DC veröffentlicht unter dem Black Label Geschichten, die sich an ältere Leser*innen richten und sich nicht an die Kontinuität der Hauptserien halten müssen. Hier geht es nicht darum, jeden Monat ein neues Monster zu besiegen! Stories dürfen sich einem Motiv über eine längere Zeit widmen, die Tiefe ausloten und können somit neue Facetten in den altbekannten Held*innen, aber auch in den Gegner*innen ausloten. Harley Quinn startete ihre Karriere in der Animated-Series vor rund 25 Jahren, hat aber seitdem eine erstaunliche Entwicklung vom Side-Kick zum Star durchlebt. Das Psychogramm des Grauens ist laut Werbung ihre bisher düsterste Geschichte!
Jagd auf einen Mörder
In Gotham City geschehen ständig Morde. Auch hier ist es aber nicht üblich, dass Serienmörder ihre Taten inszenieren und Kunstwerke nachstellen. Harley Quinn arbeitet als Psychologin für das GCPD und hat ein eigenes Interesse an der Aufklärung dieser Morde, wurde doch ihre Mitbewohnerin zum Opfer. Auch Joker weiß, wer ihn verfolgt. Wie bisher auch springt die Story zwischen der Vergangenheit (auf farbigen Seiten) und der Jetztzeit (auf schwarz-weiß gehaltenen Seiten) hin und her.
Rund 7 Jahre liegen zwischen den ersten Ereignissen, die einen verwirrten jungen Mann aus Rache handeln lassen, und dem Heute, wo die Motivation der Obsession längst nicht mehr so klar ist. Kami Garcia schafft es im Gegensatz zu vielen anderen, Joker in gewisser Weise verständlich zu machen. Sein Kampf gegen missbrauchende Väter wird zwar mit den falschen Mittel geführt, hat aber einen akzeptierten Kern.
Auch seine Gegenspielerin verliert im Übrigen über die Jahre ihre Klarheit. War sie anfangs noch eindeutig auf der Seite von Recht und Gesetz nimmt auch bei ihr das Persönliche immer mehr Raum ein. Wie so oft definiert sich der Jäger über seine Jagdbeute. Wie weit muss man sich selbst dem Gejagten anpassen, um seine Spur nicht zu verlieren?
Berauschendes Artwork
Wie schon in den beiden ersten Bänden liefern Jason Badower und Mico Suayan ein beeindruckendes Artwork ab! Die sehr realistischen Bilder schaffen nur sehr wenig Distanz zwischen der Geschichte und den Betrachter*innen und das sehr abwechslungsreiche Layout verstärkt dieses noch. Da jede Seite anders aussieht als die vorangegangenen ist wenig Abstraktion durch ein Schema möglich.
Die in der Jetztzeit spielenden Szenen wirken durch das schwarz-weiße Grundmuster mit den wenigen farbigen Highlights noch eindringlicher. Oftmals „fehlt“ ja einfach nur die Kolorierung. Hier wurde dieser Schritt komplett durchgeführt, allerdings eben nur in Grautönen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die Geschichte nichts für Leser*innen ist, die im Dunkeln nicht in den Keller gehen. Die Masken des Joker wirken beängstigend und auch sonst sind Anklänge von Horror nicht zu verleugnen.
Ein Must-Have für die Gotham/Batman-Sammlung
Seien wir ehrlich: Nicht jede Geschichte aus dem Batman-Universum ist es Wert, mehrfach gelesen zu werden. Neben vielen guten Stories gibt es nur wenige, die in keiner Sammlung fehlen sollten, aber Joker/Harley gehört dazu! Spannend, innovativ, hervorragend gezeichnet und mit einem offenen Ende versehen erfüllt diese Geschichte alle Anforderungen an einen modernen Comic!
Zudem hat Panini gut daran getan, ausgewählte Werke aus dem Black Label in dem Überformat und sehr wertig zu präsentieren. Die Zeichnungen haben dadurch mehr Platz und auch die Covergalerie gewinnt natürlich. Im Übrigen ist das Psychogramm des Grauens natürlich auch für Nicht-Batman-Aficionados geeignet. Wer Spaß an Dexter, Blacklist oder ähnlichen Serien hat, kann hier sicherlich einen Blick riskieren! Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Variantausgabe.
Dazu passen The Linda Lindas und ein gekühlter Pinot Noir Rosé.
Manche Serien kommen mit vollem Karacho, überrollen einen fast und hinterlassen atemloses Erstaunen. Es gibt so viele Elemente, die ineinandergreifen, ein wahnwitziges Tempo und immer auch einen kleinen Nachhall der letzten Szene der erst kommt, wenn die nächste schon da ist. Insofern ist jede*r selbst schuld, die/der den Band nicht mindestens zweimal liest! Auf in den Kampf von Adventureman gegen Baron Bizarr:
Pulp Reloaded
Früher, als alles noch besser war, waren Geschichten noch voll mit echten Helden, bösen Bösewichten und klaren Verhältnissen. Leider war damals allerdings keinesfalls alles besser! Eine ganze Schar von -ismen tummelte sich in den Geschichten, die zudem teilweise so hanebüchen waren, dass die Leser*innen schon ein sehr übersteigertes Fluchtbedürfnis benötigten. Adventureman verknüpft die Unbekümmertheit der damaligen Zeit mit dem Wissen und dem Verständnis von heute.
Die Geschichte von Matt Fraction spielt auf zwei Zeitebenen: es gibt die literarische Vergangenheit von Adventureman und seiner Crew. In mehreren Abenteuern müssen sie sich mit ihren Feind*innen auseinandersetzen, um schließlich dann doch zu verlieren. Schon „damals“ ist die Truppe multiethnisch und divers. Daneben gibt es die heutige Re-Inkarnation in der Claire der oder besser die Adventureman ist. Die alleinerziehende Mutter, ihr Sohn und ihre sechs Adoptivschwestern treffen sich regelmäßig am Freitag zum gemeinsamen Essen bei ihrem Vater. Dieser führt die Tradition der Großmutter fort. Am Tisch reden alle durcheinander und stellen eine komplett chaotische, glückliche Patchworkfamilie dar.
Irgendwie schafft es die durch einen Unfall fast taube Claire als einzige in ihrer Umgebung Dinge zu sehen und gerät so in die Welt von Adventureman. Diese war keineswegs zerstört worden, hatte sich aber zwecks Rettung der Welt verstecken müssen. Erneut droht der Untergang der Welt und eine Mischung aus neuen und alten Recken stellt sich dem entgegen. Die Moral von der Geschicht: Vergesst bei aller Hektik das Lesen von Büchern nicht!
Eine volle Schüssel Popcorn
So geschwindigkeitsgetrieben wie die Story sind auch die Zeichnungen. Die Augen können sich gar nicht so schnell überall hinbewegen, wie sie sollten. Das Layout ist facettenreich, lebendig und trotzdem wirkt es manchmal verschnörkelt. Dadurch passen auch sowohl die aktuellen Straßenszenen auf dem flotten Roller als auch die Rückblicke in das gleiche Artwork! Die Figuren sind „pulp“-ig, die Klamotten auch schon mal zerrissen, die Körper aber modern und nicht dem Frauenbild von vor 100 Jahren entsprechend!
Terry Dodson kann hier alle seine Vorlieben ausleben und darf munter zwischen gekasteltem Layout und Splashpages hin und herschwingen und dabei überlappen, verschneiden, überspannen und ineinanderfließen lassen. Einige Puristen mögen jetzt verzweifeln und tatsächlich sieht man natürlich auch Einflüsse vom Animated Style. Hier passt aber alles zusammen.
Als Ergänzung gibt es nicht nur die Originalcover, sondern auch eine Art „Making-Of“ mit Hinweisen zur Geschichte dieses Werkes und Styleguides, Vorzeichnungen und Skizzen!
Top-Tipp
Mehr davon! Bitte!
Im Ernst, ein rasanter, humorvoller mit Vorurteilen spielender Comic, der Spaß macht. Er hat alle schönen Elemente des Pulps ohne den bösen Beigeschmack, ist super aufbereitet und dargeboten und verschafft an den Frühlingstagen, an denen das Wetter nicht mitspielt, trotzdem gute Laune!
Dazu passen Red Hot Chili Peppers mit „Black Summer“und ein großes Blubbergetränk.
Verschwörungstheorien sind in aller Munde. Es gibt Leute, die behaupten, dass verkleidete Reptilienwesen uns regieren, oder, dass Impfungen den Körper mit Fremdkörpern verunreinigen, die ihn „übernehmen“ und gefügig machen sollen. Daneben gibt es aber auch Populisten, die mit Fakenews Stimmung machen wollen und etwa von einer gestohlenen Wahl faseln. Schon Watchmen war eine zutiefst politische Serie, die viele Fragen gestellt hat. Tom King lässt seinen Spinn-Off Rorschach 35 Jahre später spielen und verknüpft die Themen sehr geschickt!
Der Wahlkampf
Die ganze Geschichte spielt in einer fiktiven USA. Robert Redford hat nach dem scheinbaren Angriff der Tintenfischmonster die Wahlen zum Präsidenten der USA gewonnen, den Krieg in Vietnam beendet und regiert seitdem ununterbrochen. Auch die jetzt anstehenden Wahlen scheinen ihm sicher zu sein. Sein Gegenkandidat, der erzkonservative Gouverneur Turley, muss sich etwas einfallen lassen. Ein als Rorschach verkleideter Comickünstler und seine als Cowgirl verkleidete Begleiterin werden bei einem Attentatsversuch auf Turley getötet, ein Ermittler wird von dem Opfer auf diese Tat angesetzt. Er glaubt, dass das FBI eine Verwicklung von Präsident Redford vertuschen werde.
Und tatsächlich scheinen immer mehr Indizien darauf hinzuweisen, dass die Tat ohne die Unterstützung von mächtigen, einflussreichen Stellen nicht möglich gewesen wäre. Die Beweise, die auf diese Spur hindeuten, sind gut versteckt und alle möglichen Zeug*innen sind verstorben. Doch die akribische und nicht gerade freundlich-gewaltfreie Arbeit des Ermittlers fördert ein Mosaiksteinchen nach dem nächsten hervor. Doch hinter jeder Schicht gibt es noch eine weitere.
Extrem spannender Politthriller, in dem King sämtliche Auswüchse der aktuellen (amerikanischen) Politlandschaft unterbringt. Unterhaltsam sind dabei die vielen kleinen Hinweise auf tatsächliche Ereignisse der letzten 35 Jahre, die hier anders stattgefunden haben. Watchmen sind ein dickes Brett und bei einer „Fortsetzung“ stellt sich immer die Frage des Verhebens. Hier bleibt als Kommentar aber nur ein „well done“!
Die grandiose Umsetzung
Die Handelnden in diesem Werk sind fast alle sehr vielschichtig. Sie präsentieren das Offensichtliche, das, was sie preisgeben wollen und haben darunter noch Verborgenes. Jorge Fornés schafft es, allen diesen Schichten graphisch ihren eigenen Raum zu geben. Dafür teilt er Seiten vertikal, spielt mit unterschiedlichen Grundtönen und lässt Träume und Visionen mit der Realität verschmelzen.
Die Bilder sind ursprünglich für ein viel kleineres Format gedacht gewesen. Umso erstaunlicher ist es, dass jede einzelne Seite auch in dieser Größe funktioniert und wirkt. Die Gesichter sind irgendwie hard-boiled-realistisch. Dadurch wirken sie einerseits US-typisch, erlauben aber trotzdem genug Tiefe, den Personen die Emotionen auch abzunehmen. Am besten gefallen mir die filmisch wirkenden Szenen, die quasi in Zeitlupe ablaufen.
Eine Serie für das Regal
Viele amerikanische Serien sind für den schnellen Konsum geplant und fabriziert. Im nächsten Jahr gibt es einen ähnlichen Nachfolger und dann wieder einen. Rorschach ist dagegen eine Serie, die man aufbewahren sollte, um sie von Zeit zu Zeit erneut zu konsumieren. Zurecht tauchte sie bei einigen Kolleg*innen bereits 2021 in der Jahresbestenliste auf. Jetzt, da sie mit diesem fantastischen Band ihr Ende gefunden hat, ist das umso mehr gerechtfertigt!
King spielt mit Verschwörungstheorien und Falschmeldungen. Er spielt sie gegeneinander aus und versucht jeweils Ross und Reiter zu nennen, indem er hinterfragt, wem die Information nutzen würde, wenn sie denn stimmen würde. Der Ermittler kann einem leidtun. Obwohl brutal und rücksichtslos, glaubt er doch an die Wahrheit und muss sich irgendwann entscheiden. Topp-Tipp!
Dazu passen Blaggers ITA mit „That’s where it ends“ und ein Whiskey Sour.
Oops, they did it again! Und wieder bringt der Taschen-Verlag ein rund 5 Kilo schweres XXL-Comic-Book heraus. Es gab unter anderem bereits Titel über das Golden und Silver Age, eine Chronik zum 90. Geburtstag von Mickey Mouse und das ultimative Kompendium über EC Comics. Nun startet eine neue Reihe, die Marvel Comics Library. Band 1 präsentiert einen der erfolgreichsten Charaktere des amerikanischen Comics, Spider-Man.
Update 17.08.2022: Dieses Buch hat gerade den 2022 Will Eisner Comic Industry Award for Best Publication Design gewonnen. comix-online gratuliert!
Die Anfänge von Spider-Man
Zunächst einmal dürfen David Mandel und Ralph Macchio den Netzschwinger in die Geschichte der Superheldencomics einordnen. Ersterer, in den Staaten ein renommierter Schreiber für Sit-Coms und TV-Shows und Super-Sammler, beschreibt seine eigenen Erfahrungen beim ersten Lesen der Stories als 13-jähriger und „eröffnet“. Macchio war von 1996 an fast 10 Jahre verantwortlich für die Spider-Man Titel und kommt daher vom Fach. Er beschreibt sehr ausführlich und faktenreich die Geschichte des Helden. Den Comic hatte es eigentlich gar nicht geben sollen, er war zu anders als die damalige Marvel-Linie, zu jugendlich, zu unheldisch, zu Real-Life-orientiert.
Glücklicherweise hatten sich Stan Lee und Steve Ditko davon allerdings nicht abhalten lassen als sie den jugendlichen Peter Parker erfanden. Er war ein unscheinbarer, etwas nerdiger Schüler mit allen Alltagsproblemen der Teenager: zu wenig Geld, von Mädchen kaum beachtet, schmächtig. Als er nach dem Biss einer radioaktiv verseuchten Spinne seine neuen Kräfte realisierte, wollte er sie zunächst auf Jahrmärkten verwenden. Erst der gewaltsame Tod seines Onkels und das Wissen, dass er es hätte verhindern können, machen ihn zu einem Kämpfer für die Gerechtigkeit und gegen das Böse.
Zu diesem Setting passen die Tatsachen, dass seine Flamme Peter ignoriert, Spidey aber anhimmelt, sein Boss Jonah Jameson Peters Fotos von Spider-Man kauft, um Artikel gegen den Maskierten zu bebildern, aber auch, dass die Gegner keine Aliens sind. Gerade für Jugendliche wurde Peter Parker somit eine Figur, in die sie sich hineinflüchten konnten.
Die Besonderheiten
Die Feinde der ersten Jahre waren so brillant, dass die meisten von Ihnen über Jahrzehnte hinweg Parkers Leben schwer machten. Es waren die menschlichen Aspekte, die sie so beliebt machten: nicht perfekt, nicht beliebt, irgendwie begabt, aber gleichzeitig gestört. Dazu kam, dass die Geschichten in New York angesiedelt waren, einer existierenden Stadt und der Möglichkeit, im Urlaub bestimmte Schauplätze aufzusuchen.
Und noch ein weiterer Schachzug machte sich bezahlt: Auch DC, der größte Verlagskonkurrent, hatte Annuals im Programm, allerdings waren die dicken Extrahefte typischerweise mit Nachdrucken gefüllt. Das erste Spider-Man Annual brachte eine 40-seitige, neue Geschichte mit gleich sechs Erzfeinden (The Sinister Six), gemeinsam agierenden Superhelden und zusätzliche noch kurze Geschichten „aus dem Alltag“. Da dieses Heft im Sommer publiziert worden war, hatte jede*r Jugendliche genügend Zeit, das Heft (mehrfach) zu verschlingen.
Vor allem die Sprache ist anders als in den „normalen“ Comicheften der damaligen Zeit. Hier gab es weder Hochsprache noch Kauderwelsch. Spidey redete wie ein Teenager und Stan Lee „sprach“ mit seinen Leser*innen. Beides war fantastisch neu und erfolgreich!
Die große Verantwortung aufgrund von großen Kräften
Wer große Kräfte sein eigen nennt, muss auch akzeptieren, dass daraus große Verantwortung erwächst. Dieser Leitsatz wird – so erwähnt es das Vorwort – viel zu oft missverstanden als ob das zweite quasi automatisch aus dem ersten folge. Gemeint ist aber, dass mit einer Kraft bedachte aktiv dafür kämpfen müssen, Verantwortung für ihre Kräfte und den richtigen Einsatz zu übernehmen. Die Fähigkeit, Atomwaffen herzustellen oder Gentechnik anzuwenden, befreit die Wissenschaftler*innen nicht davor, über den Einsatz sorgfältig nachzudenken.
Lee und Ditko waren nicht immer einer Meinung über ihre Schöpfung. Ditko glaubte daran, dass der Reiz der Serie gerade darin liege, dass Parker falsche Entscheidungen treffen könne, die ständige moralische Keule mit der Verantwortung vielleicht eine Nummer zu groß sei. Im Endeffekt war er es, der die Serie verließ. Bis dahin allerdings haben die beiden einen grandiosen Run hingelegt, der in diesem ultragroßen Prachtband erneut abgefeiert wird!
Die ersten Jahre: Der Reprint von Lee/Ditko – The Amazing Spider-Man
Bevor wir mit der ersten Spider-Man-Serie beginnen können, muss natürlich die Initiation erfolgen: Amazing Fantasy # 15! Peter Parker wird gleich auf der ersten Seite von seinen Mitschüler*innen als einziges professionelles Mauerblümchen der High School eingeführt. Er ist schüchtern, nerdy und bringt Wunsch und Wirklichkeit nicht wirklich übereinander, kurzum: er ist ein typischer männlicher Teenager. Nachdem er von einer radioaktiv verseuchten Spinne gebissen worden war, erkennt er, dass er plötzlich Spinnenkräfte besitzt. Zunächst mit einer einfachen Maske, schnell aber schon mit einem Spinnenkostüm beginnt er, auf dem Rummel Geld zu machen.
Schon der zweite Teil in eben dieser ersten Ausgabe lässt ihn allerdings einen schweren Schicksalsschlag erleiden: Sein Onkel Ben wird von einem Gangster erschossen. Hätte Peter seine Kräfte nicht für Varieté-Vorstellungen verschwendet, hätte er ihn vielleicht retten können.
Nun ist die Bühne bereit für die eigene Serie: Amazing Spider –Man. Der Held ist weder außerirdischen Ursprungs noch Besitzer eines riesigen Vermögens. Er ist ein Junge mit Problemen in der Schule, hat gerade einen Todesfall in der Familie verkraften müssen und muss erkennen, dass seine Tante, bei der er lebt, Schmuck versetzt, um essen und Miete bezahlen zu können. Die öffentliche Meinung ist gespalten. Besonders der Daily Bugle möchte den maskierten Helden enttarnen und sogar festsetzen. Pikanterweise arbeitet der Held in seiner richtigen Identität für eben diese Zeitung.
Fast 60 Jahre sind vergangen
So ganz glaubt Marvel noch nicht an den neuen Helden, denn schon in der ersten Nummer kommt es zu einem Unterstützungs-TeamUp mit den Fantastischen Vier. Allerdings schreibt die Serie auch Geschichte, denn mit den Superschurken des ersten Jahres muss sich Spider-Man teilweise noch heute auseinandersetzen: Das Chamäleon, der Geier, Dr. Oktopus aber auch Mysterio, der Grüne Goblin und viele andere kreuzen seinen monatlichen Weg.
Peter bleibt dabei verhaftet in seinen Rollen als unbeliebter Teenager und bewunderter Superheld. Sein Arbeitgeber will Fotos um Spider-Man zu vernichten, die Flamme von den Fantastischen Vier liebt die Auseinandersetzung nur mit dem Maskierten und Mary Jane liebt Spider-Man fast mit der gleichen Inbrunst, mit der sie Peter Parker verachtet.
Alles hat ein Ende! Hier kam es als Stan Lee beschlossen hatte, die Serie in ein neues Setting zu überführen und Parker die High School beenden zu lassen. Steve Ditko verließ die Serie daraufhin. Spider-Man ist ein Top Umsatzbringer geblieben. Die Ansiedlung in der Realen Welt (New York), die Bodenständigkeit des Charakters, der Dialog-Witz bilden nach mittlerweile fast 60 Jahren immer noch Bestandteile des (neudeutsch) USP der Serie.
Der Prachtband
In diesem Prachtband können wir aber feststellen und erneut genießen, warum das alles so gekommen ist. Einerseits sprechen natürlich die Comics für sich! Die Idee war genial! Das Überformat ermöglicht es aber auch, festzustellen, wie Ditko die Eigenarten grafisch umgesetzt hat. Die Kampfszenen zeigen teilweise den Netzschwinger von unten und damit in einer unbekannten Dynamik (vgl. Seite 15 von Return oft he Green Goblin). Außerdem ermöglichen die Leser*innenseiten ein Verständnis der direkten Reaktionen. Dies betrifft nicht nur die Briefe, sondern auch die Antworten des Teams darauf.
Noch mehr Einblick in die Welt des Kostümierten bietet einerseits das erste, superdicke Annual, das die Hauptgegner detailliert vorstellt, andererseits der Abdruck der nicht kolorierten Seiten aus Amazing Fantasy 15!!
Mit seinen fast 5 Kilogramm Gewicht ist der Band nicht für das abendliche Lesen im Bett geeignet! Er wird aber nicht nur im Regal Eindruck machen, sondern als coffee-table book auch zum Blättern verleiten! Vielleicht verschafft er einem ja auch ein wenig benötigte Zeit und beschäftigt den Besuch für eine Weile. Wer das nicht möchte, wird das Prachtstück in seinem speziell designten Pappkarton lassen wollen.
Selbstverständlich ist die erste Auflage weltweit auf 5000 Stück limitiert und wird auch nur auf Englisch vertrieben. Wer es ein wenig exklusiver haben möchte, greift zur Collector’s Edition! Ab Februar werden 1000 Stück des in Kunstleder gebundenen und mit eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint versehenen Buches im Schuber verkauft werden. Da dies erst der Anfang der Marvel Comics Library ist, kann bei dieser Ausgabe die Nummer für die Folgebände reserviert werden.
Eindeutig das „Comeback des Jahres“ von 2021 – noch nie wurden die Anfänge der wichtigsten Marvel-Helden besser präsentiert!
Dazu passen Six Pence non the richer und ein der Wertigkeit angemessener Bordeaux.
Das Black Label ist die Spielwiese bei DC für Titel, die aus dem normalen Rahmen fallen. Sei es, dass ein*e Autor*in mehr Freiheiten bei der Ausarbeitung der Figuren benötigt und nicht an die jahrzehntelange Kontinuität gebunden sein möchte, sei es, dass eine Miniserie mehr Aufmerksamkeit bekommen soll. The Watchmen war vor rund 35 Jahren ein Meilenstein für amerikanische Comics. Die Menschheit war drauf und dran, sich selbst zu vernichten und Dr. Manhattan hatte eine imaginäre Bedrohung durch Tintenfischmonster geschaffen, um sie gegen die äußere Bedrohung zu vereinen. Dabei waren nicht nur unzählige Menschen gestorben, Manhattan hatte auch einige Superheld*innen, darunter Rorschach, getötet, um seinen Plan nicht zu gefährden.
Verschwörungstheoretiker und die Planung für einen Mord
In Band 1 war ein Mordanschlag auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten gerade noch verhindert worden. Die zwei Attentäter*innen waren erschossen worden. In Band 2 war derjenige mit der Maske des vor 35 Jahren getöteten Rorschach als Comiczeichner William Myerson identifiziert worden. Seine Komplizin hatte ihn überzeugt, dass er eine Wiedergeburt des Helden sei und mit ihr gegen die Tintenfischmonster kämpfen müsse, die eine erneute Invasion planen würden.
Gleichzeitig versucht das überlebende Anschlagsopfer beweisen zu lassen, dass Präsident Robert Redford auf dem Weg zu seiner fünften Amtszeit für das Attentat verantwortlich ist. Der von ihm eingesetzte Ermittler befragt nun sowohl die Zeichnerkollegen Frank Miller und Otto Binder, als auch andere, die den beiden geholfen haben.
Tom King vermischt dabei auf grandiose Weise Realität, etwa wenn Frank Miller verantwortlich ist für die Rückkehr eines alten Piratencomichelden, der das Genre revolutioniert hat, und Fiktion, in der Myerson ein total verschrobener Mensch war, der sich kaum zum Einkaufen aus dem Haus getraut hat, gleichzeitig aber ein gefeierter Comiczeichner und Szenarist war. Leider vermischen sich Realität und Fiktion auch bei der Gewaltbereitschaft der Verschwörungstheoretiker*innen. Sind es Tintenfische im Comic, bietet die Realität stattdessen angebliche Mikrochips in Impfungen oder satanistische Rituale in Kellern von Pizzerien.
Die vielschichtige Story zeigt einerseits das vollkommen abgedrehte, selbstbezogene Denken der Aktivist*innen, aber auch die Details ausblendende Unterstützung von Anderen. Warnsignale wie Schießübungen, Verkleidungen, psychotische Verhaltensweisen werden ignoriert, umgedeutet oder sogar geleugnet. Das passiert „in echt“ leider auch.
Kulturpessimismus und Gewalt
Die Zeichnungen von Jorge Fornés unterstützen diese pessimistische Sichtweise. Der Ermittler prügelt die Informationen aus seinen Verdächtigen heraus, sieht aber seinerseits die Idiotie nicht, sondern versucht sichtbar immer verkrampfter die gewünschte Wahrheit der Beauftragung zu finden.
Die Vernehmungen laufen über einen Großteil in drei parallelen Reihen über die Doppelseite und ergeben ein Mosaik aus Farben, Szenen und Inhalten, die unterschiedlich gelesen werden können. Sehr nette Idee! Neben den kleinen verschachtelten Details sind aber auch immer wieder größere Abbildungen eingestreut. Und natürlich gibt es immer mal wieder eine Sequenz aus einem Piratencomic.
Großartige Miniserie mit aktuellem Inhalt
Rorschach ist aus mehreren Gründen absolut empfehlenswert: Zunächst ist es eine moderne, gelungene Interpretation des Watchmen-Stils. In amerikanischen Mainstream-Comics ist zudem die aktuelle Tagespolitik mit allen ihren Verschwörungstheorien, der Möglichkeit, an angeordnete Anschläge im (US)-Wahlkampf zu denken und der Radikalisierung der Spinner nicht gerade häufig.
Zuletzt ist Rorschach aber auch davon völlig losgelöst eine spannende Krimi-Serie, die die Frage stellt, warum die Täter*innen etwas gemacht haben. Das übergroße Format überfordert die Zeichnungen nicht und die Aufmachung als Hardcover unterstreicht die Besonderheit. Das Black Label ist nichts für Kleinere; teilweise ist die Gewalt zu explizit, hier sind die Bezüge zur Realität vielleicht nicht nachzuvollziehen. Für alle anderen aber der Beweis, dass US-Mainstream innovativ sein kann.
Dazu passen The Angelic Upstarts (R.I.P.!) und ein Lagavulin.
Die Geschichten unter dem Black Label versprechen immer einen Genuss. Weder müssen sie sich einreihen in eine jahrzehntelange Tradition und Zielgruppendefinition und können es sich dementsprechend nicht mit Traditionalist*innen verderben. Noch müssen sie ein Erfolgsmodell auf eine unbestimmte Zeit in der Zukunft ausdehnen. Nein, sie dürfen frech, fokussiert, innovativ erzählen ohne Rücksicht auf alles Andere. Nicht einmal zeitlich sind sie gebunden. Und manchmal bekommen sie sogar ein Überformat spendiert. Zu Band 1.
Sozusagen ein Generationenroman
Der Joker ist ein verkannter Künstler, der zum Kriminellen und Massenmörder geworden ist. Batman war zwar sein Erzfeind, hat es aber nie wirklich geschafft, den Joker auszuschalten. Er war immer nur zeitweise im Arkham Asylum und konnte dann seine Schandtaten fortsetzen.
Phantom war eine Freundin von Bruce Wayne/Batman, wurde aber zu seiner Gegnerin, weil Batman sich weigerte, den Joker endgültig zu vernichten. Ihr Kampf forderte allerdings die falschen Todesopfer.
Catwoman war eine Kriminelle, die gut wurde und schließlich sogar Bruce ehelichte. Trotzdem gab es immer auch eine Beziehung zwischen ihr und dem Joker. Schließlich tötete sie ihn sogar.
Harley Quinn vergötterte ihren Mistah J und möchte nun Rache für dessen Tod.
Und dann gibt es auch noch Helena, die Tochter von Bruce Wayne und Selina Kyle, die nun das Bat-Kostüm trägt.
Spannende Figuren, die in diesem 12-Teiler miteinander agieren und in den sich an Weihnachtsliedern orientierenden Kapiteln über drei verschiedene Zeitebenen hinweg umeinander her tanzen.
Held*innen in allen Altersstufen
Tom King vermag es wie kaum ein anderer die Stimmungen von Catwoman einzufangen und zu beschreiben: verspielt, schmusig oder kratzbürstig! Clay Mann ist genau der richtige, um diese Stimmungen zu visualisieren.
Selten sehen wir gealterte Held*innen. Hier spielen sie die Hauptrolle und geben damit ein ganz anderes Flair als die Hauptserie in der die Figuren seit Jahrzehnten, mal abgesehen von den Origin-Stories, das gleiche Alter haben. Actiongetriebene und eher ruhige Szenen wechseln sich ab und lassen von Zeit zu Zeit Raum für eine ganzseitige Illu. Sehr gut gelingt auch die Integration der Songtexte in die jeweiligen Kapitel.
Bekannte Motive, ganz anders verknüpft
Der Reiz des Black Labels ist das Ungewohnte. Alle Bestandteile sind bekannt, die Zusammensetzung aber völlig neu und teilweise eben auch unerwartet. Dass Bats und Cat tatsächlich geheiratet haben ist nur eine Traumrealität und somit enthält sie glückliche Momente wie alpartige Sequenzen. In Batman/Catwoman wirbeln die beiden beliebtesten DC-Figuren umeinander und schaffen selbst oder aber reflektiert durch ihre Fremdwahrnehmung dramatische Konstellationen.
Die Entscheidung, diese Reihe als überformatige Hardcover zu präsentieren, war richtig! Einerseits ist damit der Abstand zur regulären Erzählung noch größer, andererseits wirken die Zeichnungen so besser. Ich glaube nicht, dass viele Leser*innen dieser Geschichte in die normale Serie wechseln werden. Andererseits sollten aber alle, die nur noch manchmal zu Batman greifen, hier einen wohlwollenden Blick riskieren!
Harley Quinn ist eine der wenigen Heldinnen aus dem DC-Universum, die eine breitere Bekanntheit erlangt hat. Dazu haben natürlich vor allem die Verfilmungen beigetragen aber auch im Comic-Bereich wird sie sehr vielschichtig dargestellt. Sie ist die Komplizin des Joker, seine Gegnerin, Polizeipsychologin, eine kriminelle Verrückte und das alles gleichzeitig. Was läge also näher als auch das „neue, parallele“ Batman-Universum des Weissen Ritters mit ihr zu bevölkern?
Harley Quinn auf Mörderjagd
Sean Murphy hat sich seine eigene Batman-Welt geschrieben. In Der Weisse Ritter ist der Joker gestorben, nachdem er Gotham umgekrempelt hatte. Bruce Wayne hat sich geoutet und sitzt wegen seines Rachefeldzuges als Batman hintern Gittern. Ohne Superhelden keine Superschurken und die so schlimm gebeutelte Stadt scheint endlich zur Ruhe gekommen zu sein.
Langweilig? Genau! Und deswegen erschüttert eine neue Mordserie die Stadt: ein Serienmörder scheint es auf alte Filmstars angesehen zu haben. Und nun wird plötzlich Harleen Quinzel angefragt. Eigentlich hatte sie nie wieder für das GCPD arbeiten wollen, hat auch mit ihren Zwillingen und ihren zwei Hyänen genug zu tun. Ablehnen kann sie aber trotzdem nicht.
Das Setting ist aus den letzten Bänden mittlerweile bekannt und bedarf keiner Einführung mehr. Sean Murphy kann also direkt loslegen und baut nur ein paar Rückblicke ein um auch Neueinste iger*innen mitzunehmen. Dieser Band aus dem Black Label ist humorvoll, ja, sogar witzig, spannend und sehr eigenständig. Natürlich sind die Grundzüge der handelnden Akteur*innen bekannt, die Details aber sind neu!
Leicht nostalgisch angehauchte Zeichnungen
Katana Collins setzt die Vorgaben im Rahmen der US-Vorgaben gut um. Der Stil richtet sich eher an etwas jüngere Leser*innen, macht beim Gesicht der Heldin sogar leichte Anlehnungen am Manga, passt damit aber auch genau zu der anvisierten Zielgruppe. DC muss sich und seine Superheld*innen verjüngen, wenn es nicht untergehen will. Das kann man mit der Brechstange versuchen, klappt dann aber meistens nicht nachhaltig. Oder man macht es wie Murphy und Collins!
Die Zeichnungen schwanken zwischen Realismus und Karikatur und haben alle so etwas wie einen Grauschleier der gut zu dem Setting und den alten Filmstars passt.
Eine gefällige Interpretation!
Tja, alles richtig gemacht würde ich sagen. Der Ballast von Jahrzehnten ist bei dem Black Label per se abgeräumt. Murphys Harley ist eine moderne junge, alleinerziehende Frau, die weiß, was sie will. Sie hat ihre Probleme mit dem Alltag, hat mit ihrer Vergangenheit auch abgeschlossen, lässt sich aber nicht von Regeln beschränken. Und so kann sie wieder in ihr altes Kostüm schlüpfen ohne dass es konstruiert wirkt.
Dazu modern erzählt, ironisch und erfrischend gezeichnet, wie eine Frischzellenkur für das in die Jahre gekommene Modell. Natürlich druckt Panini auch wieder ein paar Variantcover ab und bietet Informationen zur Vorgeschichte und den Künstler*innen. Geeignet für Harley- wie auch für Batman-Fans und vor allem für solche, die nicht seit hunderten von Ausgaben dabei sind!
Dazu passen Alice Cooper und ein Mango Aperol Spritz.
Jedes Jahr im September feiern DC und die Partnerverlage den Batman-Tag! Neben einem Gratis-Comic (über euren Lieblings-Comic-Shop) und ein paar anderen Give-aways werden zu diesem Tag oftmals auch ganz besondere Batman-Titel auf den Markt gebracht. Der 2021-er Titel Batman – The World bietet dabei in verschiedenen Ausgaben abgeschlossene Geschichten von lokalen Teams.
Vierzehn mal „vor Ort unterwegs“
Das Spektrum dieser Stories fängt stilistisch beim Manga an, geht über schwarz-weiße, fast schon konzeptartige Zeichnungen über realistische bis hin zu den gewohnten Panels. Die Batman Inkarnationen treten zu verschiedenen Zeiten auf und spielen teilweise mit ihrem Mythos. Ihnen allen gemein ist aber, dass Künstler*innen mit einem Bezug zu einem bestimmten Land, meistens der Geburt, eine vor Ort spielende Geschichte geschrieben und gezeichnet haben.
Die Texter*innen und Zeichner*innen sind dabei häufig vor Ort sehr bekannt, haben aber nicht unbedingt auch international einen Ruf erworben. Qualitativ sind alle Beiträge durchaus beachtenswert! Beiträge kommen aus den USA, Mexiko und Brasilien, Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Polen und Tschechien, der Türkei und Russland, sowie Südkorea, China und Japan. Nicht alle haben bereits Erfahrungen mit amerikanischen Superheld*innen.
Spannend ist zu sehen, wie die jeweiligen Teams die Essenz von Batman herausarbeiten und doch unterschiedlich darstellen. Der gute Held, der Beschützer, muss ganz unterschiedliche Herausforderungen meistern und trifft durchaus auf bekannte Gegner, muss sich aber auch mit Korruption, Ignoranz oder Magie auseinandersetzen. Das deutsche Team Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant (Gung Ho) lässt die Fledermaus etwa in den Alpen auf den Joker treffen und verwendet dabei sehr nervöse, gemalte Bilder.
Viele nette Ideen
Batman war bisher nicht als Franchise-Produkt bekannt. Schon mit der Interpretation durch Enrico Marini wurde das aufgeweicht und The World geht noch mal einen Schritt weiter. Für die Leser*innen bedeutet das mehr Vielfalt, bringen die einzelnen Länder doch jeweils ganz eigene Vorstellung von „Superschurken“ ein. Außerdem zeigen einzelnen Geschichten auch, dass Erwartungen an Held*innen sich mit der Zeit ändern können und sich nicht auf Jungs beschränken müssen. Der Beitrag aus Russland wäre daher auch einer der beiden Anlesetipps.
Der andere kommt aus Japan und besingt das hohe Lied der freien Presse, das niemals laut genug gesungen werden kann! Sicherlich positiv ist das Fehlen eines wirklich schlechten Beitrages. Im Normalfall hat jede Kurzgeschichtensammlung den einen Beitrag, der es besser nicht in die Auswahl geschafft hätte.
Für Fans und Gelegenheitsleser*innen
Wie immer werden die freien Seiten bei Panini mit redaktionellen Beiträgen und Illustrationen gefüllt. Insbesondere die biographischen Hinweise sind sehr nützlich, da die meisten der deutschen Wikipedia komplett unbekannt sind. Neben der regulären Ausgabe gibt es noch eine limitierte Hardcover Variante für 30 und eine streng limitierte Premium-Variante für 49 €.
Dazu passen Take a Stand von Los Fastidios mit Fotos von internationalen Aktionen gegen Rassismus und ein ebenfalls multinationales Heineken.
Die Meisterdiebin hat sowohl die geplatzte Hochzeit mit Batman überlebt als auch ihr selbstgewähltes Exil in Villa Hermosa. Selbst der Joker War ist vorüber. Es wird also Zeit, sich wieder auf ihre Ursprünge zu konzentrieren.
Revierkampf in Gotham
Gotham ist ein Moloch. Die Stadt besteht aus den unterschiedlichsten Vierteln, die alle ihre eigene Geschichte haben und mit unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert sind. Catwomans Geschichte startete in Alleytown. Hier entwickelte sie sich von der kleinen Straßendiebin zu der Ikone, die sie heute ist, und hierhin will sie zurückkehren. Ihre alte Basis, das Nest, existiert noch, zu sagen haben aber andere. Waffen und Drogen haben das Revier überschwemmt und verändert und Selina hat gleich mehrere Schachten zu schlagen.
Zunächst einmal geht es darum, die jugendlichen Kleinkriminellen auf Linie zu bringen. Wollen sie plumpe Gangmitglieder und Räuber werden oder bleiben, die nur darauf warten, erschossen zu werden? Oder wird es ihr gelingen, aus ihnen ein Team von Dieb*innen zu formen, die füreinander einstehen, zusammen agieren und sich gegenseitig schützen?
Außerdem muss sie sich natürlich auch gegen die etablierten Platzhirsche durchsetzen. Niemand gibt seine eroberten Gebiete kampflos ab und die heutigen Methoden sind wesentlich brutaler und endgültiger als zu früheren Zeiten. Die Waffen einer Katze basieren dabei meistens auf List, Finten und Täuschungen und lesen sich daher sehr spannend. Ach ja, es gibt neben den üblichen Gegnern auch noch einen unheimlichen Auftragsmörder, Peter Valley, und einen altbekannten Cop, der seine Niederlage nicht ertragen kann und deshalb ebenfalls nach Gotham gewechselt ist. Gute Storyline von Ram V.
Action und Eleganz
Wie immer bei Catwoman-Stories haben die Zeichner*innen neben den Action-Szenen die Aufgabe, katzenhafte Eleganz der Bewegungen umzusetzen. Die Heldin ist keine Bewegungslegasthenikerin, sondern drückt perfekte Körperspannnung, Eleganz und fast ein wenig Hochmut aus. Insbesondere Blanco gelingen diese fließenden Bewegungen gut. Seine Selina sieht auch in einem Sessel sitzend so aus, als ob sie alles unter Kontrolle hat. Natürlich funktioniert diese Seite nur dadurch, dass die anderen zwar durchaus kräftig sein können, auch machtbewusst. Ihnen allen fehlt aber die Haltung, die erkennen lässt, dass sie gewinnen werden.
Eine Ausnahme dazu bildet der fanatische Killer Pater Valley. Er glaubt an seinen Sieg und daran, dass er Ort und Zeit bestimmen kann. Gelungen! Ebenfalls gut gemacht ist die Darstellung der Alleytown-Kids: anfangs noch ruppig und auf die Waffe vertrauend, im Grunde aber überängstlich, werden die Jugendlichen immer sicherer, stabiler und selbstbewusster.
Nicht nur für Superheld*innenfans
Oft sind die traditionellen Serien von Marvel und DC sehr eingefahren in ihrem Genre. Catwoman ist eine der wenigen Ausnahmen. Einerseits passt sie in die Kategorie „starke Frau“, Crime-Fans finden hier ihre Themen adressiert und schließlich ist auch die Mafia-Story nicht weit entfernt. Daneben werden natürlich auch die traditionellen Batman und Catwoman- Leser*innen bestens bedient. Gute und für dieses Genre sehr vielseitige Unterhaltung eben.
Die deutsche Ausgabe bei Panini bietet wieder ein paar einführende Worte und Kurzbios der beteiligten Künstler, die regulären Cover von Joëlle Jones und ein paar Variant-Abbildungen.
Dazu passen Bite Me Bambi mit “Our Lips Are Sealed” und ein Scavi & Ray Secco auf Eis.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass in der regulären Batman-Serie die Hochzeit der Fledermaus mit Catwoman angekündigt worden war. Selina hatte diese allerdings dann doch abgesagt um Gotham weiterhin die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Beschützers zu lassen und sich aus Gotham verzogen. Unter dem Black Label ermöglicht DC alternative Geschehnisse und so haben hier die beiden tatsächlich geheiratet und Tom King darf erzählen, was er vorher nur angedeutet hatte.
Auch Helden sterben
Die Geschichte springt dabei über mehrere Zeitebenen. Einerseits sind der Detektiv und die geläuterte Diebin ein glückliches Ehepaar und gönnen sich ein paar Extrasekunden bevor sie sich wieder ihrem Alltag widmen. Vornehmlich geht es dabei um das verschwundene Kind einer früheren Verehrerin von Bruce Wayne. Es scheint entführt worden zu sein und irgendwie ist – natürlich – der Joker darin verwickelt.
Auf einer zweiten Ebene werden Kleinkriminelle brutal hingerichtet. Ein neuer Killer scheint in der Stadt zu sein; er hinterlässt aber weder Spuren noch bekennt er sich öffentlich zu den Taten oder einem Motiv.
Und schließlich macht sich eine gealterte Frau mit einer Katze als Begleitung auf, einen alten Mann in seiner Residenz aufzusuchen. Beide scheinen eine gemeinsame Vergangenheit zu haben, doch Bruce Wayne ist es nicht. Dieser ist nämlich bereits seit einiger Zeit verstorben.
Tom King spielt auf allen Ebenen geschickt mit (seinem eigenen) Batman-Mythos und den nur hier erlaubten Veränderungen. Und das ist es, was das Black Label so interessant macht: kleine Veränderungen können ein komplett anderes Licht auf Ereignisse werfen, lassen Charaktere plötzlich interessant oder banal werden und erlauben Twists, wo es sonst immer nur weiter geht. Früher gab es in länger laufenden TV-Serien immer die eine „Weihnachtsfolge“, die anders war. Genau so kann man sich das hier auch vorstellen. Irgendwie ist alles bekannt aber eben doch anders. Nur darf sich King hier 9 Folgen Zeit nehmen.
High Quality in XL
Clay Mann darf hier einerseits großflächig die Liebe und die Vertrautheit zwischen zwei Kämpfer*innen darstellen und damit etwas untypisches abliefern. Er braucht aber weder auf die Kampfszenen und die teils idealisierte Brutalität noch auf die ruhigen, investigativen Momente zu verzichten, denn durch die ineinander verwobenen Zeitstränge hat alles seinen Platz. Dabei stimmt vom Dekor über die Architektur der Gebäude und Stadtschluchten bis zu den figürlichen Darstellungen alles.
Das XL-Format (21 x 32 cm) erlaubt einzelnen Seiten fast, als Illustration hinter Glas präsentiert zu werden. Das würde allerdings erfordern, sich den Titel doppelt zuzulegen. Das Tempo der Geschichte wechselt von sehr ruhig hin zu Bildfolgen, die Szenen quasi in Zeitlupe zeigen. Ebenfalls gelungen ist das Altern der Figuren: Es werden glaubwürdige Prozesse gezeigt, schließlich handelt es sich bei diesen Protagonist*innen nicht um Superwesen.
Hohe Erwartungen erfüllt
Die gegenseitige Anziehung zwischen Batman und Catwoman ist schon seit Jahrzehnten ein Thema dieser Serie. Fast hätten sie es bis zur Hochzeit geschafft, die aus dramaturgischen Effekten eigentlich nur zur Scheidung oder zum tragischen Tod hätte führen können. In dieser Alternativwelt durften die beiden ein Leben miteinander verbringen, das spannend genug für eine Miniserie ist, nicht aber weitere Jahrzehnte tragen muss. King und Mann liefern einen spannenden Einstieg in eine Dreiecksgeschichte, die das hohe Niveau des Hochzeitsalbums aufnimmt. Zudem ist die Mischung aus Spannung und Romance vielleicht auch ein Weg, verloren gegangene Leser*innen wieder zu begeistern.
Neben der regulären Ausgabe, die bereits im XL-Format und als Hardcover daherkommt, gibt es auch noch eine auf 555 Exemplare limitierte Variant-Ausgabe mit einem anderen Cover für Sammler*innen.
Dazu passen Lollypop Lorry (I won’t let you go) und ein gut gekühlter Chardonnay.