbringt und dabei auf den urlaubenden Lucky Luke trifft. Bei dieser Gelegenheit erfährt Luke, dass er eine Baumwollplantage in Louisiana geerbt hat. Sein Ziel ist es, das Erbe möglichst schnell an die auf der Plantage arbeitenden Schwarzen und ihre Familien zu übergeben.

Auf dem Weg dorthin muss er feststellen, dass der Bürgerkrieg zwar beendet und die Sklaverei abgeschafft ist, die weiße Bevölkerung im Süden dieses aber keineswegs gutheißt. Immer wieder kommt es zu Situationen, die für den gesetzestreuen Cowboy unerträglich sind, etwa wenn zwei Weiße einen Arbeiter lynchen wollen, weil er ihnen nicht aus dem Weg gegangen ist. Dabei spielt Jul in seinem Szenario sehr geschickt auf bekannte Figuren aus Literatur oder Politik an und verknüpft alleine mit einem Vornamen eine Assoziation bei den Leser*innen.

Nach einem bemerkenswerten Fest auf der Nachbarranch beschließen die Männer der weißen Oberschicht, in ihrer Eigenschaft als Klansmen an Luke ein Exempel zu statuieren. Es kommt zu einem sehr spannenden Showdown, der an beste Hollywood-Produktionen mit Megabudget erinnert!

Schon Band 97 war als ein Plädoyer für die Freiheit zu verstehen und dieser Impetus ist noch einmal deutlicher geworden! Achdé und Jul lassen ihre Helden sehr deutlich machen, dass jedes Leben gleich viel wert ist, dass Hautfarbe kein Kriterium sein kann („…wenn eine Klapperschlange dich umbringt, dann wenigstens nicht wegen der Farbe deiner Haut.“) und dass es Zeit wird, zu verstehen, dass Zeiten sich geändert haben!

Jul erklärt dazu „Im Wilden Westen war jeder vierte Cowboy schwarz. Ich fand die Idee wunderbar, das mithilfe einer Geschichte zu erzählen, in der es um die Freundschaft zwischen Lucky Luke und einem realen Helden geht, einem ehemaligen Sklaven, der tatsächlich gelebt hat. Die Bezüge zu aktuell drängenden Fragen sind eher zufällig. Die Absicht war, eine gemeinschaftsstiftende Geschichte zum Thema Rassismus zu erzählen und Figuren mit schwarzer Hautfarbe in den Mittelpunkt einer Comicreihe zu stellen, die zu den wichtigsten ihrer Art zählt und von einem sehr breiten Publikum aus Jung und Alt gelesen wird.

Die Zeichnungen

Achdé ist ein würdiger Nachfolger des großen Morris und die Kraft seiner Zeichnungen liegt darin, dass er nicht einfach nur kopiert, sondern eigenständige Impulse hinzugefügt hat. Die Daltons und Luke sehen im Wesentlichen aus wie immer, die Nebenfiguren wie etwa der Klanchef Quarterhouse oder der etwas unrasierte Baas Reeves haben viel mehr Details und Tiefe als frühere Figuren. Dadurch wird der Funny etwas realistischer, verliert aber nichts von seinem Charme! Und natürlich stellt sich angesichts der aktuellen Diskussionen um Vorurteile die Frage, ob rassistische Stereotype verwendet worden sind. Ich denke, dass sich Achdé hier viel Mühe gegeben hat, diese zu vermeiden.

In seinen eigenen Worten formuliert Achdé das so: „Von Morris und auch von Uderzo habe ich gelernt, wie wichtig die Charakterisierung einer Figur ist: Der Leser muss auf den ersten Blick wissen, mit wem er es zu tun hat. Die Gefühle der Figur müssen ihr ins Gesicht geschrieben stehen, und das geht häufig über die Augen und den Mund. Natürlich hätte ich gern noch mehr bekannte Personen einfließen lassen, zum Beispiel Morgan Freeman oder Forest Whitaker. Aber diese Vorschläge wurden verworfen. Immerhin konnte ich den echten Bass Reeves zeichnen mithilfe einer der einzigen beiden Ganzkörperaufnahmen, die von ihm existieren. Die reichen Weißen zu verunglimpfen, die Großgrundbesitzer, die kein Erbarmen mit den schwarzen Farmern haben – das ist mir dagegen eher leichtgefallen. Bei meinem letzten Aufenthalt in den USA habe ich einen Eindruck davon bekommen, was echter Rassismus ist, und das hat mich nachhaltig geprägt. In das Album habe ich all das gepackt, was ich am meisten hasse: Dummheit, Hass und unbegründete Boshaftigkeit.

Sogar das Layout ist etwas flexibler geworden und verlässt das strikte vierreihige Raster für eine vertikale Anordnung! Selbst die kleinen Nebenfiguren, etwa der Frosch im Sumpf oder die Krokodile, sind liebevoll gezeichnet und nicht etwa nur Dekoration. Im humoristischen Bereich für mich die bisher beste Publikation des Jahres!

Die Ausgaben

Aktuell gibt es nur die Kiosk-Softcover-Variante der ab dem 5. November ein Hardcover (für 12,00 €) folgen wird. Fast alle LL-Abenteuer eignen sich für das mehrmalige Lesen und bieten genügend Details, die beim letzten Mal noch unentdeckt geblieben sind. Das trifft übrigens sowohl auf die textlichen Hinweise als auch die grafischen „versteckten“ Elemente zu! Jede*r möge also selbst entscheiden, welche Variante dafür besser geeignet erscheint!

Im Vorwort bedankt sich Achdé bei dem vor Kurzem verstorbenen Albert Uderzo für alle Inspiration und Hilfe. Lucky Luke hat sich mittlerweile zu einer Serie entwickelt, die Asterix an parallelen Anspielungen und Hinweisen für unterschiedliche Altersgruppen noch übertrifft und die wie keine andere Spannung, Spaß, Unterhaltung und politisches Eintreten für die Freiheit Aller kombiniert!

Also: Fackeln im Baumwollfeld ist ein absolutes Lesevergnügen, das in diesen sehr stark auf Corona fixierten Zeiten den Blick auf nicht minder wichtige Herausforderungen lenkt. Natürlich darf (und soll) man die beschrieben Zustände nicht 1:1 auf die heutige Situation übertragen, Leser*innen dürfen sich aber fragen, ob alle Probleme schon erledigt wären.

Dazu passen ein Bier aus der Cajun Fire Brewing Company und The Specials -Encore!

© der Abbildungen 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Loisel/Tripp – Das Nest GA 1

Gesamtausgabe Band 1: Marie – Serge – Die Männer

Story: Régis Loisel & Jean-Louis Tripp
Zeichnungen: Régis Loisel & Jean-Louis Tripp

Originaltitel: Magasin Général – Livre 1

Carlsen Verlag
Hardcover | 248 Seiten | Farbe | 36,00 €
ISBN: 978-03-551-76095-1

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Das Nest ist eine weitere Glanzleistung des Franzosen Régis Loisel. Schon seine erste Serie Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit eröffnete dem Fantasy-Genre neue Perspektiven. Mit seiner Interpretation von Peter Pan brachte er den Stoff zurück zu seinen Ursprüngen als Stoff für Erwachsene. Sein Partner Jean-Louis Tripp kommt ebenfalls aus Frankreich und ist bereits seit Jahren als Comiczeichner tätig, blieb auf dem deutschen Markt allerdings eher ein Geheimtipp. Seit mittlerweile fast 20 Jahren hat er eine Kunstprofessur in Quebec. Auch Loisel zog es nach Kanada und die beiden haben dort ein gemeinsames Atelier, in dem unter anderem ihre Gemeinschaftsarbeit Magasin Général entstanden ist.

Die Story

Loisel hatte schon länger die Idee, eine Erzählung über ein abgeschiedenes Dorf in der Vergangenheit zu erzählen. In gemeinsamen Gesprächen änderten sich sowohl die geographische als auch die zeitliche Verortung und so kam es zu dem kleinen Laden in Notre-Dame am See in der kanadischen Abgeschiedenheit in der Nähe von Quebec, der in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts den Mittelpunkt des Dörfchens bildet. Es gibt einen Pfarrer, der die Stelle gerade angetreten hat, einen Einsiedler und drei Witwen, die das konservative Rückgrat der Moral bilden. Der Besitzer des Ladens ist gerade verstorben und seine Frau Marie, eine Zugezogene, muss ihre Rolle neu finden. Die meisten Männer des Ortes sind die meiste Zeit des Jahres nicht anwesend, sondern verdingen sich „im Wald“.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Marie beschließt nach reiflicher Überlegung, den Laden in Eigenregie fortzuführen. Für die damalige Zeit ist das fast schon ein Affront, denn Frauen haben solche Dinge nicht zu tun. Es wird aber auch der Widerspruch deutlich zwischen den warmen Worten über den Verstorbenen auf der Beerdigung und den Aussagen über den Geschäftsmann und so hat Marie nicht nur mit den Vorurteilen gegenüber Frauen zu kämpfen sondern auch mit dem Unwillen von Handarbeitern gegenüber Handeltreibenden.

Im zweiten Band strandet ein Motorradfahrer, Serge, in dem Örtchen. Da Winter herrscht, die Straßen fast unpassierbar sind und die Maschine zudem erst repariert werden müsste, bleibt Serge in dem Örtchen und nimmt zunächst bei Marie Quartier. Der Pfarrer muss schließlich für die Befriedung im Ort sorgen, denn die moralische Instanz verbietet, dass Nebeneinanderher-Leben unter einem Dach von zwei unverheirateten Personen unterschiedlichen Geschlechts. Serge entpuppt sich als begeisterter Koch und startet eine Neuheit in dem kleinen Örtchen: Ein Restaurant.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Natürlich mögen die zurückkehrenden Männer des Dorfes die in ihrer Abwesenheit eingetretenen Veränderungen gar nicht. Gebildete Männer mit Umgangsformen gefährden das traditionelle Gefüge, vor allem in Zusammenhang mit der selbständigen Marie, die ebenfalls ein „schlechtes“ Vorbild abgibt.

Die Zeichnungen

Während die Story von beiden gemeinsam entwickelt worden ist, herrscht bei den Zeichnungen in gewisser Weise ein aufeinander aufbauender arbeitsteiliger Workflow vor. Zunächst erstellt Loisel in Form von Bleistiftzeichnungen seine Vorstellungen von der Seite, anschließend kreiert Tripp die Reinzeichnungen, die dann von Francois Lapierre koloriert werden. Dankenswerter Weise enthält die vorzügliche Gesamtausgabe auch ein paar Beispiele der originalen Entwürfe so dass die Entwicklung deutlich wird.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Den Figuren sind die harte Arbeit und die schwierigen Bedingungen anzumerken. Sie sind nicht gestylt, haben keine Modelmaße und sollen nicht „schön“ sein. Sie sind ehrlich, haben überzeichnete Ecken und Kanten und sind sogar leicht karikierend dargestellt. Dadurch unterstützen die Zeichnungen aber die Geschichte und drängen sich nicht in den Vordergrund! Vom Aufbau her ist das Werk sehr klassisch: Jede Seite hat drei in ihrer Höhe variierende Panel-Reihen mit eckigen Kästen. Auch diese Ordnung unterstützt aber den Fluss der Geschichte, die von so vielen Regeln getragen wird. Zwar werden diese alle hinterfragt, das Leben läuft aber weiter.

Die Ausgabe

Dem ersten Band mit den Originalalben Eins bis Drei beigefügt ist neben den schon erwähnten Vorzeichnungen ein illustrierter Essay von Sarah Hurlburt über das Werk und seine graphischen und erzählerischen Symbole. Gerade für europäische Leser*innen ganz hilfreich!

Das im Hardcover verwendete Papier ist dick genug, um nichts durchscheinen zu lassen, aber trotzdem angenehm in der Hand. Die Farben sind leicht matt, aber kräftig und die Ausgabe daher sehr wertig! Da sich die einzelnen Bände auch nicht an die übliche 48-Seiten-Begrenzung halten ist angesichts des Umfangs auch der Preis vollkommen angemessen.

Das Nest wird auf dem Backcover als Graphic Novel angepriesen. Im eigentlichen Sinne ist es das auch, denn hier wird mit graphischen Mitteln eine Erzählung präsentiert. Die Autoren haben wirklich etwas zu sagen und präsentieren gesellschaftliche Entwicklungen und Brüche, allerdings in einer sehr gut dargebotenen Form. Werke mit diesem Schlagwort haben oft genug zurecht damit zu kämpfen, dass ihr Inhalt zwar gut gemeint ist, ihre Form aber dem Massengeschmack nicht entspricht. Hier haben wir beides!

Für mich war die Gesamtausgabe dieses modernen Klassikers lange überfällig und gehört zu den diesjährigen Spitzentiteln! Loisel und Tripp sind Meister ihres Faches und das gemeinsame Werk gehört in jede gut sortierte Sammlung!

Dazu passen ein Ricard mit Wasser und Eis und Musik von Les Négresses Vertes!

© der Abbildungen 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Goscinny/Uderzo – Der Goldene Hinkelstein

Der Goldene Hinkelstein – Ein Abenteuer mit Musik

Story: René Goscinny
Zeichnungen: 
Albert Uderzo
Originaltitel: 
Asterix – Le Menhir D´Or

Egmont EHAPA Media www.asterix.com
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 €  | Hardcover 13,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-4128-0

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Geschichte

Seit einigen Jahren sind wir es gewohnt, im Oktober jedes ungeraden Jahres ein neues Abenteuer der Gallier serviert zu bekommen. Die Presse schlägt Kopf, die Druckmaschinen kochen und seit dem unsäglichen Gallien in Gefahr sind zwar nicht alle zufrieden, die Qualität der Stories hat aber wieder deutlich zugelegt und vermag alte und neue Leser*innen zu begeistern. Zu den Anfängen der Serie und der Tochter des Vercingetorix hat comix-online bereits berichtet.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

In geraden Jahren jedoch fehlt Neues von Asterix und so kommt der Fund einer bisher in Deutschland noch unveröffentlichten Geschichte aus der Frühzeit der Serie gerade recht! Wir treffen die bekannten Figuren, bis auf Idefix, und das bekannte Szenario: Der Barde Troubadix glaubt, dass er ein begnadeter Sänger wäre und möchte daher den Gesangswettbewerb der gallischen Barden im Karnutenwald gewinnen.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Asterix und Obelix beschließen, ihn zu begleiten und ihn vor dem möglicherweise aufgebrachten Publikum zu beschützen. Und dann ist da noch der römische General Eucalyptus: Ihm fehlt die Kultur Roms und so beauftragt er seinen Zenturio, den besten Sänger zu entführen.

Die Darbietung

Wer einen Comic erwartet hatte ist möglicherweise etwas enttäuscht. Wie angekündigt handelt es sich um Illustrationen zu einem Hörspiel, das ursprünglich auf Vinyl von einem Beiheft begleitet worden war. In Deutschland war dieses Hörspiel bisher unbekannt. Jetzt ist nicht nur das Beiheft etwas großzügiger layoutet und dem Format der „Großen Asterixbände“ angepasst, auch den Text (und vor allem den Gesang der Helden gibt es zeitgemäß als Stream! Der Link per QR-Code befindet sich im Album.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Zeichnungen von Uderzo sind wie gewohnt nahezu perfekt und erst vor kurzem restaurieret worden. Durch die großflächige Darbietung wirken sie sogar noch besser als als kleines Panel im Seitenlayout! Der Meister hatte diese Überarbeitungen noch beaufsichtigen können und so ist sichergestellt, dass die Zeichnungen wirklich Uderzo enthalten. Der Text ist locker, flockig und witzig! Die Fans von Goscinny werden sich bestätigt fühlen und ihn weiterhin als den größten Asterix-Texter verehren.

Für jeden Asterix-Fan ein Muss! Auch das Hörspiel lohnt sich durchaus, hat der Barde doch ähnliche Qualitäten wie viele andere der gerade angesagten deutschsprachigen Künstler, zeitbedingt fehlt allerdings der Tontechniker. Wie immer gibt es eine Kiosk-Ausgabe und ein Hardcover für den Buchhandel.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Dazu passen eine lauwarme Cervisia, alternativ ein Pils mit dem Zusatz Gold oder Mild, und das aus dem gleichen Jahr stammende I’m a Believer von The Monkees!

© der Abbildungen Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

ZACK 256

ZACK 256 (Oktober 2020)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Alles neu macht in diesem Fall der Oktober und so erscheint das ZACK ab dieser Ausgabe über alles gesehen bei dem dritten Verlag, nämlich der Blattgold GmbH. Ansonsten ändert sich aber wenig, denn Internet und social-media Auftritte bleiben unverändert, die Chefredaktion auch! Für Abonnent*innen gibt es allerdings jetzt die Möglichkeit, neue limitierte Titel der ZACK-Edition zu erwerben. Sie sind nur mit der jeweiligen Abo-Nummer bestellbar und dienen somit auch der Leser*innenbindung. Der erste Band ist eine Sammlung von Werbecomics des klassischsten unter allen ZACK-Helden: Michel Vaillant. Ein interessanter neuer Ansatz auf dem schwierigen Markt – comix-online wird weiter berichten!

Die Neustarts

Gleich zwei Serien gehen mit neuen Fortsetzungen an den Start: Den Anfang machen die französischen Kampfpiloten Tanguy & Laverdure. Das Wüstenschwert schließt direkt an die letzte Geschichte an und so findet sich Ernest Laverdure mitten in der Wüste Bidayat neben seinem abgestürzten Flugzeug wieder. Er befindet sich im Grenzgebiet von Dahman und Nijaq das von scheinbar religiös begründeten Streitigkeiten bedroht wird, aber auch Gebiet von Drogenschmugglern und wirtschaftlichen Ausbeutern ist. Da die Region von strategischer Bedeutung für Frankreich ist, befinden sich die beiden Piloten dort auf offizieller Mission. Grandiose Zeichnungen von Sébastien Philippe unterstützen eine politisch interessante, spannungsgeladene Story von Patrice Buendia und Frédéric Zumbiehl. Sehr gelungene Neuinterpretation eines Klassikers, immer noch etwas französisch patriotisch, aber offen!

Ebenfalls wieder dabei ist Die Bank von Pierre Boiserie & Philippe Guillaume. Die Milliarde der Emigranten beginnt im Paris des Jahres 1825. Charlotte de Saint-Hubert, die Heldin der Story, glaubt aufgrund eines neuen Gesetzes ihr verlorenes Vermögen zurückerhalten zu können und beginnt den mühsamen Weg durch die Bürokratie. Dadurch könnte sie vielleicht ihre Tätigkeit als Prostituierte aufgeben, doch sie stößt auf unerwartete Schwierigkeiten. Julien Maffre ist ein Meister des Dekors und der Architektur und versieht seine Personen mit einem leicht karikierenden Antlitz. Sehenswert!

Die Fortsetzungen

Mathieu Reynés macht bei Harmony alles allein. Die Erzählung über mutierte Kinder mit besonderen Eigenschaften und den Versuch des militärisch-industriellen Komplexes, diese Fähigkeiten auszubeuten, ist bereits in der dritten Runde, Ago, und bekommt immer mehr handelnde Akteure. Während sich auf der staatlichen Seite der Konflikt um die „Führung“ der Kinder fortsetzt, bekommen diese ohne es zu wissen neue Verbündete. Spannende, modern erzählte und mit technischem Equipment grafisch gut erzählte Serie aus Spirou.

Der oben bereits angesprochene klassische Rennfahrer erlebt auch in seiner modernen Reinkarnation gerade spannende 13 Tage. Genau diese Zeit verbleibt Michel Vaillant zwischen Entscheidung und erstem Formel 1-Rennen seit Jahren für seine Vorbereitung. Philippe Graton und Denis Lapière sind ganz dicht dran am tatsächlichen Ablauf und so erfahren wir mehr über das Reglement bezüglich der Trainingsfahrten. Alles ist heutzutage limitiert und so darf der Pilot in Spe immer noch nicht hinter dem Steuer seines Wagens Platz nehmen. Währenddessen fängt die Presse an, ihr Spiel zu spielen. Der Grat zwischen Held und Loser ist sehr schmal.

Der Abschied

Der für mich bisher beste Western des Jahres ist leider schon wieder durch. Der Sheriff von Jérôme Felix beschreibt sehr desillusioniert den Übergang des Zeitalters der Cowboys in das industrielle Zeitalter, das von Eisenbahnen und Konzernen geprägt sein wird. Es bringt aber auch die Unterschiede zwischen Schein und Wirklichkeit, Moral und Gewinn zum Vorschein. Paul Gastine hat den One-Shot brillant umgesetzt: wechselnde Panel-Größen unterstützen die Geschwindigkeit, die Farben werden von den anfänglich hellen optimistischen Tönen immer dunkler und der klassische Show-Down offenbart die filmischen Anleihen!

Und sonst?

Auch im neuen Verlag beweist das ZACK seine Ausnahmestellung auf dem deutschen Markt: Nirgendwo sonst bekommt man als Leser*in einen so großen Querschnitt aktueller, nicht US-amerikanisch oder asiatisch geprägter Comic-Kunst und die Ankündigungen im Vorwort für neue Serien deuten an, dass es so weiter geht!

Die „Füller“ wie Tizombi, Parker & Badger und in dieser Ausgabe sogar der Vater der Sterne tragen ebenfalls zum Genuss bei! Dazu kommen wie immer die Rubriken mit News, Rezensionen und einer Liste der in diesem Monat erscheinenden Comics mit hohem Nutzwert. Der schon neunte Teil über Comicverfilmungen von Bernd Hinrichs ist mittlerweile bei den Schlümpfen angekommen und Christian Endres stellt Unfollow vor.

Also: Bleibt zuhause und macht euch eine schöne Zeit mit dem aktuellen ZACK, genießt ein kühles Kellerbier und lauscht den Interruptors, die ebenfalls eine moderne Variante einer klassischen Richtung abliefern!

© der Abbildungen 2020 bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Warnauts/Raives – Venezianische Affären 3

Gesamtausgabe Teil 3

Story: Eric Warnauts, Guy Raives

Zeichnungen: Guy Raives, Eric Warnauts

Originaltitel: Les suites Véntiennes 7-9 (Intégrale 3)

Panini Comics
Hardcover Überformat | 152 Seiten | Farbe | 32,00 €
ISBN: 
978-3-7416-1952-6

Venedig war jahrhundertelang eine ernstzunehmende Größe im Konzert der Mächtigen. Obwohl pro forma Republik, war sie ein aufgrund eines sehr ausgeklügelten Systems fest in der Hand weniger adliger Familien, deren Führungsgremium der Rat der Zehn war. Der Reichtum basierte dabei auf einer Kombination aus militärischer und (vor allem) wirtschaftlicher Macht.

Masken, Morde und viel Gold

Zur Zeit der Geschichte von Warnauts und Raives war die Vormachtstellung allerdings bereits passé und die Herrscher Venedigs in Abwehrkämpfe verwickelt. Band 1 der Venezianischen Affären berichtete von der Verurteilung Allessandro Beltrames wegen Mordes und seiner Verbannung aus der Stadt, Teil zwei von seinen Erlebnissen in Übersee. Nun ist er wieder in Venedig und versucht einerseits Rache zu nehmen, andererseits aber auch, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Dabei ist die Story von Eric Warnauts und Guy Raives sehr vielschichtig: die führenden adeligen Familien sorgen sich um die Aktionen der verarmten Teile des Adels, fürchten Verrat und Kollaboration mit dem Feind. Dann gibt es noch die undurchschaubare Clara, Schwester, Geliebte und mit obskuren Mächten im Bunde, den ausgeglichenen Muhammad Moussa, der für die Freiheit der Sklaven kämpft, die undurchschaubare und verführerische Dorina und natürlich die Serenissima, die einer Spinne gleich versucht, die Fäden zu ziehen.

Für die Leser*innen ermöglicht diese Gemengelage eine abwechslungsreiche Erzählung, die von Festen in Abendkleidern direkt zu einem Kampf auf Leben und Tod mit dem Degen auf den Dächern Venedigs springen kann. Das Schicksal der Sklaven aber auch ihre Aufstände kommen in Rückblicken zum Tragen wie auch die Herkunft und der Verbleib der Goldbarren, die Karrieren sowohl retten als auch zerstören könnten. Da die Erzählung von Anfang an auf eine Mehrzahl von Bänden angelegt war, können die beiden Autoren weit ausholen und Details verknüpfen.

Die Gesamtausgabe der letzten drei Teile Abenddämmerung über der Lagune, Clara und Die Serenissima erlaubt es uns wiederum, diese Querverbindungen auch noch aktiv im Kopf zu haben. Das dürfte deutlich schwieriger fallen, wenn nur 48 Seiten pro Jahr erscheinen.

Grandiose Stadt in ebensolchen Bildern

Die Beiden haben nicht nur zusammen getextet, sondern auch zusammen gezeichnet. Am allermeisten gefallen mir dabei die wirklich fantastischen Bilder, die Venedig zeigen: Kanäle, Architektur aus der Dachperspektive oder von den Plätzen aus und Interieurs von Verwaltungsgebäuden, Palästen und sakralen Bauwerken. Das ist wirklich gut gelungen!

Auch die Körper der Figuren sind geglückt und bewegen sich sowohl in Kampfszenen als auch bei ruhigen Aktionen gut im verfügbaren Raum. Teilweise nutzen sie die Möglichkeit, die Anatomie des Körperbaus ohne umhüllende Kleidung zu zeigen, vor allem in den beigefügten zusätzlichen Illustrationen gelingt auch das gut. Die Gesichter und vor allem die Mundpartien sind allerdings eine Schwachstelle und so ist es gut, dass immer wieder Masken zu sehen sind!

Must have?

Nun ja, die Gesamtausgabe ist sicherlich kein Must Have. Sie ist aber trotzdem eine Zierde jeder Sammlung: Eine über neun Bände laufende stringente Story mit vielen, parallellaufenden Strängen, die sowohl als Krimi, als History und als Liebesgeschichte gelesen werden kann. Dazu kommen grandiose Bilder und eine hervorragende Aufmachung in stabilem Hardcover mit dicken Seiten und satten Farben! Der Anhang mit erläuternden Worten zur Entstehung von Eric Warnaut und vielen Zeichnungen und Illustrationen tut ein Übriges!

Der Genuss lässt sich steigern durch die leicht süß-sauren Klänge der Regrettes und einen Mom-Gin mit Russian Wild Berry.

© der Abbildungen Editions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) 2017 by Raives, Warnauts, c/o Panini Verlag

Loukia – Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Autor: Bastien Loukia nach Fjodor Dostojewski

Zeichner: Bastien Loukia

Originaltitel: Crime et Châtiment

Knesebeck Verlag

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 25,00 €

ISBN: 978-3-95728-442-6

Ich muss gestehen, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob ein russischer Klassiker als Comic funktionieren würde. Emotionale Dramatik, viele Personen und nicht zuletzt Handlungsmuster und gesellschaftliche Konstrukte, die seit langer Zeit veraltet sind. Würde die implizit als bekannt vorausgesetzte moralische Ebene noch grafisch umsetzbar sein? Würden sich die ausschweifenden Erklärungen abbilden lassen? Ähnlich äußert auch der Künstler selbst seine Vorbehalte.

Der Inhalt – russische Emotionen

Ich muss allerdings sagen, dass Bastien Loukia die Aufgabe hinbekommen hat! Verbrechen und Strafe umfasst in der deutschen Taschenbuchausgabe mehr als 750 engbedruckte Seiten und Fjodor Dostojewski formuliert entsprechend der russischen Literaturtradition der damaligen Zeit einerseits sehr genau, andererseits lässt er sich aber auch Zeit um alles detailliert zu beschreiben. Zudem ist die Frage der gesellschaftlichen Stellung eines Studenten mittlerweile eine ganz andere, viel weniger wichtige. Was es dagegen immer noch gibt ist, dass Frauen sich selbst zugunsten der Familie opfern wollen oder müssen und dass Süchtige im Spiel oder für den Suff alles vernichten: ihr Leben aber auch das ihrer Angehörigen.

Der Held dieses Stückes Rodion Raskolnikow ist ein in Armut lebender Student der Rechte. Er muss um überhaupt über die Runden zu kommen persönliche Erinnerungsgegenstände verpfänden und empfindet die Wucherzinsen der Pfandleiherin, ja, ihren Stand als so ungeheuerlich, dass er beschließt sie zu töten. Da er bei dieser Tat angetroffen wird, verübt er noch einen weiteren Mord.

Er wird vom Untersuchungsrichter Petrowitsch der Tat verdächtigt doch ein Unschuldiger gesteht zunächst die Tötungen. Raskolnikow gerät aber immer tiefer in die moralischen Verstrickungen, fürchtet sich vor Entdeckung und muss erkennen, dass seine Tat nicht etwa aus einer hohen moralischen Überlegenheit gegenüber der Wucherin, sondern aus persönlichen, niedrigen Beweggründen geschah.

Die Umsetzung – französische Finesse

Loukia schafft es nicht nur, die lange Geschichte in ihren wesentlichen Zügen auf rund 150 Comicseiten sehr verständlich wiederzugeben, sondern gleichzeitig noch einen tiefen Einblick in die ärmlichen Lebensverhältnisse in St. Petersburg zu geben. Gemeinschaftsunterkünfte, Prostitution zur Sicherung des Überlebens, Gewalt und schimmlige Wohnungen sind sehr eindrücklich gelungen und bleiben vermutlich noch längere Zeit im Gedächtnis präsent.

Mit Sicherheit hätte Dostojewski (zurecht) die Kategorisierung seines Romans als „Horror“ weit von sich gewiesen, die Darstellung des inneren Konfliktes Raskolnikows‘ und die Umsetzung seiner Alb- und Fieberträume kommt dem aber schon recht nahe. Und das ist dann auch die Brücke zur Neuzeit: Mögen sich die gesellschaftlichen Verhältnisse und Moralvorstellungen noch so sehr auf ihre Zeit beziehen, der innere Konflikt, der durch das Überschreiten der Grenzen ausgelöst wird, ist immer der gleiche!

Deutsche Schriftsteller haben immer gerne die gesellschaftliche Frage gestellt, ihre russischen Kollegen haben sich dagegen mehr auf die Moral und das Gewissen konzentriert. Bastien Loukia genügen kleine Veränderungen in der Darstellung des Gesichtes, der Körperhaltung, um diese psychologischen Tiefen deutlich zu machen. Beim Lesen sind tatsächlich die Details wichtig, die Stellung der Augenbrauen als Merkmal zum Beispiel. Wenn nötig wechselt Loukia auch vom strengen Reihenaufbau der Seiten in einen aufgelockerten, manchmal sogar in eine ganz freie Aufteilung.

Auch wenn er sich teilweise an Gemälden von Kasimir Malewitsch orientiert und die Bildsprache komplett wechselt, nie stehen die Zeichnungen um ihrer selbst willen dar, sondern dienen immer nur dem Fortgang der Erzählung.

Die Wertung

Verbrechen und Strafe ist sicherlich keine leichte Kost und erfordert mehr als ein Handtuch am belebten Strand. Es lädt sogar dazu ein, mehrfach gelesen werden zu wollen. Diese Herausforderung lohnt sich aber, denn Loukia bietet das brillante Ergebnis einer Auseinandersetzung, das Moderne und Original verbindet, das zeitlos Interessante präsentiert und die zeitgebundenen Stilelemente weglässt.

Insofern passt auch die Veröffentlichung durch von dem Knesebeck! Der Verlag hat in den letzten Jahren immer wieder Kleinode der Comickunst präsentiert, ohne dabei Trends hinterherzulaufen! Die Graphic Novel kommt im klassischen Albenformat daher, gebunden als Hardcover und auf stabilem, leicht glänzendem Papier. Der Preis von 25€ ist dabei vollkommen angemessen! Es bleibt zu hoffen, dass diese Ausgabe ein angemessen breites Publikum finden und nicht nur in Slawistik-Bibliotheken stehen wird. Verdient hätte sie es!

Dazu passen eine Kombination aus heißem schwarzem Tee und kaltem Wodka und die sehr spannenden Iva Nova!

© der Abbildungen 2020 von dem Knesebeck GmbH & Co Verlag KG, München / 2019 Éditions Phillipe Rey

Swysen/Bazile – Chaplin

Ein Leben für den Film

Autor: Bernard Swysen

Zeichner: Bruno Bazile

Originaltitel: Les étoiles de l´histoire: Chaplin

Panini Comics

Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 20,00 €

ISBN: 978-3-7416-1951-9

Ein schwieriger Mann

Biografien sind prinzipiell immer spannend: die beschriebenen Personen haben etwas Besonderes und taugen daher als Vorbild oder zur Abschreckung. Zudem müssen sie bekannt genug sein um potenzielle Käufer*innen anzulocken, denn der Verlag will ja schließlich auch leben. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass sich um die Person entweder Mythen ranken oder aber Skandale.

Bei Charles Chaplin ist es eine Mischung aus allem: Ein berühmter Schauspieler und Regisseur, der es irgendwann geschafft hat aus der Stummfilmzeit in die Moderne zu wechseln, mit der Figur des Tramp ein „Erfinder“ im Bereich der Comedy, als Mitbegründer der „United Artists“ ein Pionier des Autorenkinos und ein skandalumwitterter Lebemann der mehrfach Minderjährige heiraten musste um die Schwangerschaft zu legalisieren.

Bernard Swysen beschreibt den Menschen dahinter sehr liebevoll. Beginnend mit seinem Start in einfachen und immer einfacher werdenden Verhältnissen und Rückschlägen in der Theaterkarriere erzählt er das Hadern des jungen Chaplin mit seiner Heimat England und seiner traditionellen Strenge. In Amerika fand er Weite, Anerkennung und das Gefühl, dass jede*r etwas werden kann.

Swysen beschreibt aber auch die Enttäuschungen, die Charles mit seinen Frauen erlebte. Irgendwie waren seine ersten Ehefrauen immer nur hinter dem Geld, dem Glamour und der Abfindung her. Die Kritik an Chaplin, der sich immer wieder mit jungen, minderjährigen Mädchen vergnügte und damit die Grundlage für das spätere Verhalten selbst zu verantworten hatte, wird zwar erwähnt, hätte aber auch prominenter seien können. Seine übertriebene, fast schon zwanghaft Akkuratesse wird dagegen deutlich und lässt erahnen, warum er oft genug mit sadistischen und diktatorischen Zügen beschrieben worden ist.

Neben der glücklichen Zeit mit Oona, seiner wohl vierten Frau, stehen auch seine Filme und ihre Rezeption sowie die Vorwürfe im Nachkriegsamerika wegen angeblicher Zersetzung und kommunistischer Ideen im Mittelpunkt. Schließlich erklärte sein Wunschland, dass es ihn nicht mehr wolle und so wurde die Schweiz zu seinem Refugium.

Die Zeichnungen

Bruno Bazile ist in Frankreich durchaus bekannt, hat er doch unter anderem die Geschichten um Sarkozix verfasst. Da diese sich aber mit französischer Innenpolitik beschäftigen ist eine Übersetzung kaum wahrscheinlich. Aber er ist auch noch für ein paar andere Serien verantwortlich. In dieser Graphic Novel beweist er, dass er sich nicht zu verstecken braucht. Seine Zeichnungen von Chaplin und seinen Begleitern erlauben es, die Figuren altern zu sehen. Auch bekannte Schauspieler wie etwa Douglas Fairbanks und natürlich sowohl der „echte“ Chaplin als auch seine Filmfiguren sind gut getroffen.

Regelmäßige Leser*innen von comix-online wissen, dass eines meiner Qualitätskriterien die Mundpartie ist. Oft genug fällt den Künstler*innen nichts anderes ein, als immer wieder die gleiche Lippenstellung mit einer weißen Füllung zu präsentieren. Bazile bietet zwar auch noch etwas Luft nach oben hin zu einer realistischen Darstellung, ist aber sehr flexibel und trifft fast immer den richtigen Ausschnitt und Winkel!

Die Ausgabe

Ansonsten bewegt sich der Band mit seinen 70 Comic-Seiten auf klassischen frankobelgischen Pfaden. Ruhiges Layout, detaillierte Hintergründe und durch das Überformat auch visuell sehr ansprechend! Dankenswerter Weise gibt es auch noch einen Anhang mit einer Übersicht aller Filme von Charles Chaplin, übersichtlich sortiert nach Jahr und Studio und ein paar Fotos aus seinem Leben. Insofern eine runde Sache!!

Dazu passen eigentlich eher dramatische Klänge ohne Gesang, am besten mit ein wenig Knistern. Wäre mir aber ehrlich gesagt zu langweilig ohne den dazu laufenden Film. Daher also in Erinnerung an den gerade verstorbenen Toots Hibbert die Empfehlung für Toots & the Maytals mit „Reggae Got Soul“ und dazu ein Gin Tonic!

© der Abbildungen 2020 Panini Verlags Gmbh / DUPUIS 2019, by Swyers, Bazile | Charlie Chaplin TM © Bubbles Inc. S. A.

Gratis Comic Tag 2020 – weitere Perlen

GCT 2020 zum Vierten – persönliche weitere Empfehlungen ohne „Rubrik“

Nun steht der Gratis Comic Tag 2020 also wirklich kurz vor der Tür! Comix-online hat bereits einige der diesjährigen Gratishefte vorgestellt: Western, von deutschsprachigen Künstler*innen und für Kids. Es gibt aber noch so viel mehr, dass eine letzte kleine subjektive Liste folgen soll. Dieser Liste werden keine Comics fernöstlicher Stilrichtungen angehören; Nicht, dass mir nicht der eine oder andere Titel durchaus gefallen würde, ich traue mir selbst schlichtweg nicht zu, auch nur halbwegs eine Einordnung hinzubekommen und so würde ich über ein „Das gefällt mir“ nicht hinauskommen. Ich gelobe Besserung.

Illustration: Artur Fast

Alle Infos zum GCT, insbesondere eine Suchmaschine für Aktionen in eurer Nähe und alle Titel findet ihr auf der offiziellen Seite.

Die Rückkehr aufs Land

Jean-Yves Ferri und Manu Larcenet haben ein (mittlerweile) dreibändiges Meisterwerk verfasst, das durch Corona eine ungeahnte Aktualität erfahren hat. Viele Großstädter haben sich während des Lockdowns überlegt, dass eine Kleinstadt doch auch Vorteile hätte: Die Konkurrenz um das Klopapier ist geringer, der Garten bietet mehr Auslauf als der Etagenbalkon und die Fahrten zur Arbeitsstelle fallen schließlich bei Homeoffice weg. Die Rückkehr aufs Land beschreibt in kurzen Episoden alle Tücken, die jetzt eben gefehlt haben und lässt das Knollenmännchen, mehr noch aber seine unerschütterliche Frau Prüfungen bestehen, die teilweise nur mit Kartons zu bewältigen sind. Sehr liebevolle Halbseiter die auf Deutsch bei Reprodukt erschienen sind.

Roald Dahl reloaded

Hexen hexen ist ein Kinderbuchklassiker des bereits 1990 verstorbenen Autoren Roald Dahl. Er erscheint immer wieder in neuen Fassungen und ist in der von Pénélope Bagieu Teil des Reprodukt-Beitrages zum GCT 2020. Oma muss als Ablenkung Geschichten erzählen, um von der Trauer abzulenken und Geschichten über Hexen eignen sich dazu besonders, denn schließlich gibt es ja keine, oder doch? Liebevolle Geschichte, die aber für sehr zartbesaitete nicht ganz geeignet ist. Bagieus Zeichnungen sind kantig, nicht einfach und schon gar nicht weichgespült. Trotzdem oder viel eher gerade deswegen kann man als Leser*in aber glauben, dass Sorgen ernst genommen werden und findet möglicherweise die gewünschte Ablenkung.

Klassische und urbane Sagen

Klassiker zuerst: Unter dem Label „Mythen der Antike“ werden klassische Stoffe neu aufbereitet und geraten dadurch vielleicht wieder in den Blickwinkel der jungen Generation. Falls nicht, finden sich wenigstens ältere Leser*innen, die die Geschichten nur wiederauffrischen wollen. Als Beispiel findet sich der komplette erste Teil (von drei) der Ilias im Programm. Clotilde Bruneau hat den Text aufbereitet, Pierre Taranzano hat das Ganze in schöne Bilder gepackt. Klassische frankobelgische Schule (allerdings mit teilweise computergenerierten Hintergründen) aus dem Hause Splitter.

Die Entstehungsgeschichte der Teenage Mutant Ninja Turtles behandelt dagegen moderne urbane Mythen. Im klassischen Schwarz-Weiß müssen die mutierten Schildkröten ihren bis dato größten Kampf gegen Ninjas durchstehen. Mehr von Eastman und Laird’s Epen bei Dani Books. Als Zugabe präsentiert dieses Heft ein paar Entwürfe und Illustrationen und lohnt sich schon deswegen!

Fantastisches London

Viktorianisches England, Crime and Suspense, Fantastische Begebenheiten und eine unerschrockene Heldin sind die Ingredienzien dieser Serie von Thierry Gloris und Jacques Lamontagne aus dem Splitter-Verlag. Pik-As ist eine fantastische Detektei die Fälle im Grenzbereich übernimmt. Die sehr detaillierten Zeichnungen bieten das Böse, das Unglückliche aber auch das Schöne ungeschminkt dar und platzieren das Ganze vor ungemein detaillierten Hintergründen. Ein Fest für die Augen! Das Heft enthält den kompletten ersten Band Die Parapsychologin und könnte dafür sorgen, dass gleich sieben Titel auf der Einkaufsliste landen.

Horror von Alan Moore

Cinema Purgatorio ist eine Reihe von ineinander verwobenen Geschichten, die dem Kopf Alan Moores entsprungen sind. Teilweise zeichnet er selbst für das Szenario verantwortlich, teilweise hat er diese Aufgabe anderen überlassen. Im Original sind insgesamt 5 verschiedene Geschichten Teil dieses Universums. In jedem der insgesamt 18 Hefte der Serie ist jeweils ein Kapitel erschienen. Die auf Deutsch beim Dantes Verlag erscheinenden Ausgaben widmen sich aber jeweils nur einer Storyline. Drei erste Kapitel werden hier vorgestellt. Schwarz-weiß Horror (nur) für Erwachsene.

Und sonst

Daneben gibt es noch viele weitere Titel und jede*r von euch sollte einen eigenen Blick auf das große Angebot werfen. Eine Nichtaufnahme hier ist kein Indiz für einen schlechten Comic, sondern viel eher limitierten Zeitbudgets geschuldet!

Nutzt das Event um mal wieder in einen Comic-Shop, einen Schauraum, eine teilnehmende Buchhandlung oder einen anderen Ort zu gehen und nehmt nicht nur Hefte mit, sondern schaut euch um und besucht die Stätte eures Vertrauens auch danach wieder.

Die geschenkten Hefte lassen sich dann überall genießen, vorzugsweise mit einer an den verschwindenden Sommer erinnernden Limonade und einer Playlist mit College Punk.

© der Abbildungen 2020 Gratis Comic Tag und den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen

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