Hugo
Pratt ist einer der bekanntesten Comicschaffenden
Europas, gleichzeitig sperren sich viele seine Werke der einfachen Rezeption.
Ende der 60-er Jahre wurde in Italien mit Sgt. Krk ein Comic-Magazin
ausschließlich zu dem Zweck, Pratts Werke
publizieren zu wollen, gegründet. In den 70-ern veröffentlichte Pratt Millionen-Auflagen in Frankreich
und Italien und war gleichzeitig der einzige Autor, dessen Geschichte im
damaligen ZACK noch während des Abdrucks des ersten Bandes von Corto Malteses Südseeballade abgebrochen
werden musste.
Aktuell sind sowohl bei Schreiber & Leser mustergültige Ausgaben von Corto Maltese (in Schwarz-Weiß und in Farbe) und anderen Titeln aus der Zeit in Italien als auch z.B. beim avant-VerlagEternauta oder Ticonderoga aus seiner Zeit in Argentinien erhältlich.
Über den 1995 gestorbenen Ugo Eugenio Pratt ist bereits viel geschrieben worden, zuletzt über
die argentinischen Künstler Oesterheld,
Breccia, Munoz aber eben auch Pratt
in der Reddition 68.
Seine Autobiographie war aber auf Deutsch bisher nicht verfügbar.
Die Gespräche
Nun gibt es die Möglichkeit, ihn im
(übersetzten) Originalton kennen zu lernen. In Warten auf Corto erfahren wir, was der Autor seinem Freund Antonio de Rosa während einiger Autofahrten
1970 erzählt hat. War ursprünglich noch versucht worden, den Wortschwall irgendwie
aufzubereiten, entschied man sich nach einigen erfolglosen Versuchen, die 10 Tonbandspulen
zwar zeitlich sortiert, ansonsten aber unbearbeitet zu veröffentlichen. Mehr Original
geht nicht! Die Geschichten fordern den/die Leser*in aber auch, denn sie sind
nicht redaktionell geglättet, sondern sprunghaft, mal ernst mal angeberisch
aber immer authentisch.
In sechs Kapiteln berichtet der Autor von
seiner Jugend im faschistischen Italien und im italienisch besetzten Äthiopien,
seinen Kriegserlebnissen, seiner Überfahrt nach Argentinien und seinen dortigen
Erlebnissen mit Freund*innen, Kollegen und auch seinen Liebschaften.
Dr. Peter Pohl hat es übernommen, die Texte in das Deutsche zu übertragen. Im gelingt es ausgezeichnet, den erzählenden Menschen wiederzugeben. Man hört die Empathie, das Engagement und den Stolz aus den Zeilen heraus und ist fast mit in dem kleinen Fiat Millecento dabei.
Ergänzt wird der dritte Band der Texte zur graphischen Literatur durch
eine Unzahl von Skizzen Pratts und
Fotos und weiteren Abbildungen aus persönlichen Archiven. Der Text ist
ursprünglich 1971 erschienen, 1986 und 1987 wurde er neu aufgelegt. Jeweils
wurde neues Bildmaterial hinzugefügt und diese Veröffentlichung enthält nicht
nur alle Abbildungen der bisherigen Ausgaben, sondern noch weiteres Material
darüber hinaus! Dazu kommen noch eine Zeittafel und eine erneut überarbeitete
Bibliographie der Comics von Hugo Pratt
inklusive der deutschen Ausgaben.
Die Reihe
Volker
Hamann bringt, oft zusammen mit Matthias Hofmann, in seinem Verlag Edition Alfons nicht nur die
Magazine Alfonz und Reddition heraus, sondern mit den Texten
auch Monographien zu bedeutenden Meilensteinen der Neunten Kunst. Im Vordergrund
stehen dabei nicht wissenschaftliche Gründlichkeit, sondern populärwissenschaftliche
Verständlichkeit.
Wer sich mit den Hintergründen von Pratts Geschichten beschäftigen oder aber Eindruck in die Entwicklung des Zeichners von jugendlichen, pubertären Skizzen hin zu einem der bedeutendsten italienischen Künstlern der Neuzeit gewinnen möchte, wird an diesem Band nicht vorbeikönnen!
Dazu passen ein gut gekühlter Aperol Spritz
und als musikalische Untermalung die Geräusche der Stadt, die man hört, wenn
man auf dem Balkon sitzt und liest.
Heft Din A 4 | 44 Seiten | Farbe | 8 € ISSN: 0165-845X
Das Magazin STRIPSCHRIFT aus Rotterdam
erscheint mittlerweile im 52. Jahrgang, es ist also eine echte Institution
unserer westlichen Nachbarn. Viermal pro Jahr bietet es Interviews, News und
fachlich fundierte und reich bebilderte Artikel über Comics und Karikaturen.
2011 erhielt es dafür den P. Hans
Frankfurther Prijs für besondere Verdienste. Wer Interesse daran hat, kann
es auch außerhalb der Niederlande abonnieren.
Die hier besprochene Ausgabe 456 vom November 2018 soll als ein Beispiel für die wirklich lesenswerte Zeitschrift dienen. Zugleich ist es eine perfekte Ergänzung zur Reddition 69 über Peyo und sein Atelier. Neben einem längeren Interview mit Vittorio Giardino, auch in Deutschland bekannt durch Jonas Fink und Max Friedmann, enthält es ein langes Interview mit dem seit 30 Jahren für das Studio Peyo arbeitenden Jeroen de Coninck. Jeroen hat nicht nur einige der aktuellen Schlumpf-Alben gezeichnet, sondern auch Merchandise-Figuren, Poster und Kinderbücher mit den kleinen blauen Kobolden gezeichnet und entworfen. Die Rezension zum 36. Album gibt es hier.
Das Interview bietet einen Einblick in seine Laufbahn und Arbeitsweise im Studio und auch Ausblicke auf das bereits angekündigte neue Abenteuer.
Dazu kommt ein Artikel des Theologen Frank G. Bosman aus Tilburg. Er
entwickelt aus seiner Sicht eine Analyse der theologischen und philosophischen
Grundmuster die bei den Schlümpfen verwendet werden – Lesenswert und anregend!
Dieser Artikel beweist wieder einmal, dass gute Geschichten oft ihren
Hintergrund in alten Mythen haben. Leider ist das Wissen darum oft genug
vergessen.
Giardino erzählt in den zweiten Schwerpunkt des Heftes, warum er seinen
ursprünglichen Beruf aufgegeben hat um als Autodidakt Comics zu zeichnen und
mit welchen Schwierigkeiten er anfangs zu kämpfen hatte. Mittlerweile kann er
es sich leisten, Comics zu zeichnen und erst danach nach einem Verleger zu
suchen. Er begründet außerdem, warum er sich für seine Comics so lange Zeit
nimmt und erklärt seine Arbeitsweise sehr ausführlich.
Auch wenn bei der STRIPSCHRIFT natürlich der
niederländisch-flämische Markt im Vordergrund steht sind die dort abgedruckten
Interviews auch für deutsche Leser*innen interessant und einen Versuch wert.
Zudem sind viele der abgedruckten Illustrationen hier so nicht verfügbar.
Dazu passen ein traditionelles Leffe und The Selecter!
Dortmund hat einen neuen Schauraum für comics und cartoons – Gestern wurde die neue Institution untern anderem durch den Kurator Dr. Alexander Braun eröffnet. Geplant sind zunächst sechs jeweils halbjährige Ausstellungen sowie „das Bespielen des öffentlichen Raums“ in Dortmund mit weiteren Aktionen. Der Raum ist dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte angegliedert und soll auch die Comicforschung unterstützen.
Dr. Alexander Braun eröffnet die Ausstellung Ente Süss Sauer
Das Konzept
Um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen und viele Menschen zu erreichen ist der Schauraum selbst gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof auf dem direkten Weg in die Innenstadt nur montags geschlossen, sonst aber bei freiem Eintritt zu besichtigen. Da dieses neue Programm ohne Förderung der Stadt ohnehin nicht existieren könnte, soll keine künstliche Barriere durch ein Eintrittsgeld aufgerichtet werden. Man möchte lieber, dass die Besucher*innen das Geld (wenn vorhanden) in einen Katalog investieren und so Inhalte auch mit nach Hause nehmen können. Der aktuelle Katalog, das sei hier schon vorweggenommen, bietet auf 144 Seiten im Hardcover sehr viele Abbildungen und Texte des Kurators, so dass sich der Besuch alleine deswegen lohnt. Der Katalog wird nämlich nur in der Ausstellung selbst erhältlich sein!
Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre befristet und wird als erstes „Partizipationsprojekt“ das Thema Umweltzerstörung und Klimawandel angehen. Der Schauraum wird dabei eng mit anderen Dortmunder Kulturinstitutionen zusammenarbeiten. Von dieser Stelle aus dazu viel Glück! Comix-online wird sicherlich über das eine oder andere kommende Event berichten!
Die aktuelle Ausstellung – Ente Süss Sauer
Carl Barks war einer der bedeutendsten Geschichtenerzähler der modernen Literatur und blieb doch fast während seines gesamten Arbeitslebens unbenannt, denn er war einfach „The Good Artist“. Von seinen 6700 Seiten haben nur knapp 200 als Originale überlebt. Sein Arbeitsprozess, die Genauigkeit seines Werkes, das soweit man das aus den Überbleibseln vermuten kann kaum Korrekturen aufwies, und sein Federstrich lassen sich heute daher nur sehr selten in Augenschein nehmen. Umso wichtiger sind Möglichkeiten, seine Werke, die sich oft im Privatbesitz befinden, tatsächlich sehen zu können.
Courtesy Glenn Bray, Kalifornien
Barks arbeitet zunächst für Disney direkt, wechselte dann aber zu Western Publishing und schuf zwischen 1942 und 1966 fast den gesamten Entenhausener Kosmos aus seiner kleinen, abgelegenen Zeichnerstube: Dagobert, Gustav Gans, die Panzerknacker, Daniel Düsentrieb und Helferlein aber auch zum Beispiel den Geldspeicher und viele weitere Personen und Gebäude, die mittlerweile alle den Einstieg in das Alltagswissen fast der gesamten Welt genommen haben.
„Carl Barks und die Folgen“ bietet insgesamt 35 Originalzeichnungen! 10 davon sind von Carl Barks, naja, fast. Fünf sind von ihm selbst, 5 weitere basieren auf seinen Vorzeichnungen. Immerhin sind unter den von ihm stammenden Originalen 2 (von nur 30 existierenden) aus seiner Blütezeit in den 50er Jahren.
Neben Barks finden sich Werke von seinen besten Nacheiferern, die alle einen eigenen Stil entwickelt haben, die Einflüsse von Carl Barks aber deutlich machen und teilweise anhand von Barks Scribbles gearbeitet haben: Romano Scarpa aus Italien, Daan Jippes aus den Niederlanden, Vicar aus Chile und William Van Horn sowie Don Rosa aus den USA werden oft als seine Schüler bezeichnet. Ganz passend ist dieser Begriff nicht, haben sie doch nicht in seinem Atelier gearbeitet. Ihre inhaltliche Nähe drückt dieser Begriff aber gut aus.
Der Katalog
Wie bereits oben erwähnt: der Katalog ist ein Must-have! Er erzählt nicht nur anhand der Originale die Geschichte von Barks, er führt auch ein in seine Arbeitsweise und die Unterschiede zum damaligen Mainstream und verdeutlicht an den Werken seiner Schüler die Alleinstellungsmerkmale des „guten Künstlers“.
(c) 2019 Disney Enterprises, Inc.
Mit dem Preis von 15 € sind wir fast bei 10 Cent pro Seite, also dem Preis, den Comic-Hefte damals gekostet haben. Die Auflage der Hefte betrug in ihrer Höchstzeit rund drei Millionen Stück (pro Ausgabe!). Von all diesem Geld hat Barks wenig gesehen. Auch diese Geschichtewird in dem Katalog thematisiert.
Dazu passen eine Flasche Wasser (natürlich keine Throw-away sondern nachfüllbar) und Amy Winehouse für den Weg zum Schauraum!
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift für Graphische LiteraturREDDITION widmet sich
ganz dem Künstler Peyo, seinem
Atelier und den Schlümpfen.
Auch dieses Mal erhalten Abonnenten wieder
ein Schmankerl, nämlich eine auf 500 Stück limitierte Broschüre mit neun
halbseitigen Werbecomics für Kellogg’s
Corn Flakes von 1965 in deutscher Erstveröffentlichung.
1958 hatten die blauen Kobolde ihren ersten Auftritt als Gäste in Johann und Pfiffikus auf den Seiten des belgischen Comic-Magazins Spirou doch schon bald sollte ihre Popularität die aller anderen Serien von Pierre Culliford, der als Peyo veröffentlichte, übertreffen.
Über die Entstehung ihres Namens in
Verbindung mit Wortfindungsstörungen für einen Salzstreuer ist schon oftmals
geschrieben worden. Die Reddition bleibt aber nicht bei dieser Anekdote stehen,
sondern beschreibt in einem Artikel von Volker
Hamann auch die Wortkreationen für die verschiedenen Sprachen und die
Entwicklung in Deutschland. Anfangs wurden die Wesen nämlich auch hierzulande
noch unter einem ganz anderen Namen vertrieben.
Überhaupt bilden die Schlümpfe eine Besonderheit im Comic-Kosmos, waren sie doch die ersten, die ihren Siegeszug nicht (nur) im Comic, sondern vor allem im Merchandisebereich antraten und so gibt es wohl keinen Haushalt, der nicht schon einmal eine der Schleich-Figuren (oder eine der kurzfristigen Bully-Varianten) ihr Eigen genannt hat. Die Geschichte der Figuren beschreibt Falk Straub, wie immer reich bebildert und mit unzähligen kleinen Fakten angereichert.
Um die Popularität der Schlümpfe komplett zu verstehen, ist es aber ebenso wichtig, einen Blick auf ihre TV- und Filmkarriere zu werfen. Thorsten Hanisch erlaubt einen Überblick in die europäischen und vor allem amerikanischen Umsetzungen und ihre Verbreitungen. Dazu kommen Artikel über die Schlümpfe in Deutschland – hier ist vor allem zunächst wieder einmal Rolf Kauka und Fix und Foxi zu erwähnen – und in den USA. Natürlich findet auch Vader Abraham mit seinem Gassenhauer eine Erwähnung.
Beilage für Abonnenten
Da Peyo
aber neben ungezählten Aufträgen für neues Schlumpf-Material auch seine anderen
Serien (die bereits erwähnte Ritter-Story Johann
und Pfiffikus aber auch Pussy und
Benny Bärenstark) zu bedienen hatte,
blieb ihm keine andere Möglichkeit als die Errichtung eines eigenen Ateliers
mit ihm zuarbeitenden Künstlern. Diese nicht immer ganz rühmlich verlaufene
Geschichte wird von Peter Osteried
und Volker Hamann geschildert.
Das Dossier beginnt mit mehreren Artikeln
über Peyo selbst, seiner Entwicklung
von Jugendtagen an bis zu seinem Tod und der Übersetzung seines letzten
Interviews aus dem Jahr 1992 und wird mit einer Bibliographie der Comics von Peyo und seinem Studio und ihrer
deutschen Veröffentlichungen, die einzig die Erwähnung der limitierten Beilage
„vergessen“ hat, abgerundet.
Was aber wäre die Reddition, wenn es nicht auch eine Auseinandersetzung mit den Inhalten gäbe? Uwe Zimmermann nähert sich analytisch auf zwei Weisen den Inhalten des Schlumpf-Universums. Während die Schlümpfe einerseits klassische Charaktere der Mythen und Abenteuergeschichten im niedlichen Gewand darstellen, symbolisieren ihre Konflikte andererseits typische Menschheitsprobleme. Diese inhaltliche Tiefe geht allerdings im Laufe der Entwicklung immer mehr verloren und am Ende sind es einfach (nur noch) routiniert erzählte aber austauschbare Geschichten.
Wieder einmal beweist das Team der Reddition, dass es ein
Thema umfassend bearbeiten kann. Das Konzept, zwei Mal im Jahr einen Komplex zu
analysieren und darzustellen, also Breite und Tiefe anzubieten, geht auch in
diesem Fall auf und belegt die Alleinstellung dieser Zeitschrift. Auch wenn
nicht jedes Dossier für jede*n gleich interessant sein mag, es gibt keine
andere Möglichkeit in Deutschland, Informationen über Comics, ihre
Künstler*innen, Inhalte und Rezeptionen, so geballt und gut layoutet, zu
bekommen.
Dazu passen eine Kanne Tee oder aufgebrühte
Sarsaparille und BritPop, etwa von Blur.
Hardcover mit Leseband | 496 Seiten | 29 x 39,5 cm, in Kartonverpackung mit Tragegriff | 150 €
ISBN: 978-3-8365-5283-7
Der neunzigste Geburtstag der berühmtesten Maus der Welt hat seinen Höhepunkt erreicht und beschert uns einen Prachtband: das mehr als sechs Kilo schwere und überformatige Werk aus dem Taschen Verlag ist das ultimative Weihnachtsgeschenk für alle Mickey Mouse Enthusiasten!
Die Chronik von Gerstein und Kaufmann beinhaltet eine Auflistung sämtlicher Kinoauftritte von Micky Maus, seine Entwicklung in anderen Medien und seine Vermarktung durch Walt Disney bzw. den Disney Konzern. In Anlehnung an die Superhelden-Zeitalter wird auch in diesem Werk zwischen dem Golden (1928-1940), dem Silver (1941 – 1959) und dem Modern-Age (ab 1960) unterschieden. Die einzelnen Teile werden durch Model-Sheets und festeren Karton unterteilt. Ein weiteres Gimmick ist das Lesebändchen, das mit einem Micky-Kopf versehen ist. Die ultimative Chronik führt zunächst durch die ersten drei Jahre der Maus, erklärt ihren Hintergrund in den Problemen des Walt Disney Studios mit den Rechten an der Vorgängerserie und den Herausforderungen, eine Zeichentrickfolge, noch dazu mit Ton, in allen US-Bundesstaaten gleichzeitig zu starten. Alle diese Voraussetzungen zusammen ergaben eine einmalige Melange, die es ermöglichte, eine unverbrauchte und eigene Kreatur zu entwickeln, anarchistische und slapstickhafte Inhalte zu starten und im monatlichen Rhythmus neue Sachen auszuprobieren. Im Vordergrund stand dabei die Verbindung aus Film und Ton in einer bisher nie gesehenen Weise: Mickey und Minnie schienen selber zu sprechen und zu singen! Neben einer Vielzahl von Bildern, Fotos, Drehbuchauszügen und Werbematerialabbildungen glänzt das Werk dabei mit einer Mischung aus Überblick und detaillierter Information über jeden einzelnen Trickfilm.
Bereits ein Jahr nach dem berühmten und heute als Geburtsstunde zählenden Auftritt in Steamboat Willie 1928 wurden die ersten Comic-Beispielseiten an King Features versendet. Auch hierzu gibt es wieder zahlreiche Abbildungen. 1930 erschienen die ersten Mickey-Comics in England und Italien in Lizenz und somit waren schon nach zwei Jahren die Grundlagen für die unvergleichliche weltweite Karriere in verschiedenen Medienformen gelegt.
Schon damals benötigte man zu der kreativen Idee und der gefälligen Umsetzung aber ein weiteres Merkmal um den Erfolg dauerhaft zu sichern: Das Marketing und damit einhergehend ein gutes Merchandising. Nur dadurch konnte der Name (oder in Neudeutsch: der Brand) dauerhaft im Alltag verankert werden: Puppen und anderes Spielzeug, Uhren, Kleidung und schließlich Werbeauftritte mit Mickey und Co für andere Produkte! Und auch hier zeigt sich, wieviel Material die Autoren in jahrelanger Arbeit zusammengetragen haben und wie gut sie diese Bruchstücke in einen lesbaren und lesenswerten Text übertragen konnten!
Im zarten Alter von sieben Jahren entwickelte sich die chaotische und bisweilen boshafte Maus zu einem freundlichen, fröhlichen und bescheidenen Charakter weiter. Das cholerische Element durfte nun im Wesentlichen von Donald Duck verkörpert werden. Parallel wurde Mickeys Filmen neben dem Ton eine weitere Neuerung spendiert: Farbe! Und auch in der Beschreibung dieser Ära punktet die vorliegende Chronik wieder mit einer vortrefflichen Mischung aus detaillierten Infos, Überblickseinordnungen und einer unglaublichen Menge an Illustrationen. Die Größe der Abbildungen schwanken dabei zwischen 45 cm² und 4582 cm², also fast einem halben Quadratmeter!
Insbesondere die parallelen Vorbereitungen für den ersten abendfüllenden Spielfilm, der später Fantasia heißen sollte, werden ausführlich und in all ihren Irrungen und Wirrungen beschrieben.
Neben der Entwicklung im Film machte Mickey auch im Bereich des Comics enorme Weiterentwicklungen durch: Zusätzlich zu den Zeitungsstrips gab es immer mehr Magazine und schließlich sogar mit Walt Disney’s Comics and Stories das erste echte Comic-Heft und auch die Anzahl der internationalen Lizenzen stieg ständig und führte 1937 mit der Micky Maus Zeitung aus der Schweiz auch zu einem ersten deutschsprachigen Produkt.
War bisher alles mehr oder weniger bekannt und konnte aus vielen unterschiedlichen Quellen zusammengesucht werden, bietet die chronologisch aufgebaute Zusammenstellung ein erstes Unikat, nämlich eine Sammlung unveröffentlichter oder nicht realisierter Ideen mit einer unglaublichen Menge an Cells, Storyboards und einzelner Zeichnungen. Dieser unbekannte Mickey bietet noch einmal neue Einsichten.
In den 30-er und 40-er Jahren wurden die USA immer mehr durch das sich ausbreitende und immer erschwinglicher werdende Radio geprägt. Folgerichtig entwickelte sich auch der Hauscharakter des Disney-Konzerns in diesem Medium weiter und auch dieses lässt sich detailliert nachvollziehen.
Der zweite Teil über das sogenannte Silver-Age beginnt mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und dem erstaunlich geringen Einfluss dieses Ereignisses auf die Mickey-Filme. Einiges war bereits vorproduziert und konnte nicht mehr geändert werden. Vielleicht war Mickey auch schon zu „nett“ geworden, die Filme aus dem Universum von Mickey und Minnie liefen eher ohne das Kriegsthema weiter. Andere Helden wie Donald hatten hier eine deutlich andere Entwicklung. Im Comic spielte der Krieg dagegen sehr wohl eine Rolle und Mickey durfte als Geheimagent seinen Beitrag leisten. Nach dem Krieg waren Mickey und Minnie etabliert aber langweilig und die notwendige Modernisierung fand nicht mehr im Film sondern in den Comics statt. Wichtig ist dabei vor allem der italienische Einfluss, denn die Italiener durften schon von Anfang an eigene Geschichten entwerfen und taten das auch mit erstaunlicher Qualität.
Der Bereich des Merchandising fand in diesem „Zwischenzeitalter“ seine Vollendung mit Disneyland, der Verknüpfung von Ferien und Mickey! Auch der Bereich der kommerziellen Werbung wurde noch einmal vergrößert.
Trotzdem begann die Karriereentwicklung erstmals nach unten zu zeigen. Erstausstrahlungen wurden immer mehr von Wiederholungen verdrängt, Mickey selbst war ein Langweiler geworden und mit dem Tod von Walt Disney schien das Schicksal besiegelt. Es gelang dem Konzern aber schließlich, Mickey zu modernisieren und auch wieder innovative Ideen zu entwickeln. Die Mischung aus Real- und Trickfilm, die in den 30-ern noch gefloppt war, war jetzt aufgrund der technischen Entwicklung realisierbar und erschuf wieder neue Märkte und Konsumentengruppen. Und so ist es nur folgerichtig, dass sich mit Mickey alsDesign auf der Apple-Watch ein Kreislauf schließt.
Ist Mickey damit für die nächsten 10 Jahre gerüstet? Nein! Der Disney-Konzern wird auch weiterhin nicht nachlassen dürfen, die Figur weiter und immer wieder neu zu entwickeln, Modeentwicklungen zu erkennen und zu adaptieren und die Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben.
Für die letzten 90 Jahre gilt aber, dass es keinen Filmstar gibt, der oder die über diese lange Zeit so unangefochten eine Starrolle ausüben und sich dabei immer wieder modernisieren konnte. Das typische Gesicht und die Posen werden überall auf der Welt erkannt und damit stellt Mickey den vielleicht universellsten Charakter der Welt dar. Natürlich spielt auch der Zufall immer eine Rolle. Wie viel Aufwand und Planung aber hinter dieser Erfolgsgeschichte gestanden haben und wie viele Details punktgenau stimmen mussten, wird erstmals in dieser Fülle durch diesen Band deutlich.
Wer auch immer sich mit der Entwicklung beschäftigen möchte und alle Facetten mit Beispielen illustriert im Detail aber auch als Entwicklung verfolgen möchte, ist mit diesem opulenten Band richtig bedient! Auch für Sammler*innen, die schon das eine oder andere Buch über die Mäuse oder den dahinterstehenden Konzern zu Hause haben, bietet der Band Neues und das nicht nur aufgrund der wunderschönen Präsentation. Der Preis mag auf den ersten Blick hoch erscheinen. Wenn aber schon Konzertkarten dreistellige Beträge kosten, sind 150 Euro für dieses Nachschlagewerk nicht zuviel und der Kilopreis liegt unter dem für ein gutes Steak!
Meine Top-Empfehlung als Weihnachtsgeschenk für Comic-Fans!
Neben der regulären Ausgabe ist übrigens auch eine auf 995 Exemplare limitierte Art Edition mit einem Faksimile eines Mickey-Mouse-Merchandise-Katalogs von 1936 und einem Portfolio mit fünf Drucken erhältlich.
Schon zum 19-ten Mal bringt der ICOM sein Jahrbuch heraus
und es ist wieder vollgepackt mit Artikeln über die deutsche Independent-Szene!
Der Interessenverband
Comic, Cartoon, Illustration und Trickfilm e.V. ICOM existiert bereits seit
1981 und bemüht sich darum, Zeichner*innen und Autor*innen ein Forum für
Meinungs- und Informationsaustausch zu bieten um dadurch ihre berufliche Situation
zu verbessern. Der ICOM ist anerkannter Berufsfachverband und bietet für seine
Mitglieder nicht nur Infos sondern auch konkrete Beratung und Hilfestellung.
Ein Baustein dabei ist das Jahrbuch, das gleichzeitig auch als Werbung nach
Außen dient und die sonst eher nicht im Rampenlicht stehende Independent-Szene präsentiert.
Das diesjährige Jahrbuch hat einen ungeplanten Schwerpunkt da es insbesondere in Erlangen auf dem Salon eine Kontroverse um die Besetzungder Jury für den 25. ICOM Independent Comic-Preis gab. Ein Jurymitglied bemängelte die Zusammensetzung als nicht divers genug und bezog sich explizit auf das Verhältnis von Männern und Frauen. In der Auseinandersetzung mit demVorwurf beschäftigen sich einige Artikel mit diesem Vorwurf aus persönlicher aber auch allgemeiner Sichtweise: Beschränkt sich der Vorwurf auf das Verhältnis Mann/Frau oder greift das zu kurz da auch sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Alter, Religion und weitere Kriterien zu berücksichtigen sein. Zudem scheint auch die Möglichkeit genügend Zeit investieren zu können ein nicht zuunterschätzender Faktor zu sein. Möge sich jede*r selbst eine Meinung dazubilden. Meiner Meinung nach ist diese Diskussion wichtig, sollte aber sachlich geführt werden…
Einen weiteren Schwerpunkt bieten die diesjährigen
Preisträger*innen, dient diese Publikation doch auch dazu, die Gewinner*innen
der Öffentlichkeit vorzustellen und ihre Fähigkeiten herauszustellen. Natürlich
gibt es eine Übersicht der Nominierten und die jeweiligen Gewinner*innen der
Sparten „Bester Independent-Comic“, „Bester Kurzcomic“, „Herausragendes
Szenario“, „Herausragendes Artwork“, 2 Sonderpreise und beste*r Newcomer*in. Es werden aber auch Interviews mit den
Preisträger*innen unterstützt durch eine Vielzahl von Beispielen der jeweiligen
Arbeiten und Aus- und Einblicke in die jeweiligen Portfolios gegeben. Alle
Beiträge stehen unter der Leitlinie, dass es hier nicht um Stars geht sondern
um Aktive, die keinesfalls im Scheinwerferlicht der Medien oder des Feuilletons
stehen. Nebenbei kommt aber auch immer wieder ein wenig Stolz zum Vorschein
wenn es darum geht, dass der eine oder die andere in einer Independent-Veröffentlichung
ihre ersten Schritte gemacht haben und sich dann zum erfolgreichen Mainstream
„hoch-“ oder besser weiterentwickelt haben. In allen Beiträgen geht es aber
auch darum, ob und wie sich die jeweiligen zu dem Konflikt verhalten haben und warum.
Auch der Artikel über die holländische Szene hat ein
politisches Thema als Ausgangspunkt: Ist der Umgang mit de zwarte Piet, dem Sidekick für den holländischen Santa, noch
zeitgemäß oder rassistisch konnotiert?
Dieser Teil ist sicherlich in der aktuellen Sekundärliteratur in Deutschland einzigartig. Nirgendwo sonst wird das Thema„Comic“ mit dieser politischen Herangehensweise gesehen. Immer wieder spielen Rassismus (beim Thema Flüchtlinge/Migration oder auch Sklaverei), Sexismus (ja,auch ohne #metoo ein Thema!) oder Kapitalismus eine Rolle, nirgendwo aber miteiner solchen Schärfe und Diskussionstiefe, die an die 80er Jahre erinnert.
Daneben (und eigentlich wohl im Vordergrund geplant) gibt es
eine Reihe von Artikeln über die aktuelle Independent-Szene aus verschiedenen
Blickwinkeln: Welche Arbeitsmittel werden benutzt?, Wo kommen die Ideen her?,
Sind Web-Comic-Erfolge auf Print-Ausgaben übertragbar?, Wieviel Arbeitszeit mit
anderen Dingen brauche ich, um mir Arbeitszeit mit Comics leisten zu können?
Nicht nur für Szenebeteiligte aufschlussreich und unbedingt lesenswert! Oft
erwähnt und mittlerweile für alle bekannt ist, dass man in Deutschland nur sehr
schwer vom Comic-Zeichnen leben kann. Was das aber konkret bedeutet lässt sich
hier wieder einmal anschaulich in konkreten Beispielen erfahren.
Spannend finde ich das Interview mit Eckart Sackmann über Die Deutsche Comicforschung daseinerseits die Verdienste der letzten Jahre würdigt, andererseits aber auch die Probleme (der heutigen Zeit?)mit tiefgründiger Recherche und Analyse beschreibt. Wie viele Autor*innenwollen noch so tief einsteigen und sich wissenschaftlich mit einem Themabeschäftigen wenn es doch auch mit wenigen Zeichen möglich ist? Nebenbei äußerter sich auch über die Zukunft seines Verlages der im Auslaufen begriffen ist.Weitere Artikel des Bereiches „Verlage und Literatur“ beschäftigen sich mit demThema der Definition „Comic“, italienischer Comic-Kunst oder dem Jubiläum des Zwerchfell-Verlages.
Hilfreich ist sicherlich die Ankündigung der Neuauflage des ICOM-Ratgebers „Honorare, Verträge, Urheberrecht“ von Christof Ruoss, Frank Pfeiffer und RA Martin Boden, die schon in ihrer Kurzform nützliche Informationen liefert. Gerade für„nebenbei“ Tätige oder Neulinge ist das einer der Fallstricke, der sehr teuer werden kann. Dazu gibt es Einblicke in verschiedene Geschäftsmodelle, Versicherungen und Berufsverbände! (ISBN 978-3-88834-924-9; 208 Seiten; 20,-€)
Mit diesen Preis überhaupt keine Frage: Auch wenn Teile des
Inhalts sicherlich nicht für jede*n von Interesse sind, bietet das Jahrbuch für
alle, die mehr wollen als bunte Bilder zu konsumieren, genügend Lesestoff,
Einblicke mit vielfältigen schwarzweißen oder farbigen Illustrationen in die
aktuelle Szene und Hilfestellungen und sollte daher in keinem Bücherschrank
fehlen.
Dazu passt No Respect – Excuse my smile am besten! Unterstützung
bietet ein Rotwein (und wem hierzu ein alter Spontispruch einfällt sei
gegrüßt!), gerne auch vegan. Für die Infoteile und die Interviews wäre auch ein
starker fairgehandelter Kaffee nicht zu verachten.
Herausgeber: Mirjam van der Kaaden & Seb van der Kaaden
Verlag StripGlossy Personalia vof Heft Din A 4 | 132 Seiten | Farbe | 8,95 € ISSN: N/A
Die aktuelle Ausgabe der StripGlossy aus Leens/Groningen widmet sich im Schwerpunkt den Comics
Herr Bommel und Tom Poes,
ursprünglich von dem 2005 verstorbenen Marten
Toonder erdacht und gezeichnet. Obwohl in Deutschland kaum bekannt ist Herr
Bommel neben Suske en Wiske und Nero einer der bedeutendsten
Dauerbrenner bei unseren Nachbarn.
Natürlich werden Comics schon seit langem nicht mehr
in halb anonymen Studios ausgefertigt und so stehen auch die Akteure der Bände
im Vordergrund. Den Anfang macht Henrieke
Goorhuis, die erste weibliche Bommelzeichnerin überhaupt. Obwohl erst 28
Jahre alt hat sie schon eine beindruckende Anzahl an Beiträgen für Bommel und
Tom Poes, Donald Duck und Woezel en Pip abgeliefert. Einiges davon und auch ihr
bereits 2012 erschienener Strip über Überlebensstrategien im Dschungel sind in
dieser Folge nachzulesen. Ihre erste Donald Duck Seite von 2009 beweist
eindrücklich ihre Fähigkeit, eine Geschichte auch ohne Worte erzählen zu können
da der Text nicht mit angedruckt worden ist, alle den cholerischen Donald
ausmachenden Elemente aber vorhanden sind. So ist es auch kein Wunder, dass das
Interview mit ihr unter der Rubrik Icoon, also Ikonen der niederländischen Comickunst
eingereiht worden ist. In einem weiteren Beitrag dürfen die aktuellen Bommel-Zeichner*innen
Henrieke Goorhuis, Will Raymakers und
Tim Artz ihre jeweiligen Kolleg*innen
beschreiben und jeweils mit einer Zeichnung vervollständigen. Eine meines
Erachtens sehr persönliche Herangehensweise an das Thema die Spaß macht und dem
Leser seltene Einblicke bietet.
Was wäre eine niederländisch-sprachige Serie ohne Daan Jippes und so folgt ein Werkstattbericht der Zusammenarbeit der Beiden.
Weitere Ausschnitte aus der reichhaltigen Welt dieses
Klassikers bieten Arbeiten von Straatman/Artz,
Valkema, Strickwerda, van Herpen und
Raymakers. Mehr Überblick geht nicht und so ist diese Schwerpunktnummer
insbesondere für deutsche Leser*innen, die einen Einblick bekommen möchten,
wärmstens zu empfehlen!
Aber auch sonst bietet das Heft einiges an Comics: De Generaal hat seinen Auftritt, De Lijn und De Meimoorden werden fortgesetzt und Dick Matena und Daan Jippes dürfen auch jeweils eine Kurzgeschichte beisteuern.
Das Strip Battle steht dieses Mal ganz unter dem
Eindruck von Halloween: Dim Junius
und Dimitri Jansma dürfen auf jeweils
einer Seite ihr – beachtliches – Können beweisen und buhlen auf www.stripglossy.nl/stripbattle
um Stimmen. Der Gewinner darf dann ein Jahr lang in StripGlossy publizieren.
Wie schon erwähnt ist das eine Supersache für noch nicht soo bekannte
Künstler*innen und kann nicht oft genug gelobt werden!
Was wäre die niederländische Comicliteratur ohne „Storm“ von Don Lawrence? In seinem Stil gezeichnet ist die neue Serie „Saul“ von Willem Ritstier und Apri Kusbiantoro deren zweiter Band hier zum Vorabdruck kommt. Es gibt übrigens auch gerade ein Promopaket mit dem ersten Band von Saul und einer älteren StripGlossy-Nummer.
Die Redaktion möchte aber nicht nur unterhalten und
stellt daher das Projekt „Verhalen van
Vrouwen“ vor. Hier geht es um allerlei Arten von Gewalt gegen Frauen und
zeichnerische Annäherungen daran. Das Projekt beinhaltet insgesamt Einsichten
von 23 Frauen. Zum Abdruck kommen hier zwei Arbeiten der belgischen Zeichnerin Kim Duchateau, einmal getextet von Stijn Schenk. Für Schenk ist es bereits
das zweite durch ihn editorisch betreute thematische Projekt nach „Mensen“, einer beachtenswerten Zusammenstellung
mit dem Thema ADHS von jungen Menschen, das von der Stichting In Lijn und dem Dolhuys
| museum van de geest herausgegeben worden ist. Restexemplare sind
möglicherweise noch über die Stiftung erhältlich.
Abgerundet wird das Ganze wieder mit News,
Verkaufscharts und Werbung nicht nur für die großen Verlage. Für alle, die
einen Überblick über die aktuelle Szene unserer westlichen Nachbarn haben
möchten, ein Muss.
Dazu passt klassischer holländischer Ska von Mark Foggo und ein typisch
niederländisches Cassis.
Herausgeber: Mirjam van der Kaaden & Seb van der Kaaden
Verlag StripGlossy Personalia vof Heft Din A 4 | 132 Seiten | Farbe | 8,95 € ISSN: N/A
Schon im dritten Jahr erscheint bei unseren Nachbarn in Leens/Groningen das Magazin StripGlossy, dass sich der niederländisch-sprachigen Comic Kultur verschrieben hat. Alle drei Monate erscheint ein neues Heft mit einem externen Schwerpunktredakteur und einem ansprechenden Mix aus Comicbeiträgen und Artikeln bzw. Interviews. Für alle, die den Überblick über die Entwicklungen in diesem Markt behalten oder gewinnen wollen ist StripGlossy wegen der Vielfalt der Themen eine gute Möglichkeit. Einen ersten Einblick bietet die Webseite www.stripglossy.nl. Der Titel leitet sich aus dem niederländischen Wort für Comics „Strip“ und dem verwendeten „glossy“ Papier ab. Natürlich sind alle Texte in Niederländisch verfasst. Während die gesprochen Sprache durchaus schwer zu verstehen ist erschließt sich der Inhalt beim Lesen ganz gut, wenn man des Englischen und des Plattdeutschen oder Kölschen Dialekts mächtig ist.
StripGlossy ist in den Niederlanden fast überall im Zeitschriftenhandel und in Comicläden erhältlich und kann auch in Deutschland abonniert werden.
Viele niederländische Werke sind mittlerweile auch in Deutschland erhältlich. Das betrifft nicht nur die Disney-Zeichner (Daan Jippes zum Beispiel) sondern auch Serien wie Rhonda (im ZACK) oder Storm und Agent 327 (bei Splitter) um von Klassikern wie dem General gar nicht zu reden. Trotzdem gibt es dort viel mehr zu entdecken!
Comix-online möchte den Blick über die Landesgrenzen nie verlieren und deshalb werde ich auch weiterhin immer mal wieder einen Hinweis auf lesenswerte Veröffentlichungen aus den Niederlanden geben. StripGlossy gehört definitiv dazu!
Die aktuelle Ausgabe wurde von Fred de Heij betreut und enthält teilweise expliziten Content. Im Vorwort erklären die Herausgeber, dass sie die Leser*innen nicht zwingen möchten, diesen Teil (es handelt sich um sechs Seiten) zu lesen/anzusehen. Deshalb sind die entsprechenden Seiten versiegelt und müssen nicht geöffnet werden. Trotzdem enthält das Cover den Hinweis, dass diese Ausgabe für 18+ empfohlen wird. Auch das Titelbild selber spielt mit diesem Thema da es temperaturabhängige Schwärzungen enthält. Den Herausgebern war vermutlich nicht in den Sinn gekommen, dass die Temperaturen dieses Sommers grundsätzlich den Effekt auslösen werden. Mensch sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen, die übrigen 126 Seiten sind von dieser Klassifizierung nicht betroffen.
Die aktuelle Ausgabe stellt zunächst Fred de Heij mit der bekannten Technik des Fragebogens und zwei Beispielen seines Schaffens vor; handelt es sich bei Pulpman um eine eher karikatureske Version eines Clowns ist De Overval ein klassischer Western. Beide Werke sind meines Wissens nach nicht auf Deutsch erhältlich. Daran anschließend wird ein Frühwerk von Dick Matena – Finn – abgedruckt. Im späteren Verlauf ist daraus Flynn geworden. Während Elemente der späteren Serie schon durchaus zu erkennen sind, ist der Bezug auf den klassischen Pulp, der als Inspiration diente, hier noch sehr deutlich zu erkennen.
Die Seiten von Ger Apeldoorn und Luca Salvagno bieten dagegen einen ersten Einblick in die brandneue Serie De Jongens van de Witt die im sogenannten „goldenen Zeitalter“ spielt. Die Niederlande sind zwar sehr stolz auf diese Zeit, erlauben aber auch eine durchaus despektierliche Sicht! Weitere Comics sind von dem oben schon erwähnten Daan Jippes (Beterman, einer herrlichen Superheldenparaodie), Jesse van Muylwijck mit einer sehr spannenden Parodie eines Richters und Peter de Smet mit einer Geschichte des Generals sowie vielen weiteren lesenswerten Stories.
Besonders erwähnen möchte ich noch die Rubrik des „Strip Battles“. Zwei Teams erhalten die Möglichkeit zu einem vorgegebenen Thema eine Seite abzuliefern. Die Leser*innen dürfen dann voten, von wem sie mehr sehen möchten und das Gewinnerteam darf in den kommenden vier Ausgaben jeweils eine Story veröffentlichen. Natürlich sind auch die Gewinner der Battles der letzten Ausgaben vertreten. Meines Erachtens eine perfekte Möglichkeit für neue Teams bzw. Texter/Zeichner in einer Person!
Der gesondert gesicherte Strip ist dann erneut von Fred de Heij.
Abgerundet wird das Ganze mit News, Verkaufscharts und Werbung nicht nur für die großen Verlage.
Dazu passt The Men they couldn’t hang – Waiting for Bonaparte und ein Weizen oder noch besser ein Witbier.
Schon im 34. Jahrgang und mit einer hohen Verlässlichkeit zweimal im Jahr erscheint die Zeitschrift für Graphische LiteraturREDDITION aus dem hohen Norden. Sie stellt damit eine der wenigen Konstanten im Sekundärbereich über die Neunte Kunst dar. Wie immer ist die Ausgabe Schwerpunktthema-zentriert. Während es in der letzten Ausgabe noch um eine Ikone der Popkultur, nämlich Batman, ging, ist das Dossier dieser Ausgabe der argentinischen Comicliteratur mit einem besonderen Fokus auf Hector German Oesterheld gewidmet. Der Einblick wäre aber nicht komplett ohne Beiträge zu Alberto Breccia und Hugo Pratt sowie zu weiteren Vertretern dieser Zeit und Provenienz.
Während die Zeitschrift als solche auch im Laden und im Bahnhofsbuchhandel erworben werden kann, erhalten Abonnenten jeweils eine Zugabe: in diesem Fall ist es die kleinformatige deutsche Erstausgabe von „Guardia Nocturna“ von Oesterheld und Pratt aus Cero Extra 39 vom April 1961. Eine Leseprobe der Reddition findet sich auf den Seiten der Edition Alfons.
Diese Ausgabe ist bereits die dritte, die sich mit Comics aus Argentinien befasst. In den 25 Jahren seit den letzten beiden Nummern hat sich aber vieles getan und es sind neue Quellen aufgetaucht, so dass es sich keinesfalls um einen Aufguss handelt. Zudem ist Deutschland gerade dabei, Oesterheld und insbesondere den auf dem Titel abgebildeten Helden Eternauta zu entdecken.
Es ist schwierig, den argentinischen Comicmarkt ohne die politische Entwicklung dieses Landes zu betrachten. Waren Comics in den 50-er Jahren ein Massenprodukt und der Markt somit auch ein Magnet für ausländische, insbesondere italienische Autoren und Zeichner, änderte sich mit dem Militärputsch gegen Allende und der Diktatur alles. So zählt auch Oesterheld neben seinen vier Töchtern zu den ermordeten Opfern und seine Witwe war eine der Madres de Plaza de Mayo, eines Zusammenschlusses von Müttern der verschwundenen Kinder. Dankenswerter Weise wird dieser Bereich weder verschwiegen noch in ideologischer Weise benutzt und mit Dokumenten (u.a. einem Brief von Hergé an den Präsidenten Argentiniens) und Interviews der eigenen Bewertung der Unmenschlichkeiten zugeführt.
Daneben stehen aber gerade auch die Kunst und das Vorgehen Oesterhelds im Vordergrund. In einem Interview und einem von ihm verfassten Beitrag wird deutlich, wie seiner Meinung nach eine Geschichte entstehen muss und welche Schritte, welches Engagement und welche Begeisterung dafür notwendig sind, einen guten Comic zu erschaffen. Selten wird den Gedanken eines Künstlers so viel Raum gegeben! Und Oesterheld hat bewiesen, dass seine Herangehensweise erfolgreich ist: Sgt. Kirk, Ernie Pike und nicht zuletzt der bereits genannte Eternauta sind dafür leuchtende Beispiele.
In weiteren Artikeln werden Zeitgenossen vorgestellt: Der schwierige Alberto Breccia, Lopez, Munoz, Del Castilla, Pratt und nicht zuletzt Enrique Breccia. Dabei wird Wert darauf gelegt, nicht nur die 50-er und 60-er darzustellen sondern auch die Arbeiten für den englischen und amerikanischen Markt mit der gewohnt sorgfältigen und vielfältigen Dokumentation des Bildwerkes einzubeziehen.
Ich möchte jetzt nicht weiter auf die einzelnen Artikel eingehen um den Lesespaß nicht zu gefährden! Unbedingte Kaufempfehlung!
Dazu passt natürlich argentinischer Tango und Rotwein. Da der ganze Text aber nicht so schnell verdaut werden kann sollte es zwischendurch vielleicht auch das eine oder andere Glas Wasser tun.
Herausgeber: Gerhard Förster Verlag Abenteuer pur
Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,90 €
ISSN: n/a
Nach nur einer Ausgabe in 2017 ist im Mai die 238. Ausgabe der Sprechblase erschienen. Im nunmehr schon 43. Jahrgang bedient die Zeitschrift aus Österreich schon lange nicht mehr nur die Generation Lehning und die Wäscher-Fans sondern auch die Leser*innen klassischer Comics frankobelgischer Prägung und wagt immer wieder Schritte in die aktuelle Landschaft.
Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist Edouard Aidans, dem 10 Seiten gewidmet werden. Wie oft in der Sprechblase ist der gesamte Artikel auf mehrere Teile verteilt. Auf diesen ersten Seiten beschreibt Bernd Weckwert die Anfänge der Karriere des in Deutschland hauptsächlich durch die alten ZACK-Serien Tunga und Sven Janssen (Marc Franval im französischen Original) bekannten Zeichners und Texters bis zum Ende der 60er Jahre. Wie bei allen Comicschaffenden dieser Zeit ist die Biographie eng mit den verschiedenen Journalen wie Tintin, Spirou und Pilote verbunden und auch den Namen Greg wird man fast immer lesen. Das Layout der Beiträge mag manchmal etwas überladen daher kommen, ist aber einzig der Tatsache geschuldet, dass so viele Bilddokumente anders gar nicht präsentiert werden können.
Ebenfalls interessant für die mit dem ZACK aufgewachsenen Fans ist der dritte Teil der Veröffentlichung von Michel Vaillant Werbecomics.
Ein weiterer längerer Artikel beschäftigt sich mit den Hintergründen von Franquins Meisterwerk „QRN ruft Bretzelburg“. Dieser drittletzte Spirou-Band von André Franquin ist nicht nur der politischste sondern erschien auch mit einer 15-monatigen Pause in dem Wochenmagazin da Franquin nicht in der Lage war, weiterzuarbeiten. Welche Besonderheiten sonst noch in diesem Band zu entdecken sind beschreibt ebenfalls Bernd Weckwert.
Der im Vorläuferheft angekündigte zweite Teil des Artikels über Buffalo Bill musste krankheitsbedingt leider verschoben werden. Trotzdem kommt das Thema „Western“ nicht zu kurz. In mehreren Beiträgen werden Comics, eine Heftchenserie und Romanautoren vorgestellt. Daneben gibt es noch viel Bildmaterial speziell von Romancovermalern. Alle diese Themen werden in der typischen Sprechblasenweise abgehandelt: Liebevoll, detailreich und persönlich. Irgendwie wirken diese Artikel immer wie ein Besuch auf einem bisher nicht bekannten Dachboden voller Schätze und Fundstücke!
Auch die ursprüngliche Klientel wird bedient: Neben einem Interview mit Helga Wäscher über die alten Zeiten und den Leserbriefen gibt es wie immer das Harry-Magazin mit Besprechungen nicht nur von Comics, die sonst eher selten zu finden sind. In diese Richtung kann sicherlich auch der Artikel über die Gesamtausgabe der „Biber Patrouille“ eingeordnet werden.
Abgerundet wird das Heft durch zwei Disney-Beiträge über Don Rosa und die neue Hommage-Reihe sowie einen einordnenden Artikel über heimatliche (ASH, LDH und Verwandtes) und amerikanische (Thanos) Superhelden.
Wie immer kurzweiliger, informativer, interessanter und zum Schmunzeln anregender Lesespaß zu dem am besten eine Tasse Kaffee und irgendeine Swing oder Jazz Platte passt.