Graton/Lapiere/Benetau – Michel Vaillant Macau

Zweite Staffel Band 7: Macau

Story: Philippe Graton, Denis Lapière
Zeichnungen: Benjamin Benéteau

ZACK-Edition

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Softcover | 54 Seiten | Farbe | 15,00 €
ISBN: 978-3-86462-076-8

Die Serie

Michel Vaillant ist einer der ganz alten Recken des frankobelgischen Comics, erschienen die ersten Kurzgeschichten doch schon 1957 in Tintin. Im folgenden Jahr gab es dann bereits das erste albenlange Abenteuer und 1965 fand er als Michael Voss über die Mickyvision den Weg nach Deutschland. Später war der Rennfahrer einer der treibenden Charaktere des Koralle-ZACK.

Die ursprünglich von Jean Graton alleine verantworteten Bände wurden ab Ende der 60-er mit Unterstützung des Studio Graton erstellt. Ab Band 54 schrieb dann sein Sohn Phillipe Graton die Szenarios. Die Serie entwickelte sich dabei von der klassischen Ligne Claire zu einer moderneren Form weiter aber 2006 war mit dem 70. Band der vorläufige Schlusspunkt erreicht. Die Serie liegt mittlerweile fast komplett im Mosaik-Verlag auf Deutsch vor, allerdings sind nicht mehr alle Bände auch lieferbar.

Seit 2012 erscheint eine zweite Staffel mit jährlich einem neuen Album, das jeweils im ZACK vorabgeruckt wird bevor es dann auch als Album erscheint. Dabei handelt es sich nicht um separierte Episoden: alle Bände sind durch eine gemeinsame Storyline verknüpft.

Die Story

Michel wurde am Ende des sechsten Bandes wegen der Beteiligung am Tod von Jean-Pierre Vaillant verhaftet und das aktuelle Album beginnt mit seiner Einweisung in eine Zelle im Gefängnis. Jean-Pierre war der Leiter der Vaillant-Firmengruppe und hatte sich von Ethan Dasz austricksen lassen und die Firma an den skrupellosen Unternehmer verloren. Aus Frust darüber hatte er sich selbst das Leben genommen. Sein Sohn gab allerdings Michel die Schuld daran.

Während Michel noch hinter Gittern sitzt kommt es draußen zu einer Absprache zwischen den Söhnen der mittleren Generation: Michels Sohn Patrick und Jean-Michel treffen eine folgenreiche Abmachung in dessen Vollzug die Anschuldigungen gegen Michel zurückgenommen werden. Die weiteren Auswirkungen werden noch zu spüren sein.

Im Fortgang des Wirtschaftskrimis erkennt die ehemalige Sekretärin der Vaillants, die den Betrug Dasz‘ erst ermöglicht hatte, dass der Move vielleicht doch nicht optimal war und ihr Leben in Gefahr sein könnte. Sie möchte daher Michel belastendes Material übergeben. In einer wilden Verfolgungsjagd durch Macau darf Benjamin Benéteau seine Qualitäten beweisen.

Was wäre ein MV-Band ohne Motorsport? Nichts! Und so darf auch hier natürlich das Renngeschehen nicht fehlen. Vaillante tritt mit einem jungen Nachwuchsfahrer und einer Rennfahrerin in der F3 in Macau an. Dabei werden einerseits wieder Insiderinformationen an den Leser gebracht, etwa wann die Stecke am Besten zu Fuß zu erkunden ist, andererseits geht es um die üblichen Fragen der richtigen Bereifung, das kontrollierte Überholen, Teamverständnis und natürlich um ein bis zur letzten Sekunde spannendes Rennen das abwechselnd mit der rasanten Verfolgungsjagd auf Motorrädern präsentiert wird.

Philippe Graton und Denis Lapière haben eine spannende Story konstruiert, die nicht nur einen Rahmen für ein Motorsport Event darstellt, sondern eine Krimihandlung aus dem Wirtschaftsbereich mit glaubwürdigen Familien- und Genrerationenkonflikten verknüpft und über nun schon sieben Jahre laufen lässt!

Die Zeichnungen

Benjamin Benéteau war bei den ersten sechs Bänden der zweiten Staffel als Hintergrundzeichner beschäftigt, hatte aber schon mehr und mehr Aufgaben übernommen. Nun ist er der alleinige Verantwortliche und macht seine Sache gut! Die Gesichter sind in Nahaufnahme manchmal etwas schematisch (was aber bei Michel Vaillant immer der Fall war), in der Gruppe dagegen sehr ausformuliert und unterschiedlich. Insgesamt wird der moderne aber aus der Geschichte beeinflusste Stil sehr gut beibehalten.

Die Rennszenen wie auch die Actionszenen sind sehr dynamisch und lassen Leser*innen Schweiß und Abgase förmlich genauso riechen wie das Dröhnen der Motoren hören! Das Seitenlayout orientiert sich an Rechtecken, diese sind allerdings sehr variabel und unterstützen damit das Steigern oder Verlangsamen des Tempos. Alles richtig gemacht soweit würde ich sagen!

Die Ausgabe

Nicht ganz so üblich in Deutschland ist die Tatsache, dass mittlerweile die erste Staffel mit 70 Bänden fast komplett einheitlich aus der ZACK-Edition vorliegt und auch die zweite Staffel folgt dem Reihenlayout, setzt dabei aber klar abgegrenzte Schwerpunkte. Das ist schon sehr positiv zu vermerken! Bindung und Papier sind wie immer gut und die Farben nicht zu aufdringlich aber kräftig, nichts zu meckern also.

Für alle jungen und junggebliebenen Motorsport-Fans aber auch für Liebhaber*innen eines clever und über mehrere Bände angelegten Wirtschaftskrimis mit Actionelementen. Dazu kommen noch Generationskonflikte: War es ursprünglich die Generation von Michel, die Veränderungen wollte, sind es jetzt ihre Söhne und Neffen, die sich abgrenzen und beweisen wollen. Und nicht zu vergessen: Auch die Verlogenheit in der US-Politik kommt in der Geschichte vor, kandidiert doch Steve Warson für ein öffentliches Amt…

Dazu passen ein klassischer Whisky Sour und die Peel Sessions von den Stiff Little Fingers.

Abbildungen © 2020 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag + PROCOM Werbeagentur und © Graton Editeur 2018 / Graton- Lapière-Benéteau

ZACK 248

ZACK 248 (Februar 2020)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Wer im Januar nicht an der Wahl des ZACK-Helden teilgenommen hat, muss nun ein weiteres Jahr warten um seinen oder ihren Input zu geben. Mal sehen, ob wieder ein „Klassiker“ gewonnen hat oder ob es eine der neuen Serien auf den Thron geschafft hat. Auswahl gab es im letzten Jahr genug und auch in diesem Jahr geht es mit extrem hoher Qualität weiter.

Der Neustart

In dieser Ausgabe beginnen die Abenteuer von Jolanne de Valcourt die sie aus dem Zentralmassiv in Frankreich bis nach Indien führen werden. Unter dem Titel Rani haben der Altmeister Jean van Hamme und Alcante eine siebenteilige Reihe geschrieben, die von Francis Vallés umgesetzt worden ist. Aus dieser Verbindung ist übrigens auch die grandiose Geschichte einer Bierbrauer-Dynastie Hopfen & Malz hervorgegangen.  Die Heldin ist eine junge, selbstbewusste Frau, die 1743 allerdings keine Möglichkeit hat, sich gegenüber ihrem verbrecherischen Halbbruder zur Wehr zu setzen und daher nach dem Tod ihres Vaters fliehen muss. Klassische frankobelgische Albenproduktion auf hohem Niveau und somit ein auf Jahre sicherer Genuss!

Die Fortsetzungen

Die beeindruckende Geschichte der irischen Bauarbeiter in New York und ihrer Familien fern in der Heimat ist bereits in der vierten Folge! Mikaël beweist mit Giant, dass eine Graphic Novel auch in diesem Format funktionieren kann und keinesfalls nur auf Selbsterlebtem beruhen muss. Sehenswerte Bilder mit berührender Story und sicherlich ein echter Anwärter auf die Jahresbestenliste.

Der neue Rick Master kommt in der Kaserne an und wird sofort als „Rotarsch“ behandelt. Hinzu kommt, dass sich die öffentliche Meinung schnell von Helden abwendet und sie zu Ausgestoßenen macht was in diesem Fall besonders Nadine zu spüren bekommt. Intelligenter Plot, der den neu interpretierten Figuren Tiefe hinzufügt und die Gesellschaft aber auch das Militär mit seinen archaischen Riten nicht zu knapp kritisiert! Die Zeichnungen von Simon Van Liemt sind dafür teilweise fast schon zu übertrieben, das Szenario von Zidrou genial („Jeder französische Soldat ist doch ein bisschen unser Sohn…“).

Eher routiniert kommt dagegen Stephan Desberg‘s Empire USA daher. Solide Krimi/Spionage-Geschichte im Umfeld des Konfliktes der USA mit dem „neuen“ Russland, seinen Oligarchen und den alten Seilschaften. Die Umsetzung (vielleicht mit Ausnahme der männlichen Lippen) gelingt Alain Queireix ordentlich, die Seiten 20/21 zum Beispiel sogar sehr gut!

Ebenfalls in diesem Heft eine weitere Kurzgeschichte von VanO über das Mädchen aus Papier: Rhonda zeigt das Archiv der Originalzeichnungen – humorvolle Ergänzung! Tizombi und das hübsche Steak müssen ihren Friedhof mal wieder gegen Eindringlinge verteidigen (Ich liiiebe diesen schwarzen Humor) und Parker & Badger umgehen Sicherheitsvorschriften. Dazu kommen der sechste Teil der frankobelgischen Kinoadaptionen von Bernd Hinrichs und eine Einordnung von V-Wars.

Der Abschied

Leider ist Die Bank dagegen schon wieder fertig. Glücklicherweise sind ja auch hier schon mehrere Geschichten im Original erschienen, so dass einer Fortführung nichts im Wege steht. Das Leben der Geschwister Saint-Hubert de Gabanelle nimmt unterschiedliche Verläufe; Charlotte kann mit Hilfe von Baron Rothschild nach Frankreich fliehen und hat sogar ein Vermögen in ihrer Reisetasche. Wird es ihr gelingen, damit auf eigenen Füssen zu stehen? – Genialer Finanzthriller mit manchmal etwas zu blassen Farben!

Dazu passen die immer tollen Klänge von Dr. Ring Ding in allen seinen Projekten und ein Kellerbier, etwa aus der Manufaktur Mönchshof!

Abbildungen © 2020 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Jarry/Gomes – Broceliande – Der Wald des Kleinen Volkes 7

Band 7: Die Buche des Reisenden

Story: Nicolas Jarry
Zeichnungen: 
Francois Gomès

Originaltitel: Brocéliande 07: Le hêtre du voyageur

Splitter Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,00 € |

ISBN: 978-3-96219-163-4

Mit dem aktuellen siebten Band ist die erste Staffel der Geschichten aus dem Wald des kleinen Volkes abgeschlossen. Unterschiedliche Teams hatten verschiedene Orte in Broceliande als Schauplatz ihrer Interpretation der klassischen Legenden gewählt und die märchenhafte, verzauberte Stimmung wiedergegeben. Mehr zu dem Konzept in der Besprechung von Teil 1.

Die Geschichte

Monsieur Le Gern ist ein erfolgreicher Unternehmer; seine Werften und seine Handelsschiffe erwirtschaften reichen Profit. Leider erfordern sie auch seine Aufmerksamkeit und so begeht er den Fehler, den viele Väter begehen: er vernachlässigt seine Familie, ja, flieht sogar vor den Verpflichtungen seiner Frau und seiner kleinen Tochter gegenüber und ist lieber unterwegs als zuhause. Seine Frau ist bereits vor einigen Jahren gestorben und nun ist auch seine sechsjährige Tochter Lenaig einer Lungenentzündung erlegen ohne dass er sie noch einmal hätte sehen können.

Die Beerdigung findet in der Nähe seines Gutes in der Bretagne statt, Monsieur Le Gern ergibt sich seinem Selbstmitleid in dem strömenden Regen und macht sich die größten Vorwürfe. Er versucht, der Welt und seiner Stimmung im Wald zu entfliehen und trifft unter einer riesigen und uralten Buche winzige Gestalten, die ihr Gesicht hinter einer Maske aus Holz verbergen. Sie bieten ihm die Rückkehr seiner Tochter beim nächsten Vollmond an. Er müsse nur in der Nacht des Vollmondes mit einer Haarsträhne seiner Tochter und einem Laib Weißbrot wiederkommen.

Natürlich zweifelt der trockene, keinesfalls an Geister glaubende Mann an sich selbst, glaubt in seinem Wahn geträumt zu haben und hat die Aufgabe fast schon vergessen. In letzter Minute klaubt er die benötigten Gegenstände zusammen, übergibt sie dem kleinen Volk und erfährt tatsächlich, dass seine tote Tochter in genau einem Monat zurückkehren wird.

Wer jetzt an ein schnelles Happy End glaubt, gehört sicherlich nicht zur Zielgruppe dieser Geschichte! Tatsächlich ist bei allen Vereinbarungen mit Wesen der Zwischenwelt immer ein Haken an der Sache und so ist es auch hier. Dem schlechten Vater stehen einige Prüfungen bevor und die nächsten Jahre zeigen seinen Wandel vom ich-bezogenen „ich-mache-alles-wieder-gut-Typ“ hin zu einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse anderer und zu der Fähigkeit zur Empathie. Ohne inhaltlich vorgreifen zu wollen: Diese Wandlung wird glaubwürdig erzählt. Sie ist nicht frei von Irrungen und Wirrungen, ja sogar von Rückschlägen, führt aber letztlich doch zu einem positiven Ende.

Nicolas Jarry, ein 1976 geborener Franzose, ist ein erfolgreicher Szenarist im Bereich der Fantasy. Am bekanntesten ist sicherlich die Konzeptserie „Die Saga der Zwerge“, die weniger märchenhaft daherkommt. In der Buche des Reisenden darf er beweisen, dass er auch ohne Actionelemente erzählen kann!

Die Zeichnungen

Das Cover deutet schon den Detailreichtum an, den Francois Gomès in seinen Zeichnungen bietet! Wenn es in der Geschichte regnet, hört man fast die Tropfen gegen die Scheibe schlagen, im Wald ist das Rauschen der Blätter vernehmbar und während der Wartezeiten in dem großen Haus die Einsamkeit! Die Bilder transportieren die verwunschene Stimmung der Geschichte sehr gut und als Leser*in taucht man von Anfang an in die Geschichte ein!

Es sind aber nicht nur das Dekors und die Landschaften, die positiv hervorzuheben sind; Auch die Personen, ja sogar ihre Gesichter sind gelungen und heben sich wohltuend von der leider oft präsentierten Massenware ab. Die Mimik transportiert Emotionen, die zu der Geschichte passen ohne zu übertreiben und wechselt zwischen Nahaufnahme und Totale. Einzig der kleine Hund ist etwas zu niedlich überzeichnet.

Das Layout ist dabei sehr abwechslungsreich: Während die einzelnen Panele teilweise durch Weißraum getrennt sind, überlagern sie sich andernorts oder schweben über einem Hintergrund. Auch ihre Größe und Form ist variabel, dienen dabei aber immer der Geschichte und verändern so das Tempo. Viele Illustrationen könnten dabei auch ohne den Comic für sich selbst stehen und würden sich als Poster oder als ExLibris anbieten. Es bleibt eigentlich nur zu wünschen, dass wir von diesem Zeichner mehr auf Deutsch (oder Niederländisch) zu sehen bekommen werden.

Eine klare Empfehlung!

Wie immer ist an der handwerklichen Darbietung bei Splitter nichts auszusetzen! Ein wertiges Hardcover im etwas größeren Format, gute Farben auf festem Papier und in diesem Fall sogar noch ein durchgehendes Rückenbild über die sieben Teile der Serie 🙂

Für alle Liebhaber*innen von Sagen und märchenhaften Begegnungen mit dem kleinen Volk fast schon ein Muss. Die Geschichte ist dabei meines Erachtens sogar für verschiedene Altersgruppen lesbar und erlaubt eine unterschiedliche Rezeption, zeigt sie doch eigenständige Entwicklungen von Vater und Tochter und erlaubt somit unterschiedliche Blickwinkel und Erkenntnisse. Die Reihe ist auch auf Niederländisch bei Daedalus erhältlich, dieser Band ist aber noch nicht erschienen.

Dazu passen ein Getränk auf Apfelbasis (je nach Wunsch mit oder ohne Alkohol) und Musik aus der Gegend, etwa von Gwerz.

 © der Abbildungen Splitter Verlag, Nicolas Jarry, Francois Gomès 2020

Nihoul/Mantovani – Cixi

Königliches Blut: Cixi – Die Drachenkaiserin

Story: Philippe Nihoul
Zeichnungen: Fabio Mantovani

Originaltitel: Les Reines de SangCixi

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 112 Seiten | Farbe | 22,00 € |

ISBN:  978-3- 96219-078-1

Die Reihe Königliches Blut versammelt ein- oder mehrteilige Geschichten über Herrscherinnen unter einem einheitlichen Logo. In ihnen werden natürlich Fakten und Fiktion verwoben, sind doch die Geschichtsschreibungen gerade über relevante Frauen oft schon selbst teilweise eher Mythos als Wiedergabe der Wirklichkeit. Trotzdem versuchen sie aber, die porträtierten Frauen in ihre Widersprüchlichkeit und ihrer Macht darzustellen.

Der Inhalt

Nach Isabella von Spanien, Alienor von Aquitanien und Kleopatra wagt sich der Splitter-Verlag jetzt erstmals in den Fernen Osten und stellt unter dem Label „Double“ die Drachenkaiserin Cixi vor. Cixi ist ein sehr hübsches Mädchen aus dem Stamm der Mandschu, der damaligen Herrscherkaste. Ihre Familie gehört aber nicht zu dem traditionellen Hochadel so dass sie eigentlich nur auf eine gute Heirat hoffen kann. Um ihren Ruf steht es aber nicht zum Besten und als sie bei einem Stelldichein mit einem jungen Mann erwischt wird, bleibt nur der Ausweg, sie als Kurtisane an den kaiserlichen Hof zu bringen.

Parallel dazu muss den Han-Chinese Li Lieng Ying erleben, was Armut heißt. Er fasst den verzweifelten Plan, sich zum Eunuchen machen zu lassen und am Hof aufgenommen zu werden. Dieser Plan erfordert aber das Eingehen einer großen Schuld bei den Kastraten.

Am Hof treffen sich die Beiden und Li Lieng Ying entwirft einen Plan für ihre Zukunft. Cixi soll den bisher kinderlosen Kaiser von sich abhängig machen und ihm einen Thronfolger schenken. Um diese Ziele einmal erreichen zu können muss Cixi erst die Kunst der Verführung und des Liebesspiels lernen. Tatsächlich ergibt sich die Chance, dass Cixi zum Kaiser gerufen wird und aufgrund des langen, ausdauernden Trainings verfällt er ihr tatsächlich. Als der Kaiser schließlich stirbt, wird seine Kurtisane als Mutter seines Erben zur Kaiserinwitwe. Eigentlich gleichberechtigt zu seiner Hauptfrau, die sich für solche Sachen aber nicht interessiert, übernimmt sie die Regentschaft für ihren Sohn. Ihr Begleiter wird zum Haupteunuch und die beiden regieren für insgesamt 24 Jahre das Reich der Mitte mit harter Hand.

Im Laufe der Geschichte kommt es immer wieder zu Konflikten, sowohl mit Männern, die einer Frau das Recht zu regieren absprechen wollen, aber auch mit den Langnasen, also den Europäern. Dabei spielen sowohl die Christianisierung und Ausbeutung des Landes eine Rolle als auch persönliche Eitelkeiten. Auch der sogenannte Boxeraufstand spielt dabei eine große Rolle. Die Geschichte endet mit dem Tod der Drachenkaiserin.

Philippe Nihoul gelingt es dabei sehr geschickt, geschichtliche Fakten und Stimmungen mit den Lebensgeschichten der beiden Hauptpersonen zu verbinden. Alles Notwendige wird mitgeteilt ohne dass dabei auch nur ansatzweise der Gedanke an einen drögen Geschichtsunterricht aufkommt. Konflikte mit anderen Staaten aber auch interne Intrigen bekommen dabei genügend Raum, lassen aber Platz für die genaue Zeichnung der Charaktere und ihrer Entwicklung. Sex spielt eine große Rolle in dieser Geschichte, steht aber nie als solches im Vordergrund, sondern treibt die Entwicklung und ist somit Mittel zum Zweck ohne Selbstzweck zu sein.

Die Zeichnungen

Fabio Mantovani hatte augenscheinlich Spaß an den zwei Bänden, die hier in einem Hardcover zusammengefasst worden sind. Chinesische Dekors und Landschaften vermitteln den Eindruck einer guten Recherche und auch die Figuren inklusiver der Gesichter sind gelungen. Man kann aber nicht übersehen, dass der Zielmarkt Europa ist; die Züge sind teilweise etwas überzeichnet.

Mantovani schreckt auch nicht davor zurück, abgeschlagenen Köpfe und Folterszenen ins Bild zu setzen, wenn ihm auch die lebenden Körper mehr zu bedeuten scheinen. Die Farben sind teilweise etwas zu aufdringlich, insbesondere rote Lippen wirken überbetont. Die Farbgewaltigkeit der Kleidung passt dagegen.

Beim Seitenlayout verlässt der Künstler die ausgetretenen Raster und packt Panele auf Hintergrundzeichnungen, arrangiert diese völlig frei und schafft daher ein sehr unruhiges aber anregendes und immer wieder wechselndes Seitenbild. Mehr davon!

Fazit

Auch die vierte in dieser Reihe porträtierte Herrscherin hat Geschichte geschrieben. In ihre Zeit fiel der Konflikt mit den Kolonisatoren, die das Reich der Mitte als neue Gewinnquelle für sich entdeckt hatten, begleitet von dem immer wieder aufkommenden Konflikt um die regionale Vorherrschaft mit Japan und dem bevorstehenden Wandel des abgeschotteten traditionsgebundenen Riesenreiches hin zur Moderne. Diese Thematiken werden ansprechend eingebunden und erzeugen sicherlich mehr bleibendes Wissen als unzählige Unterrichtsstunden.

Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass trotz allem die Unterhaltung im Vordergrund steht und auch dieser Aufgabe wird der Comic gerecht. Die Ränke und Intrigen würden einem Krimiplot auch gut zu Gesicht stehen. Auch wenn es hier um Herrscherinnen geht, ist die Zielgruppe wohl im Wesentlichen männlich. Es wäre daher spannend, die gleiche Story von einem weiblichen Team umgesetzt zu sehen.

Obwohl Cixi eine der bedeutendsten Herrscherinnen Chinas war, die Geschichte erst 150 Jahre zurückliegt und sie schon immer von Legenden umrankt war, ist wahrscheinlich eine gute Idee gewesen, die Original-Bände 11 und 12 in eine deutsche Ausgabe zu packen. Das Thema China ist noch nicht im (Comic-)Mainstream jenseits des Mangas angekommen.

Ausstattungsmäßig erfüllt der Splitter-Verlag wie immer alle Erwartungen! Und 112 Seiten für 22 Euro sind absolut fair!

Dazu passen grüner Tee und Sake und alles Instrumentale von den Skatalites!

© der Abbildungen Splitter Verlag GmbH & Co. KG ·   Bielefeld 2019

© 2015, 2018 Èditions Delcourt / P. Nihoul / F. Mantovani

Aymond/Bollée – Bruno Brazil – Die neuen Abenteuer 1

Black Program Teil 1

Story: Lauren-Frédéric Bollée 
Zeichnungen: Philippe Aymond

Originaltitel: Les NouvellesAventures de Bruno Brazil – Tome 1 Black Program

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-946522-70-6

Der coolste Geheimagent der siebziger Jahre ist zurück mit neuen Abenteuern! Bruno Brazil hat drei Mitglieder seines Kommando Kaiman verloren, zwei weitere wurden schwer verwundet, weder Zeichner noch Texter der ursprünglichen Serie leben noch und doch geht es weiter.

Die Story

Bruno hat die Verluste in seiner Truppe, insbesondere aber den Tod seines Bruders (noch) nicht verwunden und ist in psychologischer Behandlung. Während er noch Trübsal bläst dreht die Welt sich aber weiter. Zunächst wird das Anwesen, auf dem Madison Ottoman gepflegt wird, Schauplatz eines Überfalls. Ottoman war der Kopf hinter der geheimen Sendeanlage im Dschungel, die den Startpunkt für das Kommando Kaiman gegeben hatte (siehe Bruno Brazil 2). Nur kurze Zeit später verschwindet Ottomans damalige Komplizin Rebelle aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Alles scheint mit dem geheimnisvollen Black Program in Verbindung zu stehen.

LF Bollée schafft es, die neue Serie nahtlos an die letzte Geschichte anknüpfen zu lassen. Obwohl seitdem mehr als 40 Jahre vergangen sind, wirkt das Ganze aber nicht altbacken, sondern so frisch wie ein neuer Doppelnull-Geheimagententhriller! Brazil war schon immer der bessere, glaubwürdigere Held und die damalige Zeit erlaubt einerseits bereits technische Gadgets, ist aber von der modernen Komplett-Video-Überwachung, GPS-Tracking u.ä. meilenweit entfernt.

Brazil ist aber nicht mehr nur der harte „Soldat“, er hat ein bereits in der ursprünglichen Serie angelegtes Privatleben und auch dort sind Kämpfe zu bestehen: Wie kann man einen pubertierenden Jungen erziehen, der nicht der eigene ist und demgegenüber man extreme Schuldgefühle hat? Zudem ist die Frage zu klären, ob und wann der Beruf vorgehen darf. Während es eine Zeitlang Mode war, Krimihandlungen hinter den persönlichen Problemen fast untergehen zu lassen, halten sich die Themen hier die Waage. Sie versprechen für die Zukunft nicht nur spannende Agentenplots, sondern auch Anknüpfungspunkte für ergänzende und ablenkende Konflikte.

Da sich die Geschichte über mindestens zwei Alben erstrecken wird ist Geduld gefragt! Hoffen wir, dass sich die Beiden an den Rhythmus von einem Band pro Jahr halten werden.

Die Zeichnungen

Phillipe Aymond ist kein Unbekannter; seine Kariere begann mit einer Zusammenarbeit mit Pierre Christin, dessen Autobiographie er auch zeichnen durfte. Sein bisheriges Hauptwerk ist sicherlich die Agentenserie Lady S., die von Jean van Hamme getextet wurde. In diesem Sujet kennt er sich aus: brennende Autos, Mündungsfeuer und Kampfszenen beherrscht er wirklich! Das Gesicht der von Vance übernommenen Hauptfigur und auch die der Mitstreiter*innen können dagegen nicht vollkommen überzeugen! Das mag allerdings auch daran liegen, dass sich der Stil solcher Geschichten im Laufe der letzten 40 Jahre komplett gewandelt hat. Vielleicht fehlt auch nur noch etwas Routine.

Dekors und das Gefühl der Serie sind dagegen sehr gut getroffen. Die Siebziger-Jahre, die den Hintergrund der Geschichte bilden, atmen ihren Duft aus jedem einzelnen Panel, aus jeder Tapete im Hintergrund und aus jedem Möbelstück. Wenn auch die Mundpartie nicht immer gelungen ist, die Emotionen kommen trotzdem rüber und auch die Landschaften und Häuserschluchten sind stimmig!

Die Veröffentlichung

Der All-Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, Meilensteine der Comic Geschichte in toller Ausstattung zu veröffentlichen. Dazu gehören unter anderem  die im EC-Verlag erschienenen SF und Fantasy-Geschichten von Wally Wood aber auch die beiden von Greg geschriebenen Reihen Luc Orient von Eddy Paape und Bruno Brazil von William Vance. Beide erscheinen erstmals chronologisch in einzelnen Hardcover-Bänden mit reichlich Zusatzmaterial.

In gleicher Reihenaufmachung, allerdings ohne zusätzliche Abbildungen, ist auch der erste Band der Neuen Abenteuer erschienen. Wie immer gibt es auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe, die als Draufgabe ein signiertes ExLibris enthält!

Insgesamt also eine sehr gelungene Umsetzung, die sowohl Fans der alten Serie zufriedenstellen wird als auch neue gewinnen!

Dazu passen ein leicht nach Salz schmeckender Old Pulteney und Musik aus den end-Siebzigern: Cock Sparrer!

Ausschnitt aus dem ExLibris der Vorzugsausgabe

© der Abbildungen Éditions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) 2019 by Aymond, Bollée

© der Deutschen Ausgabe All-Verlag Wipperfürth, 2019

ZACK 246

ZACK 246 (Dezember 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Mit dieser Ausgabe endet das Jubiläumsjahr mit dem das ZACK das 20-jährige Bestehen gefeiert hat. Zeit also für einen kleinen Rückblick:  Alle bisherigen Chefredakteure und ihre jeweiligen Konzepte wurden mit einem Artikel bedacht, klassische ZACK-Helden erleben ihre Abenteuer immer noch oder wieder in ihren runderneuerten Varianten auf diesen Seiten, vieles Neues und auch Experimentelles ist aber dazugekommen. Das Publikum hat sich vom Nostalgiker zum an modernem Comic Interessierten gewandelt und das ZACK ist nicht länger ein Vorpublikationsorgan, sondern oft die einzige deutsche Veröffentlichung und somit auch ein Wert für sich. Dazu kommen fein ausgewogen Informationen von sehr kurz und knapp bis zu ziemlich ausführlich, Adressen und Titellistungen sowie zwei immer anregende Meinungskolumnen am Anfang und am Ende…

Die laufenden Serien

Den Opener macht Giant von Mikaël und aus dieser Serie stammt auch das Covermotiv. Zu Beginn der 1930-er Jahre war das Leben hart, speziell für Iren in den USA und Irinnen in Irland. Nicht immer waren die Männer in der Lage, ihre zurückgebliebenen Familien zu versorgen und nicht immer wussten die Frauen, warum. Manchmal geht es aber auch nur um die Hoffnung! Ein sozialkritisches Drama in einem sehr eigenen Stil!

Tanguy & Laverdue sorgen mit dem dritten Teil der Sanddiamanten eher für die Unterhaltung der technikbegeisterten Leser. Buendia und Zumbiehl haben eine Geschichte kreiert, die sich Nahe an den aktuellen Konflikten im Nahen Osten bewegt, die Freundschaft der beiden Piloten aber trotzdem in den Vordergrund stellen kann. Zudem geben sie Sébastien Philippe die Möglichkeit, Autos und Flugzeuge in Szene zu setzen. Diese Neuinterpretation hat den Sprung aus den 60-ern geschafft!

Die Bank zeigt gleich mehrere Konflikte auf, die im Übrigen auch heute noch nicht als gelöst betrachtet werden können: Sind Frauen als Handelnde akzeptiert oder werden sie vielmehr als Staffage betrachtet? Können sich Notleidende Moral leisten? Und zuletzt: In welchem Verhältnis stehen geschäftliche Notwendigkeiten und liebesbezogene Wünsche? Guillaume & Boisserie entwerfen ein spannendes Szenario, das von Maffre perfekt umgesetzt wird. Für mich einer der besten Starts in diesem Jahr!

Dazu kommen die üblichen kürzeren Sachen: Parker & Badger, Der Vater der Sterne und Tizombi sowie der schon fünfte Teil des Abrisses von Bernd Hinrichs über Verfilmungen frankobelgischer Comics und eine Würdigung von Amazon’s The Boys von Christian Endres.

Die Abschiede

Gleich zwei Serien verabschieden sich in diesem Heft für immer! Den Anfang macht Cassio von Stephen Desberg, gezeichnet von Henri Reculé. Der Römer hatte sich über neuen Alben mit den Attacken seines Halbbruders Tessio auseinandersetzen müssen. Dabei waren die Geschichten immer wieder zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und hergesprungen und hatten grafisch und inhaltlich unterschiedliche Themen und Stile benutzt. Der Abschluss löst die offenen Fragen tatsächlich auf, liefert grafisch mit einem schrägen Layout eine gute Unterstützung des Kampfes und endet tatsächlich mit einem Happy End.

Auch die Vorkommnisse rund um Christopher Dantès sind nun Geschichte. Er hatte Gefängnis, Folter, Reichtum und tiefen Fall, Intrigen und persönliches Glück durchlebt bis ihm nun mit der Entführung seines kleinen Kindes die seelische Vernichtung drohte. Guillaume & Boisserie haben nichts ausgelassen, gleichzeitig aber auch Hintergrundwissen der aktuellen Finanzwelt, der Umweltzerstörung und der unseligen Verflechtung von Politik und Wirtschaft geliefert. Erik Juszcak hat dem Ganzen einen angemessenen, eher klassischen Rahmen gegeben. Beide Serien gibt es im Übrigen auf Deutsch in keiner anderen Form!

In der gespannten Erwartung auf die bald kommende 250. Ausgabe empfehle ich zur aktuellen Lektüre Joy Crookes, etwa „London Mine“ und eine Tasse warmen Kakao mit Berliner Luft!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Prugne – Vanikoro

Vanikoro

Story: Patrick Prugne
Zeichnungen: Patrick Prugne

Originaltitel: Vanikoro

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 104 Seiten | Farbe | 22,00 € |

ISBN:  978-3- 96219-314-0

Der Meister der Aquarelle ist wieder da! Nachdem zunächst die jüngere französische Geschichte den Hintergrund für zwei Geschichten geliefert hatte, dann die „Besiedlung der amerikanischen Ostküste“ im Kampf mit den Indianern den Stoff für vier weitere grandiose Werke gelegt hatte, zieht es Patrick Prugne jetzt noch weiter in die Welt hinaus: Das aktuelle Werk spielt im Südpazifik, im Juni 1788.

Der Hintergrund

Drei Jahre zuvor hatten zwei Fregatten den Hafen von Brest verlassen um mit 200 Mann an Bord naturkundliche Forschungen zu betreiben und Pflanzen, Insekten, Gewürze und andere Schätze einzusammeln, Küstenlinien zu beschreiben und Architektur und Landschaft bildlich festzuhalten. Das Zeitalter der Aufklärung ermöglichte den Wissensgewinn als Begründung für solch ein Unterfangen und versprach ihren Teilnehmern Ruhm und Anerkennung im Falle eines glücklichen Ausgangs.

Dieser allerdings war nicht immer zu erwarten und auch diese beiden Schiffe gerieten in einen schweren Sturm, wahrscheinlich in der Nähe der Insel Vanikoro. Und hier setzt die Geschichte des Erzählers Prugne ein, der wie gewohnt gekonnt Fakten und Fiktion zu einer spannenden Story vermengt. Vieles über die Expedition ist verbürgt, auch die beschriebenen Akteure haben tatsächlich gelebt. Über ihr Schicksal in und nach dem Sturm gibt es aber nur anthropologische Hinweise.

Bei schwerer See zerbricht zunächst eine der beiden Fregatten und nur sehr wenige Überlebende können sich auch eine nahe Insel retten. Nicht alle überleben dort allerdings, denn die Insel ist keineswegs unbewohnt. Das andere Schiff kann sich schwer beschädigt der Insel nähern und ermöglicht es fast der gesamten Besatzung überzusetzen und das Schiff auszuschlachten. Ziel dieser Gruppe ist der Bau eines seetüchtigen Fahrzeugs, das sie in die Nähe der Schifffahrtsrouten bringen soll.

Im weiteren Verlauf der Geschichte sehen wir Überfälle, Piraten, die von einem Schiff am Horizont ausgelöste Hoffnung, die Unbillen der Natur und erfahren auch etwas über den religiösen Hintergrund der Bewohner des Eilands. Prugne lässt also kein Versatzstück für eine Schiffbrüchigengeschichte aus und verwebt die bekannten Bestandteile auf angenehme, spannende Weise.

Die Umsetzung

Wer schon einmal etwas von Prugne in Händen gehabt hat, wird seinen Stil immer wieder erkennen. Seine Darstellung der wilden Natur ist perfekt; jedes Blatt hat seinen genau richtigen Platz in der Komposition und die Tier- und Menschenwelt findet sich entweder ein oder wirkt im Falle der Europäer wie ein unverständlicher Fremdkörper. Ihnen gesteht Prugne aber eine Entwicklung zu: Einige werden im Laufe der Zeit assimiliert, andere bleiben fremd.

Auch seine Kunst in der Darstellung von Uniformen, sowohl geputzt als auch derangiert findet sich in dieser Geschichte vom anderen ende der Welt wieder und erlaubt herrliche Kontraste zwischen den „Offiziellen“ und den einfachen Matrosen.

Die Landschaften laden einerseits zum Träumen ein und könnten das gemalte Abbild eines Reisekataloges mit Traumzielen sein, andererseits sind sie aber auch voll mit gefährlichen Stellen, giftigen Tieren und Pflanzen und dienen zudem als Versteck für feindliche Krieger. Diese Ambivalenz in der Schönheit ist meines Erachtens schon für sich ein Grund, Prugne zu genießen!

 Wer von den Bildern, die es in den Comic geschafft haben, noch nicht genug hat, sollte einen Blick in den Anhang werfen! Hier gibt es neben Skizzen und ganzseitigen Illustrationen auch noch ein wenig Wissen über die Theorien um das „wahre“ Schicksal der Schiffe und ihrer Besatzungen.

Wie immer eine runde Sache in der Präsentation und nebenbei bemerkt eines der Highlights der diesjährigen Produktion! 5 Sterne!

Dazu passen ein oder zwei India Pale Ale mit ihrem frischem zitronigem Geschmack nach Hopfen und eine Mischung aus traditioneller und moderner Musik, etwa von The Brothers Cazimero.

© der Abbildungen 2018 Editions & Galerie Daniel Maghen

© der Abbildungen Splitter Verlag GmbH & Co. KG ·   Bielefeld 2019

Katalog zur Moebius-Ausstellung in Brühl

Katalog MOEBIUS – Surreale Comicwelten

Hardcover Überformat | 272 Seiten | Farbe | 49,90 € |
ISBN: 978-3-944453-18-7

Wo: Im Museumsshop des Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl noch bis zum 16. Februar 2020 (montags geschlossen) – VERLÄNGERT bis zum 29. März!!

Es gibt zwei Arten von Ausstellungskatalogen

Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Thema aufnehmen, Leser*innen abholen wo auch immer sie stehen mögen und die gezeigten Exponate im Kontext des Textes präsentieren. Im comic-Bereich wären Beispiele dafür etwa die Kataloge von Dr. Alexander Braun (Going West oder die beiden Dortmunder Ausstellungen zu Carl Barks und dem Zweiten Weltkrieg im Comic) oder zur Ausstellung in Oberhausen über Rolf Kauka und sein Universum. Bei diesen handelt es sich eher um bebilderte Sekundärwerke.

Auf der anderen Seite stehen die Kataloge, die sich eher am traditionellen Kunstbetrieb orientieren. Die Ausstellung, also die ausgestellten Werke stehen im Vordergrund und sollen in möglichst farbechter, angemessener Weise die Ausstellungsbesucher*innen noch Jahre später an den Besuch erinnern. Auch hier gibt es natürlich begleitenden Text. Dieser richtet sich aber nicht an die Masse, sondern führt einen kunsthistorischen oder kunstphilosophischen Diskurs (fort).

Porträt-Jean-Giraud-2010-Foto-Isabelle-Giraud-©-2019-Mœbius-Production

Beide habe ihre Vor- und Nachteile, bedienen sie doch vollkommen unterschiedliche Segmente der Besucher*innen und schließen sich in gewisser Weise sogar aus.

Der Katalog zur Moebius-Ausstellung

gehört eher in die zweite Kategorie. Hochpreisig und auf gutem Papier präsentiert er die meisten Exponate der Ausstellung und ist in gewisser Weise selbst Kunst, keinesfalls aber ein Gebrauchsgegenstand. Natürlich enthält er die notwendigen Fakten über den Künstler Jean Giraud und ebenso natürlich ist ihm die Begründung zu entnehmen, warum die Exponate des Visionärs genau hier im Max-Brühl-Museum gezeigt werden; welche Verbindungslinien können zwischen dem als entartet beschimpften Mitbegründer der Moderne und dem Träumer und visionär gezogen werden, wo sind Grenzen? Moebius ist also einer der Comicschaffenden, der den Sprung vom Alltagsvergnügen bereitenden zum Künstler (der 9. Kunst) geschafft hat.

©-2019-Mœbius-Production

Viele dieser Verbindungen laden möglicherweise sogar zu einem zweiten, jetzt informierteren Besuch in die Ausstellungen ein!

Auch das Informationsbedürfnis des Comicfans wird aber bedient. In verschiedenen Beiträgen wird auf die Inhalte, die Motive und Inspirationen eingegangen und nicht nur analysiert, sondern auch erklärt. Insbesondere wird auf Moebius als Wanderer zwischen Innen- und Außenwelt eingegangen, seine Reisen, die die Welten ermöglicht haben und das ständige Bedürfnis, ‚aus dem Rahmen zu fallen‘.

Im Mittelpunkt aber stehen die Abbildungen: großformatig, manchmal allerdings über zwei Seiten ausgeführt, erlauben sie es, den Genuss zu verlängern.

Für Fans sicherlich kaum eine Entscheidungsfrage. Gelegenheitsbesucher*innen, die sich vertieft mit Moebius beschäftigen wollen, finden mit dem Katalog einen soliden Startpunkt! Da der Katalog zweisprachig ist (deutsch/english) kann man ihn guten Gewissens auch allen Besucher*innen empfehlen!

©-2019-Mœbius-Production

Der Katalog ist leider ausverkauft und nur noch mit Glück antiquarisch zu bekommen.

Dazu passen ein leicht temperierter Barolo und Jean Michel Jarre.

© der Abbildungen 2019 Mœbius Production.

ZACK 245

ZACK 245 (November 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Die Neustarts

Richtig gelesen: In diesem Heft fangen gleich zwei neue Serien an, die uns eine Zeit begleiten werden.

Das Titelbild gehört dieses Mal der neuen Reihe Die Bank von Philippe Guillaume & Pierre Boisserie, die damit gleich doppelt in der 245 vertreten sind, stammt doch auch das Szenario von Dantes von ihnen. Gezeichnet werden die ersten beiden Bände über die erste Generation einer Finanzdynastie von Julien Maffre, der in Deutschland am ehesten wegen seiner Serie Stern bekannt sein dürfte. In einem leicht karikaturesken Stil entwirft er ein wenig schmeichelhaftes Bild der Londoner Oberschicht des Jahres 1815. Empathielos werden mögliche Kriegsschicksale auf finanzielle Folgen hin untersucht und junge adelige Damen als Prostituierte vermittelt. Ein Auftakt, der spannendes verspricht!

Der zweite Start könnte inhaltlich kaum gegensätzlicher sein, denn in Giant geht es um einen irisch stämmigen Arbeiter im New York der großen Depression 1932. Mikael verantwortet Text und Bild der Geschichte aus dem Big Apple während des großen Baubooms, der Probleme durch eine große Migrationsbewegung hinein in die Großstadt, der Erstehung krimineller Strukturen und nicht zuletzt auch des harten Arbeitsalltags. Vielleicht fordern tatsächlich aber beide Neustarts ein wenig mehr als den leichten Genuss?

Die Fortsetzungen

Tanguy und Laverdue sind auf heikler politisch-militärischer Mission im Nahen Osten und geraten auch tatsächlich in einen Luftkampf mit feindlichen Maschinen. Während sie diesen noch gewinnen können stellt sich die Verfolgung eines kleinen Schmugglerflugzeugs als weniger erfolgreich heraus. Zwar gelingt es, das Flugzeug zu stellen, der Pilot wird aber scheinbar durch stattliche Stellen geschützt… Während die Story von Buendia & Zumbiehl scheinbar sehr nah an der möglichen Wahrheit befindet und die Konflikte darstellt (ohne europäisch allwissend daherzukommen), schafft Sébastien Philippe es in grandioser Weise, die Wüstenlandschaft zum Star vieler Seiten werden zu lassen!

Cassio nähert sich seinem Ende, es fehlt nur noch eine Teillieferung und die neun bände sind Geschichte. Nicht nur Cassios Mutter ist wieder da, auch Reptah greift in das Geschehen ein und damit kommt der Mystery-Teil noch mal voll zur Geltung.

Dantes Letzter Akt läuft dagegen noch etwas länger. Diese Serie der beiden Autoren der „Bank“ legt den Fokus auf die aktuelle Finanzwelt und seine mehr oder weniger edlen Akteure. Die Tochter von Dantes befindet sich immer noch in den Händen der Entführer aber er selbst und der leitende Capitaine haben eine Idee. Allerdings gibt es auch viele falsch Spielende… Solide Zeichenkost von Erik Juszezak.

Während im französischen Spirou 4253 gerade das fünfte Abenteuer von Harmony begonnen hat, geht hier das zweite zu Ende. Mathieu Reynès beschreibt die Schwierigkeiten einer Gruppe von kindlichen oder jugendlichen Mutanten, die von einer Regierungstruppe gefangen gehalten wird. Was als wissenschaftliches Experiment begonnen hatte ist mittlerweile eine rein militärisch getriebene Aktion und dient einzig und allein dem Zweck, die Kinder zu Waffen zu machen. Allerdings gibt es Widerstand. Während die Manga-beeinflussten Zeichnungen teilweise aussehen, als wären sie zu niedlich, ist der Inhalt an einigen Stellen knallhart. Ein modern erzählter Plot, grafisch sehr modern umgesetzt. Kein Wunder, dass diese Serie in Frankreich zu den Rennern gehört.

zum Schluss noch mal die Bank…

Und sonst?

Die Kurzgeschichten treten in dieser Ausgabe etwas zurück und so gibt es nur eine Seite mit Tizombi und den Ausklang mit dem Vater der Sterne, der zu Halloween passend mit Puppen spielt.

Allerdings gibt es dazu auch noch zwei Interviews: mit Garth Ennis über seine neuen Serien und den Schrecken der Realität und mit Andreas Eickenroth über sein Woyzeck Projekt. Dazu natürlich wieder viele Rezensionen, News und Meinungen!

Dazu passen The Valkyrians und Fanta Black!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Schauraum Dortmund – Der Zweite Weltkrieg im Comic

Nimm das, Adolf! – Ausstellung und Katalog

Wann: 13. Oktober bis 15. März 2020 (Montags
geschlossen)

Wo: schauraum: comic + cartoon, Max-von-der-Grün-Platz
7, 44137 Dortmund

Eintritt: frei

Im schauraum: comic + cartoon in Dortmund läuft bereits die zweite Ausstellung unter der Leitung von Dr. Alexander Braun, dem aktuell wohl profiliertesten Kurator in diesem Bereich. Unter dem Titel „Nimm das, Adolf!“ wird in dem kleinen, rund 160 m² großen Raum gegenüber vom Dortmunder Hauptbahnhof der Zweite Weltkrieg im Comic thematisiert. 80 Jahre nach Beginn des Krieges werden fast 100 seltene, zumeist erstmals ausgestellte Originalzeichnungen und Dokumente gezeigt.

Superhelden gegen Adolf

Die USA waren zunächst nicht bereit, in das (europäische) Kriegsgeschehen einzugreifen. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und der daraufhin erfolgten Kriegserklärung Nazi-Deutschlands an die USA änderte sich die Situation grundlegend. Nun begannen auch die sich gerade in ihrer ersten Blüte befindenden Superhelden den Kampf gegen die faschistischen Staaten Deutschland und Italien sowie gegen Japan aufzunehmen. Auch der Zeitungsstrip konnte und wollte das Thema nicht länger ignorieren. – Im schauraum sind viele Beispiele zu sehen, der aktuelle Katalog gibt allerdings noch einen viel tieferen Einblick und ist unbedingt zu empfehlen!

Es wird aber nicht nur die amerikanische Seite gezeigt, denn auch in Deutschland nahmen sich Zeichner und Journalisten des Themas an. Eine noch heute nicht ganz überwundene Folge des Ganzen ist die Verfemung der Sprechblase als dekadent, kulturlos und „entartet“.

Spirou und Tintin – zwei Strategien

Der Situation in dem von den Deutschen besetzten Belgien sind gleich zwei Themenblöcke gewidmet: Während sich die Zeitschrift Spirou in zivilem Ungehorsam übte und verboten wurde, wechselte Hergé mit Tintin zur deutsch kontrollierten Le Soir, verdoppelte deren Auflage und sorgte damit für eine bessere Verbreitung der deutschen Ideologie. Die Diskussion ist in dem beschränkten Raum der Ausstellung sicherlich nicht zu führen, auch hier sei aber der Hinweis auf die vertieften Inhalte im Katalog erlaubt.

Von den 70-ern bis heute

Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Enthistorisierung des Themas: Nazi-Zombies, Pornos und Satire verwenden den Hintergrund nur noch als einen Bestandteil der Pop-Kultur. Andere Wege gehen graphic novels wie etwa Maus oder aber Wannsee, die sich bemühen, historisch korrekt Aufarbeitung in einer besonderen Kunstform, dem Comic, zu ermöglichen. Auch hier werden Originale und Werke aus Italien gezeigt wie auch zwei Originale von Fabrice Le Hénanff.

© Fabrice Le Hénanff © Editions Casterman 2019

Gerade in heutigen Zeiten in denen Populisten weltweiten Zulauf haben und die jüngere deutsche Geschichte massiv umgedeutet wird kann es nicht schaden, sich diesem Thema zu widmen. Es muss ja nicht gleich ein 1000-Seiten Wälzer sein.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. März 2020 täglich außer Montags ab 11:00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der bereits mehrfach erwähnte Katalog von Alexander Braun (ISBN: 978-3-9820732-1-7) ist nur im schauraum erhältlich und ist jeden Cent seiner 20 EURO wert! Er umfasst 224 Seiten und enthält rund 340 Abbildungen.

Zum Katalog passen eine Kanne fair gehandelter Biokaffee und Banda Bassotti aus Italien.

© der Abbildungen Kulturbetriebe der Stadt Dortmund 2019

© Fotos Sven Krantz-Knutzen 2019

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