Bravo – Spirou oder: die Hoffnung 3

Dem Ende entgegen

Story und Zeichnungen: Émile Bravo

Originaltitel: Spirou L´Espoir malgré tout troisième Partie

Carlsen Comics
Softcover |120 Seiten | Farbe | 16,00 €
ISBN: 
978-3-551-77640-2

Cover Bravo Spirou oder die Hoffnung 3

In Belgien gehörten Comics schon vor dem Zweiten Weltkrieg zur Tradition. Auf der einen Seite gab es das Magazin Spirou, auf der anderen Seite die zunächst in katholischen Medien erscheinenden Abenteuer von Tim und seinem Hund Struppi. Während ersteres während des Krieges unabhängig blieb und die längste Zeit wenn auch mit verringertem Umfang erscheinen konnte, arrangierte sich der Künstler des Zweiteren mit den Besatzern. Die Abenteuer des pfiffigen Reportes erschienen im von den Deutschen kontrollierten Le Soir. Mehr dazu in Nimm das, Adolf!

Spirou oder wie viele unterschiedliche Ausprägungen der Widerstand haben kann

Émile Bravo hatte seine Geschichte über Belgien im Zweiten Weltkrieg von Anfang an auf vier Bände ausgelegt und mit dem Titel Spirou oder: die Hoffnung versehen. Glücklicherweise zwingt heutzutage kein Buchhalter mehr die Künstler*innen, ihre Geschichte innerhalb einer genormten Seitenlänge abzugeben. Nur deswegen konnte er sich für die Zeit von Sommer 1942 bis zur Landung der Alliierten in der Normandie weit über 100 Seiten genehmigen. Sein Anspruch ist es, heutigen Kindern und Jugendlichen die damalige Zeit, ihre Beschränkungen und Herausforderungen, vor allem aber ihren Schrecken deutlich zu machen.

Spirou Spezial 34 page 3

Dem Ende entgegen beginnt in einem Zug; nicht nur Spirou, sondern auch seine Schützlinge, zwei kleine jüdische Kinder, sitzen im Zug nach Ausschwitz. Glücklicherweise können sie sich befreien und untertauchen und Spirou wird somit erstmals aktiv gegen die Deutschen tätig. Im Interview erklärt Bravo dazu, dass es natürlich nicht möglich gewesen wäre, den Schrecken von Ausschwitz zu zeigen. Es genüge schon, der heutigen Jugend ein Bild des Alltags zu vermitteln.

Spirou und Fantasio ziehen weiter mit ihrem Puppentheater über das Land (authentisch für das Magazin Spirou), verteilen Nachrichten und versorgen untergetauchte jüdische Freund*innen mit Lebensmitteln. Später kommt aktive Sabotage dazu. Trotzdem sieht sich Spirou nicht als „Kämpfer“ oder aktiven „Widerständler“, tut er doch nur das, was jede*r tun sollte. Doch später wird auch er die Gewalt der Besatzer am eigenen Leib spüren und sich die Frage nach seinen Grenzen stellen.

Spirou Spezial 34 page 4

Die Story unterstützende Zeichnungen

Nicht nur das Layout sieht aus wie „früher“, auch die Zeichnungen atmen eine gewisse Altertümlichkeit aus. Natürlich versucht Bravo damit einerseits Layout und Stimmung der damaligen Spirou-Ausgaben aufzunehmen, andererseits deutet das starre Layout aber auch die engen Grenzen an, die den Bewohner*innen Belgiens damals gesetzt waren. Luxus bestand darin, eine heile Wohnung zu bewohnen und keinen Hunger zu haben.

Fast alle hatten in Familie oder Freundeskreis Opfer und Verluste zu beklagen, das Vertrauen in andere war aufgrund der Denunziant*innen beschränkt und das Ergebnis eines Verrats war der Tod. Diese bedrückende Stimmung kommt durch die Zeichnungen sehr gut rüber. Spirou versucht immer wieder, Hoffnung zu verbreiten, während Fantasio seine Wut und Hilflosigkeit zeigt. Ganz anders also, als man es gemeinhin von einem Comic für Kinder gewöhnt ist.

Spirou Spezial 34 page 5

Ein geglücktes Experiment

Émile Bravo hat es gewagt, eine lustige Kinderserie mit Krieg und Besetzung, Judenvernichtung und Tod zu füllen. Dabei beschränkt er sich nicht einmal auf übliche Standardlängen, sondern überzieht gewaltig. Trotzdem ist das Experiment geglückt! Weder ist zu viel Pathos herausgekommen noch werden die Geschehnisse verharmlost. Spirou gehört zum belgischen Allgemeingut, jede*r kann etwas damit anfangen. Genau diese Voraussetzung ermöglicht es, die Geschichte für heutige Leser*innen zu erzählen denen die nicht alternden Figuren bekannt sind, die Zeit von vor 80 Jahren aber nicht.

Hoffen wir, dass auch hierzulande das Experiment nicht nur „im Feuilleton“ begeistert besprochen wird, sondern auch den Weg zu den Käufer*innen findet. Die Reihe Spirou und Fantasio Spezial, in der hierzulande auch die One-Shots erscheinen, ist jedenfalls genau der richtige Ort dafür.

Backcover Bravo Spirou oder die Hoffnung 3

Dazu passen die Moorsoldaten und eine selbstgemachte Limonade.

© der Abbildungen Dupuis 2021 – Bravo/Carlsen Verlag GmbH · Hamburg 2021.

Kleist – Starman

David Bowie’s Ziggy Stardust Years

Story und Zeichnungen: Reinhard Kleist

Originalausgabe

Carlsen Comics

Hardcover |176 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 
978-3-551-79362-1

Cover Kleist Starman

Comics über Musik bzw. Musiker*innen sind seit einigen Jahren in. Lange gab es so etwas nur in kleinen Fanzines für Bands aus verschiedensten Subkulturen. Doch wie immer hat der Mainstream bisher noch jede Innovation vereinnahmt und zu Geld gemacht. Nicht, dass das immer schlimm oder verwerflich wäre! Hier haben wir es mit einem Künstler zu tun, der eine ganze Stilrichtung beeinflusst hat und einem Zeichner, der seine Einfühlungsvermögen in Musiker schon mehrfach bewiesen hat. Allerbeste Voraussetzungen also!

Der langsame Weg in den Wahnsinn

Welcher jugendliche Musiker kennt nicht den Wunsch, erfolgreich, berühmt und reich zu werden? Selbst wenn das Talent ausreichend ist, braucht es viel Glück zur richtigen Zeit. Und: Das Showbusiness verlangt vollen Einsatz. Was aber, wenn das Konzept sich irgendwann verselbstständigt?

Auschnitt aus Kleist Starman 1

Reinhard Kleist beschränkt seine Comic-Biografie über David Bowie auf die Ziggy Stardust-Jahre. Es beginnt Anfang 1972: The Spiders werden am Ende eines Konzertes noch mit Flaschen beworfen. Die Themen stehen aber schon zur Verfügung: Die Welt wird sich selbst vernichten, Gewalt, Chaos, Umweltzerstörung, Atomwaffen und alles, was sich der menschliche Geist sonst noch überlegt hat, werden dafür sorgen. Doch es gibt Hoffnung: Außerirdische werden uns retten! Und David Bowie aka Ziggy Stardust ist genau dieser jene, der die Hoffnung verkörpert.

Im Weiteren geht es immer mehr darum, wie Ziggy fast schon zum Messias aufgebaut wird und seine Fans ihn und die Spiders from Mars vergöttern. Die Geschichte des langsam steigenden Ruhms wird erzählt, die Verbindungen zu Iggy Pop, Andy Warhol und allen Groupies, die um die Helden herumschwirren. Es geht aber auch um den langsam anwachsenden Wahnsinn, den Verlust der eigenen Persönlichkeit im künstlichen Konzept Ziggy und den Versuch, trotz allem Ruhm ein eigenes, ehrliches Leben mit Kind und Frau, Mutter und krankem Bruder zu führen.

Auschnitt aus Kleist Starman 2

Dieser Widerspruch zwischen dem Idol und dem Leben, der schockierenden Androgynität im Drogenrausch und dem kleinstädtischen Leben der Mutter ist das, was Kleists Werk auszeichnet. Es ist nicht die tausendste Lobhudelei, es ist der Versuch, den Menschen zu entdecken, freizulegen und verständlich zu machen.

Die Explosion der Farben und Formen

Nicht nur der Text ist von großem Respekt gekennzeichnet, auch die Bilder zeigen immer wieder einen verletzlichen Bowie. Einerseits kann nichts schrill genug sein, wenn es um Kostüme oder Frisuren geht und auch die Zeichnungen übernehmen das mit grellbunten Farben und Formen. Andererseits ist der Mensch vor dem Spiegel ängstlich und leise.

Auschnitt aus Kleist Starman 3

Sepiatöne für das Private, grelle, schreinernde Farben für das Öffentliche. Stärker können die Gegensätze nicht sein. Dazu kommen teilweise Übernahmen aus dem Pulp mit grob gerasterten Zeichnungen und immer wieder Umsetzungen der Bühnenauftritte, die fast schon an eine filmische Dokumentation erinnern. Reinhard Kleist beweist erneut seine Wandlungsfähigkeit und sein Einfühlungsvermögen!

Nicht nur für Bowiefans eine Empfehlung

Vermutlich wird der Band bei vielen Bowie-Fans unter dem Weihnachtsbaum liegen. Wer sich für die Musik der 70-er Jahre interessiert, wird daran definitiv seine Freude haben, die Zielgruppe ist also weiter als „nur“ die Ziggy-Fans. Wer erst mit den 90-ern angefangen hat, wird sich allerdings fragen, was denn dieser Mainstream-Künstler früher so alles gemacht hat.

Illustration Kleist Bowie

Die Graphic Novel ist aber auch psychologisch Interessierten zu empfehlen: Dr. Jekyll & Mr. Hyde, Dorian Gray und Artverwandtes findet hier eine Entsprechung in der Erschaffung eines Idols für die Massen. Kann ein Mensch den Musikzirkus eigentlich überstehen? (Und natürlich: es geht! Viele haben es aber erst nach Entziehungskuren oder Psychiatrieaufenthalten geschafft.) Zum Glück ist ein weiterer Teil bereits angekündigt.

Das Werk ist im Übrigen auch als Luxusausgabe mit limitiertem handsigniertem Druck erhältlich. Auch die reguläre Ausgabe enthält aber bereits im Anhang ganzseitige Illustrationen.

Cover Kleist Starman Vorzugsausgabe
Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Dazu passen logischerweise nur Ziggy Stardust and the Spiders from Mars und ein Korn mit Kirsch.

© der Abbildungen Reinhard Kleist/Carlsen Verlag GmbH · Hamburg 2021.

MOSAIK – Anna, Bella & Caramella – 50/2021

Flucht in die Wolken

Story: Jens U. Schubert
Zeichnungen: 
Kollektiv

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Kleinformat | 52 Seiten | Farbe | 3,60 € 
ISSN: 
1867-1721

Cover mosaik Anna, Bella, Caramella 50

Wow, das letzte Mal, dass ich über diese Serie geschrieben habe, war es zum 10-jährigen Jubiläum und nun haben die Drei schon 50 Hefte hinter sich – erneut also ein Trommelwirbel und eine Gratulation! Wie auch die Abrafaxe gehen Anna, Bella und Caramella auf Zeitreisen in die Weltgeschichte. Mit ihrem weiblichen Blick erlauben sie aber andere Perspektiven auf oft Vernachlässigtes.

Können Frauen Flugzeuge fliegen?

Unsere Heldinnen müssen Mexiko fluchtartig verlassen. Auf einem Rollfeld treffen sie auf Opal Kunz, eine berühmte Fliegerin, und ihr Flugzeug. Allein die Tatsache, dass eine Frau, noch dazu in Hosen, behauptet, ein solches Gefährt bedienen zu wollen, treibt den eigentlichen Mechaniker bereits fast in den Wahnsinn. Als dann auch noch Anna, Bella und Caramella das Flugzeug warten wollen, verbessert das seine Laune nicht.

mosaik Anna, Bella, Caramella 50 page 3

Bevor aber das Militär ihm zu Hilfe kommen kann, muss erstmal exerziert werden. Durch solch militaristischen Unsinn mit viel Zeit versehen, können die vier Frauen tatsächlich das Land verlassen, müssen allerdings einen weiteren Passagier, den deutschen Schauspieler Emil Jannings, mitnehmen. Hier darf die Redaktion dann mal wieder politisch korrekt handeln und ein Statement zum Thema Beutekunst absetzen. – Gut gemacht!

Detaillierte, humorvolle Zeichnungen

Zielgruppe dieser Geschichten, die alle drei Monate erscheinen, sind junge Mädchen. Es geht darum, Mädchen als Handelnde zu zeigen die auch ohne männliche Hilfe zurechtkommen. Was aber nicht heißen soll, dass keine Romanzen mit Männern stattfinden sollten oder dass das andere Geschlecht ignoriert werden würden. Es geht einfach um echte Gleichberechtigung und Selbständigkeit.

mosaik Anna, Bella, Caramella 50 page 4

Diese Themen mit einem Comic zu besetzen, der kein Manga ist, ist sicherlich schwierig, das mosaik beweist aber mit diesem Jubiläum, dass es möglich ist. Ein Grund dafür sind sicherlich die Zeichnungen, die sich an den zeitgebundenen Originalen orientieren, über Sidekicks, Tiere oder Slapstick aber immer wieder ein Gegengewicht beisteuern, das zur Identifikation einlädt.

Ein anderer Blick

Mädchen können sich nur dann auf andere Frauen berufen, wenn sie sie kennen. Geschichtsunterricht, Fernsehserien, Kinder- und Jugendbücher präsentieren oftmals aber einen männlichen Blick. Umso besser, dass hier Frauen im Mittelpunkt stehen: Frida Kahlo, Katharina von Krakwinckel, Ada Lovelace, Kaiserin Sisi oder Mary Shelley seien als Beispiele genannt.

Und ganz nebenbei gibt es auch noch weitere Infos über die besuchten Länder und Zeiten. Wer immer noch sagt, dass Comics Schmutz und Schund seien, die die Leser*innen verblöden würden, hat entweder noch nie einen Blick hineingeworfen oder ganz andere Gründe! Im Übrigen funktioniert das „weibliche“ mosaik wie das große Geschwisterchen: ein Kollektiv ist für den Prozess verantwortlich, es ist nur ein wenig kleiner.

Dazu passen „Hey Pippi Langstrumpf“, am besten sogar selbstgesungen, und ein Früchtetee.

© der Abbildungen Anna, Bella, Caramella, Abrafaxe by MOSAIK 2021

Peru/Merli – Western Legenden 2

Sitting Bull

Story: Olivier Peru
Zeichnungen: Luca Merli

Originaltitel: WEST LEGENDS volume 3

Splitter Verlag

Hardcover | 60 Seiten | Farbe | 16,00 € | 
ISBN: 978-3-96792-055-0

Cover Western Legenden 2

Der Wilde Westen ist eine Projektionsfläche für ganz verschiedene Sachen. Auf der einen Seite ist da die Lagerfeuerromantik des Cowboys – harte Arbeit, ehrliche Männer und selten, aber regelmäßig ein wenig Vergnügen, entweder im Saloon oder wie Ralf König es beschreibt. Dann ist da die Chance auf unendlichen oder zu mindestens kleinbürgerlichen Reichtum, also die Richtung Gold-Rush bzw. meine kleine Farm. Eine gehörige Portion fällt in die Richtung unreglementierter Machismo und dann gibt es noch die „Legenden“, die Held*innen dieser Zeit die sozusagen ancient celebrities darstellen. Der letzten Projektionsfläche ist die Serie Western Legenden gewidmet.

Der gefürchtete Krieger

Legenden müssen nicht unbedingt „erfolgreich“ gewesen sein, ein grandioses Scheitern ist mindestens ebenso hilfreich! Insofern sind nicht nur weiße Männer dieser Kategorie zuzuordnen. Hier geht es um eine Episode im Leben von Sitting Bull, einem Kriegshäuptling der Lakota-Sioux, der für seinen Widerstand gegen die weiße Landnahmepolitik bekannt geworden ist.

Western Legenden 2 page 3

Ein Trupp von US-Streitkräften ist auf geheimer Mission durch ein den Sioux vertraglich zugewiesenes Gebiet. Zu diesem Trupp gehören auch ein indianischer Scout sowie ein ehemaliger Soldat der Südstaaten. Dieser hatte sich geweigert, bei einem Einsatz seiner Kampfgruppe gegen die Oglala Frauen und Kinder zum Schlächter zu werden und eine Familie gerettet. Später war er daraufhin von den sich rächenden Oglala-Krigern verschont worden und hatte lange mit ihnen zusammen gelebt. Bei einem Überfall auf den Trupp durch Weiße werden bis auf den Scout und den unter den Indianern als Butterfly Heart bekannten Mann alle getötet.

Eben jener wird von Sioux unter Sitting Bull gefunden, erkannt und macht sich zusammen mit ihnen auf den Weg, um herauszufinden, warum so viele Weiße in dem für sie verbotenen Gebiet sind und warum sie sich gegenseitig abknallen. Dabei geht es nicht nur um die reine Action, sondern im Wesentlichen darum, warum der Sioux und der Südstaatler sich vertrauen sollten und falls, wie ein solches Verhältnis aufgebaut werden kann. Teilweise geraten Olivier Peru die Dinge aus dem Ruder, wenn die zwei Helden sich gegen eine Vielzahl von Gegnern durchsetzen. Ansonsten ist das aber sehr spannend und aus unterschiedlichen Blickwinkeln reflektiert erzählt.

Western Legenden 2 page 5

Moderne Zeichnungen a la Soleil

Die Zeichnungen entsprechen dem modernen bei Soleil gepflegtem Stil. Realistisch, viel Hintergrund, Blut, schnelle Schritte und auch gerne angeschnittene Gesichter. Nicht, dass das schlecht wäre was Luca Merli hier abliefert, ganz im Gegenteil, handwerklich gut umgesetzt und mit Freude konsumierbar. Bei einigen Linien fällt auf, dass diese nur am Computer entstanden sein können und selten fällt auf, dass die Ebenen im Panel nicht wirklich miteinander harmonieren, aber das ist Meckerei auf hohem Niveau.

Detail Western Legenden 2 page 16

Die Geschichte hat zwei Grundtöne: rötlichbraun und blaugrün. Die zweite Färbung liegt Nacht- und Regenszenen zu Grunde, die erste deutet Berge, Steppe und Feuer an. Diese deutliche Betonung ersetzt die musikalische Hintergrundakzentuierung des Films und passt daher ganz gut. Einzige Kritik: Haare und Klamotten sehen bei Regen dann doch etwas anders aus als im Trockenen.

Spannender, moderner Western

Wie auch schon der Band über Wyatt Earp ergänzt die Geschichte die bekannte Legende um ein neues, passendes Detail. Die Konzeptserie bereichert jede Western-Comic-Sammlung und mag sogar wegen des Stils den einen oder die andere Leser*in von bekannten Fantasy-Serien zu einem Blick verlocken. Die Aufmachung ist Splitter-typisch und damit über jeden Tadel enthoben!

Detail Western Legenden 2 page 9

Natürlich spart der Text nicht an Kritik der damaligen amerikanischen Handlungsweise und Ideologie. Die Gewaltdarstellung ist aber nicht für jedes Alter geeignet.

Dazu passen Bérurier Noir und ein East Coast IPA, etwa von der Insel Brauerei.

© der Abbildungen Éditions Soleil, 2021 by Olivier Peru and Luca Merli/ Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

mosaik 550 – Oktober 2021

mosaik – mit den Abrafaxen durch die Zeit 550

Die Wunder von Bagdad

Story: Jens U. Schubert
Zeichnungen: 
Kollektiv

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Kleinformat | 52 Seiten plus Beihefter | Farbe | 3,95 € 
ISSN: 
0323-8857

Cover Mosaik 550

Ehrentage sind immer etwas ganz Besonderes, vor allem, wenn sie im Doppelpack auftreten. Zunächst einmal ist die Zahl von 550Mosaik-Heften schon eine ganz außergewöhnliche! Fast 46 Jahre lang ist nun Monat für Monat ein neues Heft erschienen und hat dabei den Fall der Mauer, das Ende der DDR und die Treuhand überstanden. Das letzte ist auch der Grund für das zweite Jubiläum: Der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag feiert mit diesem Heft sein 30-jähriges Bestehen – comix-online gratuliert herzlichst!

1001 Abenteuer mit den Abrafaxen!

Natürlich startet in dieser besonderen Nummer auch ein neues Abenteuer, die Wunder von Bagdad. In Gestalt von Sternschnuppen werden Abrax, Brabax und Califax aus der Südsee in das Jahr 185 an den Hof von Kalif Harun al-Raschid transportiert. Sie landen zunächst in der Wüste und dürfen sich gleich erfolgreich an der Rettung eines Kamels beteiligen bevor sie dann weiter nach Bagdad reisen.

Mosaik 550 Seite 14/15

Wie immer steht nicht nur die Geschichte allein im Vordergrund, es gibt auch allerlei Wissenswertes dazu. So erfahren die Leser*innen, dass das Jahr 185 nach dem islamischen Kalender dem Jahr 801 nach dem in Europa gebräuchlichen julianischen Kalender entspricht. Es verwundert daher nicht, dass auch eine Gesandtschaft des fränkischen Königs Karl in Bagdad verweilt und um eine Audienz beim Kalifen wartet. Karl sollte später Karl der Große genannt werden.

Der Beihefter führt ein wenig tiefer in die neue Geschichte ein und stellt einige Personen vor. Dazu erklärt eine Karte die Welt um 800 und die politische Lage. Vor allem aber erzählen Leser*innen jeglichen Alters, warum sie das Mosaik lieben. Kein anderes Magazin in Deutschland hat eine solche Verbundenheit mit seinen Fans! Von diesem Heft gab es übrigens auch eine Variant-Ausgabe, die einigen ostdeutschen Tageszeitungen beigefügt war.

Beihefter Mosaik 550
Der Beihefter

Würdigung

Das Mosaik ist immer noch etwas ganz Besonderes: erstellt in einem kollektiven Prozess von etwa 20 festen Mitarbeiter*innen verknüpft das Magazin spannende Comic-Unterhaltung für alle Altersschichten mit geschichtlichem Wissen. Die „Lektionen“ kommen dabei nicht wie Schulstoff daher, sind aber trotzdem fundiert und oft zusammen mit Museen entwickelt. Nicht zuletzt deswegen wird das Mosaik auch von der Stiftung Lesen empfohlen. Preislich bewegt sich das Heft in einem für Taschengeldempfänger*innen möglichen Rahmen und die Zeichnungen müssen sich keineswegs hinter internationalen Konkurrenzprodukten verstecken! Im Gegenteil: vieles aus Studioproduktionen ist deutlich schlechter!

Also: Viel Spaß mit den Abrafaxen, zunächst einmal im alten Bagdad, und auf die nächsten 30 Jahre!

Motiv aus Mosaik 550

Dazu passen Poems for Laila und entweder ein Schwarzbier oder ein orientalischer Chai.

© der Abbildungen 2021 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich

Augenblicke eines Lebens

Story: Julian Voloj
Zeichnungen: 
Claudia Ahlering

Originalausgabe

Knesebeck Verlag

Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 24 € |

ISBN:  978-3-95728-334-4

Cover Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich

Biografien zu Hollywoodgrößen vergangener Tage sind gerade in Mode. Bei Panini gibt es gar eine eigene Reihe, Charlie Chaplin und Marylin Monroe sind bereits erschienen. Sie erzählen das Leben als Geschichte, sparen auch Probleme nicht aus, wollen im Wesentlichen aber eher gefällig sein. Die hier vorgelegte Graphic Novel über „die Dietrich“ ist anders.

Die deutsche Anti-Deutsche

Marlene Dietrich ist wahrscheinlich die einzige Diva aus Deutschland. Noch weitgehend unbekannt wurde sie für den ersten deutschen Tonfilm engagiert und „Der blaue Engel“ war gleichzeitig ihre Eintrittskarte nach Hollywood. Augenblicke eines Lebens schildert sowohl ihre persönlichen Momente als auch Ausschnitte ihrer Karriere nach. Ein junger Journalist erhält die Möglichkeit, ein Interview mit der seit Jahren sehr zurückgezogen lebenden Legende zu führen und bereitet sich auf das Gespräch vor.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 20/21

Die große Berühmtheit scheint ihm von ihrer Zeit in Berlin zu erzählen, ihrer Ehe mit Rudi Sieber und den Ereignissen rund um den Film, der sie berühmt machen sollte. Sie geht zunächst ohne ihre gemeinsame Tochter nach Hollywood, holt diese aber nach und beginnt zu begreifen, dass es in Deutschland unter Hitler keine Zukunft geben kann. Vergeblich versucht sie, ihre Mutter zur Ausreise zu überreden.

In Hollywood beginnt sie eine langjährige Liaison mit Jean Gabin der sich schließlich freiwillig dem Kampf gegen die Nazis anschließt und auch Marlene beginnt aktiv zu werden und die Moral der Truppe durch Auftritte zu heben. Nach der Befreiung muss sie feststellen, dass ihre Schwester ein Kino zur Entspannung der SS-Schergen in Bergen-Belsen betrieben hat. Sie wird sie von Stund an verleugnen.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 42/43

Das Leben wird in kleinen Ausschnitten präsentiert und hat mehr Auslassungen als Inhalte. Die Augenblicke bieten daher nur einen ersten Einstieg in ein komplexes Leben das dem deutschen Mittelmaß so gar nicht entsprochen hat. Und doch war sie die erste, die öffentlich in Israel auf Deutsch gesungen hat. Ihr hat man es abgenommen, dass Kultur und Sprache auf der einen, Großmannssucht und Rassismus auf der anderen Seite nicht zusammengehören müssen.

Knarzige Bilder

Auch der gewählte Stil hat nichts massenmarkttaugliches an sich! Die Bilder sind nicht schön, die Figuren erst recht nicht und die gemalten Panel karikieren und wirken ein wenig aus der Zeit gefallen. Sie erinnern fast ein wenig an Egon Schiele und stellen nicht die wahrhafte Abbildung in den Vordergrund, sondern die Emotion der Handelnden. Dadurch wird eine gewisse Distanz geschaffen, die zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt aufruft und sich der schnellen Konsumierbarkeit entgegenstellt.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 80/81

Das ist auch der größte Unterschied zu der eingangs erwähnten Reihe der Hollywood-Stars. Dort ist das Was der Fokus, hier das Warum! Claudia Ahlering und Julian Voloj ist die Annäherung gelungen. Sie ruft großartige Bilder hervor, lässt Musik erklingen, zeigt große Gesten, lässt aber auch kleine Schwächen zu und zeigt Unsicherheiten.

Fazit

Was ist die Aufgabe einer Biografie? Einerseits geht es um das Bild für die Nachwelt und die Frage, ob es geschönt sein soll oder eher ungeschminkt. Hier ist es wohl am ehesten ein Mittelweg geworden. Die zweite Aufgabe ist sicherlich, Interesse an der dargestellten Persönlichkeit zu wecken. Ist alles gesagt, war das Leben vielleicht doch nicht so groß. Hinterlässt es aber ein paar offene Fragen und regt somit zu weiterem Einsteigen ein, beantwortet aber gleichzeitig ein paar grundlegende Fragen und klärt damit ab, ob sich weiteres Beschäftigen lohnt, dann ist alles gelungen.

Knesebeck hat sein feines Programm aus Literaturadaptionen und Biografien mit einem weiteren Kleinod bereichert! Es wird nicht allen gefallen, aber auch das ist ein Pluspunkt und liegt eher im Auge des Betrachtenden.

Dazu passen Marlene Dietrich mit „Ich Hab` Die Ganze Nacht Geweint“ und ein trockener Champagner.

© 2021 von dem Knesebeck GmbH & Co Verlag KG, München, Abbildungen © 2021 Claudia Ahlering, Texte © 2021 Julian Voloj

StripGlossy 21/22 – August 2021

Suske en Wiske (Dubbel Nummer)

Herausgeber: Mirjam van der Kaaden & Seb van der Kaaden

Verlag Uitgeverij Personalia
Heft Din A 4 | 196 Seiten | s/w / Farbe | 14,95 €
ISBN: 978-9-49323-424-6

Cover StripGlossy 21/22 1st edition
Cover der ersten Auflage

StripGlossy ist eine coole Mischung aus Comics und Informationen. Sie haben eine klare Beschränkung auf die Niederlande und den flämischen Teil Belgiens und laden für jede Ausgabe eine andere Persönlichkeit aus der Comicszene als Gast-Chefredakteur*in der Nummer ein. Dadurch wird jeder Schwerpunkt nicht nur individuell, sondern auch sehr persönlich. Ungewöhnlich ist nicht nur, dass das aktuelle, Suske und Wiske gewidmete Heft 21/22 eine Doppelnummer ist, sondern auch, dass sie nach einer Woche ausverkauft war. Dementsprechend gibt es eine zweite Auflage mit einem anderen Cover.

359 Bände, mehrere Spinn-Offs, Puppentheater und vieles mehr

Suske und Wiske ist viel mehr als der am längsten laufende flämische Strip; seit 1948 sind mittlerweile mehrere Generationen damit aufgewachsen. Die Hauptpersonen gehören zum nationalen Kulturgut, der belgische Pavillon der aktuellen Expo wird von einer Suske-en-Wiske-Skulptur gekrönt und der Erfinder, Willi Vandersteen, steht bei unseren Nachbar*innen auf einer Stufe mit Hergé und Andre Franquin. Die Themen der Reihe variieren dabei stark: Science-Fiction, History (per Zeitmaschine), Krimi/Abenteuer oder manchmal sogar Zeitgeschichte sind die Gebiete aus denen die mittlerweile fast 400 Szenarien stammen.

Detail out of StripGlossy 21/22 - page 20

Koen Maas ist ein bekannter Radioredakteur mit einem eigenen Podcast über Comics. Er darf ein sehr ausführliches, persönliches Interview mit Paul Geerts führen. Diese „Comic-Ikone“ hatte 1972 die Reihe von ihrem Schöpfer übernommen und dreißig Jahre lang geschrieben und gezeichnet. Während dieser Zeit hatten sich die Auflage vervierfacht, Personage und Stil aber nur leicht modernisiert. Geerts erzählt von seinem Verhältnis zu Vandersteen, seinen Erfahrungen auf Comicbörsen aber auch dem Druck der Arbeit.

Zu diesem Schwerpunkt im Schwerpunkt gibt es weitere Interviews mit Gerben Valkema, der eine Hommage an die Reihe verfasst hat, Kim Duchateau, der nicht nur die seit 20 Jahren laufende Esther Verkest schreibt und zeichnet, sondern mittlerweile auch die Scenarios für Suske en Wiske Junior liefert. Das letzte Interview zu diesem Thema ist mit Peter van Gucht, dem aktuellen Szenaristen der Hauptreihe. Weitere Artikel über die Expo-Skulptur, Erfindungen vom Professor oder ein Quiz runden die Beiträge ab.

Detail out of StripGlossy 21/22 - page 67

Die dazugehörigen Strips und Abbildungen zeigen die wesentlichen Aspekte der Entwicklung nach. Eine Geschichte von Paul Geerts steht etwa neben einer (deutschsprachigen!) Geschichte von Wastl. Diese wurden jahrelang vom Studio Vandersteen speziell für den deutschen Markt fabriziert und meistenteils in Belgien oder Holland nie veröffentlicht. Dazu gehören aber auch Hommagen, moderne Interpretationen und Beispiele der Spin-Offs Suske en Wiske junior und eine Preview auf die neuen Kronieken van Amoras von Chambre und Legendre. Sie scheinen entgegen der Aussage im Interview doch weiterzumachen.

Noch mehr?

Da sich Seb van der Kaaden glücklicherweise entschieden hat, dem besonderen Thema besonders viel Platz zu gewähren, den gewohnten Inhalten aber trotzdem Raum zu geben, ist die Augustnummer eine Doppelnummer geworden. Es gibt daher Fortsetzungen des Abschlussbandes von Saul (Teil 1 vor kurzem im ZACK), Man en Paard und Scarlet Edge sowie Einseiter von Claire, Sjors en Sjimmie und Spaghetti (ebenfalls auf Deutsch im ZACK) und Kostproben von 4 Künstler*innen der Zukunft! Natürlich fehlen auch News, die Fortsetzung der Reihe von Einblicken in Ateliers und Arbeitsplätze, viele Hinweise auf Börsen und Ausstellungen und ein Poster (unterschiedlich pro Auflage) nicht.

Detail out of StripGlossy 21/22 - page 132

Must Have!

StripGlossy erscheint mittlerweile im fünften Jahrgang und hat sich zu einem absoluten Must Have entwickelt. Interviews und Artikel zu einem jeweiligen Schwerpunkt geben einen sehr persönlichen Einblick in eine Serie oder eine*n Künstler*in. Damit wird ein ganz anderer Ansatz gewählt als etwa bei der Reddition, die eher theoretisch aufarbeitet. Dazu kommen aktuelle Serien aus den niederländisch-sprachigen Landen und wertvolle Informationen für die Wochenendplanung. Während die Comics keine zu hohen Anforderungen an Fremdsprachenkenntnisse stellen dürften, sieht es bei den Artikeln schon anders aus. Aufgrund der vielen Illustrationen und der wirklich lohnenden Inhalte würde ich einen Versuch auf jeden Fall anraten! Das StripGlossy ist auch in Deutschland bei einschlägigen Plattformen und einigen Comicshops erhältlich.

Cover StripGlossy 21/22 2nd edition
Cover der zweiten Auflage

Dazu passen Joe Jackson mit der 1983-er Rockpalast-DVD und ein Hoegarden.

© der Abbildungen 2021 StripGlossy / Personalia vof / © 2021 illustraties Suske en Wiske / Standaard Uitgeverij

Mangin/Démarez – Alix Senator 11

Der Sklave von Khorsabad

Story: Valérie Mangin nach einer Idee von Jacques Martin
Zeichnungen: 
Thierry Démarez

Originaltitel: ALIX SENATOR: L’ESCLAVE DE KHORSABAD

Splitter Verlag

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,00 € |

ISBN: 978-3-96219-518-2

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 Cover

Sandalenserien gibt es im Comic relativ häufig. Die Zeiten des Römischen Reiches, der Wandel der Gesellschaft und der Religionen, die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen, gerade auch mit nördlichen Stämmen, und die Darstellung der teils lockeren Moral haben zu mehr oder weniger erfolgreichen Umsetzungen ganz unterschiedlicher Art geführt. Dabei reicht das Spektrum vom eher humoristisch angelegten Asterix über Serien wie Auguria bis hin zu historisch sehr genauen Darstellungen wie in Murena. Bereits seit 1948 gehört auch Alix von Jacques Martin mit mittlerweile 38 Bänden zu den erfolgreichen Reihen. Das Spin-Off Alix Senator erzählt von den Erlebnissen des mittlerweile gealterten und zum Senator Roms gewordenen ehemaligen Sklaven.

Die Rückkehr

53 v. Chr. war der (Adoptiv-)Vater von Alix in der Schlacht von Khorsabad getötet und Alix als einer der wenigen Überlebenden versklavt worden. Aktuell schreiben wir das Jahr 11 n. Chr. und Alix, mittlerweile Senator Roms, ist mit wenigen Vertrauten undercover in Ninive unterwegs. Bei einer Rauferei im Theater wird er entführt und muss feststellen, dass er Gefangener von Barzapharnes ist. Er soll unter Folter ein Geheimnis preisgeben.

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 page 3

Es geht um einen gewaltigen Schatz, der in den Ruinen von Khorsabad versteckt sein soll. Der letzte Herrscher ist gestorben bevor er den Ort mitteilen konnte. Er hat aber noch verlauten lassen, dass Alix der einzige sei, der noch von dem Versteck wisse. Der junge Sklave hatte damals mit viel Glück die Gefangenschaft lebend überstanden und war dann lange Zeit nicht greifbar gewesen. Nun aber hatte die Falle zugeschnappt.

Valérie Mangin erzählt eine Story, die von allem etwas enthält: alte Sagen erzählen von einem grausamen Fluch, die Ruinen der verlassenen Stadt verbergen Fallen und Geheimnisse und schließlich spielen Treue und Verrat eine große Rolle. Auch wenn die Geschichte mir persönlich teilweise mit zu viel Text erzählt wird, ist es doch eine spannende Geschichte geworden, die geschickt leichte Fantasy-Elemente in den Historienplot einschmuggelt. Niemand braucht Angst davor zu haben, dass Conan plötzlich mitspielt. Die Motive bringen aber ein wenig Spannung in eine ansonsten klassische Ausgangssituation hinein, die sie zu etwas Besonderem macht.

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 page 5

Klassische Strukturen

Wer bei den Zeichnungen ein Feuerwerk an Innovationen erwartet, ist hier falsch. Es geht um eine zaghaft modernisierte Version einer Serie aus den Anfängen von Tintin. Das Layout ist sehr strukturiert und schon das Einsprengsel eines kleineren Panels ist etwas Seltenes. Thierry Démarez zeichnet mit klarer Linie und wenigen Schraffuren. Ausschweifungen jeglicher Art oder Darstellungen von Gewalt fehlen komplett. Selbst die Folter ist nur angedeutet und wären nicht die abgeschlagenen Köpfe (und davon gibt es mehrere) wäre die Serie fast kindgerecht.

Was für die einen wie ein No-Go klingt, ist für die anderen genau das Richtige. Hier bauen die Autorin und ihr Zeichner auf dem auf, was 1948 begonnen hat, und modernisieren, was notwendig ist um den heutigen Anforderungen für eine klug erzählte Geschichte zu genügen. Sie lassen dabei aber den Geist und die Essenz der Geschichte von Martin unangetastet.

Alix Senator 11 page 8

Fazit

Für Fans des klassischen franko-belgischen Abenteuercomics ohne zu viel Gewalt und ohne Sex genau das Richtige! Hier hätte die Zensur auch vor 40 Jahren eher nicht zugeschlagen. Wie immer im Splitter-Überformat auf gutem Papier und somit perfekt umgesetzt!

Dazu passen ein Asbach (Wenn einem so viel Gutes wird beschert, …) und Jazz vom kürzlich verstorbenen Bill Ramsey.

Detail Alix Senator 11 page 10

© der Abbildungen Casterman 2020 by Mangin, Démarez nach einer Idee von Jacques Martin, Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

Bouthier/Chochois – 9/11

Ein Tag, der die Welt veränderte

Story: Baptiste Bouthier
Zeichnungen: 
Héloïse Chochois

Originaltitel: 11 septembre, le jour où le monde a basculé

Knesebeck Verlag

Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 24,00 € |

ISBN: 978-3-95728-547-8

Cover Bouthier/Chochois - 9/11

Es gibt Tage, an die erinnert man sich auch Jahre später. Einige davon sind privat, etwa das Kennenlernen des/der Partner*in, die Geburt der Kinder oder ein Olympiasieg. Andere dagegen sind öffentliche Ereignisse von außergewöhnlicher Tragweite wie etwa der Fall der Mauer. In diese zweite Kategorie gehört für sehr viele auch der 11. September, der für die Verwundbarkeit des Westens steht. Natürlich ist dieser Tag nur einer in einer langen Reihe von Anschlägen, die regional eine viel höhere Bedeutung haben mögen. Weltweit markiert das Fallen der Türme aber einen Einschnitt.

Vorher und Nachher

Eine junge Frau aus Frankreich – Juliette – reist das erste Mal nach New York, um dort ihre Schwester zu besuchen. Baptiste Bouthier baut in diese Rahmenhandlung in vielen Rückblicken und Infoteilen die fast schon Schockstarre-artige Reaktion auf die mit Flugzeugen ausgeführten Anschläge in den USA und vor allem auch die Bilder der brennenden Türme in den Fernseh-Live-Übertragungen ein, die damals weltweit das Alltagsgeschehen überlagerten.

Detail Bouthier/Chochois - 9/11 page 3

Der Journalist verknüpft dabei geschickt Erzählungen von Überlebenden und Zeug*innen mit den Erinnerungen der „Heldin“, die die Anschläge als 13-jährige erlebt hat und daraufhin in der Schule, mit Freund*innen aber auch mit den Eltern versucht, das Erlebte zu verarbeiten. Dabei wird nichts ausgespart: Von heimlicher Schadenfreude über Verdrängung hin zu unkontrolliertem Hass auf alles Fremde ist alles dabei! Besonders nahe kommen beim Lesen aber die Teile, die von Menschen in den Türmen berichten, ihren Entscheidungen, nach unten oder oben zu gehen, von Feuerwehrmänner, ihre Teams zu retten oder aufzugeben, und die Ungläubigkeit, dass so etwas überhaupt passieren konnte.

Bouthier versucht dabei, objektiv zu bleiben, auch Verschwörungstheorien zu erwähnen und vor allem, die Folgen zu beschreiben. Natürlich hat man einige der Folge-Anschläge in Nizza, Paris oder London noch im Kopf. Ebenso natürlich weiß wahrscheinlich jede*r, wer Edward Snowden ist oder dass Osama Bin-Laden in Pakistan bei einem Einsatz getötet worden ist. Wie das alles zusammenhängt und in welcher Reihenfolge was passiert ist, ist möglicherweise aber nicht mehr so präsent und auch das wird aufgedröselt.

Wie stellt man Schrecken sachlich dar?

Die umsetzende Grafik dieser Themen könnte effekthascherisch sein, viel Puff und Bäng mit sich bringen. Dann würde sie aber mit dem aufzählenden, faktenorientierten Stil der Geschichte nicht harmonieren. Wenn Héloïse Chochois einen zu sachlichen, an Infografiken orientierten Stil genommen hätte, wären die zu der Story gehörenden Emotionen auf der Strecke geblieben. Zum Glück ist es aber etwas in der Mitte geworden. Die manchmal an Holzschnitte erinnernden Bilder transportieren die Gewalt der Explosionen, des Rauches und des Schreckens eindringlich genug und lassen auch der Angst und dem Nichtwissen, wie zu reagieren sei, auf den Gesichtern der Protagonist*innen genügend Raum.

Ein Tag, der die Welt veränderte page 20

Gleichzeitig können so aber auch Fakten, Reihenfolgen und sogar Bewertungen transportiert werden. Jede*r Betrachter*in erkennt sofort, wer in der amerikanischen Regierung zu den Falken gehört hat und wer zu den Tauben. Auch die Zeichnungen zwingen uns Konsument*innen aber keine Meinung auf. Bei einzelnen Fragestellungen wird deutlich, dass die Autor*innen ihre Zweifel an der Richtigkeit haben, der Holzhammer der Demagogie fehlt aber vollkommen.

Tipp!

Viele junge Erwachsene haben die Abfolge der Ereignisse nicht komplett wahrgenommen und entsprechen somit der Heldin dieser Graphic Novel, die sich auf die Suche nach Informationen macht. Durch die Kompaktheit ist das hier ein gelungener und gut gewählter Startpunkt. Die Wenigsten würden heutzutage ein Sachbuch zu diesem Thema lesen, ein Comic kann da deutlich mehr Menschen den Zugang erleichtern. Und natürlich haben auch viele schon damals Erwachsene im Verlauf der letzten 20 Jahre so viel aufgenommen, dass der Komplex mit all seinen Zusammenhängen und Verschachtelungen nicht mehr so aktiv bewusst ist.

Detail Bouthier/Chochois - 9/11 page 6

Neben dieser eher gesellschaftspolitischen Rezeption gibt es aber noch einen wichtigen Punkt: Die Erinnerung an das Grauen und die Möglichkeit, diese zu verarbeiten. Und auch hier leistet die unaufgeregte Darstellung all des Schreckens einen wichtigen Beitrag! Es geht nicht darum, Ängste zu schüren oder zu unterdrücken. Es geht darum, unaufgearbeitete Ängste nicht zu Hass werden zu lassen.

Dazu passen ein Cold Brew Coffee und positive Musik: New Order, etwa mit „Blue Monday“.

© der Abbildungen 2021 Bouthier, Chochois, Dargaud/Topo, Paris, Frankreich / 2021 von dem Knesebeck GmbH & Co Verlag KG, München

Dufaux/Theo/Delaby – Murena 11

Lemuria

Story: Jean Dufaux, (Philippe Delaby)
Zeichnungen: Theo

Originaltitel: Murena: 11, Lemuria

Splitter Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 16,00 € | 
ISBN: 978-3-95839-403-2

Dufaux/Theo/Delaby - Murena 11 Cover

Es gibt verschiedene Serien über das alte Rom, seine Kaiser und das mehr oder weniger ausschweifende Leben. Einige orientieren sich dabei eher an der Fantasie der Autoren, andere versuchen, geschichtliche Hintergründe mit einer so-könnte-es-gewesen-sein-Schicht zu ergänzen. Die Serie Murena gehört zu letzteren. Ursprünglich entwickelt von Dufaux und Delaby ist nach dessen Tod Theo eingestiegen. Mit diesem Band beginnt der vierte Zyklus.

Gedächtnisverlust und Verschwörungen

Lucius Murena und Kaiser Nero waren dereinst beste Freunde. Nicht immer halten Freundschaften es allerdings aus, dass die beiden Seiten unterschiedliche Erwartungen haben. Insbesondere schwierig könnte es werden, wenn der eine glaubt, göttlich zu sein. Wie auch immer, die beiden hatten jedenfalls begonnen, sich wieder anzunähern als Murena plötzlich vom Erdboden verschwand.

Murena 11 page 5

In diesem Band erfahren wir den Grund dafür. Der junge Mann, athletisch und hübsch anzusehen, war von einer reichen Römerin als Toy-Boy auserkoren worden. Ihr Name ist Lemuria und sie hat sich mit Gefolge und ihrem neuen Liebling auf die Sommerresidenz in Baiae zurückgezogen. Eifersüchtig wacht sie darüber, dass niemand sonst mit ihm spielt. Murena selbst hat keine Erinnerungen mehr an sich oder seine Vergangenheit, beginnt allerdings sich zu fragen, warum er sich jetzt in dieser Lage befindet.

Gleichzeitig versuchen Nero und einige Chargen herauszufinden, wo Murena steckt und ebenfalls zu erkennen, ob eine Verschwörung bevorsteht. Im Zuge der Nachforschungen treffen sie auf die Hydra, eine Gladiatorin, die behauptet, Informationen zu besitzen. Sie will allerdings nur mit Nero persönlich reden.

Realistische Zeichnungen

Theo setzt seit einigen Bänden die sehr realistischen Zeichnungen von Philippe Delaby fort. Er ist dabei sehr detailgetreu bezüglich Architektur und Mode und lässt die längst vergangene Zeit wiederauferstehen. Wie schon sein Vorgänger ist er aber auch ein begeisterter Zeichner von nackten Körpern und die beginnende Dekadenz Roms dieser Zeit bietet dafür genügend Anhaltspunkte.

Murena 11 page 6

Die Story zieht sich in mehreren Pfaden durch die Bände, so dass bestimmte Figuren immer mal wiederauftauchen und ihre eigene Geschichte bekommen. Die einzelnen Teile sind natürlich in sich abgeschlossen, auch als Einzelwerk lesbar, gewinnen aber tatsächlich in ihrer Gesamtheit nochmals deutlich.

Fazit

Wer auch immer auf Comics aus dieser Zeitepoche steht wird um Murena nicht herumkommen. Detailreich, mit Faktenhinweisen in Fußnoten und spannend ist diese Serie fast schon eine Art Maßstab. Splitter präsentiert die Reihe wie immer sehr hochwertig, eigentlich also kein Grund zu finden, hier nicht reinzuschnuppern.

Murena 11 page 13

Dazu passen ein Frascati und die italienischen Los Fastidios.

© der Abbildungen 2020 Dargaud Benelux (Dargaud-Lombard S.A.) by Dufaux, Theo, Delaby, Splitter Verlag GmbH & Co KG, 2021

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