Rodolphe/Gnoni – Strandräuber

Die Früchte des Bösen …

Story: Rodolphe
Zeichnungen: 
Gnoni
Originaltitel: 
Naufrageurs

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 24,00 €

ISBN: 978-3-949987-36-6

Cover Rodolphe/Gnoni Strandräuber

Zu dem klassischen Spektrum einer Comiczeitschrift gehören Geschichten über Pirat*innen, ja, über die Seefahrt im Allgemeinen. Im ZACK ist diese Sparte seit einiger Zeit sträflich unterbesetzt. Allerdings sind dort auch eher Mehrteiler gefragt. Vom Setting her hätte dieser Einzelband dort aber auch sehr gut hineingepasst. Der Texter Rodolphe ist im Übrigen kein Unbekannter, in Deutschland aber vor allem durch seine Science-Fiction-Titel mit Leo oder Dubois vertreten.

Man muss doch überleben, oder?

Das Leben an der englischen Küste ist hart. Das Wetter ist rau, es sind Abgaben zu leisten und Münder zu stopfen. Glücklicherweise gibt es ja aber Schiffe, die die Küste passieren müssen, wenn sie in den Hafen von Weymouth einlaufen wollen. Die meisten von ihnen haben reiche Ladung, wenn nicht, so lassen sich selbst aus den Trümmern eines gestrandeten Schiffes noch wertvolle Rohmaterialien gewinnen.

Zwar wissen die Navigatoren um die Gefährlichkeit des Küstenabschnittes, mit Feuern am Strand lassen sich aber die Leuchtfeuer des nahen Hafens faken und bei schlechtem Wetter ist die Falle erst zu spät zu bemerken. Das Dorf steht zusammen, um diesen illegalen Nebenerwerb durchführen zu können, denn im Falle einer Entdeckung droht allen der Strick.

Strandräuber page 3

Nun begibt es sich aber, dass just bei der ersten Teilnahme des 14-jährigen Helden das Schiff aus der direkten Nachbarschaft kommt und Bekannte der Strandräuber an Bord waren. Zudem stellt sich heraus, dass ein wichtiger Passagier an Bord war dessen Verschwinden Nachforschungen auslöst. Ein gelungener Plot von Rodolphe, der sowohl die Gefühlswelten der Beteiligten und ihre Konflikte ausleuchtet als auch eine spannende Geschichte erzählt. Und natürlich lohnt sich das Böse nicht, oder?

Düsterer Realismus

Die realistischen Zeichnungen geben naturgemäß viele Handlungen wieder, die nachts bei schlechtem Wetter spielen. Diese Düsterness unterstreicht das schlechte Gewissen der Handelnden das teilweise in Brutalität überspringt. Man möchte als Leser*in diesen Leuten in solchen Situationen keinesfalls begegnen. Auch sonst bringt Gnoni das mühsame Leben gut zur Geltung. Die in England normalen Klassengegensätze, die legal oder illegal Bewaffneten, die Kellnerinnen sind sehr anschaulich wiedergegeben.

Strandräuber page 4

Natürlich gibt es auch tröstliche Momente, die dann oft auch in helleren Farben erscheinen und es gibt ein paar bemerkenswerte Alpträume. Alles in allem also eine Story, die sowohl History-Begeisterten als auch Fans der christlichen Seefahrt gefallen sollte!

Ein schöner Einzelband

Gewissenskonflikte, die Probleme des Erwachsenwerdens, ein „Piratencomic“ abseits der üblichen, ausgetretenen Pfade, was will man mehr! Der Cocktail aus den verschiedenen Zutaten schmeckt gut. Kein Wunder, ist doch Roldolphe einer der besten aktuellen Szenaristen und den Namen von Gnoni sollte man sich merken!

Wie immer in der ZACK-Edition erscheinen die Bände in einer gediegenen Hardcover-Edition mit gutem Papier, das die Farben ausgezeichnet zur Geltung bringt. Wer will kann direkt beim Verlag eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und limitiertem Druck bestellen.

Dazu passen Blaggers I.T.A. mit „Abandon Ship“ und ein Fuller’s London Porter.

© der Abbildungen Daniel Maghen – by Rodolphe & Gnoni / 2024 Blattgold GmbH, Bad Dürkheim

ZACK 296 (Februar 2024)

ZACK 296

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 296

2024 scheint das Jahr werden zu wollen, das „die Straße“ in das Bewusstsein zurückholt. Die Bahn war das erste Opfer der zu erwartenden Streiks, die Bauern blockierten alles Mögliche mit ihren Treckern und schließlich ging eine täglich größer werdende Anzahl von Menschen mal nicht für Individualinteressen auf die Straße, sondern zur Verteidigung der Demokratie! Welch ein Lichtblick!

Der Neustart

Die Flintenweiber zieren nicht nur das Cover dieser Ausgabe, auch Band 3 der Serie, Das Geheimnis der Elfe, nimmt seinen Anfang. Pierre Pevel beginnt die neue Geschichte mit einem ruhigen Rückblick. 1911 löst die Anwesenheit von Bewohner*innen der Anderswelt kein Erstaunen mehr aus. Der Raub des Siegelringes ist allerdings immer noch ungeklärt, die verschiedenen Mächte sind weiter auf der Suche nach ihm und die Rachegelüste gegenüber den Diebinnen sind noch ungestillt. Étienne Willem darf daher gleich wieder zur Action übergehen und die Vorbereitung einer Hinrichtung zeichnen. Liebevolle Zeichnungen mit viel Spaß im und am Detail in einer spannenden Story!

ZACK 296 page 5

Die Fortsetzungen

Das Science-Fiction-Projekt MADI von Alex de Campi & Duncan Jones geht bereits in die sechste Runde. Die Flüchtenden müssen dringend zu Geld kommen und es besteht die Hoffnung, dass Dean seine besonderen Kräfte einsetzen könnte. Allerdings erlaubt das den Verfolgern auch, die Spur wiederaufzunehmen … Es war einmal in der Zukunft wird dieses Mal gezeichnet von James Stokoe, der eine extrem detailreiche Bebilderung in Bonbon-Farben anbietet. Spielhölle mal anders!

ZACK 296 page 28

Eigentlich wollte Michel Vaillant nur ein nicht wirklich legales Rennen quer durch die USA gegen einen Blogger fahren. Cannonball, so der Name, entwickelt sich jedoch ganz anders als klar wird, dass Terroristen das Auto gehackt haben und das Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit eine Bombenexplosion auslösen wird. Ein Patch kann jedoch nicht online eingespielt werden. Wird es Steve Warson gelingen, mit einem USB-Stick in den dahinrasenden Wagen einzusteigen? Packende Action von Dennis Lapière mit sehr untypischen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

ZACK 296 page 44

Felix Sauvage konnte entkommen und darf somit hoffen, die Informationen über einen bevorstehenden Angriff noch rechtzeitig übermitteln zu können. Bevor es so weit ist treffen wir aber an einem Lagerfeuer Frauen wieder, die den meisten Leser*innen klassischer frankobelgischer Western sehr bekannt vorkommen dürften. Félix Meynet gelingt damit in Black Calavera eine sehr nettes Pastiche. Die weiteren Bilder sind dann eher Schachtengetümmel und Explosionen.

ZACK 296 page 56

Der Abschied

Der erste Band von Libertalia, Triumph oder Tod, geht in diesem Heft zu Ende. Die Überlebenden landen an einem Strand des Indischen Ozeans, um dort ihre Kolonie zu gründen, müssen allerdings noch eine letzte tödliche Prüfung überstehen. Fabienne Pigière & Rudi Miel haben eine modernes Piratenabenteuer geschrieben, das etwas andere Akzente setzt, gleichfalls aber die Erwartungen an dieses Genre erfüllt. Die detailreichen Zeichnungen von Paolo Grella passen dazu, sogar besser als zu Bob Morane. Man darf auf den nächsten Band gespannt sein.

ZACK 296 page 75

Und sonst?

Die Gag-Seiten von Grott & Bott, Parker & Badger und Tizombi beschäftigen sich wie immer mit Alltagsproblemen und ihren ungewohnten Auswirkungen. Erstaunlicherweise beschweren sich viele Leser*innen, wenn die Serien aus irgendwelchen Gründen fehlen, vergeben aber eher abwertende Noten. Nun ja, für mich gehören sie als Pausenprogramm dazu, haben aber auch ihren eigenen Reiz!

Den Reigen beschließen ein Interview zum Mord im Orient-Express und eines mit Dino Attanasio zu seinem Schaffen, ein Bericht über das Gold der Belgier in der ZACK-Edition sowie der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren. Weiter so!

Dazu passen Duffy mit ihrer Version von „Tainted Love“ und ein Oberdorfer Helles.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

ZACK 295 (Januar 2024)

ZACK 295

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 295

Ein neues Jahr, ein neues Glück oder so ähnlich … Comix-online wünscht allen aus der Generation ZACK ein frohes Neues Jahr!

Auf jeden Fall solltet ihr an der Wahl der ZACK-Serie des Jahres 2023 teilnehmen. Das geht entweder über den im Heft abgedruckten Coupon oder online. Ich bin gespannt, wie das Voting ausfällt, habe ich doch meine klaren Favoriten!

Die Fortsetzungen

Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der seine Klappe nicht halten kann. Dementsprechend wird er auf ein Himmelfahrtskommando geschickt, zusammen mit seinem Rivalen Hugon. Dieser wird schnell als Spion enttarnt, es droht ihm somit die Exekution. Black Cavalera ist eine sehr spannende Geschichte aus einem eher unüblichen Teilbereich des Western-Comics von Yann, unverwechselbar in Szene gesetzt von Félix Meynet. Die Kolorierung ist allerdings Geschmackssache. Die Serie ziert das Januar-Cover.

ZACK 295 page 5

Die zweite Staffel von Michel Vaillant ist bereits bei Band 11 angekommen, Cannonball ist ein (illegales) Straßenrennen quer durch die USA zu dem Michel von einem bekannten Blogger herausgefordert worden war. Mittlerweile ist klar, was mit den Autos während des nächtlichen Überfalls kurz vor dem Start passiert ist: Der Wagen wurde gehackt und Michel wird gezwungen, sich an einem Anschlag zu beteiligen. Die (von Marc Bourgne & Olivier Marin tadellos umgesetzten) Rennszenen dienen Dennis Lapière erneut nur dazu, einer viel größeren Geschichte einen tollen Rahmen zu geben. Vielleicht mehr Netflix als Jean Graton, aber eine echte Bereicherung!

ZACK 295 page 23

Madi ist ein Science-Fiction-Projekt von Alex de Campi & Duncan Jones. Es war einmal in der Zukunft berichtet von Menschen, die ihren Körper optimieren und sich teilweise als Söldner verdingen. Das bedeutet jedoch ständige online-Verfolgbarkeit, die zumindest dann sehr hinderlich ist, wenn man nicht nach fremden Regeln spielen möchte. Durchaus spannende Geschichte, die durch den Stilmix herausfordert. Die aktuellen Teile stammen von Pia Guerra & Matt Wilson sowie Glen Fabry & Adam Brown. Möglicherweise ist das Ganze zu „englisch“ für die frankobelgisch geprägte ZACK-Leser*innenschaft. Ich bin gespannt auf die Jahreswertung!

ZACK 295 page 39

Libertalia erzählt die Geschichte von Freiheit und dem Mut zu Veränderungen angesichts von untragbaren Verhältnissen. Der gesuchte Olivier Mission ist der letzte überlebende Offizier auf seinem Schiff und übernimmt das Kommando, die Gefahren für Leib und Leben der Besatzung enden damit aber keinesfalls. Fabienne Pigière & Rudi Miel lassen sich in Triumph oder Tod Zeit, die Seefahrt und ihre Herausforderungen zu beschreiben und gleichzeitig auf die Verfehlungen des Adels einzugehen. Ihre klare Wertung wird von Paolo Grella sehr detailverliebt umgesetzt. Stilistisch liegt Libertalia irgendwo zwischen Sauvage und dem klassischen frankobelgischen Stil.

ZACK 295 page 55

Der Abschied

Der erste Teil von Movie Ghosts geht zu Ende. Wird Jerry Fifth es schaffen, seiner Geliebten, einem Geist, die Ruhe zu schenken, die sie braucht, um Hollywood endlich verlassen zu können? Dafür muss er zunächst aber selbst am Leben bleiben was durchaus nicht einfach ist! Stephen Desberg hat mit Sunset … und weiter ein weiteres Mal seine Vielseitigkeit bewiesen! Die Verknüpfung von Krimi und Thriller-Elementen mit dem Mystery-Touch, angesiedelt in Hollywoods Traumwelt ist ein sehr schöner Einfall, der von Attila Futaki sehr passend umgesetzt wurde. Wie gut, dass das ZACK nicht immer nur auf eingefahrenen Pfaden wandelt, sondern Neuentdeckungen wie diese einbringt!

ZACK 295 page 76

Und sonst?

Dazu kommen gleich mehrere Gag-Serien: Parker & Badger, Tizombi, Grott & Bott und StarFixion. Letzteres ist eine echte Bereicherung gegenüber den Vorläuferreihen! Die inhaltlichen Beiträge beleuchten das ZACK vor 50 Jahren, stellen Shunas Reise und die neue ZACK-Edition-Serie Rio vor und gehen auf das Jari-Michel-Vaillant-Crossover in ZACK-Spezial 10 (Rezensionen folgen) ein.

Glücklicherweise ändert sich im neuen Jahr nicht alles, das ZACK bleibt. Comix-online hat es gerade zur besten Magazin-Veröffentlichung des Jahres 2023 gekürt. Wenn es so weitermacht, wird es schwierig werden, es von diesem Platz zu verdrängen.

Dazu passen Chelsea (Be What You Want To Be) und ein Vielanker Winterbock.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Pratt, Quenehen/Vivès – Corto Maltese 2

Die Königin von Babylon

Story: Martin Quenehen nach Hugo Pratt
Zeichnungen: 
Bastien Vivès
Originaltitel: 
La Reine de Babylone

schreiber & leser

Hardcover | 192 Seiten | Farbe und s/w | 24,80 €
ISBN: 
978-3-96582-154-5

Cover Corto Maltese - Königin von Babylon

Corto Maltese, der „Kapitän ohne Schiff“, wurde von Hugo Pratt geschaffen und tauchte an vielen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten während der Wirren der Anfänge des letzten Jahrhunderts auf, um mit bekannten und erfundenen Zeitgenoss*innen Abenteuer zu erleben. Diese Reihe wies Lücken auf, die von Diaz Canales und Pellejero gefüllt wurden. Vor einigen Jahren trat ein als One-Shot angekündigter Band daneben, der den Helden in die heutige Zeit versetzte. Er muss erfolgreich genug gewesen sein, denn diese Geschichte ist die Fortsetzung dieses Konzepts. Mehr zu Corto im Serienkompass.

Melancholie und böse Überraschungen

Erstens kommt es anders … In der Welt von Corto Maltese ist ein Plan niemals etwas realisierbares. Immer wurde die eine oder andere Variable falsch belegt. So auch hier. Corto trifft Die Königin von Babylon, Semira, eine hübsche junge Frau, die die Schrecken der Balkan-Kriege überlebt hat. Während dieser Zeit hat sie lernen müssen, aus allem das Beste zu machen. Ein Coup gelingt, doch darauf folgt nicht eine gemütliche Auszeit.

Quenehen verwebt geschickt Realität und Fantasie indem er Erzählungen aus dem mitteleuropäischen Krieg anführt, erfundenen Personen echte Erlebnisse mitgibt und den Fatalismus aber auch die Verachtung der Überlebenden für Regeln beschreibt. In einer eingebetteten Sequenz stößt Corto auf fahrende Roma, die ihn teilweise als einen der Ihren akzeptieren, ihn teilweise aber auch als fremden Eindringling sehen.

Corto Maltese - Königin von Babylon page 16

Leser*innen, die mit der Hauptfigur, den Gefühlen und Anspielungen auf Kultur und Geschichte nicht so vertraut sind, empfehle ich das Nachwort von Jean Hatzfeld, das verständliche Hinweise gibt.

Reduziert

Bastien Vivès reduziert seine Bilder in diesem Comic oft genug auf das Wesentliche. Details werden wie auch Mimik nur angedeutet, kommen dadurch aber auf eine ganz andere Weise zur Geltung, als wenn sie Bestandteil eines „vollen“ Panels wären. Diese Gestaltung passt zur Melancholie der Geschichte. Natürlich sind die Handelnden keine Getriebenen eines vorher feststehenden Plans. Sie müssen aber auch keine übermäßigenden Anstrengungen für eine Planung aufwenden, da es doch anders kommen wird. Diese Haltung wird vom Artwork aufgenommen. Der Anhang enthält zusätzliche Illustrationen.

Um den Künstler gab es vor rund einem Jahr eine tiefgreifende Debatte. Einige Kritiker*innen werfen Vivés vor, das Thema Pädophilie, das in einigen seiner Werke eine Rolle spielt, nicht richtig dargestellt zu haben. Er tradiere damit die Gewaltverhältnisse. Eine geplante Ausstellung seiner Werke in Angoulême wurde nach den Protesten vom Veranstalter abgesagt. Er selbst hat daraufhin klar Stellung gegen den sexuellen Missbrauch bezogen. Immerhin ist es gut, dass solche Diskussionen nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden.

Corto Maltese - Königin von Babylon page 17

Ein Remake – muss das sein?

Bei fast jedem Remake gibt es zwei Meinungen: Während die einen, die Traditionalist*innen, jede Modernisierung ablehnen und das Werk des Meisters „rein“ halten wollen, sind andere immer bereit, alte Zöpfe abzuschneiden und das Neue zu begrüßen. Für mich persönlich kommt es darauf an, ob „die Neuen“ es geschafft haben, die Essenz zu verstehen und neu zu präsentieren. Das gelingt hier: Die Figur des Corto Maltese ist auch in dem aktuellen Jahrhundert ein möglicher Kulminationspunkt für Konflikte und Debatten.

Die einzige Kritik, die ich hätte, ist, dass die Stories etwas seichter geworden sind. War vorher noch der Kanon eines internationalen Bildungsbürgers zumindest hilfreich, langt heute schon ein aufmerksamer Zeitungsleser mit Gedächtnis, der die Literaturseite typischerweise überschlägt. Von der Aufmachung her passen auch die neuen Bände zur „alten“ Reihe, sollten aber spätestens beim nächsten Band eine Reihenidentifikation und Nummerierung bekommen.

Dazu The Smiths „How soon is Now?“ und ein gut gekühlter Frascati.

© der Abbildungen 2023 Cong SA, Switzerland, www.cong-pratt.comwww.cortomaltese.com | 2023 Schreiber & Leser, Hamburg

ZACK 294 (Dezember 2023)

ZACK 294

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 294

Das Jubiläumsjahr geht mit dieser Ausgabe zu Ende: ZACK ist mittlerweile 50 Jahre alt geworden und seit kurzem gibt es mehr Ausgaben des „Neuen“ ZACK als von Koralle. Und trotzdem ist das Magazin nicht in die Jahre gekommen. Im Heft erscheinen neben aktuellen Blüten der frankobelgischen Comic-Zunft Werke unter anderem aus Skandinavien, den Niederlanden, den USA und Spanien. Das Ziel ist und bleibt die bestmögliche Auswahl für alle, die bereit sind über ihre Lieblinge hinaus Neues zu wagen. Zusätzlich hat sich mittlerweile ein Alben-Programm etabliert, dass klassische Schmankerl für Abonnent*innen in der Spezial-Reihe bereithält, Johnny Focus herausbringt und für alle erstmals die Bob Morane-Classics von Attanasio und Forton komplett präsentiert. Dazu kommen aktuelle Highlights wie Das Paris der Wunder, Michel Vaillant oder die kommenden Bände der ZACK-Edition wie etwa Von der anderen Seite der Mauer, Rio oder Doktor Radar.

Der Neustart

Ein alter Bekannter kehrt zurück! Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der mit seinen Truppen im napoleonisch regierten Mexiko stationiert ist. Nicht immer einverstanden mit allen Entscheidungen, ist er doch ein tapferer Kerl, der sich seine Gedanken macht. Der insgesamt fünfte Teil der Saga, Black Calavera, beginnt mit einem Angriff von Amerikanern auf die mühsam gehaltene Stellung und zeigt den Irrsinn der bewaffneten Auseinandersetzung sehr deutlich. Das Szenario ist von Yann, die Zeichnungen im unverwechselbaren Stil von Félix Meynet.

ZACK 294 page 25

Die Fortsetzungen

Olivier Mission muss fluchtartig das Land verlassen, nachdem er auf den Comte Saint-Jean geschossen hat. Er heuert auf einem Schiff als Unteroffizier an, kann sich aber auch dort nicht mit dem gnadenlosen Verhalten der herrschenden Klasse, in diesem Fall dem Kapitän, anfreunden und eckt sehr schnell an. Fabienne Pigière & Rudi Miel entwickeln mit Libertalia – Triumph oder Tod eine Geschichte, in der Moral und Recht auf unterschiedlichen Seiten stehen und nehmen damit das noble Motiv der Freibeuterei auf. Paolo Grella zeichnet das Ganze sehr detailverliebt und koloriert in einem Aquarell-artigen Stil.

ZACK 294 page 5

In Movie Ghosts muss Jerry Fifth sich langsam, aber sicher mit dem Gedanken anfreunden, dass die Toten möglicherweise doch mehr Einfluss auf die Welt der Lebenden haben als gedacht. Einerseits versucht der Detektiv eine Beziehung mit einer Toten einzugehen, andererseits passieren zu viele Zufälle, die ihn in Gefahr bringen, um zufällig zu sein. Sunset … und weiter ist eine abgedrehte Story von Stephen Desberg in einem Mystery-Noir-Setting, die von Attila Futaki düster und kraftvoll umgesetzt wird. Ich bin gespannt, wie dieser Mix in der Jahreswertung ankommen wird.

ZACK 294 page 37

Michel Vaillant ist mit der Zweiten Staffel schon bei Band 11 angekommen. Zeitgleich erschient der erste Band der Collector’s Edition mit den ersten drei Geschichten als Hardcover – Besprechung folgt! Cannonball ist der Name für ein illegales Rennen auf öffentlichen Straßen, das quer durch die USA führt. Die Fahrer dürfen sich bei Verfehlungen wie Geschwindigkeitsübertretungen nicht erwischen lassen, sollen aber keine Menschen gefährden. Bevor das Rennen starten kann, muss jedoch überprüft werden, ob die Wagen bei dem Einbruch in die Garage beschädigt oder verändert worden sind. Eine spannende Story von Denis Lapière mit actiongeladenen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

Detail ZACK 294 page 55

Und auch MADI findet seine Fortsetzung. Es war einmal in der Zukunft, dass Menschen den Kult der Körperoptimierung fortführten und mit Hilfe von implantierten technischen Gimmicks aus dem Körper eine Ware machten. Wie alle Eingriffe in die Natur sind diese aber nicht frei von Nebenwirkungen und davon handelt diese Dystopie von Alex de Campi und den David Bowie-Sprössling Duncan Jones. Die einzelnen Teile werden jeweils von anderen Künstler*innen umgesetzt, in diesem Fall von Tonci Zonjic, Skylar Patridge & Marissa Louise sowie von Pia Guerra & Matt Wilson. Ich würde empfehlen, die doch verzwickte Story am Stück zu lesen.

ZACK 294 page 73

Und sonst?

Für Abwechslung ist auch in diesem Heft wieder gesorgt! Als Gags tauchen Parker & Badger, Grott & Bott sowie Tizombi auf. Der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren erinnert an den Gewinn des Yellow Kid und Rezensionen sowie launige Gedanken von Frank Neubauer regen das Denken an. Bernd Hinrichs präsentiert bereits den 18. Teil seiner Serie über Comicverfilmungen und Christian Endres berichtet über Doktor Radar, eine Serie, die den Pulp wieder zum Leben erweckt.

Das ZACK ist auch im reifen Alter alternativlos und eine wesentliche Bereicherung des in Deutschland oft vernachlässigten Comic-Marktes. Wer neben Disney, Spirou und Asterix auch nicht ganz so erfolgreiche Serien kennen lernen und genießen will, findet hier eine kurzweilige Auswahl, die qualitativ keine Wünsche übriglässt.

Dazu passen ein erster Glühwein und die neue von Madness: Theatre Of The Absurd presents C’est La Vie.

© der Abbildungen 2023 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

ZACK 293 (November 2023)

ZACK 293

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 293

Nachdem der Oktober mit teilweise über 30 Grad viel zu heiß war, hat nun endlich der Herbst begonnen. Das Laub fällt, die Tage wechseln sich ab zwischen sonnig und trüb und eine gewisse Melancholie macht sich breit. Wie gut, dass auch in diesem Monat das ZACK ein wenig Abwechslung und Farbe in den Alltag bringt!

Die Neustarts

Michel Vaillant ist nicht nur der Coverboy, sondern auch sonst in diesem Herbst kaum zu übersehen: In diesem Heft startet sein neues Abenteuer Cannonball. Er wird von einem bekannten Influencer namens POG zu einem Rennen quer durch die USA mit zwar aufgemotzten, aber straßentauglichen Wagen aufgefordert. Während Michel selbst dem eher ablehnend gegenüber steht, finden sowohl seine Familie als auch Vaillante die Idee vor allem aus Marketinggesichtspunkten brillant. Allerdings ist ein solches Rennen nicht gerade legal… Spannender Auftakt der Geschichte von Denis Lapière mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Olivier Marin. Zusätzlich erscheinen im Herbst Pikes Peak endlich als Album und der erste Band der Gesamtausgabe der Zweiten Staffel. Und dann gibt es ja auch noch einen neuen Band der Collector’s Edition der ersten Staffel.

ZACK 293 page 5

Ebenfalls neu ist Libertalia. Triumpf oder Tod füllt die schon länger offene Lücke der Seefahrer- und Piratenerzählungen. Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts ist die Sklaverei auch für französische „Unternehmer“ ein gängiger Weg der Profitmaximierung. Gleichzeitig gibt es immer mehr hungernde Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, während Teile der Kirche ihre Schätze lieber horten möchten. Sowohl Olivier Mission, ein Franzose von Stand, als auch der italienische Priester Carracioli wollen die existierenden Zustände nicht länger hinnehmen. Spannende Geschichte über Menschen, die Ungerechtigkeit aktiv bekämpfen wollen, von Fabienne Pigière & Rudi Miel mit Zeichnungen des vom Bob Morane Restart bekannten Paolo Grella.

ZACK 293 page 44

Die Fortsetzungen

MADI erzählt von einer dystopischen Zukunft. Menschen haben die Möglichkeit, ihre Körper durch technische Bauteile zu erweitern. Das gibt Söldner*innen einerseits die Möglichkeit, ihre Aufträge besser als jemals zuvor ausführen zu können, macht sie aber auch zu Objekten, die ferngesteuert werden können. Der aktuelle Teil von Es war einmal in der Zukunft beschreibt die Schwierigkeiten, die Implantate wieder loszuwerden, und ist gezeichnet von Tonci Zonjic, Skylar Patridge & Marissa Louise. Der Stilmix gehört zum Konzept der Szenaristen Alex de Campi und Duncan Jones.

ZACK 293 page 21

Für mich persönlich geht es endlich weiter mit Tizombi. Die Serie, die üblicherweise mit einseitigen Gags auskommt, bringt die Storyline über Cassandra nun in einem siebenseitigen Special Das Ende der blauen Pest zu einem serientypischen Abschluss. Bis dahin müssen das kleine Steak und ihre Freunde aber noch einige Schrecksekunden überstehen. Geniale Satire auf Soaps von Cazenove und William!

Detail ZACK 293 page 36

Schließlich geht auch Movie Ghosts in die nächste Runde. In Sunset … und weiter begegnet Jerry Fifth immer wieder Geistern von Hollywoodgrößen (und Sternchen), die schon vor langer Zeit gestorben sind, sich aber noch nicht wirklich lösen konnten. Während Privatdetektive üblicherweise aktuelle Fälle lösen, wird Jerry in längst Vergangenes involviert. Dieses Mal stehen die Suche nach einer letzten Liebe und die Sorge um das Bild für die Nachwelt im Mittelpunkt. Schräge Idee von Stephen Desberg, die Attila Futaki in sehr dunklen Bildern umsetzt. Unerwartet gut!

ZACK 293 page 76

Der Abschied

Jack Manini und Ètienne Willem haben es sich zum Ziel gesetzt, alle Weltausstellungen, die in Paris stattgefunden haben, in einer Reihe zu verewigen. Im Mittelpunkt soll dabei jeweils Das Mädchen von der Weltausstellung, Julie Kleinnagel, stehen, die als Hellseherin arbeitet und von vielen Männern umschwärmt wird. Leider enden diese mehr oder weniger festen Beziehungen meistens tödlich. 1878 aber scheint es anders zu sein, obwohl immer noch die Bedrohung durch den entflohenen Massenmörder Pierre Paul Léon Francois im Raume steht. Ein spannendes Finale lässt uns nun leider erneut Monate auf den nächsten Teil warten.

Detail ZACK 293 page 59

Und sonst?

Dazu kommen Grott & Bott, Rezensionen, News und der monatliche Beitrag über das ZACK vor fünfzig Jahren! Komplettiert wird das Heft durch ein Interview mit den Schöpfern von Der kleine Perry, einer Umsetzung der Perry Rhodan Saga in Comics für Kinder, und über den neuen Titel in der ZACK Edition, Von der anderen Seite der Mauer, einem historischen Krimi aus der jüngeren Deutschen Vergangenheit.

Wer ein Mittel gehen den November-Blues sucht, wird hier auf jeden Fall fündig. Madi und Movie Ghosts erlauben das Ausleben dieser Stimmung, der Rest bekämpft sie erfolgreich mit guter Laune! Viel Spaß dabei!

Dazu passen ein Hot Aperol und das neue Album von The Inciters.

© der Abbildungen 2023 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Dorison/Montaigne – 1629 Teil 1

… oder Die erschreckende Geschichte der Schiffbrüchigen der Jakarta

Story: Xavier Dorison
Zeichnungen: 
Thimothée Montaigne

Originaltitel: 1629, Les Naufragés du Jakarta – Tome 01

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 136 Seiten | Farbe | 35,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-187-4

Cover 1629 1

Schon immer war die Seefahrt ein wesentliches Sujet der europäischen Comics. Hier tummelten sich Piraten, machtgeile Ausbilder von Kadetten zur See, wurden Karrieren erzählt oder aber einfach fremde Länder entdeckt oder bereist. Dazu kommen Seeschlachten und Biografien von Entdeckern und Forschern. Das Themengebiet ist also der Science-Fiction sehr ähnlich, spielt aber in einer anderen Umgebung und zu einer anderen Zeit.

Beklemmende Enge und unglaubliche Grausamkeit!

Auf See gibt es meistens nur ein Gesetz, und das ist der Kapitän. Zu Zeiten der Vereinigten Ostindischen Companie (VOC) stand darüber allerdings noch der Vertreter ebendieser niederländischen Handelsgesellschaft. Er hatte dafür zu sorgen, dass der zu erwartende Profit gesichert wurde. Alle Entscheidungen über Sicherheit, Maßnahmen an Bord, Proviantierung und Bestrafungen von Vergehen hatten sich der Profitmaxime unterzuordnen. Dementsprechend zählte das Leben eines möglicherweise sogar schanghaiten Matrosen nichts.

1629 1 page 3

Die Geschichte der Jakarta beruht auf Tatsachenberichten Überlebender und ist somit eine Mischung aus Fiktion im erzählenden Teil und Realität bezüglich der äußeren Fakten. Das Schiff, damals noch Batavia genannt, lief 1629 mit 300 Personen an Bord in Richtung Sumatra aus. Neben dem schlimmsten Gesindel aus den Slums von Amsterdam transportierte es auch eine beträchtliche Anzahl von Wertgegenständen und Gold der Kompanie sowie einige Passagiere, unter ihnen Lucretia Hans, die auf dem Weg zu ihrem Ehemann ist.

An Bord ist auch der skrupellose Apotheker Jeronimus Cornelius, seines Zeichens nicht nur Ketzer, sondern auch verschlagen und willens, sich des Goldes zu bemächtigen. Dorison erzählt, wie sich an Bord ein gnadenloser Machtkampf entwickelt. Dieser beginnt mit kleinen Grausamkeiten, entwickelt sich aber zu einem Konflikt auf Leben und Tod. Dazu kommen die Herausforderungen der unberechenbaren See.

1629 1 page 4

Realistische Zeichnungen, spannendes Layout

Dorison ist bereits ein sehr bekannter und vielseitiger Szenarist (etwa Aristophania, Thorgal oder Undertaker), der in vielen unterschiedlichen Bereichen gefeiert wird. Thimothée Montaigne ist dagegen hierzulande noch relativ unbekannt. Er liefert seine Zeichnungen in einem sehr realistischen Stil ab. Seine Matrosen lassen die rauen Umstände erkennen, die sie geformt haben, die Seekrankheit zeichnet Lucretia deutlich und auch die Gewalttaten werden nicht verbrämt.

Trotzdem ist alles nicht übertrieben. Die Details werden dann eben doch nicht gezeigt oder spiegeln sich eher in den Gesichtszügen de Zuschauer*innen. So ist die Geschichte weit davon entfernt, in das Splatter- oder Adultsegment abzugleiten. Gut gelingen auch die Ansichten des Schiffes, des umgebenden Meeres und der Landschaften.

1629 1 page 19

Zu Recht auf der Liste der besten Titel des Quartals

Mittlerweile werden in Deutschland neben tausenden von anderen Rankings auch jedes Quartal die besten Comics pro Quartal gekürt und 1629 gehört zu den herausragenden Werken! Meines Erachtens ist diese Ehrung, die ich ehrlichgesagt nicht immer nachvollziehen kann, hier vollkommen zu Recht erfolgt. Die auf Tatsachen beruhende Geschichte ist spannend konstruiert. Die Ich-Erzählung wird immer wieder mit Einschüben aus anderen Perspektiven ergänzt und nimmt die Leser*innen vollumfänglich mit.

Die Zeichnungen sind qualitativ ohne Fehl und die Aufmachung im überformatigen Hardcover mit geprägtem Cover ist ebenfalls ein sehr wertiges Moment. Für echte Liebhaber*innen gibt es auch eine auf 666 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover, Bonusseiten und Druck für die Wand! Westernfans, Freund*innen historischer Dramen und natürlich alle Liebhaber*innen der Geschichten über die „christliche Seefahrt“ werden hier bedient und sollten einen Blick darauf werfen!       

Detail 1629 1 page 17

Was könnte der Profitgier, die Menschen verachtet, gegensätzlicher sein Sinead O´Connor (R.I.P.) etwa mit „This is a Rebel Song“ und ein Saft aus Früchten aus dem eigenen Garten?

© der Abbildungen Editions Glénat 2022 by Xavier Dorison et Thimothée Montaigne | Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023

Sente/Rosinski – Skarbek

Gesamtausgabe

Story: Yves Sente
Zeichnungen: 
Grzegorz Rosinski
Originaltitel: 
La Vengeance du Comte Skarbek Intégrale complète

schreiber & leser

Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 
978-3-96582-123-1

Cover Skarbek Gesamtausgabe

Einige Werke haben es verdient, nach angemessener Zeit erneut veröffentlicht zu werden. Die Geschichte der Rache des Grafen Skarbek erschien zuletzt 2006 in zwei Einzelbänden um nun als Gesamtausgabe und umfangreichem Anhang wieder in den Regalen aufzutauchen! Angesichts der Namen der Kreativen sind die Erwartungen hoch, haben sie doch Werke wie Mademoiselle J., Blake & Mortimer oder Thorgal als Referenzen vorzuweisen.

Vielschichtige Handlung zwischen Kunst, Rache und Piraten

Eine wirkliche gute Geschichte erkennt man oft genug daran, dass sie aus verschiedenen, mit einander verwobenen Schichten besteht, die sich erst nach und nach offenbaren und die Leser*innen zwingen, die Vermutungen über den Fortgang zu überprüfen, vielleicht sogar zu revidieren! Skarbek ist eine solche Story! Es beginnt damit, dass ein polnischer Graf, Skarbek, in der Pariser Kunstszene des Jahres 1843 auftaucht und die Bekanntschaft von Sammlern des Malers Louis Paulus sowie ihres Galeristen macht. Durch sie erlangt er sogar Zugang zu der ehemaligen Muse des Künstlers.

Skarbek Gesamtausgabe page 61

Im Zentrum der Geschichte steht ein Prozess, den der Adelige gegen die Sammler und den Verkäufer der Bilder anstrengt. Ein Skandal entwickelt sich und niemand, weder Anwälte noch Beteiligte, Richter, oder gar Zuschauer*innen sind vor Überraschungen und plötzlichen Wendungen in diesem Prozess geschützt. Es scheint, dass der polnische Graf nicht ist, was er zu sein scheint, und dass die angeblichen „Guten“ mehr Dreck am Stecken haben als ihnen lieb ist.

Verwoben in dieses Gerichts- und Rachedrama sind zusätzlich noch eine Piratengeschichte, die Geschichte einer leidenschaftlichen Malerei und mehrfach enttäuschter Liebe. Was klingen mag wie eine Ansammlung einfach aller möglichen Motive für eine Geschichte ist in Wirklichkeit von Yves Sente komplex verwoben und spannend erzählt!

Jedes Bild ein Kunstwerk!

Üblicherweise sind die Bilder in einem Comic-Strip gezeichnet. Grzegorz Rosinski dagegen hat jedes einzelne Panel gemalt und schafft damit eine ganz außergewöhnliche Optik. Einerseits gelingt es dadurch natürlich optimal, die Gemälde des Louis Paulus in die Handlung und ihre Darstellung zu integrieren. Es ist kein Widerspruch zwischen dem Bild des malenden Malers und dem Bild des gemalten Bildes und die Leser*innen werden so noch tiefer in die Handlung hineingezogen.

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Auf der anderen Seite ermöglicht diese Art, die Hintergründe und das Dekors so unglaublich detailliert und facettenreich zu gestalten. Jede Zeichnung, teilweise selbst Fotos wären mit dieser Fülle überfordert. Hier aber kann das Auge diese Details zunächst ignorieren, um dann zu ihnen zurückzukommen, wenn die Informationsaufnahme abgeschlossen ist. Die Vielschichtigkeit dieses Werkes liegt also nicht nur in der Handlung, sondern auch in der graphischen Darstellung höchstselbst!

Das Besondere für die Sammlung!

Die Gesamtausgabe von Skarbek kommt zusätzlich mit einem großen Anhang, voll mit Skizzen und Entwürfen. Dieser erlaubt einen Einblick in die Entstehungsprozedur, ermöglicht aber auch, das eine oder andere Schmankerl prominent dazustellen. Die limitierte Vorzugsausgabe enthält zusätzlich noch ein Portfolio mit Zeichnungen zu den Bildern von Paulus mit den entsprechenden Motiven.

Skarbek Gesamtausgabe Vorzugsausgabe
Portfolio der VZA

Inhaltlich wie auch grafisch fällt der Band aus dem Rahmen: Die Story ist vielschichtiger als üblich, die Bilder viel detaillierter, aber auch künstlerischer. Nichts für den schnellen Genuss also. Auf der anderen Seite ist dieses Werk zwar besonders (gut), aber nicht experimentell oder schräg. Es bleibt im Kanon des Erwartbaren! Per definitionem also ein besonderes Schmuckstück für jede Sammlung, aber mit sehr hohem Gebrauchswert!

Dazu die Neue von The Damned „Beware of the Clown“ und ein dunkelroter Bordeaux.

© der Abbildungen Dargaud Benelux (Dargaud Lombard s.a.) 2008, by Rosinski, Sente / 2023 Schreiber & Leser, Hamburg

Hill/McDaid – Sea Dogs

Blutige Wellen / DC Black Label

Story: Joe Hill
Zeichnungen: 
Dan McDaid
Originaltitel: 
US-Joe Hill: Sea Dogs

Panini Comics

Broschur | 148 Seiten | Farbe | 13 €
ISBN: 978-3-7416-2269-4

Cover Joe Hill Sea Dogs

Joe Hill ist das Pseudonym des Sohnes von Stephen King, der ohne Belastungen anfangen wollte. Mittlerweile hat er sich aus dem Schatten längst befreit und steht für gepflegten Horror. Hill schreibt dabei sowohl Romane als auch Szenarien für Comics, die in mehreren Miniserien erscheinen. Die Sea Dogs tauchten dabei in jedem dieser Hefte mit zwei bis drei Seiten auf und liegen hier nun komplett als Black Label Edition vor. Leinen los für die Werwölfe auf Hohe See!

Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg als Hintergrund

Die heutigen Vereinigten Staaten waren lange Zeit eine englische Kolonie. Auch andere Kontinentalmächte wie die Niederlande und Frankreich hatten ihre Finger im Spiel, wieder andere wie Spanien hatten weiter südlich ihre Pfründe gefunden. Unter anderem wegen zu hohen Abgaben hatten amerikanische Siedler begonnen, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Von der Boston Tea Party im Jahre 1773 bis zum Jahr 1780 war es eine lange Zeit von bitteren Niederlagen und die Moral der Amerikaner war nicht mehr hoch.

Detail Joe Hill Sea Dogs 1

Insbesondere war zu bemerken, dass die britische Flotte die amerikanische fast vollständig vernichtet hatte und nun drohte, jeden Hafen zu zerstören, der Ladung von französischen oder spanischen Schiffen gelöscht hatte. Tatsächlich half in dieser Situation der zerstörerischte Hurrikan aller Zeiten. Joe Hill erzählt aber eine andere Geschichte!

Es kam darauf an, die siegesgewohnten Briten zu verunsichern und ihnen den Glauben an die eigene Unverwundbarkeit zu nehmen. Was könnte da besser Helfen als eine Gruppe von Werwölfen „under cover“ einzuschiffen und sie ihre Arbeit erledigen zu lassen?

Detail Joe Hill Sea Dogs 2

Das raue Leben auf hoher See

Typischerweise erzählen die meisten Comic-Abenteuer auf hoher See die kriegerischen Begegnungen mit englischen Schiffen aus der Sicht der Piraten. Diese sind cool, verwegen, gegen Ende allerdings oft kopflos. Hier ist der Fokus auf dem englischen Kriegsschiff; die Besatzung ist eingespielt und leicht in der Lage, neue Mitglieder zu integrieren. Dan McDaid beginnt dann auch damit, den rauen Alltag zu zeigen. Dann beginnen jedoch nachts Crewmitglieder zu verschwinden, werden hundeköpfige Kreaturen gesichtet und die Angst beginnt.

Als dann noch ein sehr starker Hurrikan aufkommt und mehrere feindliche Schiffe gesichtet werden, scheint die Zeit der Abrechnung gekommen. Die Zeichnungen nehmen sowohl die Angst der Besatzung als auch den Fanatismus der Offiziere auf und zeigen den zunehmenden Horror durch Wetter, Gegner und Monster.

Detail Joe Hill Sea Dogs 3

Nette Variante!

Die Werwölfe sind hier, anders als in vielen young-adult Stories, mörderische Kreaturen. Sie verbreiten schon in normalen Situationen Angst und Schrecken und die Enge eines Schiffes, die nicht einmal die Idee einer Fluchtmöglichkeit eröffnet, verstärkt das noch. Die Zeichnungen sind – bei diesem Thema auch wohl nicht anders erwartbar – nichts für kleine Kinder, allerdings weit entfernt von einigen Splatter-Serien.

Die Verknüpfung von geschichtlichen Ereignissen mit mythischen Kreaturen ist durchaus nett zu lesen. Ein weiterer nicht üblicher Punkt ist die häppchenweise Veröffentlichung von nur zwei Seiten, die wegen der pausenlosen Cliffhanger eine ganz andere Spannung erzeugt als sie üblicherweise in den US-Heften serviert wird. Wie immer bei Panini gibt es ein wenig Hintergrundwissen über Beteiligte und die Geschichte. Der Band ist auch als limitiertes Hardcover erhältlich.

Cover Joe Hill Sea Dogs VZA
Cover der limitierten Ausgabe

Dazu passen ein Rum-Grog und „The Raven“ von The Stranglers!

© der Abbildungen 2019, 2020, 2023 Joe Hill, 2023 DC / 2023 Panini Verlags GmbH

Brugeas/Toulhoat – Die Totenkopfrepublik

Lieber tot als Sklave

Story: Vincent Brugeas
Zeichnungen: 
Ronan Toulhoat
Originaltitel: 
La République du Crane

Splitter Verlag

Hardcover, Book | 224 Seiten | Farbe | 35,00 € | 
ISBN: 978-3-96792-373-5

Cover Die Totenkopfrepublik

Obwohl unter anderem das Piraten-Sujet immer wieder totgesagt wird, ist es insbesondere aus der Subkultur nicht wegzudenken. Die Totenkopfflagge weht in Fußballstadien und auf Rockkonzerten, Piratenkostüme sind immer beliebt. Das liegt nicht nur an Blockbustern wie der Piraten der Karibik-Serie, sondern vor allem an der teils romantisierten Verklärung des Ethos der Piraten: Lieber in Freiheit am Strang sterben als mit Ketten an den Händen leben!

Die Totenkopfrepublik page 1

Freiheit, Demokratie, Brüderlichkeit

Vincent Brugeas entwickelt das Szenario der Totenkopfrepublik anhand von drei verschiedenen Charakteren: Da ist zunächst der charismatische Sylla. Als Kapitän eines Piratenschiffs beliebt und erfolgreich, hat er Defizite in der Taktik und Planung, gleicht sie aber dadurch aus, dass er die Männer zu Höchstleistungen treiben kann. Quasi als Gegenentwurf gibt es den Ich-Erzähler Oliver de Vannes. Er überlegt, vielleicht manchmal zu viel, wägt ab und ist in keiner Weise draufgängerisch. Und dann ist da noch Maryam, eine afrikanische Königin.

Das in Kapiteln aufgebaute Werk stellt die Ehre der Piraten in den Vordergrund. Es geht nicht um das Morden und Beute machen, das Ziel ist es, frei zu leben, die Aktionen gemeinschaftlich zu beschließen und das raue Leben auf See nicht für andere zu opfern. Natürlich müssen sich die Männer ernähren und überfallen daher andere Schiffe. Beute, die nicht verkauft und somit auch nicht zu Lebensmitteln (und Alkohol) werden kann, ist sinnlos. Im Nachwort wird ausführlich erklärt, warum plötzlich so viele Seeleute plötzlich ohne Heuer dastanden. Bei den Piraten wurde ihnen nicht nur das Überleben gesichert, es gab auch eine Gemeinschaft, die für Verletzte eintrat.

Die Totenkopfrepublik page 4

Sehr früh wird ein Schiff gekapert, dass eine Ladung Sklaven an Bord gehabt hatte. Sie hatten sich unter ihrer Königin Maryam zwar bereits befreit, waren aber nicht in der Lage, ein Schiff zu steuern. De Vannes gelingt es, mit ihnen eine Übereinkunft zu treffen und die drei Protagonist*innen werden in Zukunft eine mehr oder weniger stabile Einheit bilden. Neben den Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit und dem Kampf ums Überleben stehen immer wieder „politische“ Konflikte zwischen der Gefolgschaft der ehemaligen Sklav*innen und der Freiheit der Piraten im Mittelpunkt der Geschichte.

Viel Action aber auch ein wenig Pathos

Das Leben auf See ist gefährlich und anstrengend. Kämpfe sind per se schon mörderisch, wenn aber das beengte Schiff der einzige Schutz vor dem Untergehen ist und die Gegenseite mit Kanonen Feuerbälle verschießt, ist ein schneller Sieg umso wichtiger. Diese Alles-oder-Nichts-Situationen bringt Ronan Toulhoat sehr gut auf das Papier. Man nimmt den Figuren ihre Emotionen ab, nichts wird überzeichnet.

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Ebenfalls sehr gut gelungen ist die Darstellung der Königin. Obwohl sie bei ihren ersten Auftritten nackt ist, liegt darin keine Sexualisierung! Sie strahlt Macht und Autorität aus und beweist diese auch später immer wieder. Natürlich möchte man als Leser*in das Ende so nicht akzeptieren und genauso sicher weiß man trotzdem, dass es kommen wird. Diese Geschichte mit dem Pathos so zu erzählen, dass es nicht trieft, ist der sehr guten Umsetzung durch die Zeichnungen zu verdanken, die neben allen Leistungen auch die Schwächen zeigen.

Top-Tipp!

Viele Piratenstories sind rein Action-orientiert oder eher Klamauk-haft. Brugeas und Toulhoat stellen den demokratischen, freiheitsliebenden Aspekt in den Vordergrund. Wie in so vielen Fällen dauern Aufstände und Rebellionen allerdings nicht all zu lange an, der Rest der Welt kann es sich nicht leisten, erfolgreiche Beispiele für ein „anderes Leben“ zu dulden. Insofern ist die Totenkopfrepublik eben nicht nur ein weiteres Abenteuer nach altbekanntem Muster, sondern fügt dem Kanon etwas Neues (oder zumindest seltenes) hinzu. Nicht nur für Fans der Held*innen mit Augenklappe, sondern auch für Leser*innen von Comics aus dem bahoe-Verlag.

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In einem lesenswerten Essay wird etwas näher auf die Geschichte der Piraterie und ihrer Verwandten, etwa der Korsaren und Freibeuter, eingegangen. Hier wird auch ein historisches Vorbild für Königin Maryam vorgestellt. Der Tenor ist nicht ganz so überzeugt von der positiven Bedeutung der Freiheit, verneint sie aber auch nicht.

 Dazu passen The Pirates, etwa mit „Lonesome Train” und natürlich ein Rum aus der Karibik.

© der Abbildungen DARGAUD BENELUX (Dargaud-Lombard S.A.) 2022, by Brugeas, Toulhoat / Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023

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